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  • 03.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121031

    Landgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 15.12.2011 – 2-13 O 302/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    2-13 O 302/10

    Tenor
    Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

    Tatbestand
    Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil der Beklagte ihn nicht für die Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2008 nominiert hat.

    Der Kläger war seit 1997 professioneller Leichtathlet in der Disziplin Dreisprung. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, der u.a. ausschließlich für die Endnominierung deutscher Sportler für die Olympischen Spiele zuständig ist.

    Um Mitglied der deutschen Olympiamannschaft zu werden, musste der Kläger zunächst vom zuständigen Spitzensportverband – dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) – dem Beklagten vorgeschlagen werden, welcher dann die endgültige Entscheidung über die Nominierung zu treffen hatte. In einer zwischen dem Kläger und dem DLV geschlossenen Athletenvereinbarung vom 24.11.2006/04.01.2007 (Anlage K1, Bl. 25 ff. d. A.) heißt es hierzu in Ziff. 2.2.1.

    „Der DLV nominiert den Athleten für Einsätze in der Nationalmannschaft auf der Grundlage der verbindlichen DLV-Nominierungsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung. Diese werden dem Athleten jeweils zu Beginn des Kalenderjahres zur Kenntnis gegeben. Ausgenommen sind Nominierungen für die Olympischen Spiele, die in der Zuständigkeit des nationalen Olympischen Sportbundes (DOSB) liegen. Hier schlägt der DLV dem DOSB den Athleten, soweit zutreffend, auf der Grundlage der DOSB-Nominierungsrichtlinien vor.“

    Am 13.03.2007 und 24.07.2007 verabschiedete der Beklagte die „Grundsätze zur Nominierung der Olympiamannschaft Peking 2008“ (Anlage K2, Bl. 31 ff. d.A.). Unter Ziff. 2.1 heißt es dort:

    „Das eigenständige Erreichen von Quoten-/Startplätzen gem. der vom IOC gemeinsam mit den internationalen Verbänden vorgegebenen Kriterien bzw. die Erfüllung von Qualifikationsleistungen ist notwendige Voraussetzung für eine Olympiateilnahme. Dies allein stellt jedoch grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Nominierung dar.“

    Unter Ziff. 2.2 heißt es:

    „Voraussetzung für eine mannschafts- und disziplinbezogene und für eine namentliche Benennung ist grundsätzlich der Leistungsnachweis einer begründeten Endkampfchance bei den Olympischen Spielen in Peking 2008. Diese muss für jeden Spitzenverband sportartspezifisch, jedoch unter Berücksichtigung der Chancengleichheit und Vergleichbarkeit innerhalb der gesamten Olympiamannschaft erarbeitet und abgestimmt werden. Dabei ist die ausschließliche Platzierung in der unbereinigten bzw. bereinigten Weltrangliste nicht ausreichend.“

    Unter Ziff. 3 „Sportartspezifische Nominierungskriterien“ heißt es:

    „Die inhaltliche Ausarbeitung der Kriterien erfolgt gemeinsam zwischen dem Geschäftsbereich Leistungssport des DOSB, den Spitzenverbänden und den betreffenden Aktivensprechern der Verbände/Disziplinen.“

    Am 06.12.2007 legte der DLV die Nominierungsrichtlinien 2008 u.a. für die Olympischen Spiele in Peking fest (Anlage K4, Bl. 35 ff. d. A.). In der Präambel heißt es u.a.:

    „Grundsätzlich sollen zu den jeweiligen internationalen Jahreshöhepunkten diejenigen Athletinnen und Athleten nominiert werden, die zum Nominierungszeitpunkt die bestmögliche Platzierung beim Saisonhöhepunkt erwarten lassen. Dabei werden die absolute Jahresbestleistung, die Leistungsentwicklung in der Saison, die Konstanz der Leistungen und der unmittelbare Vergleich mit Konkurrenten bei den festgelegten Nominierungswettkämpfen sowie die Platzierung in der aktuellen Welt- bzw. europäischen Bestenliste zum Nominierungszeitpunkt bewertet.

    Die Nominierungsrichtlinien des DLV haben sich langfristig bewährt, sie führen zu mehr Verständnis, Sicherheit und Transparenz der Nominierungen.

    Die Veröffentlichung soll dazu beitragen, allen Athleten/innen, den Trainern und Betreuern, den Vereinen und Landesverbänden rechtzeitig und langfristig die Anforderungen und Modalitäten für die Teilnahme an den internationalen Wettkampfhöhepunkten zur Kenntnis zu bringen, damit die hinführenden Trainings- und Wettkampfplanungen individuell und zielgerichtet vorgenommen werden können.“

    Unter Ziff. 3.1. (Olympische Spiele) heißt es:

    „Die Nominierung für die Olympischen Spiele erfolgt durch den DOSB auf Vorschlag des Vizepräsidenten Leistungssport des DLV auf der Grundlage der mit dem DOSB zum 01.05.2007 und im November 2007 abgestimmten Nominierungsanforderungen, die vom DOSB-Präsidium abschließend am 06.12.2007 verabschiedet wurden.“

    Unter Ziff. 3.1.2. heißt es:

    „Die Olympianorm ist dann erfüllt, wenn in den Disziplinen, in denen die 1. und 2. Norm benannt ist, beide Normen mindestens je einmal in einer der unter 3.1.1 benannten Veranstaltungen erreicht wurde.

    Im Hoch-, Weit- und Dreisprung gilt die Olympianorm auch dann als erfüllt, wenn nicht die höhere Normanforderung (mit Erfüllung der IAAF-A-Norm), sondern die alternativ benannte Normanforderung erfüllt wurde.“

    Unter Ziff. 3.1.9 (DLV-Olympianorm 2008) finden sich für die Disziplin Dreisprung (Männer) die folgende Weiten:

    „1. Norm: 17,10m, 2. Norm: oder 2 x 17,00m.“

    Ob Ziff. 3.1.2. i.V.m. Ziff. 3.1.9. der Nominierungsrichtlinien so zu verstehen ist, dass die in der zweiten Norm vorgesehene Weite von zwei Mal 17,00 Metern in zwei verschiedenen Veranstaltungen erreicht worden sein muss oder ob es genügt, dass die Weite zwei Mal bei einer Veranstaltung erzielt wurde, ist zwischen den Parteien streitig.

    Für die Weltmeisterschaft 1997 war erstmals folgender Passus in die Nominierungsrichtlinien eingeführt worden: „Als zweimalige Normerfüllung wird nur anerkannt, wenn diese in zwei Veranstaltungen an zwei verschiedenen Tagen erfolgte.“ Der Passus wurde auch in den Richtlinien für die Olympischen Spiele 2000 in Sydney beibehalten. Für die Olympischen Spiele 2004 in Athen wurde der Passus nicht mehr aufgenommen. Zugleich wurden alle Nominierungsanforderungen, in denen die zweimalige Normerfüllung gefordert oder als Option ermöglicht wurde, gestrichen. In den Nominierungsrichtlinien für die Olympischen Spiele 2008, die die Erfüllung der Norm durch zweimaliges Erreichen eines bestimmten Ergebnisses wieder zuließen, findet sich ein ausdrückliches Erfordernis, dass das Ergebnis bei zwei verschiedenen Veranstaltungen erreicht werden muss, nicht.

    Innerhalb des vorgesehenen Nominierungszeitraums vom 01.03.2008 bis 06.07.2008 erzielte der Kläger auf dem 14. Weseler Springermeeting – einer Qualifizierungsveranstaltung gem. Ziff. 3.1.1 der Nominierungsrichtlinien – am 25.06.2008 im Vorkampf eine Weite von 17,00 Metern und im Endkampf eine Weite von 17,04 Metern. Innerhalb einer vom DLV bis zum 13. Juli 2008 verlängerten Frist erzielte der Kläger bei einem Wettkampf in Tanger bei unzulässigem Rückenwind von 2,3 Metern pro Sekunde eine Weite von 17,09 Metern.

    Der DLV schlug den Kläger dem Beklagten in der Folge nicht zur Nominierung vor, weil er der Ansicht war, dass Ziff. 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien erfordere, dass die in der 2. Norm genannte Weite von zwei Mal 17 Metern in zwei verschiedenen Wettkämpfen erzielt wurde. Der Kläger erwirkte daraufhin gegenüber dem DLV im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Beschluss des Deutschen Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008, Az.: DIS-SV-SP(ER)-01/08 (Anlage K 9, Bl. 73 ff. d. A.), der den DLV verpflichtete, den Kläger gegenüber dem Beklagten zur Nominierung vorzuschlagen. Nach Ansicht des Einzelschiedsrichters reichte es aus, dass der Kläger die Norm innerhalb eines Wettkampfes zweimal erfüllt hatte.

    Der DLV schlug den Kläger dem Beklagten daraufhin am 20.07.2008 zur Nominierung vor. In seiner Nominierungssitzung vom 21.07.2008 lehnt der Beklagte eine Nominierung des Klägers ab. Der Kläger beantragte daraufhin beim Landgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die den Beklagten verpflichten sollte, den Kläger zu nominieren. Das Landgericht Frankfurt wies den Antrag mit Beschluss vom 22.07.2008, Az. 2-19 O 210/08, (Anlage K 10, Bl. 90 ff. d. A.) zurück. Die sofortige Beschwerde des Klägers wurde vom OLG Frankfurt mit Urteil vom 30.07.2008, Az.: 4 W 58/08, (Anlage K11, Bl. 93 ff. d. A.) zurückgewiesen. Das OLG Frankfurt legte Ziff. 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien dabei dahingehend aus, dass die Weite von 17,00 Metern in zwei verschiedenen Wettkämpfen erzielt werden musste.

    Im Schiedsverfahren forderte der DLV den Kläger sodann auf, Hauptsacheklage zu erheben. Mit Endschiedsspruch vom 17.12.2009, Az.: DIS-SV-SP-02/08, (Anlage K6, Bl. 47 ff. d. A.) stellte das Deutsche Sportschiedsgericht fest, dass der DLV verpflichtet war, den Kläger gegenüber dem Beklagten zur Nominierung vorzuschlagen. Das Sportschiedsgericht kam wie zuvor der Einzelschiedsrichter zu dem Ergebnis, dass es ausreichend gewesen sei, dass die Weite von 17,00 Metern zwei Mal in einer Veranstaltung erreicht wurde.

    Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch zu, weil der Beklagte ihn trotz bestehenden Nominierungsanspruchs nicht für die Olympischen Spiele nominiert habe. Entsprechend der Entscheidung des OLG Frankfurt im einstweiligen Verfügungsverfahren sei davon auszugehen, dass der Beklagte das ihm zustehende Nominierungsermessen durch die am 13.03.2007 beschlossenen Nominierungsgrundsätze konkretisiert und sich insoweit einer Selbstbindung unterworfen habe.

    Ziff. 3.1.2 und 3.1.9 der Nominierungsrichtlinien 2008 hätten vom Kläger – entsprechend der Einschätzung des Sportschiedsgerichts – so verstanden werden müssen, dass das zweimalige Erzielen einer Weite von 17,00 m bei einer Veranstaltung für die Normerfüllung ausreiche. Dafür spreche zum einen der Wortlaut der Richtlinie. Im Übrigen dürften etwaige Unklarheiten bei der Formulierung nicht zu Lasten des Klägers gehen, da der Beklagte die Nominierungsrichtlinien gemeinsam mit dem DLV als Monopolverband einseitig gegenüber dem Kläger festgelegt habe und rechtgeschäftliche Texte gegen denjenigen auszulegen seien, der die Formulierungsverantwortung trage. Überdies spreche die Formulierungshistorie für eine Auslegung im Sinne des Klägers. Der Kläger habe die Nominierungsrichtlinien nach Abschaffung des Kriteriums der zweimaligen Normerfüllung im Jahr 2004 und Wiedereinführung der Möglichkeit im Jahr 2008 so verstehen müssen, dass es nun anders als noch bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000 nicht erforderlich sei, dass die 2. Norm bei zwei verschiedenen Wettkämpfen erzielt werden muss. Das Kriterium der Leistungskonstanz sei ein nachrangiges Nominierungskriterium gewesen, welches der Beklagte in den Richtlinien auch nicht konsequent umgesetzt habe. Vorrangiges Ziel der Nominierungsrichtlinien sei die Auswahl von Athleten gewesen, die zum Nominierungszeitpunkt die bestmögliche Platzierung zum Saisonhöhepunkt erwarten ließen. Es sei gerade Ausdruck eines besonderen Leistungsvermögens, wenn es einem Athleten gelinge, sich im Laufe eines Wettkampfes zu steigern.

    Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe bei seiner Entscheidung über die Nichtnominierung auch schuldhaft gehandelt, da er vor dem Hintergrund der Entscheidung des Deutschen Sportschiedsgerichts im Eilverfahren hätte erkennen können, dass der Kläger einen Nominierungsanspruch hatte. Der Beklagte habe billigend in Kauf genommen, den Kläger trotz bestehenden Nominierungsanspruchs nicht zu nominieren.

    Der Kläger beziffert die ihm aufgrund der Nichtnominierung entstandenen – im einzelnen streitigen – Schäden auf mindestens 133.500,00 Euro. Hiervon entfallen nach seinem Vortrag 3.000,00 Euro auf den Wert der dem Kläger entgangenen Olympiaausrüstung. Dem Kläger seien überdies Antritts- und Preisgelder für Veranstaltungen entgangen, zu denen er wegen der fehlenden Olympiateilnahme gar nicht eingeladen wurde bzw. wofür ihm keine oder geringere Startgelder als Olympiateilnehmern gezahlt worden seien. Den insoweit entstandenen Schaden beziffert der Kläger für die Saison 2008 auf mindestens 14.000,00 Euro und für die Saison 2008 auf mindestens 15.000,00 Euro. Dem Kläger seien weiter Sponsorengelder aus einem mit der C. GmbH geschlossenen Sponsorenvertrag vom 29.07.2007 in Höhe von insgesamt 90.000,00 Euro sowie eine Prämie der Stiftung Deutsche Sporthilfe in Höhe von 1.500,00 Euro entgangen.

    Der Kläger beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von mindestens 133.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte hält die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft der Entscheidung des OLG Frankfurt im einstweiligen Verfügungsverfahren bereits für unzulässig. Jedenfalls liege keine Pflichtverletzung des Beklagten vor, da das OLG Frankfurt bindend entschieden habe, dass dem Beklagten bei seiner Entscheidung keine Auslegungs- oder Ermessensfehler unterlaufen seien.

    Der Beklagte trägt weiter vor, er habe den Kläger nicht nominiert, weil nach Regel 180.21 der Competition Rules des Internationalen Verbandes in die offizielle Wettkampfwertung lediglich die beste Leistung eines Wettkämpfers falle. Der Kläger habe die geforderte Weite von 17,00 Metern daher in zwei verschiedenen Wettkämpfen erreichen müssen. Nur ein konstantes Leistungsniveau könne die Erfüllung der 2. Norm belegen und eine Endkampfchance begründen. Bei den letzten Wettkämpfen vor der Nominierungsentscheidung habe der Kläger die notwendige Wettkampfstabilität nicht nachgewiesen, vielmehr sei davon auszugehen gewesen, dass es sich bei der Weite von 17,04 Metern lediglich um einen Ausreißer nach oben gehandelt habe.

    Der Beklagte ist weiter der Ansicht, die Nominierungsrichtlinien seien nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Entscheidend sei hierbei nicht, wie Dritte die Richtlinien verstehen, sondern wie der Beklagte sie verstanden habe. Gerichte dürften daher nur prüfen, ob die vom Beklagten vorgenommene Auslegung möglich sei. Aufgrund der in seinem Sinne ergangenen Entscheidungen des LG und OLG Frankfurt im einstweiligen Verfügungsverfahren könne jedenfalls nicht von einem Verschulden des Beklagten ausgegangen werden.

    Überdies treffe den Kläger ein den Anspruch ausschließendes Mitverschulden, da er es versäumt habe, den Wortlaut der früheren Nominierungsrichtlinien im einstweiligen Verfügungsverfahren vorzubringen. Schließlich sei die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte behauptet hierzu, dass der Kläger selbst davon ausgegangen sei, die Norm noch nicht erfüllt zu haben, denn er habe nach dem 14. Weseler Springermeeting am 25.06.2008 – unstreitig – an weiteren Wettkämpfen teilgenommen und versucht, die Norm nochmals zu erreichen. Letztlich sei der Anspruch wegen Zeitablaufs verwirkt.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist zulässig. Die Rechtskraft der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main im einstweiligen Verfügungsverfahren stünde allenfalls einem weiteren gleichartigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, nicht hingegen der Erhebung einer Schadensersatzklage entgegen.

    Die Klage ist dem Grunde nach auch begründet.
    Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung einer zwischen den Parteien bestehenden vorvertraglichen Sonderverbindung zu (§ 280 Abs. 1 BGB).
    Eine Nominierung begründet ein Vertragsverhältnis zwischen Sportler und Verband. Hieraus ergibt sich im Vorfeld zugleich eine vorvertragliche Sonderverbindung, die die Vertragsfreiheit des Verbandes als Monopolisten einschränkt und ihn zur Gleichbehandlung seiner potentiellen Vertragspartner verpflichtet (OLG Frankfurt, Urteil v. 30.07.2008, Az.: 4 W 58/08, S. 6; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 162; Rn. 128).

    Der Beklagte hat seine Pflichten aus der zwischen den Parteien danach bestehenden vorvertraglichen Sonderverbindung verletzt, indem er den Kläger trotz bestehenden Nominierungsanspruchs nicht zu den Olympischen Spielen 2008 nominierte.

    Dem Kläger stand gegen den Beklagten aus der vorvertraglichen Sonderverbindung i.V.m. § 242 BGB, Art. 3 Abs. 1 GG, den Nominierungsgrundsätzen des Beklagten und den Nominierungsrichtlinien des DLV ein Nominierungsanspruch zu. Zwar hat der Beklagte in Ziff. 2.1 seiner Nominierungsgrundsätze festgelegt, dass die Erfüllung der Qualifikationsnorm Voraussetzung für die Nominierung sei, die Erfüllung der Qualifikationsnorm aber noch keinen Anspruch auf Nominierung begründe. Der Beklagte hat das ihm bei der Nominierungsentscheidung grundsätzlich zustehende Ermessen jedoch in den von ihm beschlossenen Nominierungsgrundsätzen konkretisiert und sich insoweit einer Selbstbindung unterworfen (OLG Frankfurt, a.a.O. S. 7; vgl. auch BGH Urt. v. 12.03.1990, II ZR 179/89, juris Rn. 13 - „Schärenkreuzer“).

    Nach Ziff. 2.2. der Nominierungsgrundsätze des Beklagten war Voraussetzung für die Benennung eines Athleten der Leistungsnachweis einer begründeten Endkampfchance. Die sportartspezifischen Nominierungskriterien, die eine begründete Endkampfchance belegen sollten, waren gem. Ziff. 2.2. und 3 der Nominierungsgrundsätze des Beklagten zwischen dem Geschäftsbereich Leistungssport des DOSB, den Spitzenverbänden und den betreffenden Aktivensprechern der Verbände/Disziplinen auszuarbeiten. An diese Vorgabe seiner Nominierungsgrundsätze war der Beklagte insoweit gebunden, als die entsprechend herausgearbeiteten und in den Nominierungsrichtlinien des DLV niedergelegten sportartspezifischen Kriterien zugleich das Vorliegen einer begründeten Endkampfchance indizierten. Im Falle der Normerfüllung durfte dem Kläger die Nominierung daher nicht mit der Begründung der fehlenden Endkampfchance verweigert werden (OLG Frankfurt, a.a.O.).

    Entgegen der Ansicht des Beklagten ist den Gerichten die Auslegung der Nominierungsrichtlinien nicht verwehrt. Anders als bei der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung des BFH geht es vorliegend nicht um die Auslegung interner Verwaltungsanweisungen, sondern um die Auslegung von an Dritte gerichteten Nominierungsanforderungen. Ausweislich Abs. 4 S. 1 der Präambel der Nominierungsrichtlinien haben diese gerade den Zweck, zu mehr Verständnis, Sicherheit und Transparenz der Nominierungen zu führen. Die Athleten sollen sich an den in den Richtlinien niedergelegten Kriterien orientieren und sich auf diese einstellen können. Maßgeblich kann daher gerade nicht sein, wie der Beklagte die Richtlinien verstanden hat, sondern wie sie nach objektivem Empfängerhorizont zu verstehen waren (§§ 133, 157 BGB).

    Entgegen der Ansicht des Beklagten stehen einer gerichtlichen Auslegung auch nicht die Vereinsautonomie und die Nominierungshoheit des Beklagten entgegen. Danach mag es den Gerichten zwar verwehrt sein, die Richtlinien auf ihre inhaltliche Richtigkeit und Angemessenheit zu prüfen oder bei fortbestehendem Ermessen des Beklagten eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Hat sich der Beklagte jedoch durch die Aufstellung objektiver Leistungskriterien einer Selbstbindung unterworfen, die zu einer Ermessensreduzierung auf „0“ führt (OLG Frankfurt, a.a.O. S. 10), sind diese aufgestellten Kriterien auch einer gerichtlichen Auslegung zugänglich.

    Legt man die in Ziff. 3.1.2 i.V.m. Ziff. 3.1.9 der Richtlinien aufgestellten Voraussetzungen danach nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont aus, hat der Kläger die Nominierungskriterien erfüllt.

    Konkret heißt es hierzu in Ziff. 3.1.2:

    „Die Olympianorm ist dann erfüllt, wenn in den Disziplinen, in denen die 1. und 2. Norm benannt ist, beide Normen mindestens je einmal in einer der unter 3.1.1. benannten Veranstaltungen erreicht wurde.
    Im Hoch-, Weit- und Dreisprung gilt die Olympianorm auch dann als erfüllt, wenn nicht die höhere Normanforderung (mit Erfüllung der IAAF-A-Norm), sondern die alternativ benannte Normanforderung erfüllt wurde.“

    Unter Ziff. 3.1.9 finden sich für die Disziplin Dreisprung folgende Weiten:

    „1. Norm: 17,10m, 2. Norm: oder 2 x 17,00m.“

    Aus dem wiedergegebenen Wortlaut der Nominierungsrichtlinien lässt sich dabei nicht eindeutig entnehmen, dass die 2. Norm, d.h. das zweimalige Erreichen einer Weite von 17,00 Metern, in zwei verschiedenen Veranstaltungen erfüllt sein musste (OLG Frankfurt, a.a.O, S. 10). Vielmehr spricht die Stellung des Wörtchens „je“ im ersten Absatz sogar für die gegenteilige Deutung, denn es heißt, dass die Normen je einmal erfüllt sein müssen und gerade nicht, dass die Normen in je einer der unter Ziff. 3.1.1. benannten Veranstaltungen erfüllt sein müssen.

    Der Kläger musste auch nicht davon ausgehen, dass die streitige Bestimmung nach Sinn und Zweck der Richtlinien so zu verstehen ist, dass die Weite von 17,00 Metern in zwei verschiedenen Veranstaltungen erreicht werden musste. Ausweislich der Regelung in Abs. 2 der Präambel der Nominierungsrichtlinien war entscheidend, welcher Athlet zum Nominierungszeitpunkt die bestmögliche Platzierung beim Saisonhöhepunkt erwarten ließ. Der vom Beklagten in den Vordergrund gerückte Aspekt der Konstanz der Leistungen ist dabei nach dem eindeutigen Wortlaut der Präambel nur einer von fünf bei der Beurteilung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten, der erst nach der absoluten Jahresleistung und der Leistungsentwicklung in der Saison genannt wird (vgl. Endschiedsspruch Dt. Sportschiedsgericht v. 17.12.2009, Az.: DIS-SV-SP-02/08, S. 10). Weiter zeigt die Tatsache, dass in einigen Disziplinen – und gerade auch in der Disziplin des Klägers – das einmalige Erfüllen der 1. Norm genügt, dass die Nominierungsrichtlinien das Konstanzerfordernis nicht in jeder Hinsicht konsequent verfolgen (vgl. Endschiedsspruch Dt. Sportschiedsgericht, S. 10). Der Kläger musste daher nicht davon ausgehen, dass die streitige Regelung der Richtlinie vorrangig vor dem Hintergrund der Leistungskonstanz auszulegen ist.

    Der Beklagte kann sich zur Begründung seiner Auffassung auch nicht mit Erfolg auf Regel 180.21 der Competition Rules des Internationalen Verbandes stützen, wonach lediglich die beste Leistung eines Wettkämpfers in die offizielle Wettkampfwertung fällt. Es geht im vorliegenden Fall gerade nicht um eine offizielle Wettkampfwertung, sondern um die Erfüllung von Nominierungsvoraussetzungen. Dass insoweit die gleichen Bewertungsmethoden anzuwenden sein sollen, ist für die Athleten als Normadressaten der Richtlinien nicht ersichtlich (vgl. Endschiedsspruch Dt. Sportschiedsgericht, S. 13, 14).

    Maßgeblicher Gesichtspunkt für eine Auslegung im Sinne des Klägers ist des weiteren die Formulierungshistorie der Richtlinien, die der Kläger im Hauptsacheverfahren vor dem Schiedsgericht und im hiesigen Verfahren näher dargelegt hat. Im einstweiligen Verfügungsverfahren hatte der Kläger insoweit nur vorgetragen, dass für die Weltmeisterschaft 1997 folgender Passus in die Nominierungsrichtlinien eingeführt wurde: „Als zweimalige Normerfüllung wird nur anerkannt, wenn diese in zwei Veranstaltungen an zwei verschiedenen Tagen erfolgt ist.“ Lässt sich dem noch entgegenhalten, dass aus der Formulierung anlässlich der Weltmeisterschaft kein zwingender Schluss für die Nominierung zu den Olympischen Spielen zu ziehen ist (OLG Frankfurt, a.a.O. S. 10), so trägt der Kläger im hiesigen Verfahren darüber hinausgehend unwidersprochen vor, dass der genannte Passus auch für die Olympischen Spiele 2000 in Sydney beibehalten wurde, während er für die Olympischen Spiele 2004 in Athen nicht mehr aufgenommen wurde, wobei zugleich alle Anforderungen, die an zweimalige Normerfüllungen anknüpften, gestrichen wurden. Für die Olympischen Spiele 2008 wurde die Möglichkeit der zweimaligen Normerfüllung dann wieder eingeführt und zwar ohne die in den Richtlinien für die Olympischen Spiele 2000 enthaltene Beschränkung, dass die Norm in zwei Veranstaltungen an zwei verschiedenen Tagen erfüllt werden muss.

    Für den Kläger, der seit 1997 professioneller Leichtathlet war und der den Wortlaut der Richtlinien nach seinem unwidersprochenen Vortrag jeweils mitverfolgt hat, musste sich daher das Verständnis ergeben, dass das im Jahr 2000 noch ausdrücklich festgelegte Erfordernis der Normerfüllung in zwei verschiedenen Veranstaltungen für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2008 obsolet geworden war (vgl. Deutsches Sportschiedsgericht, S. 10, 11). Dies folgt allein aus den unterschiedlichen Formulierungen in den Richtlinien, die der Beklagte nicht bestritten hat. Auf die Frage der inhaltlichen Richtigkeit und Verwertbarkeit der Aussage des Zeugen Nickel im Schiedsverfahren, die sich vorrangig mit dem Hintergrund des geänderten Wortlauts befasst, kommt es dabei nicht an.

    Soweit der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.11.2011 nach Schluss der mündlichen Verhandlung erstmals vorträgt, sämtliche Beteiligten seien bei Ausarbeitung der Nominierungsrichtlinien 2008 davon ausgegangen, dass es erforderlich sei, dass die Norm auf zwei verschiedenen Veranstaltungen erfüllt wird, kann dieser Vortrag gem. § 296a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Dass es hinsichtlich der Schadenshöhe noch näherer Aufklärung im Betragsverfahren bedarf, steht einer Zurückweisung verspäteten Vorbringens zum Anspruchsgrund dabei nicht entgegen (BGH NJW 1980, 2357 f.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 304 Rn. 6; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 296a Rn. 16).

    Gründe, die die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO gebieten würden, liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht des Beklagten war das Gericht insbesondere nicht gehalten, den Beklagten gesondert darauf hinzuweisen, dass es die Klage für schlüssig hält. Soweit der Beklagte hierzu ausführt, der Kläger habe zur Frage von Pflichtverletzung und Verschulden des Beklagten nichts vorgetragen bzw. bloß auf Anlagen verwiesen, trifft dies schlicht nicht zu. Der Beklagte hat sich bei seiner Rechtsverteidigung auch nicht auf den Einwand fehlender Schlüssigkeit beschränkt, sondern zu den relevanten Punkten in der Sache vorgetragen. Ein erkennbares Übersehen entscheidungserheblicher Gesichtspunkte, das einen Hinweis erfordert hätte, lag daher nicht vor. Im Übrigen wurde die Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Infolge dieser Erörterung kam der Beklagte – wie sein eigener Schriftsatz belegt – zu der Einschätzung, dass das Gericht von der Schlüssigkeit der Klage ausgeht. Dass er seinen Vortrag infolgedessen für ergänzungsbedürftig hält, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben und auch keinen Schriftsatznachlass beantragt.
    Ungeachtet dessen würde die Zulassung des weiteren Vortrags des Beklagten in der Sache auch kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Selbst wenn es die Verfasser der Nominierungsrichtlinie als Selbstverständlichkeit angesehen haben, dass die 2. Norm bei zwei Veranstaltungen erfüllt werden muss, war dies aus Sicht des Normadressaten – und damit des Klägers – nicht erkennbar.
    Schließlich ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass rechtsgeschäftliche Texte gegen denjenigen auszulegen sind, der die Formulierungsverantwortung trägt, zumindest wenn er wirtschaftlich und in der Formulierungszuständigkeit klar überlegen ist (Schiedsspruch Dt. Sportschiedsgericht, S. 10 unter Verweis auf Art. 46 der Unidroit Principles On International Commercial Contracts; OLG Frankfurt OLGZ 73, 230, 232; Staudinger-Singer, BGB, Neubearb. 2004, § 133 Rn. 62; Münchener Kommentar BGB-Busche, 6. Aufl., § 157 Rn. 7 f.). Dies gilt insbesondere bei Bestimmungen, die wesentliche Rechte einer Partei beschränken. Je belastender eine vereinbarte Sanktion dabei ist, desto eher ist eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten (Staudinger-Singer, a.a.O., § 133 Rn. 62; BGH GRUR 2003, 545, 546 – „Vertragsstrafe“).

    Im vorliegenden Fall war die Auslegung der streitigen Regelung in Ziff. 3.1.2. der Richtlinien für den Kläger von ganz entscheidender Bedeutung, denn sie entschied über die Frage der Teilnahme/Nichtteilnahme des Klägers an den Olympischen Spielen. Lässt sich dem Wortlaut der Richtlinie aber wie gesehen nicht hinreichend entnehmen, dass das Erreichen der 2. Norm in zwei verschiedenen Veranstaltungen erfolgt sein muss, muss es nach den o.g. Grundsätzen beim Wortlaut der Richtlinie bleiben. Dies steht nicht zuletzt im Einklang mit Abs. 4 S. 1 der Präambel der Nominierungsrichtlinien, wonach diese gerade den Zweck hatten, bei den Athleten zu mehr Verständnis, Sicherheit und Transparenz der Nominierungen zu führen. Dabei ist schließlich auch unschädlich, dass die inhaltliche Ausarbeitung der sportartspezifischen Nominierungskriterien ausweislich Ziff. 3 S. 2 der Nominierungsgrundsätze des Beklagten gemeinsam mit den Aktivensprechern der Verbände/Disziplinen erfolgt ist, denn es ist gleichwohl davon auszugehen, dass DLV und Beklagter als der wirtschaftlich und in der Formulierungszuständigkeit klar überlegene Teil anzusehen sind (vgl. Schiedsspruch Deutsches Sportschiedsgericht, a.a.O., S. 10).

    Hatte der Kläger somit die Anforderungen von Ziff. 3.1.2. i.V.m. Ziff. 3.1.9 der Nominierungsrichtlinien erfüllt, durfte der Beklagte dem Kläger die Nominierung nicht unter Verweis auf die fehlende Endkampfchance versagen (OLG Frankfurt, a.a.O., S. 10). Andere Gründe als das Fehlen einer begründeten Endkampfchance trägt der Beklagte zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung nicht vor; der Kläger hatte somit einen Anspruch auf Nominierung.

    Indem der Beklagte den Kläger gleichwohl nicht nominierte, hat er seine Pflichten aus der zwischen den Parteien bestehenden vorvertraglichen Sonderverbindung verletzt. Der Beklagte handelte hierbei auch schuldhaft, denn er hat die nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bestehende Verschuldensvermutung nicht widerlegt. Der Beklagte kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden zu haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Verpflichtete das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage grundsätzlich selbst zu tragen. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind daher strenge Anforderungen zu stellen. Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten. Entschuldigt ist der Rechtsirrtum dabei nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH NJW 1994, 2754 f.; NJW 2006, 3271 ff.; NJW-RR 2007, 382 f.).

    Ein entsprechend der vorgenannten Voraussetzungen unverschuldeter Rechtsirrtum liegt hier nicht vor. Soweit der Beklagte erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.11.2011 nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorträgt, er habe die Rechtslage unter Einholung fundierten juristischen Rates sorgfältig geprüft, ist auch dieser Vortrag nach § 296a ZPO unberücksichtigt zu lassen. Ungeachtet dessen könnte den Beklagten vorliegend auch die Einholung von Rechtsrat nicht entlasten. Der Beklagte hat die Nominierung des Klägers unstreitig in seiner Nominierungssitzung vom 21. Juli 2008 abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt lag dem Beklagten nach dessen eigenem Vortrag der Beschluss des Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008, mit dem der DLV verpflichtet worden war, den Kläger zur Nominierung vorzuschlagen, bereits vor. In dem Beschluss hat das Sportschiedsgericht die Sach- und Rechtslage zur Auslegung von Ziff. 3.1.2. der Nominierungsrichtlinie umfassend geprüft und dargestellt. Dies erfolgte überdies unter Berücksichtigung einer zuvor vom DLV eingereichten Schutzschrift, in der dieser seine – vom Beklagten geteilte – Auffassung zur Auslegung der Norm dargestellt hatte.

    Bei dieser Sachlage durfte der Beklagte nicht berechtigt darauf vertrauen, mit einer abweichenden Beurteilung durch die Gerichte nicht rechnen zu müssen. Dass die Entscheidung des Sportschiedsgerichts nur gegenüber dem DLV und nicht gegenüber dem Beklagten bindend war, ist dabei unerheblich. Der Beschluss des Schiedsgerichts hat sich umfassend mit der Frage der Auslegung von Ziff. 3.1.2. der Nominierungsrichtlinien befasst – eine Frage, die gerade auch für die Nominierungsentscheidung des DOSB entscheidend war. Weiter ist unerheblich, dass dem Beklagten bei der Nominierung anders als dem DLV grundsätzlich ein Ermessen zustand. Grundlage der ablehnenden Entscheidung des Beklagten war ebenso wie bei der ablehnenden Entscheidung des DLV die Einschätzung, dass der Kläger das Vorliegen einer begründeten Endkampfchance nicht belegt habe, weil er die geforderte Weite von 17 Metern nicht bei zwei verschiedenen Veranstaltungen erreicht hat. Darüber hinausgehende Gründe für die Ablehnung hat der Beklagte nicht dargetan. Folglich kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, davon ausgegangen zu sein, der im Verhältnis zum DLV ergangene Beschluss habe für ihn keine Relevanz.

    Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.11.2011 erstmals vorträgt, er habe vor seiner endgültigen Entscheidung über die (Nicht-) Nominierung am 23.07.2008 zunächst bewusst die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt im Eilverfahren abgewartet, muss dieser Vortrag wiederum nach § 296a ZPO unberücksichtigt bleiben. Ungeachtet dessen steht der neue Vortrag auch in Widerspruch zur eigenen früheren Darstellung des Beklagten. Der Beklagte hatte seine Entscheidung unstreitig bereits am 21.07.2008 gefällt. In der Klageerwiderung heißt es hierzu auf S. 4 unter Ziff. 4: „In der letzten Sitzung der Präsidialkommission des Beklagten am 21.07.2008 wurde der Kläger auf Basis einer eigenen Entscheidung des Beklagten nicht nominiert.“ Nur aufgrund dieser Entscheidung kam es überhaupt zum einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Frankfurt. Am 23.07.2008 wurde die bereits am 21.07.2008 getroffene Entscheidung des Beklagten lediglich faktisch endgültig, da an diesem Tag die Nominierungsfrist beim IOC ablief.
    Weiter ist zu berücksichtigen, dass der vermeintliche Irrtum vorliegend nicht auf einer Unsicherheit über die Auslegung einer Gesetzesvorschrift beruhte, sondern auf einer nicht hinreichend präzisen Formulierung im eigenen, von dem Beklagten verwendeten Regelwerk.

    Das Verschulden des Beklagten ist schließlich auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das LG und OLG Frankfurt das Verständnis des Beklagten zur Auslegung von Ziff. 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien im einstweiligen Verfügungsverfahren geteilt und einen Nominierungsanspruch des Klägers abgelehnt haben. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten ist die ablehnende Nominierungsentscheidung vom 21.07.2008. Zu diesem Zeitpunkt lag dem Beklagten jedoch lediglich der im Sinne des Klägers ergangene Beschluss des Einzelschiedsrichters im einstweiligen Verfügungsverfahren vom 19.07.2008 vor. Der Beklagte hat das Risiko eines Irrtums daher bewusst in Kauf genommen. Die erst nachträgliche gerichtliche Bestätigung seiner Ansicht kann den Beklagten hierbei nicht entlasten (vgl. BGH NJW 1974, 1903, 1904 f.; BGH NJW 1982, 635, 636 f.), zumal es sich insoweit um Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren handelte (vgl. BGH NJW 1983, 2318, 2320 f.).

    Entgegen der Ansicht des Beklagten kann der Beklagte auch nicht aufgrund seiner Nominierungshoheit und der Vereinsautonomie einen großzügigeren Verschuldensmaßstab für sich in Anspruch nehmen. Der Beklagte allein entscheidet, welche deutschen Sportler für Olympia nominiert werden. Aufgrund dieser Monopolstellung hat der Beklagte seine Entscheidungen besonders kritisch abzuwägen und die Auswirkungen für die Athleten vor dem Hintergrund von Art. 12 GG zu berücksichtigen. Dem Beklagten war sowohl bei Aufstellung der Nominierungskriterien als auch bei der Nominierungsentscheidung bewusst, dass für den Kläger neben ideellen auch erhebliche finanzielle Interessen auf dem Spiel standen (vgl. allg. Fritzweiler/Pfister/Summerer, a.a.O., S. 163, Rn. 130).
    Dem Kläger ist schließlich auch kein Mitverschulden anzulasten. Ein solches folgt insbesondere nicht aus der Tatsache, dass der Kläger den Wortlaut der Nominierungsrichtlinien für die Olympischen Spiele 2000 und 2004 im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht vorgelegt hat. Dass der Kläger deren Erheblichkeit möglicherweise falsch eingeschätzt hat, ist ihm angesichts des im einstweiligen Verfügungsverfahren bestehenden Zeitdrucks im hiesigen Verfahren nicht anzulasten. Überdies hat der Kläger hierdurch keine im Verhältnis zum Beklagten bestehende Pflicht zur Abwendung oder Minderung des Schadens verletzt, zumal dem Beklagten der Wortlaut der Nominierungsrichtlinien für die Olympischen Spiele 2000 und 2004 selbst bekannt gewesen sein muss.

    Ein Anspruch des Klägers scheitert schließlich auch nicht daran, dass er – wie der Beklagte behauptet – die streitige Regelung in Ziff. 3.1.2. selbst im Sinne des Beklagten und des DLV verstanden haben soll. Ein entsprechendes Verständnis des Klägers folgt insbesondere nicht aus der Tatsache, dass der DLV ihm gegenüber die Frist für die Normerfüllung bis zum 13.07.2008 verlängert hatte, damit er Gelegenheit erhielt, ein zweites Mal eine Weite von 17,00 Metern zu erzielen. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er bei Erreichen der Weiten von 17,00 Metern und 17,04 Metern auf dem Weseler Springermeeting am 25.06.2008 davon ausgegangen sei, die Norm erfüllt zu haben und dass er auch Glückwünsche hierzu erhalten habe. Erst später sei ihm mitgeteilt worden, dass das zweimalige Erzielen der Weiten auf einer Veranstaltung nicht genügen soll. Dass der Kläger dann in der Folge versucht hat, nochmals eine Weite von 17,00 Metern zu springen, belegt nicht, dass er das Verständnis des DLV und des Beklagten teilte, sondern dass er lediglich sicher gehen wollte, die Qualifizierungsanforderungen in jedem Fall zu erfüllen. Dass es der Kläger nicht bewusst darauf ankommen lassen wollte, seinen Nominierungsanspruch gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen zu müssen, kann ihm nicht als rechtsmissbräuchliches Verhalten angelastet werden. Etwas anderes wird auch nicht durch den in der mündlichen Verhandlung durch den Beklagten überreichten Internetausdruck (Bl. 213, 214 d. A.) belegt. Die in dem Artikel vom 09.07.2008 enthaltenen Formulierungen „Charles sollte ein zweites Mal die geforderte B-Norm von 17m erfüllen“ und „Doch auch Friedek konnte sich über diesen Titel nur wenig freuen, war doch eine erneute Normerfüllung von 17m das eigentliche Ziel gewesen.“ belegen nicht, dass der Kläger davon ausging, dass Ziff. 3.1.2. der Nominierungsrichtlinien das Erfüllen der 2. Norm in zwei Veranstaltungen erfordere, sondern lediglich, dass er sich bemühte, den Wert vorsorglich nochmals zu erzielen.

    Der Anspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verwirkt. Es entsprach dem berechtigten Interesse des Klägers, vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen den Ausgang des Hauptsacheverfahrens vor dem Schiedsgericht abzuwarten. Überdies trägt der Beklagte auch keine Umstände vor, die eine – bereits nicht vorliegende – verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen ließen.
    Der Beklagte ist dem Kläger daher dem Grunde nach verpflichtet, ihm die aus der unterlassenen Nominierung entstandenen Schäden zu ersetzen. Nach dem Sach- und Streitstand ist auch hinreichend wahrscheinlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf entgangenen Gewinn in irgendeiner rechnerischen Höhe besteht (vgl. allg. BGH NJW 2004, 2526, 2527; Musielak-Musielak ZPO, 8. Aufl., § 304 Rn. 16 f.). Dass der Vortrag der Parteien zur Schadenshöhe im Einzelnen noch ergänzungs- und beweisbedürftig ist, steht der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach nicht entgegen (vgl. OLG München, NJWE-VHR 1996, 96, 103). Die nähere Aufklärung und Entscheidung bleibt insoweit dem Betragsverfahren vorbehalten.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 280 BGB, Art 3 Abs 1 GG, § 242 BGB