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  • · Liquiditätssicherung

    Liquiditätsengpässe rechtzeitig erkennen, beziffern und gegensteuern

    Bild: ©mohamed hassan - pixabay.com

    von Stephan Goblirsch, betriebswirtschaftliches Rechenzentrum für Zahnärzte (BRZ), Münster, goblirsch-gruppe.de

    | Der Lockdown hat gezeigt, welch zentrale Rolle die Liquidität in der Praxisführung spielt. Die nach dem drastischen Leistungseinbruch im April aktuell sichtbare Erholung sollte aus Unternehmersicht lediglich als Atempause betrachtet werden. Sie gilt es zu nutzen. Der Lockdown ist sehr wahrscheinlich nur ein Verstärker eines schon länger laufenden rezessiven Prozesses. Die wahren wirtschaftlichen Folgen, auch auf die Liquidität, liegen wohl noch vor uns. Fehlende Liquidität führt umgehend zu Störungen. Sie zu sichern, ist daher eine Unternehmensaufgabe ersten Ranges. Es gilt, Engpässe so früh wie möglich zu erkennen, zu beziffern und gegenzusteuern. |

    Liquiditätssicherung ist der Blick nach vorn

    Mit Liquidität ist Zahlungsfähigkeit gemeint ‒ also die Fähigkeit, seinen finanziellen Verpflichtungen vollumfänglich und jederzeit nachkommen zu können. Illiquidität (Zahlungsunfähigkeit) ist gesetzlich sanktioniert und bedeutet oft das wirtschaftliche Aus eines Unternehmens. Davon zu unterscheiden ist die temporäre Zahlungsstockung.

     

    Im Zusammenhang mit der Sicherung der Zahlungsfähigkeit sind einzig und allein die heute und zukünftig zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel relevant. Das Ziel der Liquiditätssicherung ist es, jetzt und in Zukunft seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.

     

    MERKE | Rückwärtsgerichtete Liquiditätsbetrachtungen ‒ wie sie z. B. die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) oder der Jahresabschluss liefern ‒ sind im Zusammenhang mit der Liquiditätssicherung unbrauchbar. Oder sogar gefährlich, suggerieren sie doch ggf. eine trügerische Sicherheit. In Sachen Liquiditätssicherung gilt immer der Blick nach vorn!

     

    Notwendige Voraussetzung für die dauerhafte und nachhaltige Sicherung der Liquidität ist ein rentabler Leistungsprozess. Andere Quellen wie Rücklagen, Kredite etc. sind entweder zeitlich begrenzt, von fremden Entscheidungen oder vom Zufall abhängig und damit nicht ausreichend zuverlässig. Hinzukommen muss die Ausgabendisziplin.

    Früherkennung von Liquiditätsengpässen

    Je früher ein Liquiditätsengpass erkannt wird, umso mehr Zeit steht zur Verfügung, den Engpass zu beheben. Der Zeitfaktor ist hier entscheidend.

     

    Ist der Finanzbedarf bekannt, kann ein sich anbahnender Liquiditätsengpass über den Abgleich mit der Leistungsentwicklung frühzeitig erkannt werden. Mithilfe geeigneter Werkzeuge lässt sich sogar die Höhe der Liquiditätslücke recht gut im Vorhinein ermitteln. Die erforderlichen Maßnahmen können damit zielgenauer ausgerichtet werden.

     

    Für die Früherkennung von Liquiditätsengpässen müssen vier Schritte durchgeführt werden.

     

    Schritt 1: Ermittlung des Finanzbedarfs

    Ausgangspunkt zur Ermittlung des Finanzbedarfs sind die im Praxis- und Privatbereich zu deckenden Ausgaben. Dabei ist zwischen fixen und variablen Größen zu unterscheiden.

     

    Der Finanzbedarf lässt sich per Mindesthonorarumsatz-Kalkulation ermitteln. Hier eine vereinfachte grafische Darstellung:

     

    Bild: IWW Institut

    Der Mindestfinanzbedarf entspricht in diesem Beispiel dem Mindesthonorarumsatz (Umsatz exklusive Durchlaufposten wie z. B. Fremdlabor) in Höhe von 367.000 Euro p. a.

     

    Bei einem unterstellten durchschnittlichen Honorarumsatz je Patient von rund 167 Euro wird dieser Honorarumsatz erreicht, wenn 550 Patienten im Quartal behandelt werden. Im Folgenden werden Honorar und Leistung synonym verwendet.

     

    Werden unter diesen Bedingungen rund 750 Patienten je Quartal behandelt, beträgt die Honorarleistung 500.000 Euro p. a. Der Finanzbedarf läge bei 400.000 Euro. Die Ausgaben wären gedeckt und der so entstandene Überschuss beläuft sich auf 100.000 Euro.

     

    Schritt 2: Turnusmäßiger Soll/Ist-Abgleich der Leistungsentwicklung

    Die Honorarumsatz-Ziele (Leistungsumsatz-Ziele) werden in das folgende Schema übertragen.

     

    Bild: IWW Institut

    Die gestrichelte Linie für „Ziel_1“ repräsentiert das Mindestleistungs-Ziel von 367.000 Euro. Als „Ziel_2“ ist die Marke von 500.000 Euro definiert. Ziel_1 und Ziel_2 sind hier die Soll-Werte. Die im Zeitablauf erbrachte Leistung (= Ist-Werte) wird wöchentlich oder monatlich erfasst (senkrechte Säulen) und mit den Soll-Werten abgeglichen. Wird die Linie zu Ziel_1 nicht erreicht, so ist dies das eindeutige Signal für einen drohenden Liquiditätsengpass und Handlungsbedarf ist angezeigt.

     

    Ab KW 15 liegt die Leistung in diesem Beispiel unter dem Mindestwert. Bis KW 39 beträgt die aufgelaufene Deckungslücke rund 17.000 Euro. Sie wird zeitverzögert auf den Konten wirksam. Diese Deckungslücke gilt es auszugleichen.

     

    Selbstverständlich ist der Praxisinhaber angetreten, das Ziel_2 oder auch mehr zu erreichen und an den sich daraus ergebenden Überschüssen zu partizipieren. Erstes und wichtigstes unternehmerisches Ziel ist aber die Existenzsicherung und damit zunächst Ziel_1.

     

    Dies ergibt sich aus der folgenden einfachen Logik: Wird das Ziel_2 einmal oder auch mehrmals nicht erreicht, bekommt man später sicher noch einmal die Gelegenheit, so lange Ziel_1 erreicht wird und die Existenz gesichert ist. Wird das Ziel_1 nicht erreicht, kann dies sehr schnell das wirtschaftliche Aus für die Praxis bedeuten.

     

    PRAXISTIPP | Dass zwischen der Leistungserbringung und dem Geldfluss systembedingt teils eine erhebliche Zeitspanne liegt, ist bekannt. Der „Soll-Ist-Abgleich Leistung“ signalisiert daher früh einen drohenden Liquiditätsengpass, noch weit bevor er auf den Konten liquide wirksam wird. Das ist ein zwar relativ grobes, aber dafür äußerst effizientes Werkzeug zur Früherkennung von Liquiditätsengpässen. Es sollte Teil eines jeden betrieblichen Frühwarn- und Steuerungssystems sein!

     

     

    Schritt 3: Ursachenforschung und Problemlösungsansatz

    Ein Liquiditätsengpass ist wie die erhöhte Körpertemperatur lediglich ein Symptom für ein ursächlich anderes Problem. Kurzfristig lässt sich ein Liquiditätsengpass mit einem Kredit oder der Auflösung von Rücklagen überstehen. Langfristig muss das ursächliche Problem gelöst werden. Tatsächlich steht die Liquidität am Ende des gesamten Prozesses und ein Liquiditätsproblem kann viele Ursachen haben. Zur Identifikation der tatsächlichen Ursache stehen entsprechende Werkzeuge zur Verfügung. Diese können recht genau zeigen, wo das Problem liegt. Dazu später mehr.

     

    Schritt 4: Regelmäßige Kontrolle der Berechnungsgrundlage

    Die Zielwerte sind nur dann brauchbar, wenn die zugrunde gelegten Eingangsdaten aktuell sind. Verändern sich die Ausgaben, sind entsprechende Anpassungen angezeigt. Der regelmäßige Abgleich der geplanten mit den tatsächlichen Ausgaben kann z. B. mit einem quartalsweise anzufertigenden Controlling-Bericht erfolgen.

    Was ist sonst noch wichtig?

    Wichtig ist, dass der systembedingte erhebliche Zeitversatz zwischen Leistungserbringung und Geldzufluss mit Eigenmitteln oder einem Betriebsmittelkredit überbrückt wird. Weiterhin ist zu beachten:

     

    • Zu erwartende Honorarkürzungen sind einzukalkulieren.
    • Sind hohe Zahlungsausfälle zu erwarten, sollte über den Einsatz einer Abrechnungsgesellschaft mit entsprechender Ausfallabsicherung nachgedacht werden.
    • Durchlaufposten (z. B. das Fremdlabor) bleiben unberücksichtigt. Sie müssen grundsätzlich nicht über die Leistung eingespielt werden ‒ es sei denn, für diese Durchlaufposten wären Zahlungsausfälle zu erwarten

     

    In jedem Fall ist zur Liquiditätssicherung regelmäßig die erforderliche Steuerrücklage zu berechnen und anzulegen. Das Finanzamt ist in der Regel ein unerbittlicher Gläubiger. Darüber hinaus empfiehlt es sich, eine freie ‒ also ungebundene ‒ Liquiditätsreserve als Krisenabsicherung für nicht planbare Ereignisse mit finanzwirtschaftlichen Folgen vorzuhalten. Eine solche Krisenkasse hat in der aktuellen Krise so manchen Praxisinhaber ruhiger schlafen lassen.

     

    FAZIT | Langfristig können nur die Ergebnisse des Leistungsprozesses die wirtschaftliche Existenz einer Praxis sichern. Das Zusammenspiel von Liquidität und Rentabilität ist entscheidend! Die Kombination aus „Mindesthonorarumsatz-Kalkulation“ und dem laufenden „Soll-Ist-Abgleich Leistung“ ist ein relativ grobes, aber einfach zu bedienendes und weit im Voraus signalgebendes Instrument in Sachen Liquidität.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Ob eine Liquiditätslücke droht und wie hoch sie ausfallen könnte, wurde in diesem Betrag gezeigt. Mithilfe der Liquiditätsplanung lässt sich erkennen, wann die Lücke auftritt, wenn nicht gegengesteuert wird. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 7 | ID 46902029