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  • · Fachbeitrag · Vertragszahnarztrecht

    Rechtsprechung setzt Zahnarzt für Behandlung außerhalb seiner Praxis enge Grenzen

    von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Behandlungstätigkeiten des Zahnarztes außerhalb seiner Praxisräume sind nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig und abrechenbar. Das Ersatzverfahren zur privaten Abrechnung gegenüber gesetzlich versicherten Patienten ist ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.04.2019, Az. L 11 KA 11/18 B ER, Urteil unter www.dejure.org ). |

    Aktueller Fall: vertragswidriges Ersatzverfahren

    Ein niedergelassener und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassener Fachzahnarzt für Oralchirurgie behandelte u. a. Patienten in einer anderen Praxis, wobei er das Ersatzverfahren einsetzte. Das Honorar dafür wurde von der KZV reduziert. Grund: Der Zahnarzt habe das Ersatzverfahren vertragswidrig angewendet, insbesondere habe er fehlerhafterweise die elektronischen Gesundheitskarten (eGK) der Patienten nicht eingelesen. Er habe auch die zwingend erforderlichen Unterschriftenbelege für die über das Ersatzverfahren abgerechneten Behandlungsfälle nicht vorgelegt.

     

    Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht wiesen den Eilantrag des Zahnarztes als unbegründet zurück.

    Entscheidungsgründe: Ersatzverfahren nur in Ausnahmen

    Das Landessozialgericht beurteilte die Honorarkürzung als rechtmäßig. Die zahnärztliche Tätigkeit sei an den Praxissitz gebunden (§ 1 Abs. Berufsordnung Zahnärzte Nordrhein). Außerhalb des eigenen Praxissitzes sei eine Tätigkeit nur zulässig, wenn der Arzt in Zweigpraxis tätig sei oder spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in ausgelagerten Praxisräumen anbiete (§ 28 Zahnärzte-ZV). Beides sei hier nicht der Fall.

     

    Es habe auch keine erlaubte Vertretung stattgefunden, weil der Zahnarzt in Anwesenheit des anderen Zahnarztes Patienten behandelt habe. Insbesondere sei eine konsiliarische Tätigkeit zu verneinen. Denn hier habe der Zahnarzt den Vertragszahnarzt nicht nur beraten, sondern vielmehr die Patienten behandelt. Auch liege keine sogenannte Besuchsbehandlung vor, weil die Patienten einen Vertragszahnarzt in der Nähe gehabt hätten (§ 7 Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte [BMV-Z]).

     

    Das Landessozialgericht stellte darüber hinaus klar, dass ein Zahnarzt, der an einem anderen Ort als in seiner Praxis behandeln will, eine Genehmigung der zuständigen KZV benötige (§ 24 Abs. 3 S. 5 Zahnärzte-ZV). Und eine solche habe der Zahnarzt hier nicht besessen.

    Folgen für die Praxis

    Ein Ersatzverfahren darf nur in Ausnahmefällen angewendet werden. Es gilt:

     

    1. Grundsatz

    Der Zahnarzt ist verpflichtet, die Daten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) bei jeder ersten Inanspruchnahme im Quartal in seine Praxissoftware einzulesen und die Identität des Versicherten anhand der aufgebrachten Daten auf der eGK abzugleichen. Die Überprüfung beschränkt sich auf offensichtliche Unstimmigkeiten zwischen der vorgelegten Karte und der Person hinsichtlich des Alters, des Geschlechts und eines aufgebrachten Lichtbildes.

     

    2. Ausnahme: Ersatzverfahren

    Kann der Versicherte bei der ersten Zahnarzt/Patientenbegegnung im Quartal keine gültige eGK bzw. einen Versicherungsnachweis über eine bestehende Mitgliedschaft vorlegen oder ergeben sich aus der Überprüfung der Identität des Versicherten offensichtliche Unstimmigkeiten, kann der Vertragszahnarzt das Ersatzverfahren anwenden und eine Privatvergütung für die Behandlung verlangen (vgl. § 8 Abs. 7 BMV-Z). Legt dann aber der Patient die eGK oder die Anspruchsberechtigung innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach der ersten Inanspruchnahme vor, so muss der Zahnarzt ihm die entrichtete Privatvergütung zurückzahlen.

     

    3. Achtung: besondere Dokumentationspflichten

    Legt der Versicherte eine gültige eGK vor, deren Daten aus technischen Gründen jedoch nicht einlesbar sind (z. B. Karte oder Lesegerät ist defekt), müssen von der Praxis die folgenden Daten ins Praxisverwaltungssystem oder schriftlich auf Vordrucken aufgenommen werden:

     

    • Name der Krankenkasse und Krankenkassennummer
    • Vor- und Zuname des Versicherten und Geburtsdatum
    • Krankenversichertennummer
    • Nach Möglichkeit die Postleitzahl des Wohnorts des Patienten

     

    PRAXISTIPP | Aus Gründen der Rechtssicherheit und insbesondere zur Absicherung ist eine Unterschrift des gesetzlich versicherten Patienten unabdingbar! Der Patient bestätigt mit seiner Unterschrift, dass er bei der genannten Krankenkasse versichert ist. Es ist zu empfehlen, eine Kopie der eGK zu ziehen und diese zusammen mit dem Ersatzverfahren für zehn Jahre in der Praxis aufzubewahren.

     

    Der Zahnarzt darf in folgenden Fällen ausnahmsweise Patienten außerhalb seiner Praxis behandeln:

     

    • Genehmigungsfrei: Hausbesuche, Notfallbehandlungen und Konsiliartätigkeiten
    • Genehmigungspflichtig: Belegarzttätigkeiten, Praxisvertretungen (Urlaub, Krankheit, Schwangerschaft) von mehr als einer Woche Dauer, Zweigpraxis sowie Erbringung spezieller Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in ausgelagerten Praxisräumen
    Quelle: Ausgabe 07 / 2019 | Seite 11 | ID 45996313