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  • · Fachbeitrag · Digitalisierung

    Digitalisierter Praxisalltag ‒ Bestandsaufnahme und Blick in die Zukunft

    von Dr. med. Dr. med. dent. Ralph Teerling, CEO der zm-r GmbH & Co. KG, www.claire.dental

    | Am Begriff „Digitalisierung“ kommt niemand mehr vorbei. Dennoch: Für viele Menschen ist das noch ein abstraktes Phänomen. Einige sehen den Begriff als Blähwort, andere als Synonym für die industrielle Revolution 4.0. Die meist konservativ ausgerichtete Zahnärzteschaft tut sich eher schwer damit und reagiert spät auf digitale Trends. Dennoch sollte jeder Zahnarzt dringend die Chance nutzen, aktiv an der Entwicklung teilzunehmen, denn sie wird unseren Praxisalltag immer mehr bestimmen. Dazu nachfolgend eine Bestandsaufnahme und ein Blick in die Zukunft. |

    Warum teilhaben an der Digitalisierung?

    Bei uns Zahnärzten wurde der Praxisbereich von strukturellen Veränderungen, wie sie im Bankwesen oder im Warenhandel schon stattgefunden haben, bis jetzt weitgehend verschont. Noch kann in den bekannten Strukturen mit einem oder mehreren Zahnärzten als Inhaber und angestelltem Personal in der Assistenz und der Verwaltung weitgehend nach altbewährten Konzepten gearbeitet werden. Ein Wandel ist jedoch sehr absehbar.

     

    Man kann es aber auch positiv sehen: Die Digitalisierung ist ‒ wie alle technischen Hilfsmittel ‒ kein Selbstzweck, sondern dient dem Ziel, ein geeignetes Umfeld für die zahnärztliche Tätigkeit zu schaffen. Ansatzpunkte dafür gibt es viele.

    Digitale diagnostische Diagnose- und Herstellungsverfahren

    Große Bedeutung hat schon heute die Anwendung von digitalen diagnostischen Verfahren und die Herstellung von Zahnersatz mithilfe von CAD/CAM-Techniken. Der komplette digitale Workflow zur Erstellung von Füllungen, Kronen und Brücken hat schon länger Praxisreife erlangt. Die optische Abformung und die Konstruktionssoftware wurden in den letzten Jahren wesentlich verbessert, sodass Füllungen und Kronen in einfacher Ausfertigung auch von speziell aus- und weitergebildeten Fachangestellten in einer Sitzung hergestellt werden können. Auch die Modellerstellung mittels Druckverfahren wird gerade etabliert und ermöglicht wahrscheinlich in Zukunft einen vollkommenen Verzicht auf den physikalischen Abdruck am Patienten.

     

    Das Erstellen von Brücken in einer Sitzung ist hingegen wegen der notwendigen Verwendung von Keramiken mit höherer Bruchfestigkeit, die zurzeit ein Sintern im Ofen benötigen, nur bedingt möglich. Eine Herausforderung bleibt auch noch die Zusammenführung der digitalen Röntgendaten mit den im Mund gewonnenen Scandaten. Vorteile würden sich z. B. für die Erstellung von Bohrschablonen und von umfangreichem Zahnersatz ergeben.

    Bald ein neues Berufsbild „Prothetikassistent“?

    Durch die Einbindung der Fachangestellten in den digitalen Workflow kann sich das Tätigkeitsfeld erweitern. Vielleicht wird es später einmal analog zu der Prophylaxeassistentin eine spezialisierte Digital- oder Prothetikassistentin geben, die bei der digitalen Konstruktion und der digitalen Erstellung von Zahnersatz tätig sein wird.

     

    Die Behandlung in einer Sitzung ist nicht nur wesentlich angenehmer für den Patienten, sondern auch kostensparend. Es ist durchaus denkbar, dass es zukünftig auch möglich sein wird, herausnehmbaren Zahnersatz zu drucken. Defekte oder gebrochene Prothesen würden dann einfach erneut ausgedruckt. Damit könnten die physikalische Abformung und die Gipsküche vollkommen wegfallen. In der digitalen Kieferorthopädie werden schon heute die Diagnostik, Planung und Herstellung einer Apparatur mithilfe von Intraoralscannern ohne Herstellung von Gipsmodellen durchgeführt.

    Arbeitserleichterung durch karteilose Praxis

    Die karteilose Praxis hat zu wesentlicher Arbeitserleichterung geführt und geholfen, viele der Praxis auferlegten Auflagen und Vorschriften einfacher zu erfüllen. Es ist damit zu rechnen, dass die Anforderungen an die Praxis mit der digitalen Leistungsfähigkeit immer weiter angehoben werden. Somit wird der positive Effekt der Arbeitserleichterung leider teilweise wieder aufgehoben. Manch einer sehnt sich nach der guten alten Zeit der Karteikarten zurück, wo mit einem Vierzeiler eine gesamte Behandlung beschrieben wurde. Heute bedeutet dies eine unzureichende Dokumentation, die im Rechtsstreit eine sofortige Beweislastumkehr zulasten des Arztes zur Folge haben kann.

     

    Mit Einführung der karteilosen Praxis wurde das Praxisteam erstmalig mit den Begriffen der Datensicherheit und des Datenschutzes konfrontiert, wobei am Anfang die Datensicherheit eine höhere Bedeutung zu haben schien. Es herrschte große Angst vor dem Verlust von Daten. Man hatte zum „Speichermedium Papier“ in Form von Karteikarten ein höheres Vertrauen. Der Verlust durch Diebstahl, Feuer oder Wasser erschien weniger wahrscheinlich. Nach einigen Jahren und einschlägigen Erfahrungen schien das Thema Datensicherheit befriedigend gelöst worden zu sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Kam es trotzdem zum Datenverlust, wurde in der Regel das erarbeitete Datensicherheitskonzept nicht eingehalten. Hierzu gehören u. a. das Durchführen von täglichen Sicherungen, die Aufbewahrung der Sicherungen an verschiedenen Orten, die Verwendung eines RAID-Systems etc.

     

    Immer größere Bedeutung des Datenschutzes

    Der Datenschutz gewann mit der Vernetzung durch das Internet an Bedeutung. Das hat offenbar auch die Datenschützer auf den Plan gerufen und beschert u. a. uns Zahnärzten die neue am 25.05.2018 in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung, die uns im Umgang mit Daten neue Pflichten auferlegt und Verstöße mehr als bisher sanktioniert (siehe auch ZP 03/2018, Seite 4 ff., und den Beitrag auf Seite 12 dieser Ausgabe).

     

    Sicherlich ist es möglich, einen nicht vernetzten Server aus der Praxis zu entwenden und die meist unverschlüsselten Daten auf dem Server einzusehen und zu verwerten. Dieses Szenario erscheint den meisten Anwendern aber unwahrscheinlich. Der Angriff über das Internet ‒ entweder auf den Server oder die Datenübermittlung ‒ ist heute das Horrorszenario. Auch hier gibt es Abwehrmechanismen wie

    • die Verwendung einer Firewall,
    • die Anmeldung durch doppelte Authentifizierung,
    • eingeschränkte Zugangsbereiche im Programm in Abhängigkeit der Befugnisse einer Person,
    • die Verschlüsselung der Patientendaten,
    • die Verwendung von elektronischen Schlüsseln und einer Verschlüsselungstechnik bei der Übertragung von Daten im Internet.

     

    Die negativen Erfahrungen bei den sozialen Medien und den Geheimdiensten sollten dazu veranlassen, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Gefahren für den Datenmissbrauch werden in Fachkreisen vor allem darin gesehen, dass über gefälschte Webseiten, E-Mails oder Kurznachrichten persönliche Daten eines Nutzers gestohlen werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Trotz der unterschwelligen Furcht vor Datenklau oder Datenmissbrauch ist das Vertrauen in die digitale Technik mit der Zeit gewachsen. So nutzt mittlerweile jeder zweite Deutsche das Onlinebanking zur Erledigung von Bankgeschäften.

     

    Praxismanagement-Software unterstützt Praxiserfolg

    Die Bedeutung der Praxismanagement-Software sollte hinsichtlich des Arbeitsklimas und betriebswirtschaftlichen Erfolgs nicht unterschätzt werden. Von der reinen Abrechnungssoftware hat eine Entwicklung zu umfangreichen Praxissystemen stattgefunden, die viele Bereiche wie Befunddokumentation, Therapieplanung, Terminvergabe, Mitarbeiterverwaltung, Qualitätsmanagement, Material- und Geräteverwaltung sowie das Controlling unterstützen.

     

    PRAXISHINWEIS | Idealerweise sollten alle Bereiche in einem System zusammengefasst sein, damit Daten nicht doppelt geführt werden müssen und einheitliche Benutzeroberflächen mit einem Interfacedesign genutzt werden können. Dies erleichtert die Einarbeitung und Handhabung sowie die stetige Aktualisierung erheblich. Die Datenerhebung erfolgt unmittelbar und wird durch praxisspezifische Vorgaben erleichtert.

     

    In der Regel können diese Eingaben auch durch das Praxispersonal vorgenommen werden und sollten anschließend kontrolliert werden. Die Verfügbarkeit kann ortsungebunden sein und wird nur durch technische Einschränkungen begrenzt. So ist z. B. die Kontrolle der Eingaben oder die Erstellung der Abrechnungsunterlagen auch außerhalb der Praxisräume möglich.

    Arbeitsabläufe im QM-System verbessern

    Für die Abläufe in der Praxis sind eine Strukturierung und die Abbildung der Arbeitsprozesse im QM-System sinnvoll. Dies erleichtert das Durchführen von immer wiederkehrenden Prozessen. Das gibt den Mitarbeitern die Sicherheit, Arbeiten ordnungsgemäß durchzuführen, sofern entsprechend der schriftlich fixierten Vorgaben gehandelt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Hierfür sind Instrumente zur stetigen und schnellen Anpassung der schriftlich fixierten Prozesse an den tatsächlichen oder gewünschten Zustand notwendig. Im elektronischen Behandlungsblatt wird der Behandlungsverlauf als schriftliche Dokumentation und in Form von Abrechnungspositionen festgehalten. Eintragungen sollten möglichst zeitnah und vollständig erfolgen. Hierbei sind behandlungsspezifische Komplexe hilfreich, in denen eine Beschreibung der durchgeführten Behandlungsschritte und die entsprechenden Abrechnungspositionen hinterlegt wurden.

     

    Alternativ kann die Dokumentation auch durch die Abarbeitung vorher aufgestellter Pläne und der anschließenden Übernahme in das Behandlungsblatt erfolgen. Die Gliederung entsprechend den Terminen ist hilfreich bei der Übersicht. Neben dem elektronischen Behandlungsblatt dient der Terminkalender als zentrales Führungselement in der Praxis. 


     

    PRAXISHINWEIS | Grundlage für einen geregelten Praxisablauf ist eine gute Terminkoordination. Dabei müssen die Bedürfnisse des Patienten und der Praxis abgeglichen werden. Die Behandlungsart und die Termindauer sollten bei der Terminvergabe bekannt und möglichst im System hinterlegt sein. Hier gilt es, im Vorfeld standardisierte ‒ und realistische ‒ Terminvorgaben zu generieren, die bei Bedarf abgerufen und einer zukünftigen Patientenbehandlung zugeordnet werden können. So können unnötige Wartezeiten für den Patienten oder Leerzeiten für den Zahnarzt vermieden werden.

     

    Eine gute Planung ermöglicht eine höhere Effizienz und eine stressfreie Behandlung für den Zahnarzt. Wünschenswert ist eine Übersicht der anwesenden und der noch am selben Tag geplanten Patienten in einem auf dem Bildschirm verfügbaren Praxisstatus, der immer präsent ist. Dies kann helfen, unnötige Wartezeiten zu vermeiden.

     

    FAZIT | Das Thema Digitalisierung in der Praxis ist mehr als neumodischer Schnickschnack. Die Digitalisierung bietet mehr Chancen als Risiken und bei entsprechender Nutzung werden wir alle ‒ auch unsere Patienten ‒ davon profitieren.

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 8 | ID 45174911