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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Abmahnung wegen Verspätung ‒ keine Rabattmarken sammeln, sofort gelbe Karte zeigen!

    von RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

    | Nicht immer verläuft ein Arbeitsverhältnis störungsfrei. Bei kleineren Versäumnissen des Mitarbeiters können Sie jedoch nicht direkt kündigen, sondern müssen erst eine Abmahnung aussprechen. Diese ist erforderlich, um dem Mitarbeiter klarzumachen, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung drohen kann. Sprichwörtlich zeigen Sie ihm die „gelbe Karte“. Dass Sie dies direkt tun müssen, und dass es bei Abmahnungen keinen „Mengenrabatt“ gibt, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln (Urteil vom  20.10.2022, Az. 8 Sa 65/22). |

     

    Sachverhalt

    Dem Kläger wurden am 24.03.2021 drei Abmahnungen erteilt, die jeweils den Vorwurf einer verspäteten Arbeitsaufnahme enthielten: am 06.01. um 6:32 Uhr statt um 6:00 Uhr, am 09.02. um 22:29 Uhr statt um 22:00 Uhr und am 14.03. um 7:17 Uhr statt um 6:00 Uhr. Am 15.07.2021 kam er erneut 40 Minuten zu spät, sodass am 16.08.2021 ein Personalgespräch stattfand. Am 25.08.2021 erfolgte die fristgerechte Kündigung. Wie die Vorinstanz erachtete das LAG die Kündigung für unwirksam.

     

    Entscheidungsgründe

    Eine Kündigung kann verhaltensbedingt sein, wenn der Mitarbeiter seine Pflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung künftig nicht mehr zu erwarten ist und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung über die Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar ist. Wiederholte Verspätungen trotz einschlägiger Abmahnungen können als Pflichtverletzung im Einzelfall zur Kündigung berechtigen.

     

    Dennoch war die Kündigung hier nicht verhältnismäßig; es hätte vor ihrem Ausspruch einer weiteren (einschlägigen) Abmahnung bedurft. Dies ergab sich aus der geringen Schwere der Pflichtverletzung und dem Umstand, dass die ersten Verspätungen zunächst ohne Reaktionen blieben und erst nach der dritten Verspätung vom 14.03. dem Kläger am 24.03. drei Abmahnungen zeitgleich übergeben wurden. Die Kündigung wurde dann erst aufgrund des nächsten Verspätungsfalls am 15.07. ausgesprochen. Hier hätte der Arbeitgeber eine weitere Abmahnung als Warnung aussprechen müssen, um dem Arbeitnehmer eine „zweite Chance“ einzuräumen, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen.

     

    PRAXISTIPP | Wenn einer Ihrer Beschäftigten seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, müssen Sie direkt (d. h. ohne schuldhaftes Verzögern) reagieren. Als Faustformel gelten 14 Tage nach der Pflichtverletzung. Lesen Sie zum Thema auch den Beitrag „Fristlose Kündigung auch bei geringfügigem Arbeitszeitbetrug möglich“ in ZP 11/2022, Seite 3.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 3 | ID 49506632