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  • · Fachbeitrag · Behandlungsvertrag

    Was ist bei der Behandlung von Minderjährigen in der Zahnarztpraxis zu beachten?

    von Univ.-Prof. Dr. Dr. Ludger Figgener, Münster

    | Bei der zahnärztlichen Behandlung von Minderjährigen bestehen einige Unsicherheiten - beim Abschluss des Behandlungsvertrags genauso wie bei den Fragen, an wen die Aufklärung überhaupt gerichtet werden muss und unter welchen Voraussetzungen eine Einwilligung rechtswirksam ist. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Aspekte hierzu aufgezeigt. |

    Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit

    Minderjährige unter 7 Jahren können aufgrund ihrer Geschäftsunfähigkeit (§§ 104, 105 BGB) überhaupt keinen Behandlungsvertrag abschließen; dieser muss vielmehr mit den gesetzlichen Vertretern a- im Normalfall sind dies die Eltern - geschlossen werden. Nach dem 7. Geburtstag bis zum Tag der Volljährigkeit mit 18 besteht eine beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 BGB). Der mit einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen geschlossene Behandlungsvertrag ist nur bei vorheriger Einwilligung oder nachträglicher Genehmigung der gesetzlichen Vertreter wirksam.

    Was tun, wenn ein Elternteil oder das Kind allein erscheint?

    Erscheint das Kind in Begleitung seiner gesetzlichen Vertreter zur Behandlung, so kommt in aller Regel der Vertrag mit beiden zustande. Das Gleiche gilt, wenn nur ein Elternteil das Kind begleitet. Dann wird nach § 1357 BGB auch der andere Elternteil im Rahmen angemessener Deckung des Lebensbedarfs (Unterhalt und Fürsorge) verpflichtet.

     

    Erscheint das Kind allein zur Behandlung, so kann gleichwohl der Vertrag mit den gesetzlichen Vertretern zustande kommen, wenn das Kind als Bote der Eltern anzusehen ist. Je nach dem Einzelfall kann dies aus Äußerungen des Kindes, früherem Verhalten der Beteiligten oder der erkennbaren Interessenlage geschlossen werden.

     

    PRAXISHINWEIS |  Auf der rechtlich sicheren Seite bewegt sich der Zahnarzt, wenn er sich schriftlich oder telefonisch Klarheit darüber verschafft, mit wem der Behandlungsvertrag zustande kommen soll - vor allem vor schweren Eingriffen oder aufwendigen Maßnahmen. Dies sollte er anschließend dokumentieren.

     

    Wer muss aufgeklärt werden, wer kann wirksam einwilligen?

    Ein weiterer, rechtlich höchst bedeutsamer Aspekt der Minderjährigen-Behandlung ergibt sich aus der Frage, wer Adressat der Aufklärung und Träger der Einwilligungsbefugnis ist. Anders als für den Abschluss des Behandlungsvertrages ist diese Frage nicht unter Zugrundelegung der eindeutigen gesetzlichen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit zu beantworten. Die Einwilligung in eine Behandlung ist nämlich keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Die Befähigung zur Entgegennahme der Aufklärung und zur Abgabe der Einwilligung ist daher auch nicht mit der Geschäftsfähigkeit des BGB identisch, sondern hängt von der geistigen und sittlichen Reife und mithin von der natürlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten ab. Dafür lässt sich keine feste Altersgrenze definieren.

     

    Bei unter 14-Jährigen liegt selten Einwilligungsfähigkeit vor

    Unter 14 Jahren, der Grenze der strafrechtlichen Schuldfähigkeit des Kindes nach dem Strafgesetzbuch, wird man eine rechtswirksame Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen in aller Regel als nicht gegeben ansehen. Aufklärungsadressaten und Zustimmungsträger sind dann die gesetzlichen Vertreter. Je weiter sich der Minderjährige hingegen auf dem Weg zur Volljährigkeit befindet, desto eher kann man von seiner Einwilligungsfähigkeit ausgehen - natürlich unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten, der Bedeutung und Tragweite der geplanten Behandlung sowie ihrer Risiken und Auswirkungen auf das weitere Leben.

     

    Im Zweifel auf Nummer Sicher gehen

    Inwieweit die Einwilligung des dazu fähigen Minderjährigen ausreicht, oder ob neben deren Vorliegen gleichwohl auch die der gesetzlichen Vertreter einzuholen ist, wurde bislang von der Rechtsprechung offen gelassen. Auch hier gilt analog die oben bereits ausgesprochene Empfehlung, dass sich der vom Minderjährigen konsultierte Zahnarzt in Zweifelsfällen an die Eltern bzw. gesetzlichen Vertreter wenden sollte - insbesondere vor risikobehafteten oder in sonstiger Weise für das weitere Leben bedeutsamen Maßnahmen.

    Die Eltern stimmen zu, der Sohn widerspricht: Was nun?

    Schwieriger ist die Lage, wenn der einwilligungsfähige Minderjährige widerspricht, seine Eltern der Behandlung jedoch zustimmen. Soll der eigene Wille des urteilsfähigen Minderjährigen berücksichtigt werden, so ergibt dies nur einen Sinn, wenn dieser Wille konsequenterweise auch im Falle des Widerspruchs als verbindlich angesehen wird. Entsprechend sollte sich der Zahnarzt verhalten. Dies gilt jedenfalls so lange, wie nicht eine absolut indizierte Behandlung infrage steht, deren Unterlassung zu erheblichen, für den jungen Patienten aufgrund seiner mangelnden Lebenserfahrung noch nicht abschätzbaren Risiken für sein weiteres Leben führen kann.

     

    Beim noch nicht selbst entscheidungs- und einwilligungsfähigen Minderjährigen müssen grundsätzlich beide Eltern zustimmen. Es kann allerdings ein Elternteil den anderen ermächtigen, für ihn mitzuhandeln. Davon kann der Zahnarzt in normalen Routinefällen auch ausgehen. Er kann also den mit dem Kind erschienenen Elternteil aufklären und sich die Zustimmung geben lassen. Vor schwerwiegenden Behandlungen mit bedeutsamen Risiken sollte sich der Zahnarzt hingegen der ausdrücklichen Zustimmung auch des anderen Elternteils versichern, um späteren Missverständnissen vorzubeugen. Zur Beweissicherung im Fall eines Rechtsstreites sollten auch hier entsprechende Vermerke Eingang in die Dokumentation finden.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 20 | ID 42410451