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  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Der praktische Fall: Ein Behandlungsfehler, zwei Klagen - zweimal zahlen?

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de

    | Begeht ein Zahnarzt einen Behandlungsfehler, können Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen auf ihn zukommen. In einem aktuellen Fall sieht sich ein Zahnarzt, der wegen Fehlern bei einer Implantatversorgung u. a. bereits zur Zahlung von Schmerzensgeld an seine Patientin verurteilt worden ist, obendrein noch einer nachgeschobenen Klage von deren Privatversicherung auf Rückerstattung der Behandlungskosten ausgesetzt. Doch ist eine solche Doppelbestrafung überhaupt zulässig? |

    Der Praxisfall

    Nach einer missglückten Implantatbehandlung wurde ein Zahnarzt von seiner Patientin auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro sowie die Feststellung verklagt, dass er verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr in Folge der Behandlung entstanden sind. Auf die Möglichkeit, auf Rückzahlung der bereits gezahlten Behandlungskosten in Höhe von 25.000 Euro zu klagen, verzichtete sie, obwohl sie davon ausging, dass die Implantat-Versorgung völlig unbrauchbar war.

     

    Vor einem niedersächsischen Landgericht bekam sie weitgehend Recht. Das Gericht kam 2014 zu dem Ergebnis, dass die Patientin die vom Zahnarzt eingesetzten Implantate im Unterkiefer wieder entfernen lassen müsse; für die Implantate im Oberkiefer stehe eine Entfernung noch infrage. In jedem Fall seien für Unter- und Oberkiefer neue Suprakonstruktionen erforderlich. Die mit diesen Behandlungsmaßnahmen verbundenen Kosten seien auf mehrere Behandlungsfehler des Zahnarztes zurückzuführen - und für diese müsse er in Zukunft auch aufkommen. Jedoch wären die Beschwerden seiner Patientin zumindest teilweise auch dann entstanden, wenn er keine Behandlungsfehler begangen hätte. Deshalb reduzierte das Landgericht die Schmerzensgeldforderung von 25.000 auf ca. 6.000 Euro.

     

    Der Zahnarzt und dessen Berufshaftpflichtversicherung kamen den Verpflichtungen aus dem Urteil nach. Seine Annahme, dass er sich mit der Angelegenheit erst dann wieder auseinandersetzen müsste, wenn seine frühere Patientin ihre Schadenersatzansprüche aus der noch nicht abgeschlossenen Folgebehandlung realisieren will, erwies sich jedoch als falsch. Stattdessen wurde er Anfang Januar 2016 erneut wegen des gleichen Behandlungsfalls verklagt, diesmal von der privaten Krankenversicherung seiner Patientin. Diese verlangt von ihm den Ersatz der Behandlungskosten in Höhe von 25.000 Euro, die sie der Patientin für die fehlerhafte Behandlung erstattet hatte.

     

    Käme die Versicherung damit durch, würde das bedeuten, dass der Zahnarzt zweimal für denselben Behandlungsfehler einstehen müsste. Er müsste dann also seiner früheren Patientin den Schaden erstatten, der auf seine Behandlungsfehler zurückzuführen ist, und er würde sein Honorar aus der vorangegangenen Behandlung verlieren. Im Ergebnis müsste er also voll für die zahnmedizinisch indizierte Implantatversorgung der Patientin aufkommen - und der Versicherung sowie der Patientin würden keine Kosten entstehen.

    Die Rechtslage bei unbrauchbarer Zahnbehandlung

    Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage, ob ein Patient bei einer erfolglosen und für ihn unbrauchbaren Zahnbehandlung sowohl den Ersatz der Behandlungskosten als auch die Beseitigung der Mängel verlangen kann, bereits befasst. Danach hat der Patient ein Wahlrecht:

     

    • Er kann von seinem Zahnarzt die Freistellung von den Behandlungskosten verlangen, wenn dessen Dienstleistung für ihn aufgrund eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist.
    • Er kann die Beseitigung der Mängel geltend machen - und dafür ggf. auch die Dienste eines anderen Zahnarztes in Anspruch nehmen.

     

    Der Anspruch auf Freistellung von den Behandlungskosten besteht aber nicht neben dem Anspruch auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten, sondern nur alternativ dazu (OLG Oldenburg, Urteile vom 12.8.2015, Az. 5 U 27/15, vom 27.2.2008, Az. 5 U 22/07 und vom 5.9.1995, Az. 5 U 75/95).

    Konsequenzen für den Praxisfall

    In dem Praxisfall ist der Zahnarzt bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts dazu verurteilt worden, seiner früheren Patientin sämtliche Kosten der Mängelbeseitigung zu erstatten, die auf seine Behandlungsfehler zurückgeführt werden können. Die Patientin hat hier also die Mängelbeseitigung gewählt.

     

    Würde ein solches Wahlrecht fehlen, könnte sich die private Krankenversicherung der Patientin von ihrer Verpflichtung zur Erstattung medizinisch notwendiger Behandlungskosten nach § 1 Abs. 2 Musterbedingungen der Krankheitskostenversicherung (MB/KK) entziehen. Sie müsste dann gar nicht mehr zahlen, obwohl hier die Behandlung medizinisch notwendig war.

     

    Die MB/KK sind hier eindeutig - und somit kann sich der Zahnarzt, zumindest was die Klage der privaten Versicherung angeht, beruhigt zurücklehnen. Diese dürfte mit ziemlicher Sicherheit scheitern. Schließlich hat die Versicherungsnehmerin Mängelbeseitigung gewählt - und somit entfallen etwaige Ansprüche auf Erstattung der Behandlungskosten. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass sie diese Ansprüche an die Versicherung abgetreten hat.

     

    FAZIT | Zahnärzte haften für von ihnen verschuldete Behandlungsfehler grundsätzlich sowohl auf Schadenersatz als auch auf Schmerzensgeld. Diese Haftung kann jedoch nicht soweit führen, dass die Versicherung des geschädigten Patienten aus dem Fehler des Zahnarztes Vorteile ziehen kann, indem sie für eine zahnmedizinisch indizierte Behandlung letztlich nicht aufkommen muss.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 6 | ID 44064536