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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Zahnarzthelferin hat Anspruch auf Bezahlung von Überstunden

    von RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund/Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat mit Urteil vom 30. Juni 2011 (Az: 14 Sa 29/11, Abruf-Nr. 113946 ) entschieden, dass eine Zahnarzthelferin Anspruch auf Vergütung der von ihr geleisteten und nachgewiesenen Überstunden hat, sofern der Arbeitgeber diese Überstunden geduldet hat. |

     

    Der Fall

    Eine Zahnarzthelferin forderte von ihrem Chef die Vergütung von Überstunden. Laut Arbeitsvertrag betrug die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich40 Stunden. Ferner hieß es im Arbeitsvertrag, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit den Erfordernissen der Praxis anzupassen sind.

     

    Die Helferin verlangte nun die Vergütung von restlichen Überstunden in Höhe von insgesamt 7.514,99 Euro für einen Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2009. Hierzu legte sie eine Aufstellung vor, in der jeweils Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit enthalten war. Seit August 2008 wurden die Arbeitszeiten zudem von einem Zeiterfassungsgerät, das der Zahnarzt installieren ließ, registriert.

     

    Die Entscheidung

    Die Richter billigten der Zahnarzthelferin eine Vergütung von Überstunden ab dem Zeitpunkt der Installation des Zeiterfassungsgeräts in Höhe von 3.751,31 Euro zu. Das Gericht betonte, dass das vom Zahnarzt eingesetzte Zeiterfassungsgerät gerade dazu diene, An- und Abwesenheitszeiten genau zu belegen; zu einer derartigen Kontrolle sei dieses Gerät angeschafft worden. Ferner seien diese durch die Zeiterfassung belegten Überstunden auch vom Zahnarzt geduldet worden. Die Duldung sei darin zu sehen, dass der Zahnarzt die Anwesenheitszeiten der Zahnarzthelferin morgens vor Praxisöffnung und während der im Zeiterfassungsgerät erfassten Zeiträume über lange Zeiträume zur Kenntnis genommen habe.

     

    PRAXISHINWEISE |  Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts Folgendes voraus (siehe etwa Urteile vom 29.5.2002, Az: 5 AZR 680/00; und vom 11.10.2000, Az: 5 AZR 122/99):

    • Der Arbeitnehmer muss konkret auflisten, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat; Pausenzeiten (zum Beispiel Toilettengang, Raucherpause etc.) sind von diesen Zeiten abzuziehen.

    • Der Arbeitnehmer muss die abgeleisteten Überstunden beweisen, sofern der Arbeitgeber der vorgenannten Auflistung „substantiiert“ - also nachvollziehbar - entgegentritt.
    • Der Arbeitgeber muss die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet haben oder die Überstunden waren zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich. Insbesondere an eine Duldung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Ausreichend kann es wie im vorliegenden Fall sein, dass der Arbeitgeber über einen gewissen Zeitraum Kenntnis von den Überstunden hat. Sofern der Arbeitgeber also mitbekommt, dass seine Angestellten länger arbeiten, er jedoch zu einer etwaigen Nachzahlung von Überstunden nicht bereit ist, so muss er sie unter Hinweis auf ihre Arbeitszeiten nach Hause schicken.

    Zwar hat der Zahnarzt als Arbeitgeber in einem etwaigen Prozess um Überstundenvergütung in der Regel „gute Karten“, da der Arbeitnehmer die maßgebliche Beweislast trägt. Wenn indes - wie im vorliegenden Fall - die Installation eines Zeiterfassungsgeräts erfolgte oder ein sonstiges System zur Zeiterfassung besteht, kann dies im Streitfall dem Arbeitnehmer in die Karten spielen. Die Anschaffung eines Zeiterfassungsgeräts allein aus Kontrollgedanken sollte daher mit den etwaigen Nachteilen abgewogen werden.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2011 | Seite 16 | ID 30690380