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  • 03.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133773

    Amtsgericht Aachen: Urteil vom 08.10.2013 – S 13 KR 32/13

    Dieses Quellenmaterial (z. B. Original-Urteil) wurde bereits bei dem Gericht bzw. der Behörde angefordert, es liegt uns aber noch nicht vor.

    Bitte versuchen Sie es in wenigen Tagen erneut.


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten einer privatärztlich erbrachten CMD-Kieferorthopädie-Behandlung in Höhe von 4.358,32 EUR.

    Die am 00.00.0000 geborene Klägerin leidet an einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD), einer Erkrankung des Kau- und Schlucksystems. Nach zahlreichen Behandlungen seit 2006 durch Zahnarzt, Kieferorthopäde, Kieferchirurg mit Kiefergelenksoperationen in 2010 und 2011, Physiotherapeut, Logopäde, Psychotherapeut und Schmerztherapeut stellte sie sich im Jahre 2012 bei Dr. S., einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarzt, vor, erstmals am 22.03.2012. Nach einer eingehenden Beratung an diesem Tag und zwei weiteren Erörterungs-/Beratungsterminen am 08. und 10.05.2012 erstellte Dr. S. am 19.05.2012 einen privatärztlichen Behandlungsplan; am selben Tag nahm er eine Abformung beider Kiefer vor, erstellte eine Fotografie und nahm weitere Untersuchungen sowie eine klinische Funktionsanalyse vor. Nach einer weiteren Beratung am 24.05.2012 führte Dr. S. am 26.06.2012 eine Occlusil-XH-Bissnahme durch. Bereits am 30.03.2012 hatte ein Zahnlabor dem Zahnarzt Dr. S. für die Behandlung der Klägerin u.a. ein Modell aus Superhartgips und am 31.05.2012 ein weiteres Modell aus Hartgips sowie die Basis für ein Einzelkiefergerät geliefert und das dafür angefallene Material sowie die durchgeführten Arbeiten in Rechnung gestellt.

    Am 25.06.2012 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die CMD-Kieferorthopädie-Behandlung unter Vorlage des privatärztlichen Heil- und Kostenplans (HKP) von Dr. S. vom 22.05.2012.

    Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 03.07.2012 ab mit der Begründung, Dr. S. sei kein zugelassener Kieferorthopäde, könne nicht mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen und habe einen privaten Behandlungsplan erstellt; eine Behandlung bei Dr. S. zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen sei nur im Ausnahmefall möglich, wenn vor Behandlungsbeginn ein Antrag gestellt und diesem zugestimmt worden sei. Eine Zustimmung könne jedoch nicht erfolgen, da es ausreichend vertraglich zugelassene Kieferorthopäden gebe.

    Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 zurück.

    Dagegen hat die Klägerin am 04.01.10213 Klage erhoben. Sie hat verschiedene Stellungnahme und Schreiben von Dr. S. vorgelegt, auf die sie ihr Klagebegehren stützt. Dr. S. habe festgestellt, dass die in der Vergangenheit zu Lasten der Beklagten durchgeführten Behandlungen die Zähne falsch ausgerichtet und die desolate gesundheitliche Situation verursacht hätten; die seit 2006 durchgeführten Maßnahmen hätten zu keiner Verbesserung, vielmehr zu weiteren Schäden geführt; der Hauszahnarzt Dr. T. und der Kieferorthopäde Dr. U. hätten sich keinen Rat mehr gewusst, sie hätten nichts mehr für sie tun können. Die Klägerin meint, es habe bei ihr ein Notfall vorgelegen, nämlich eine dringende Behandlungsbedürftigkeit, ohne dass ein Vertragsarzt rechtzeitig zur Verfügung gestanden hätte. Nachdem die Klägerin zunächst die Auffassung vertreten hat, die Behandlung bei Dr. S. habe am 22.03.2012 begonnen, hat sie im letzten Schriftsatz gemeint, der Behandlungsbeginn sei nicht am 22.03.2012 gewesen; zu diesem Zeitpunkt seien lediglich Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden, die sie noch nicht gebunden hätten und die zudem erforderlich gewesen seien, damit die Beklagte überhaupt in die Lage versetzt werden konnte, über den Antrag entscheiden zu können. Es gehe vorliegend nicht nur um die Kiefergelenksbeschwerden, sondern um eine komplexe Erkrankung des Craniums, der Halswirbelsäule und von Reizungen des Rückenmarks sowie um die Auflösung der Kiefergelenke. Die Klägerin meint, das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) habe versagt; in solchen Fällen, in denen allgemein anerkannte Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stünden, bestehe Anspruch auf eine Behandlung wie die durch Dr. S ... Auch wenn es sich bei dessen Behandlung um eine neue, nicht anerkannte Behandlungsmethode handele, weil sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht anerkannt sei, stehe dies einem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen; Dr. S. habe inzwischen mit Schreiben vom 31.07.2013 die CMD-Kieferorthopädie als neue Fachdisziplin bei der Zahnärztekammer angemeldet. Die Klägerin hat Rechnungen und Zahlungsbelege für die Zeit vom 22.03.2012 bis 30.06.2013 über entstandene Kosten von 4.358,32 EUR vorgelegt.

    Die Klägerin beantragt,

    die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 zu verurteilen, ihr die durch die CMD-Kieferorthopädie-Behandlung bei Dr. S. bis 30.06.2013 entstandenen Kosten in Höhe von 4.358,32 EUR zu erstatten und sie von den Forderungen des Dr. S. hinsichtlich der weiter anfallenden Kosten dieser Behandlung freizustellen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Sie weist erneut darauf hin, dass Dr. S. kein Vertragsarzt ist, seine CMD-Kieferorthopädie-Behandlung keine in der GKV anerkannte Behandlungsmethode ist und die kieferorthopädische Erkrankung der Klägerin einer (anerkannten) Behandlung durch Kieferorthopäden, die Vertragsärzte sind, zugänglich sei.

    Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das Gericht eine schriftliche Auskunft von Dr. S. vom 16.08.2013 eingeholt, auf die verwiesen wird.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die kieferorthopädische Behandlung der CMD durch Dr. S. entstanden sind.

    Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) scheidet aus, weil die Klägerin das in dieser Vorschrift geregelte Kostenerstattungsverfahren ersichtlich nicht gewählt hat. Einzige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Diese Vorschrift lautet: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

    Bei der streitigen Behandlung handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (LSG NRW, Urteil vom 20.12.2012 - L 1 KR 276/11 - unter Hinweis BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R). Dies war bei der Klägerin im Frühjahr 2012 nicht der Fall. Der Anlass der Behandlung bei Dr. S. war nicht ein kurz zuvor aufgetrenntes Ereignis; vielmehr hatten sich ihre Beschwerden seit 2006 über viele Jahre hinweg nach und nach entwickelt. Schon ihrem eigenen Vortrag ist zu entnehmen, dass weder eine unmittelbar beginnende Behandlung erforderlich geworden, noch ein Abwarten bis zu einer Entscheidung durch die Beklagte nicht zuzumuten gewesen wäre. Auch der tatsächliche Geschehensablauf spricht gegen eine unaufschiebbare Leistung: die Klägerin stellte sich erstmals im März 2012 bei Dr. S. vor, der privatärztliche HKP wurde im Mai 2012 erstellt, erste Maßnahmen durch ein Zahnlabor und Dr. S. erfolgten im März und Mai 2012. Auch Dr. S. hat in seiner Auskunft vom 16.08.2013 dargelegt, dass zunächst eine extrem aufwändige Erfassung der langen Vorgeschichte notwendig war und verschiedene Testungen im Rahmen einer funktionellen Vororientierung durchgeführt werden mussten, bevor mit der eigentlichen CMD-Kieferorthopädie begonnen werden konnte. Eine unaufschiebbare Leistung war daher ersichtlich nicht gegeben.

    Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V sind nicht erfüllt. Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger ("zu Unrecht") Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang ("dadurch") zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (LSG NRW, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 01.04.2010 - B 1 KR 114/09 B - und Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre, und die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet wurde. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 03.07.2012 war nicht ursächlich für den Anfall der Behandlungskosten. Die Klägerin hatte mit der Behandlung bereits begonnen, bevor die Beklagte die Leistungserbringung mittels Bescheid abgelehnt hatte und auch bevor sie überhaupt nur durch den Kostenübernahmeantrag vom 25.06.2012 mit dem Leistungsbegehren befasst worden war. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist im Regelfall die Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplan als Beginn der Behandlung anzusehen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Behandlungsplan nicht in angemessenem zeitlichem Abstand nach seiner Aufstellung umgesetzt wird (LSG NRW, a.a.O., unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25.03.2003 - B 1 KR 17/01 R - und Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97). Die Behandlung der Klägerin begann, wenn nicht bereits am 22.03.2012, dem ersten Beratungsgespräch, dann jedenfalls und spätestens am 19.05.2012. An diesem Tag wurde nicht nur der schriftliche HKP aufgestellt, sondern bereits eine Abformung beider Kiefer für Situationsmodelle, eine Profilfotografie einschließlich kieferorthopädischer Auswertung und eine klinische Funktionsanalyse einschließlich Dokumentation durchgeführt. Dr. S. hatte zu diesem Zeitpunkt auch bereits Aufträge an ein Zahnlabor erteilt; dieses lieferten am 30.03.2012 und 31.05.2012 Modelle aus Hartgips und berechnete die dafür durchgeführten Arbeiten. Am 26.06.2012 erfolgte noch eine Occlusil-XH-Bissnahme bei der Klägerin. All diese Maßnahmen und Daten ergeben sich aus den von Dr. S. und dem Zahnlabor erstellten Rechnungen, die die Klägerin vorgelegt hat. Auch wenn, wie Dr. S. dies in seiner Auskunft vom 16.08.2013 darstellt, diese Maßnahmen nur der Vorbereitung der "eigentlichen CMD-Kieferorthopädie" dienten, besteht für die Kammer kein Zweifel, dass sie schon Bestandteil des Gesamtbehandlungskonzepts waren, wie es sich aus dem privatärztlichen HKP vom 22.05.2012 ergibt. Hat aber die Behandlung spätestens am 19.05.2012 begonnen, so fehlt es an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung des Leistungsantrags und der durch Selbstbeschaffung entstandenen Kosten, weil der Antrag erst vom 27.06.2012 und die Ablehnungsentscheidung vom 03.07.2012 datieren.

    Unerheblich ist, dass die Behandlung zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung noch nicht abgeschlossen war, vielmehr bis heute noch weiter andauert. Denn die Entscheidung der Krankenkasse war nicht mehr geeignet, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. Mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung war das weitere Vorgehen endgültig festgelegt, wie sich aus dem ausführlichen, am 19.05.2012 aufgestellten HKP ergibt. Deshalb fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung der Klägerin auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin durch Dr. S. nach dessen HKP ist als zusammenhängender Komplex zu sehen, sodass der Kausalzusammenhang auch für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erbrachten Leistungen zu verneinen ist (LSG NRW, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Urteile vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R).

    Unabhängig von der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V auch deshalb nicht erfüllt, weil die Beklagte die Leistungen nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V). Die zahnärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn,- Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehören die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Die Klägerin hatte zu Beginn der Behandlung bei Dr. S. bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Allerdings kann in Ausnahmefällen für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert, eine kieferorthopädische Behandlung zu Lasten der GKV durchgeführt werden (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V). Gem. § 29 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen und Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen vorliegen. Dabei sind auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§ 29 Abs. 4 SGB V). In Erfüllung dieser gesetzlichen Vorgaben hat der G-BA die so genannten "Kieferorthopädie-Richtlinien" erlassen. Danach liegen schwere Kieferanomalien im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V vor bei angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, skelettalen Dysgnathien und verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen (vgl. Abschnitt B. Ziffer 4. und Anlage 3 der Richtlinien). Diese Kriterien sind bei der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag und den über sie vorliegenden Arztberichten nicht erfüllt. Die CMD unterfällt nicht den in den Richtlinien des G-BA aufgeführten Kieferanomalien, die den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen. Es kommt auch nicht darauf an, ob der bei der Klägerin bestehende Befund einen vergleichbaren Schweregrad aufweist wie eine der beschriebenen Kieferanomalien. Die Aufzählung in § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V i.V.m. den Kieferorthopädie-Richtlinien des G-BA ist abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgeers (LSG NRW, a.a.O., unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - sowie die Beschlüsse vom 20.06.2005 - B 1 KR 20/04 B - und vom 19.07.2004 - B 1 KR 2/04 BH -, desweiteren auf die Bundestags-Drucksache 12/3608, S. 79). Der umfassend geregelte altersbezogene Leistungsausschluss des § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gilt grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben. Aus diesem Grund bestehen Ansprüche der Versicherten weder bei Folgeerkrankungen noch im Hinblick Art oder Ursache der zu behandelnden Kieferanomalie (LSG a.a.O.). Im Hinblick darauf ist es auch unerheblich, dass es sich bei der CMD-Kieferorthopädie-Therapie nach Dr. S. um eine so genannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, die grundsätzlich einer Anerkennung durch den G-BA nach § 135 SGB V bedarf.

    Zuletzt hat die Beklagte den Kostenübernahmeantrag auch deshalb nicht zu Unrecht abgelehnt, weil der die Klägerin behandelnde Dr. S. kein zur vertragsärztlichen Versorgung in der GKV zugelassener Leistungserbringer ist. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V können Versicherte unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Ein Notfall lag jedoch, wie oben dargelegt, nicht vor. Die Beklagte hat dargelegt, dass zur Behandlung der kieferorthopädischen Erkrankung der Klägerin eine Vielzahl von Ärzten/Zahnärzten, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für die bei der Klägerin vorliegende CMD. Auf der Internetseite des "CMD-Dachverband e.V." (www.cmd-dachverband.de) werden 62 Zahnärzte bzw. Kieferorthopäden und weitere 7 Ärzte aufgelistet, die Mitglieder des CMD-Dachverband e.V. und CMD-Behandler sind. Dabei fällt auf, dass Dr. S. als Mitglied des CMD-Dachverband e.V. nicht aufgeführt ist.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.