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  • · Fachbeitrag · Balanced Scorecard

    Praxisführung mit Kennzahlen: So steuern Sie Ihre Zahnarztpraxis auf Erfolgskurs

    von Angelika Pindur-Nakamura, Baldham

    | Eine umfassende Beurteilung des Erfolgs einer Zahnarztpraxis lässt sich mit dem klassischen Praxiscontrolling nicht verwirklichen, dient es doch vorwiegend dazu, finanzwirtschaftliche Sachverhalte zu analysieren. ­Zudem erlaubt es nur eine Vergangenheitsbetrachtung. Mithilfe weiterer Kennzahlen, anhand derer auch nicht-monetäre Ursachen des (Miss-)Erfolgs feststellbar sind, können Sie als Praxisinhaber ein System entwickeln, mit dem Sie Ihre Zahnarzt­praxis vorausschauend steuern können. |

    Steuerung der Praxis mit der Balanced Scorecard

    Mit der Balanced Scorecard erhalten Sie als Praxisinhaber unterschied­liche Sichtweisen auf das „Unternehmen Zahnarztpraxis“. Die Methode dient als Planungs- und Kontrollinstrument, das es Ihnen ermöglicht, zukunftsfähige Entscheidungen für Ihre Praxis zu treffen.

     

    Amerikanisches Konzept aus den 1990-er Jahren

    Die Balanced Score Card bedeutet nichts anderes als ein „ausgewogenes Kennzahlensystem“ und wurde in den 1990-er Jahren von den beiden US-amerikanischen Harvard-Professoren Kaplan und Norton entwickelt. Sie hatten festgestellt, dass die bis dahin übliche Konzentration auf die Bewertung rein finanzwirtschaft­licher Kennzahlen nicht ausreicht, um die Leis­tungen eines Unternehmens angemessen zu analysieren und zu verbessern. Solche rein finanzwirtschaftlichen Kenngrößen waren zum Beispiel Umsatz, Gewinn und Liquidität.

     

    Monetäre und nicht-monetäre Parameter werden betrachtet

    Als „ausgewogen“ wird das Kennzahlensystem bezeichnet, weil es eine Balance zwischen monetären und nicht-monetären Parametern eines Unternehmens herstellt. Kennzahlen sind dabei solche Größen, die eine quanti­tative, objektive und reproduzierbare Darstellung und Messung von Eigenschaften und Zuständen von Produkten und Dienstleistungen ermöglichen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Mithilfe von Kennzahlen kann nicht nur die Geschäftsführung eines Unternehmens, sondern auch der Praxisinhaber darauf hinwirken, dass er und sein Praxisteam die selben festgelegten Ziele verfolgen.

     

    Die Betrachtung der Praxis aus vier Perspektiven

    Für die Entwicklung eines solchen Kennzahlensystems wird die Zahnarzt­praxis aus vier unterschiedlichen Sichtweisen betrachtet, die für die Gestaltung als zukunftsfähiges Unternehmen von Bedeutung sind. Im klassischen Sinn werden die nachfolgenden vier Perspektiven definiert:

    • Perspektive „Betriebliche Finanzen“ 
    • Bei dieser Sichtweise erfolgt die Darstellung der finanziellen Ergebnisse mithilfe geeigneter Kennzahlen. Es geht darum, die finanziellen Voraussetzungen für das unternehmerische Tun zu sichern. Kennzahlen in der Zahnarztpraxis sind: Liquiditätsreserve, Umsatz- und Eigenkapitalrentabilität, ­prozentualer Anteil der Privatpatienten, Umsatzanteil durch Zusatzleistungen, Anteil der Garantie- und Kulanzkosten.
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    • Perspektive „Patienten“ 
    • Finanzielle Mittel, der Einsatz der Mitarbeiter sowie die Planung und Steuerung der Praxisprozesse sollen dazu dienen, den Patienten Lösungen für ihre Probleme zu bieten. Das Ziel ist die Zufriedenheit der Patienten und deren Bindung an die Praxis. Kennzahlen in Ihrer Praxis hierfür sind: Prozentualer Anteil der Stammpatienten, Empfehlungsquote, Reklamationsrate, Anteil umgesetzter Heil- und Kostenpläne.
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    • Perspektive „Mitarbeiter“ 
    • Diese zukunftsorientierte Perspektive hat die Ausbildung, die Weiterentwicklung und Förderung der Mitarbeiter sowie deren Motivation zum ­Inhalt. In dieser Perspektive drückt sich die Innovations- und Lernfähigkeit der Praxis aus. Mitarbeiter sollen befähigt werden, Ideen zur Verbesserung von Leistungen und Prozessen einzubringen. Kennzahlen hierfür sind: Produktivität der Mitarbeiter, Fortbildungstage pro Mitarbeiter und Jahr, Krankentage der Mitarbeiter, Mitarbeiterzufriedenheit.
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    • Perspektive „Prozesse“ 
    • Hier geht es um das Ermitteln potenzieller Patientenwünsche und die Schaffung geeigneter Angebote. Die zu den Leistungen beitragenden Praxisprozesse müssen geplant, organisiert, umgesetzt und anhand von Kennzahlen überwacht werden. Entsprechende Kennzahlen sind: Produktivität, Gerätestundensatz, durchschnittliche Wartezeit (pro Patient), Fremdlaborkostenquote, Wareneinsatz, durchschnittliche Lagerdauer.

     

    • „Private Perspektive“ als Ergänzung bei Zahnarztpraxen 
    • Da gerade Zahnarztpraxen stark von der Leistungsfähigkeit des Zahnarztes geprägt sind, sollte zusätzlich die „private Perspektive“ mitberücksichtigt werden. Sie schließt

     

      • den Gesundheitszustand,
      • die Arbeitszeit,
      • die Zufriedenheit und
      • die Lebensqualität des Praxischefs ein.

     

    PRAXISHINWEIS |  Zum Hintergrund einer Einbeziehung der privaten Perspektive: Selbst wenn alle Finanzkennzahlen im „grünen Bereich“ liegen, können zugleich Zufriedenheit und Lebensqualität des Inhabers sinken. Dies führt dazu, dass keine Zeit mehr bleibt für Familie und ­Hobbys - diesen Preis möchte nicht jedermann zahlen. Zudem wirkt sich ein belastetes Privatleben langfristig auch auf die Leistungsfähigkeit im Beruf aus.

     

    Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Perspektiven

    Bei der Betrachtung der ausgewählten Perspektiven muss berücksichtigt werden, dass sie untereinander gleichgewichtig sind und in einem Ursache-Wirkungs-­Zusammenhang zueinander stehen. Dieser soll den Einfluss nichtfinanzieller Größen auf die finanziellen Ziele der Praxis darstellen. Das ­bedeutet zum Beispiel:

     

    • Fähige und motivierte Mitarbeiter (Mitarbeiterperspektive) sind die Voraussetzung für die Erbringung einer guten Leistung.
    • Effiziente Geschäftsprozesse (Prozessperspektive) wiederum bilden die Grundlage für die Zufriedenheit der Patienten (Patientenperspektive) und damit für die Gewinnung neuer Kunden.
    • Die Patientenzufriedenheit und der Aufbau eines zusätzlichen Kundenstamms führt letztlich zum finanziellen Erfolg.

    Wie werden die passenden Kennzahlen entwickelt?

    Die Balanced Scorecard geht deutlich hinaus über das reine Sammeln und Auflisten von Daten, die zur Bewertung der Leistungen und Praxisergebnisse betrachtet werden. Sie beseitigt die Unübersichtlichkeit solcher herkömm­lichen Zahlenkolonnen und dokumentiert, welche Aktionen die Ergebnisse verantwortlich geprägt haben.

     

    Mithilfe der Balanced Scorecard werden Strategien entwickelt und anschließend in ein „passendes Handeln“ übersetzt, das es zu kontrollieren und optimal zu steuern gilt. Die Entwicklung eines praxisindividuellen Kennzahlensystems sollte nach folgenden Schritten ablaufen:

     

    • Formulieren Sie ein strategisches Ziel (Leitziel)!
    • Leiten Sie aus dem strategischen Ziel weitere Ziele (Subziele) ab.
    • Legen Sie Messgrößen für das Leitziel und die Subziele fest. Dabei sollten die verschiedenen Perspektiven beachtet werden.
    • Nun bestimmen Sie SOLL-Werte für die einzelnen Messgrößen.
    • Legen Sie schließlich die Maßnahmen fest, mit denen die SOLL-Werte zu erreichen sind.

    Fallbeispiel: Die angstfreie Zahnarztpraxis

    Als Zahnarzt haben Sie im abgelaufenen Jahr festgestellt, dass es unter ­Ihren Patienten viele gibt - nicht nur Kinder (!) -, die vor jeder Behandlung große Angst haben. Sie schieben notwendige Termine vor sich her oder sagen sie kurzfristig ab. Daraufhin beschließen Sie, gemeinsam mit Ihrem Praxis­team diesen Kunden mit dem Projekt einer „angstfreien Zahnarztpraxis“ entgegenzukommen. Zugleich sollen neue Patienten gewonnen werden.

     

    Das folgende Beispiel erläutert, wie Sie vorgehen können. Das Primat der Finanzkennzahlen bleibt dabei - wenn auch in ab­geschwächter Form - erhalten. Den übrigen „weichen“ Messgrößen wird eine gleich­gewichtige Bedeutung für die Führung und Steuerung der Praxis zugesprochen.

     

    • Fallbeispiel: Von der Strategie über die Messgrößen zum Ziel

    Zur Etablierung einer „angstfreien Zahnarztpraxis“ (Leitziel) werden folgende Subziele gewählt:

    • Mitarbeiter werden für die Themen „Angst“ und „Empathie“ sensibilisiert.
    • Fachkompetenz und Eigenverantwortung der Mitarbeiter werden erhöht.
    • Angstfreie Behandlungen stehen im Zentrum der zahnärztlichen Leistung.

     

    Für das Leitziel und die Subziele werden Messgrößen ermittelt, um den Status quo messen zu können. Dabei werden die zuvor definierten Perspektiven eingenommen:

    • Der Angstpegel der Patienten und die Patientenzufriedenheit werden mithilfe eines Fragebogens ermittelt.
    • Die Patientenzufriedenheit muss bestimmt werden.
    • Die Qualifikation Ihrer Mitarbeiter wird mithilfe einer sogenannten Qualifika­tionsmatrix ­gemessen.
    • Durch die Anzahl produktiver Arbeitsstunden und die Anzahl der vom Patienten verschobenen oder abgesagten Termine kann die Effizienz der Praxisprozesse dargestellt werden.
    • Umsatz und (prozentualer) Gewinn pro Umsatz sind aussagekräftige Kennzahlen für die Wirtschaftlichkeit der Praxis.
     

    Nun werden SOLL-Werte bestimmt. Das Ziel: Die SOLL-Werte sind spätestens in einem Jahr zu erreichen.

    • Der Angstpegel, der zuvor mithilfe des Fragebogens nach Prof. Jöhren (Zahnklinik Bochum) ermittelt wurde, wird auf einer Skala von 11 (niedrig) bis 55 (hoch) Punkten dargestellt. Der SOLL-Wert ist 33 (Durchschnittswert).
    • Die Patientenzufriedenheit wird mittels des Schulnotensystems bewertet. SOLL-Wert ist die Schulnote 2.
    • Der Grad der Mitarbeiterqualifikation wird auf einer Skala festgelegt, welche folgende Bewertungen aufweist: „sehr gut“, „gut“, „durchschnittlich“ sowie „keine Kenntnisse“. SOLL-Wert ist der Erwerb „guter“ Kenntnisse im Umgang mit Angstpatienten.
    • Die Anzahl der von Patienten abgesagten Termine soll um 30 Prozent gegenüber dem IST-Wert reduziert werden.
    • Das Umsatz-SOLL liegt 10 Prozentpunkte über dem IST-Umsatz.

     

    Am Ende definieren Sie als Praxisinhaber diejenigen Maßnahmen, die zum Erreichen der SOLL-Werte getroffen werden:

    • Schulungen für die Mitarbeiter zu den Themen Verhaltensweisen von Angst­patienten und Kommunikation.
    • Fortbildung des Praxischefs zum Thema Hypnosebehandlung.
    • Neugestaltung eines Patientenflyers „Wir kümmern uns um Ihre Ängste“.
    • Behandlungsabläufe werden auf Angstpatienten abgestimmt: Aufklärung während der Behandlung, schmerzfreie Behandlungen (etwa Narkose oder Hypnose), Angebot von Entspannungsmöglichkeiten.
    • Gestaltung der Praxisräumlichkeiten durch den Einsatz von Farben, die positiv auf Angstpatienten wirken (Pastellfarben).
    • Einsatz bestimmter Duftvarianten, um den Medikamentengeruch in der Praxis zu unterbinden.
     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum „Angstfragebogen“ lesen Sie auch P. Jöhren, Validierung eines Fragebogens zur Erkennung von Zahnbehandlungsangst, Zahnärztliche Welt Reform 1999, S. 104-114.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 15 | ID 42451877