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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Beschluss vom 21.11.2000 – 7 V 4116/00

    1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Verein wegen Verstoßes gegen das Gebot der Selbstlosigkeit seine Gemeinnützigkeit verliert, wenn dem nach Satzung „ehrenamtlich” tätigen Vereinsvorsitzenden aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung „für die aufgewendete Arbeitszeit eine angemessene Vergütung” bezahlt wird, diese Satzungsänderung aber nicht in das Vereinsregister eingetragen worden ist.

    2. Im Hinblick auf das Mittelverwendungsgebot darf eine gemeinnützige Körperschaft Leistungen ihres Vorstands nur in angemessenem Umfang honorieren; zudem müssen die Leistungen im Einzelnen nachgewiesen sein und muss dem Vorstand ein Vergütungsanspruch gegen die Körperschaft zustehen.

    3. Ein ehrenamtlicher Vereinsvorstand hat keinen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 27 Abs.3, 670 BGB wegen des Vermögensopfers, das durch die Wahrnehmung der ehrenamtlich übernommenen Aufgabe und den dadurch vorausehbar bedingten beruflichen Verdienstausfall eintritt.


    hat der 7. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

    des …

    und der Richter am Finanzgericht … und …

    ohne mündliche Verhandlung am 21. November 2000 beschlossen:

    1. Der Antrag wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist, ob der Antragsteller steuerbegünstigte Zwecke i.S. der §§ 51 ff der Abgabenordnung (AO 1977) verfolgt hat.

    Wegen des Sachverhalts sowie der Ausführungen der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Akten und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    Gründe

    II.

    Der Antrag ist nicht begründet.

    Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide i.S. des § 69 Abs. 3, 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Danach ist die Auffassung des Antragsgegners (Finanzamt – FA –) nicht zu beanstanden, wonach der Antragsteller die steuerbegünstigten Zwecke nicht – wie erforderlich – selbstlos verwirklicht hat. Dies folgt aus der Höhe der dem Vorsitzenden des Vorstands, Herrn …, geleisteten (nach dem Verdienstausfall in seiner Praxis bemessenen) Aufwandsentschädigung.

    Nach § 55 AO 1977 setzt Selbstlosigkeit voraus, daß die Körperschaft ihre Mittel nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet und keinem Mitglied in seiner Eigenschaft als Mitglied aus ihren Mitteln etwas zuwendet. Ergänzend bestimmt § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977, daß die Körperschaft keine Person durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen darf. Daraus folgt, daß die Körperschaft Leistungen ihres Vorstands (ebenso wie solche anderer Personen) nur in angemessenem Umfang honorieren darf. Voraussetzung ist, daß die Leistungen im einzelnen nachgewiesen sind, dem Vorstand (bzw. den anderen Personen) ein Vergütungsanspruch gegen die Körperschaft zusteht und die Vergütung der Höhe nach angemessen ist (vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 3. Dezember 1996 I R 67/95, BStBl II 1997, 474 den Ersatz von Aufwendungen betreffend).

    Im Streitfall steht Herrn … schon ein Vergütungsanspruch in Höhe der ihm geleisteten Zahlungen nicht zu.

    In der ursprünglichen Satzung des Antragstellers vom 20. März 1985 ist zur Tätigkeit des Vorstands ohne Einschränkungen bestimmt, daß dieser „ehrenamtlich” arbeitet (§ 9 letzter Absatz).

    Kennzeichnend für ein Ehrenamt ist die Unentgeltlichkeit der ausgeübten Tätigkeit. Dem bei einem Idealverein typischerweise auf ehrenamtlicher Grundlage tätigen Vorstand steht lediglich ein Ersatz der ihm durch seine Vorstandstätigkeit entstandenen Aufwendungen zu (§§ 27 Abs. 3, 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –). Darin unterscheidet sich seine Tätigkeit von derjenigen des Vorstandsvorsitzenden einer kassenärztlichen Vereinigung. Das dazu vom Bundessozialgericht entwickelte Begriffsverständnis der ehrenamtlichen Tätigkeit ist auf das im Streitfall einschlägige Vereinsrecht nicht übertragbar.

    Keine Aufwendungen i.S. der §§ 27 Abs. 3, 670 BGB sind die für die Wahrnehmung der (ehrenamtlich) übernommenen Aufgabe eingesetzte Arbeitszeit und Arbeitskraft und das dadurch voraussehbar bedingte Vermögensopfer in Form anderweitig entgehender Verdienstmöglichkeiten. Leistungen, die zur Abgeltung dieses Opfers erbracht werden, sind rechtlich Vergütungen, d.h. Entgelt für die übernommene Tätigkeit, mögen sie auch häufig anders, etwa als Aufwandsentschädigung u.ä. bezeichnet werden. Arbeitsentgelt sind danach auch die Beträge, die sich der Inhaber eines Vereinsamts dafür zahlen läßt, daß er durch die Übernahme seines Amtes zeitweise verhindert ist, seine Arbeitskraft im eigenen Beruf oder Unternehmen einzusetzen (Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 14. Dezember 1987 II ZR 53/87, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- RR 1988, 745; vgl. auch Palandt, Kommentar zum BGB, 59. Aufl., § 27 Anm. 4).

    Um ein Entgelt in diesem Sinne handelt es sich auch bei den an Herrn Dr. Bahr geleisteten Vergütungen. Diese sind nach der Satzung in der Fassung vom 20. März 1985 ausdrücklich ausgeschlossen. Abweichende Beschlüsse der Mitgliederversammlung sind für den Antragsteller nicht bindend und können daher auch einen Anspruch für den Vereinsvorstand nicht begründen.

    Zwar hat die Mitgliederversammlung am 8. Juli 1995 trotz Festhaltens am Grundsatz der ehrenamtlichen Tätigkeit des Vereinsvorstands eine Ergänzung der Satzung dahingehend beschlossen, daß „dem Vorsitzenden für die aufgewendete Arbeitszeit eine angemessene Vergütung zu bezahlen” ist. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Satzungsänderung ist aber deren Eintragung in das Vereinsregister (§ 71 BGB). Dazu ist es bislang nicht gekommen. Ausweislich des vorliegenden Registerauszugs ist lediglich die Namensänderung in § 1 a der Satzung eingetragen worden. Abgesehen davon könnten sich aus der Satzungsänderung Ansprüche erst für die Zukunft ergeben, so daß sich für einen Teil, der Streitjahre am Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit nichts ändern würde.

    Im Streitfall kann somit auf sich beruhen, ob die gezahlten Vergütungen von der gemäß Beschluß vom 8. Juli 1995 angefügten Satzungsklausel gedeckt wären. Im Urteil in NJW RR 1988 S. 745 ist der BGH allerdings für die insoweit mit dem Streitfall übereinstimmende Bemessung der Vergütung eines Vereinsvorstands nach dem Maßstab der Angemessenheit davon ausgegangen, diese sei unter Berücksichtigung der mit dem Vorstandsamt verbundenen Arbeit und Verantwortung, auch unter Heranziehung der bei einer vergleichbaren Einrichtung üblichen Vergütung zu bestimmen. Mit diesen Rechtsgrundsätzen wäre es nicht zu vereinbaren, die Vergütung – wie hier geschehen – letztendlich unabhängig von der Art der ausgeübten (geschäftsleitenden) Tätigkeit allein und ausschließlich nach dem Wert der Arbeitskraft bzw. des persönlichen Ansehens des Inhabers des Amts zu bemessen. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als auch im Beschluß über die Satzungsänderung vom 8. Juli 1995 die Ehrenamtlichkeit der Tätigkeit ausdrücklich betont wird.

    Danach würde Herrn … auch bei Gültigkeit der in § 9 angefügten Satzungsbestimmung ebenfalls keine Vergütung in der gewährten Höhe zustehen mit der Folge, daß der Antragsteller mit den Zahlungen gegen das Gebot der Selbstlosigkeit verstoßen hätte.

    Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob – wie vom Antragsteller bestritten – gegen Aufzeichnungspflichten verstoßen wurde und sich auch daraus der Verlust der Gemeinnützigkeit ergibt.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Beschwerde ist nicht veranlaßt. Irreparable Nachteile aus der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung können sich für den Antragsteller nicht ergeben, weil diesen Folgen durch eine Stundung oder die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung begegnet werden kann.

    Im übrigen führt die Steuerzahlung aus Zuschüssen seitens der Mitglieder zu keinem Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit.

    VorschriftenAO 1977 § 51, FGO § 69 Abs 2, FGO § 69 Abs 3, AO 1977 § 55 Abs 1, BGB § 27 Abs 3, BGB § 670