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  • 27.11.2024 · IWW-Abrufnummer 245031

    Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 25.09.2024 – 7 U 121/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Brandenburg 

    Urteil vom 25.09.2024


    In dem Rechtsstreit
    - Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwältin
    - Streithelfer der Klägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte
    gegen
    1.
    - Beklagter und Berufungskläger -
    2.
    - Beklagte und Berufungsklägerin -
    3., 
    4. ...
    5.
    - Beklagte und Berufungsklägerin -
    6.
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    7. ,
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte zu 1:
    Rechtsanwälte
    Prozessbevollmächtigte zu 2 und 5:
    Rechtsanwälte
    Prozessbevollmächtigte zu 6:
    Rechtsanwalt
    Prozessbevollmächtigte zu 7:
    Rechtsanwälte

    hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - 7. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2024 für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. Juli 2023 abgeändert:

    Die Beklagten zu 1, zu 2, zu 5, zu 6 und zu 7 sind als Gesamtschuldner dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin den materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr bei dem Unfall auf dem Reitplatz des Beklagten zu 1 am 25. August 2012 entstanden ist, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind, und es wird festgestellt, dass die bezeichneten Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr künftig wegen des bezeichneten Unfalls entstehen wird, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.

    Die Berufungen der Beklagten zu 1, zu 2 und zu 5 werden zurückgewiesen.

    Die Kostenentscheidung, die mit dem angefochtenen Urteil zu Gunsten der Beklagten zu 6 und zu 7 ergangen ist, wird aufgehoben.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1, zu 2, zu 5, zu 6 und zu 7 als Gesamtschuldner.

    Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin verlangt Schadensersatz, nachdem sie bei einem Unfall am 25. August 2012 schwer verletzt wurde, der sich bei einem Kutschen-Schaufahren ereignete, das der Beklagte zu 1 bei einer Jubiläumsveranstaltung ausrichtete.

    Der Beklagte zu 1 ist ein Reit- und Fahrverein. Die Beklagte zu 2 ist die Erbin eines zur Zeit des Unfalles amtierenden Vorstandsvorsitzenden. Die Beklagte zu 5 ist die Erbin eines weiteren Vorstandsvorsitzenden jener Zeit.

    Zur Jubiläumsfeier des Beklagten zu 1 wurden dem Publikum auf dem ca. 40 mal 80 m großen Turnierplatz zahlreiche Kutschen in sogenannten Schaubildern vorgeführt. Dazu werden die Kutschen auf den Turnierplatz gefahren, fahren dort für einige Minuten eine Strecke, die es dem Publikum ermöglicht, sie möglichst von allen Seiten zu betrachten, und fahren sodann wieder vom Platz herunter.

    Für das Schaubild, bei dem sich der Unfall ereignete, sollten vier Kutschen gleichzeitig auf dem Platz fahren, ein Vierspänner, ein Sechsspänner, ein Random-Gespann mit drei hintereinander eingespannten Pferden und ein Junkerzug mit zwei Stangenpferden und drei Vorderpferden.

    Der Beklagte zu 7 war zur Unfallzeit Mitglied des Beklagten zu 1. Er führte das Random-Gespann und war Eigentümer der drei eingespannten Pferde.

    Die Klägerin war zur Unfallzeit Mitglied des Beklagten zu 1. Sie hatte im Jahre 2011 das Fahrabzeichen Klasse IV für Kutschfahrer erworben. Sie führte danach ungefähr zehn Mal eine Kutsche, niemals allein und stets Einspänner.

    Der Beklagte zu 6 war zur Unfallzeit Mitglied des Beklagten zu 1. Er führte den Junkerzug, auf dem die Klägerin neben ihm sitzend als Passagierin in einem historischen Kostüm mitfuhr, nachdem der dafür zunächst vorgesehene Mitfahrer kurz zuvor abgesagt hatte. Die beiden Stangenpferde standen im Eigentum des Beklagten zu 1. Der Streithelfer der Klägerin war Eigentümer der drei Vorderpferde.

    Als der Beklagte zu 6 den Junkerzug auf den Platz fuhr, kam ihm das Random-Gespann entgegen. Beide Gespanne begegneten sich in nächster Nähe zueinander. Nach dieser Begegnung begannen die Pferde des Junkerzuges zu galoppieren und ließen sich vom Beklagten zu 6 nicht mehr beherrschen. Nachdem der Zug in einer Platzecke eine Linkskurve durchfahren hatte, hatte die Hinterachse der Kutsche keinen Bodenkontakt mehr. Die Kutsche kippte während der Fahrt mit hoher Geschwindigkeit zur Seite. Die Klägerin wurde dabei von der Kutsche geschleudert, prallte gegen einen Pfeiler der Platzbegrenzung und wurde dabei schwer verletzt. Sie ist seitdem querschnittgelähmt.

    Das Unfallgeschehen ist mit einer Videokamera aufgenommen worden. Die Aufzeichnung ist auf der CD in der Anlage K 1 zur Akte genommen worden.

    Der Tierhalterhaftpflichtversicherer des Streithelfers der Klägerin erkannte seine Leistungspflicht an und zahlte einen Vorschuss von 100.000 Euro.

    Die Klägerin hat gemeint, das gefahrene Schaubild sei unzureichend geplant und vorbereitet gewesen. Dies hätten der Beklagte zu 1 und dessen Vorsitzende verschuldet. Für vier gleichzeitig fahrende Gespanne sei der Platz zu klein gewesen. Sie hat behauptet, es habe keinen Plan über die einzuhaltenden Fahrwege gegeben. Wäre ein geeigneter Plan eingehalten worden, hätte es zu der nahen Begegnung der beiden Kutschen nicht kommen müssen, und die Pferde des Junkerzuges wären nicht durchgegangen. Das Schaubild sei nicht geprobt worden.

    Die Beklagten haben behauptet, das Schaubild sei geprobt worden. In den Tagen vor dem Unfall seien die Pferde täglich im Training gewesen (Bl. 743 LG). Die Klägerin habe zwei andere der im Ablaufplan der Jubiläumsveranstaltung (Bl. 732 ff. LG) vorgesehenen Vorführungen selbst geübt.

    Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin habe in die Zügel gegriffen, und es sei deshalb zu dem Unfall gekommen. Sie habe das geplante Schaubild gekannt, sei selbst Inhaberin einer Fahrerlaubnis für Kutschen, habe die etwaige Gefahr somit eigenverantwortlich einschätzen können und habe somit auf eigene Gefahr gehandelt. Jedenfalls trage sie ein Mitverschulden.

    Der Beklagte zu 7 hat behauptet, der Beklagte zu 6 sei gegen zuvor getroffene Verabredungen zu früh auf den Platz gefahren und zudem zu schnell. Er selbst habe sein Gespann beherrscht und sorgfältig geführt. Nicht die Begegnung mit seinem Random-Gespann habe dazu geführt, dass die Pferde des Junkerzuges durchgegangen seien. Der Beklagte zu 1 habe grob fahrlässig gehandelt, indem er die Veranstaltung unzureichend vorbereitet habe.

    Das Landgericht hat einen Sachverständigenbeweis erhoben. Der Sachverständige hat eine Planung für erforderlich gehalten, die jedem Fahrer vorgebe, welchen Weg er in der Vorführung zu fahren habe. Dann könne sich der Fahrer ganz auf sein Gespann konzentrieren, ohne sich einen Weg auf der begrenzten Fläche suchen zu müssen. Diese "Minimalinformationen" (Bl. 718) habe es nicht gegeben. Die Fahrer seien auf sich selbst gestellt gewesen (Bl. 719). Klare Regieanweisungen zum Fahrweg seien gerade dann erforderlich, wenn spezialisierte Anspannungen gefahren werden sollten, die außerordentlich hohe Kompetenz der Fahrer erforderten. So sei es hier beim Random-Gespann gewesen (Bl. 718 LG). Begegnungen, bei denen die Fahrer Vorfahrtregeln anwenden müssten, hätten durch Vorgaben über die Fahrwege vermieden werden können (Bl. 723 LG). Auf dem Gespann, auf dem die Klägerin mitgefahren sei, hätten weitere Beifahrer gefehlt, die nötig seien, um in die Leinen greifen zu können und um die Hinterachse ausreichend zu belasten, damit sie besser unter Kontrolle gehalten werden könne (Bl. 726 LG). Ob dies zum Unfallgeschehen beigetragen habe, hat der Sachverständige nicht beurteilt; er hat dazu auf ein vom Versicherer des Streithelfers eingeholtes Gutachten verwiesen. In jenem Gutachten (Anlage K 26) kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Junkerzug auch bei einer Besetzung mit vier Personen bei der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit gekippt wäre (S. 41), dass er wegen der nur sehr geringfügig unterschiedlichen Zugkraft nicht langsamer gefahren wäre (S. 45) und dass er nicht stärker hätte abgebremst werden können (S. 44). Der Sachverständige hat das Fahrverhalten des Beklagten zu 6 für grob fehlerhaft gehalten. Der Beklagte zu 6 habe nach dem Anspannen die Lösungsphase unterlassen. Es sei als krasses Fehlverhalten zu beurteilen, angespannte Pferde nicht zwischen zehn und 30 Minuten in Ruhe zu lassen, damit sie sich an die für sie neue Situation gewöhnen und sich entspannen könnten. Gerade das eingespannte besonders junge Pferd sei darauf angewiesen gewesen. Der Beklagte zu 6 sei stattdessen, so habe er beim Ortstermin angegeben, sogleich nach dem Anspannen langsam zum Turnierplatz gefahren und habe dort auf das Einfahren gewartet. Nach der nahen Begegnung mit dem entgegenkommenden Random-Gespann hätte der Beklagte zu 6 den von ihm geführten Junkerzug zum Stehen bringen müssen. Das habe er nicht versucht.

    Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 1830 ff. LG) hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 1, zu 2 und zu 5 für dem Grunde nach gerechtfertigt gehalten, es hat der Klägerin eine umfassende Feststellung der Schadensersatzverpflichtung jener Beklagten zugesprochen, und es hat die Klage gegen die weiteren Beklagten abgewiesen. Den Beklagten zu 1 hat das Landgericht als Tierhalter zweier im Junkerzug eingespannter Pferde für verpflichtet gehalten. Die Klägerin habe durch die bloße Mitfahrt keine besondere Gefahr übernommen, die über die normalerweise mit einer Kutschfahrt verbundene Gefahr hinausginge. Der Beklagte zu 1 hafte zudem für das grob fahrlässige Verhalten, durch das die Vorstandsvorsitzenden - jetzt die Beklagten zu 2 und zu 5 - der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet seien. Die Planung des Schaubildes habe Minimalanforderungen nicht genügt, weil Fahrweg und Fahrtrichtung nicht festgelegt worden seien. Die Ausführung habe den Fahrern nicht freigestellt werden dürfen. Weil die Fahrer deshalb mit dem Navigieren auf dem Platz beschäftigt gewesen seien, sei es zu der Beinahekollision und in deren Folge zu dem Unfall gekommen. Eine nahe Begegnung hätte durch eine Planung der Fahrwege verhindert werden können und somit auch das nachfolgende Geschehen. Ein Mitverschulden treffe die Klägerin nicht. Wenn sie in die Zügel gegriffen hätte, sei der Unfall zu jener Zeit bereits nicht mehr zu verhindern gewesen. Der Beklagte zu 6 schulde der Klägerin keinen Schadensersatz, weil die von ihm begangenen Sorgfaltspflichtverletzungen sich nicht auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hätten. Zu der Beinahe-Kollision sei es nicht wegen eines Fahrfehlers, sondern wegen der mangelhaften Planung gekommen. Dem Beklagten zu 7 sei ein Fahrfehler nicht anzulasten, und gegenüber der Tierhalterhaftung könne er sich entlasten, weil er die eingesetzten Pferde auch zu Erwerbszwecken genutzt habe.

    Die Klägerin hat Berufung eingelegt, um eine Verurteilung auch der Beklagten zu 6 und zu 7 zu erreichen. Die Beklagten zu 1, zu 2 und zu 5 haben das Urteil angefochten, damit die Klage auch ihnen gegenüber abgewiesen werde. Die Beklagten zu 3 und zu 4 sind am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

    Die Klägerin meint, der Beklagte zu 6 habe verantwortungslos gehandelt, indem er nicht aneinander gewöhnte Pferde eingespannt habe, von denen eines zu jung für die schwierige Aufgabe gewesen sei. Als erfahrener Kutschfahrer, als der er sich selbst bezeichne, habe der Beklagte zu 6 gegen das Ansinnen des Beklagten zu 1 protestieren müssen, das junge Pferd einspannen zu sollen. Zum Führen eines anspruchsvollen Junkerzuges sei der Beklagte zu 6 nicht ausreichend qualifiziert gewesen. Er habe aber gewusst, dass er auf einer Choreografie des Schaubildes habe bestehen müssen, die gefehlt habe. Die Klägerin meint, die weiteren Nachlässigkeiten - Handschuhe, Peitschenhaltung, Beifahrer - hätten sich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt; die Pferde wären nicht durchgegangen, und die Kutsche wäre nicht an der Stelle gekippt. Auch der Beklagte zu 7 sei den hohen Ansprüchen nicht gewachsen gewesen, die an das Führen eines Random-Gespann zu stellen seien. Auch er habe erkennen können, dass der Platz gerade für sein langes Gespann zu klein gewesen sei und dass das Schaubild mit Beteiligung von vier Gespannen dringend hätte geplant und vorbereitet werden müssen.

    Die Klägerin beantragt,

    das am 25.05.2023 verkündete und am 13.07.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Cottbus (6 O 59/18) aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass die Beklagten zu 1), 2), 5), 6) und 7) dem Grunde nach als Gesamtschuldner verurteilt werden, der Klägerin jeglichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 25.08.2012 auf dem Reitplatz des Beklagten zu 1) zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen ist.

    Der Beklagte zu 1 beantragt,

    das Teilgrund- und Teilschlussurteil des Landgerichts Cottbus vom 11.07.2023 - 6 O 59/18 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Beklagten zu 2 und zu 5 beantragen,

    unter Abänderung des Teilgrund- und Teilschlussurteils die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 5) abzuweisen.

    Die jeweils Berufungsbeklagten beantragen,

    die Berufungen zurückzuweisen.

    Der Beklagte zu 1 hält ein Teilurteil für unzulässig.

    Er meint, die Klägerin sei auf eigene Gefahr mitgefahren. Sie habe die Gefahren gekannt, die mit einer Kutschfahrt verbunden seien, weil sie selber geritten und Kutsche gefahren sei. Der Beklagte zu 1 behauptet erneut, die Klägerin habe in die Zügel gegriffen und damit Mitverschulden auf sich geladen. Er meint, weder der gerichtliche Sachverständige noch die Privatgutachter hätten Anhaltspunkte dafür geschildert, dass der Unfall durch eine andere Vorbereitung oder Planung hätte ausgeschlossen werden können. Die Beurteilung, das Schaubild habe besser vorbereitet werden sollen, begründe den Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht.

    Die Beklagten zu 2 und zu 5 halten etwaige Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder für nicht so schwerwiegend, dass der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt sein könnte. Schon dass keiner der im Reit- und Fahrsport erfahrenen Beteiligten Bedenken angemeldet habe, zeige, dass ein offensichtliches, schweres Versäumnis nicht begangen worden sei. Niemandem sei in den Sinn gekommen, das Schaubild genauer zu planen und vorzubereiten. Es stehe zudem nicht fest, dass eine genauere Planung den Unfall hätte verhindern können. Wenn aber grobe Fahrlässigkeit bei den Beklagten gegeben gewesen wäre, dann treffe der gleiche Vorwurf die Klägerin selbst, die als Vereinsmitglied und Kutschfahrerin die Pflichtverletzung habe erkennen müssen.

    Der Beklagte zu 6 verweist auf seine jahrelange Erfahrung. Als sehr erfahrener Kutschenführer hätte er den Junkerzug nicht geführt, wenn er eines der Pferde für ungeeignet gehalten hätte oder wenn die erforderliche Eingewöhnung der Tiere nicht stattgefunden hätte. Für Planung und Choreographie sei er nicht verantwortlich gewesen, und er habe die Planung auch nicht prüfen müssen. Der Beklagte zu 6 behauptet, das Random-Gespann und der Junkerzug seien mit ausreichendem Abstand aneinander vorbeigefahren; eine Gefahr sei dabei nicht zu erkennen gewesen.

    Der Beklagte zu 7 hält sich für ausreichend erfahren, um das Random-Gespann sicher führen zu können. Er bestreitet, dass die Begegnung des von ihm geführten Random-Gespanns mit dem Junkerzug zu einer Beinahe-Kollision geführt hätte oder dass sie sonst irgendwie dazu beigetragen hätte, dass die Pferde des Junkerzuges durchgegangen seien und es schließlich zum Unfall gekommen sei. Die fehlende und fehlerhafte Organisation der Veranstaltung durch den Beklagten zu 1 sei grob fahrlässig gewesen. Er, der Beklagte zu 7, sei aber nicht verpflichtet gewesen, das Gesamtkonzept der Veranstaltung zu prüfen und wegen nicht ausreichender Vorbereitung zu beanstanden.

    Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.

    II.

    Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Berufungen der Beklagten zu 1, zu 2 und zu 5 sind unbegründet.

    Die Entscheidung durch Teilurteil ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Klage gegen einzelne Beklagte vollständig abgewiesen und gegen die anderen Beklagten ein sie belastendes Grundurteil erlassen. Offengelassen hat es damit allein die Entscheidung über die Höhe des Anspruches gegen die dem Grunde nach verurteilten Beklagten. Damit besteht die Gefahr eines Widerspruches zwischen Schlussurteil und ergangenem Urteil nicht. Wenn sich zur Höhe ergeben sollte, dass die dem Grunde nach verurteilten Beklagten nichts schulden, würde auch die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen werden. Daraus ergäbe sich kein Widerspruch zur Klageabweisung gegenüber den Beklagten, die schon dem Grunde nach nicht für verpflichtet gehalten worden sind.

    Die Beklagten zu 2 und zu 5 sind der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, weil ihre Rechtsvorgänger (§§ 1922 I, 1967 BGB), die Vorstandsmitglieder des Beklagten zu 1, der Klägerin durch unerlaubte Handlung eine Körperverletzung zugefügt haben (§ 823 I BGB).

    Die Vorstandsmitglieder des Beklagten zu 1 haben pflichtwidrig gehandelt, und das durch diese Pflichtwidrigkeit gesteigerte Risiko hat sich in dem eingetretenen Schadensereignis verwirklicht (vgl. zur haftungsbegründenden Kausalität statt vieler: MüKo-BGB-Wagner, 9. Aufl. 2024, § 823 Rdnr. 72). Da die Vorstandsmitglieder ihre Pflichten grob fahrlässig vernachlässigt haben, sind sie der Klägerin trotz deren Mitgliedschaft im Beklagten zu 1 verpflichtet (§ 31 a I 2 BGB).

    Die Vorstandsmitglieder haben die Jubiläumsveranstaltung des Beklagten zu 1 organisiert und vorbereitet. Sie waren verpflichtet, für das Schaufahren mit vier Mehrspännern einen genauen Ablaufplan aufzustellen, der die Fahrwege der einzelnen Kutschen vorgibt. Sie hätten Proben dieser Choreographie veranlassen und überwachen müssen, ob die Beteiligten die vorgegebenen Abläufe beherrschen und einhalten. Dass sie sich nicht so verhalten haben, ist zwischen den Parteien nicht umstritten.

    Dass sie die so beschriebene Pflicht traf, entnimmt der Senat dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. R.. Sein schriftlich erteiltes (Bl. 712 a ff. LG) und mündlich erläutertes (Bl. 1457 f. LG) Gutachten gibt umfassend und verständlich Auskunft über die Anforderungen, die bei der Ausrichtung eines Schaufahrens zu beachten sind, erläutert den Grund dieser Anforderungen und stellt die Zusammenhänge dar, die zu dem Unfall geführt haben. Die Verlässlichkeit des Gutachtens wird durch zwei Aspekte bekräftigt. Zum einen besteht in allen wesentlichen Gesichtspunkten eine deutliche Übereinstimmung mit den Gutachten, die die beteiligten Versicherer eingeholt haben (H., Bl. 319 ff. LG; S., Anlage K 2; Dipl.-Ing. A., Anlage K 2 b [roter Anl.bd.]); wegen der Berechnungen zum Kipppunkt und zur Zug- und Bremskraft verweist der gerichtliche Sachverständige auf den zuletzt genannten Gutachter. Zum anderen vermeidet es der Sachverständige, Wirkungszusammenhänge für sicher zu halten. Er beschreibt die Vermeidbarkeit und die Wahrscheinlichkeit der eingetretenen Wirkungen und greift damit nicht auf die Beurteilung der Zurechnungszusammenhänge vor, die dem Gericht obliegt.

    Der Sachverständige beschreibt als eine Gefahr des Vorführens von vier Gespannen auf dem Platz von ungefähr 80 mal 40 Metern mit einem Hindernis auf dem Platz, dass die Fahrer sich nicht ausreichend darauf konzentrieren könnten, das Verhalten ihrer Pferde zu steuern und zu beherrschen, sondern sich ständig über ihren Fahrweg und den Vorrang bei Begegnungen vergewissern müssten. Dem ist zu entnehmen, dass Begegnungen in großer Nähe möglichst vermieden werden sollten. Das entspricht der Schilderung, die wohl auch dem Allgemeinwissen zuzurechnen ist, Pferde reagierten auf Ungewohntes oder auf ein Bedrohungsempfinden mit einer Fluchtneigung.

    Der Sachverständige hat es deshalb für erforderlich gehalten, für jedes einzelne Schaufahren einen Ablaufplan zu erstellen, der wenigstens die Einfahrt auf den Platz und die Ausfahrt kennzeichne, die Reihenfolge und den Abstand zwischen den Gespannen festlege und vorgebe, in welcher Richtung gefahren und auf welches Signal und in welcher Weise die Fahrrichtung gewechselt werden solle (Gutachten, S. 7 = Bl. 718 LG). Es ist ohne weiteres zu verstehen, dass diesen Anforderungen gerade bei einer Vorführung vor Publikum große Bedeutung zukommt, weil die Kutschenführer bei solchen Gelegenheiten besondere Aufmerksamkeit auf das Verhalten der Pferde zu richten haben. Die Pferde sind nicht nur den Reizen ausgesetzt, die von den anderen in der Nähe fahrenden Gespannen ausgehen, sondern auch den im Alltag eines Kutschpferdes nicht gewohnten Geräuschen und Ansichten, die eine Publikumsveranstaltung mit sich bringt wie Lautsprecherdurchsagen, Beifall oder Rufe der Umstehenden und schnelle Bewegungen von Menschen, die den Umgang mit Pferden nicht gewohnt sind. Sollten solche Einflüsse zur Unruhe oder zum Ungehorsam der Pferde beitragen, kommt es darauf an, dass der Kutschenführer darauf hindeutende Anzeichen schnell erkennt und angemessen aber wirksam eingreift. Das fällt leichter, wenn er sich nicht darum kümmern muss, einen geeigneten Weg auf dem Platz zu finden und wenn er nicht befürchten muss, es könnte zu Begegnungen kommen, für die die Beachtung der Vorrangregeln entscheidend sein wird. Ein genauer Ablaufplan - nach der Formulierung des Sachverständigen: eine Choreographie (Bl. 1457 LG) - stellt sicher, dass die dort festgelegte Route ohne kreuzende oder in nächster Nähe entgegenkommende Gespanne durchfahren werden kann. Es ist dann nur geringere Aufmerksamkeit notwendig, um darauf zu achten, ob es zu Abweichungen von diesen Festlegungen kommt. Festgelegte Fahrwege, die Begegnungen in nächster Nähe nicht vorsehen, schließen zudem diese Quelle einer Irritation der eingesetzten Pferde aus. Sie dienen damit einer Beschränkung des Risikos auf eine Missachtung der Festlegungen und auf die Pferde reizende Einflüsse, die nicht von anderen Gespannen ausgehen.

    Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens lässt sich das Unfallgeschehen mit einem für das praktische Leben ausreichenden Grad an Gewissheit auf die Durchführung des Schaufahrens ohne vorherige genaue Planung zurückführen. Mit dem Unfall hat sich das durch diese Pflichtwidrigkeit gesteigerte Risiko verwirklicht. Hätten die Vorstandsmitglieder das Schaubild genau geplant, wäre der Unfall wahrscheinlich nicht geschehen. Es kann mit ausreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass andere Ursachen zu dem Unfall geführt haben, die sich auch bei gewissenhafter Pflichterfüllung ausgewirkt hätten oder die keinen Zusammenhang zu der Pflichtwidrigkeit aufweisen. Diese Beurteilung beruht entscheidend auf der Feststellung des Sachverständigen, zwei Pferde des Junkerzuges hätten sogleich nach der Begegnung mit dem Random-Gespann begonnen zu galoppieren. Die Privatgutachter haben den aufgenommenen Videofilm mit gleichem Ergebnis ausgewertet (A.: zweite S. 5, Anlage K 2 b H.: Bl. 340 LG).

    Die Begegnung mit dem Random-Gespann kann mit ausreichender Gewissheit als Ursache des Galopps festgestellt werden. Die Pferde beschleunigten nicht auf Anweisung des Fahrers, des Beklagten zu 6, in den Galopp. Der Sachverständige legt zu recht Wert auf seine Darlegung, Pferde könnten auch ohne erkennbaren Anlass und auch auf einem vorher sorgfältig geplanten Fahrweg ohne Anweisung in den Galopp verfallen. Aber er schildert selbst eine naheliegende Ursache, nämlich die Begegnung in nächster Nähe, die er als Beinahekollision und als gefährliche Situation bezeichnet (Bl. 1458 LG). Damit hat er deutlich werden lassen, dass er eine Begegnung in so geringem Abstand deshalb für gefährlich hält, weil die Pferde durch die große Nähe eines entgegenkommenden Pferdes verunsichert werden und mit einem Fluchtversuch im Galopp reagieren könnten. Das direkte Aufeinanderfolgen der gefahrgeneigten Begegnung mit der Verwirklichung gerade des mit ihr verbundenen Risikos lässt einen ausreichenden Schluss auf einen Wirkungszusammenhang zu. Dass gerade in jenem Moment einer der anderen Einflüsse ein übermäßiges, überreizendes Maß angenommen haben könnte, etwa das Verhalten der Zuschauer, ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich geworden.

    Dagegen verfängt nicht der Einwand des Beklagten zu 6, er habe nicht schon sogleich nach der Begegnung mit dem Random-Gespann, sondern erst nach der durchfahrenen Linkskurve die Kontrolle über das Gespann verloren, so dass die Geräusche und die Ansicht des Publikums, etwa die bunten Luftballons, die Pferde überreizt haben könnten. Den Kontrollverlust legt auch der Sachverständige auf jenes Stadium der Fahrt fest, nämlich auf die Sekunde 45 des Films, also sieben Sekunden nach der Begegnung. Aber es kommt nicht darauf an, wann der Kontrollverlust einsetzt, sondern worauf er zurückzuführen ist. Zum Unfall, also zum Kippen der Kutsche und Herunterschleudern der Klägerin, kam es, weil der Beklagte zu 6 die Pferde nicht mehr veranlassen konnte, langsamer zu laufen und stehenzubleiben. Er konnte den begonnenen Galopp nicht beenden. Entscheidend für den Wirkungszusammenhang mit der pflichtwidrigen Durchführung des Schaufahrens ohne Ablaufplan ist, dass der Galopp die Qualität eines Kontrollverlustes erreichte und dass der Galopp wegen der Begegnung mit dem Random-Gespann begann, die vermieden worden wäre, wenn eine sorgfältige Planung Begegnungen in so dichtem Abstand nicht vorgesehen hätte.

    Das Schaufahren ohne genauen Ablaufplan durchzuführen, gereicht den Vorstandsmitgliedern des Beklagten zu 1, die das Jubiläumsfest organisierten, zur groben Fahrlässigkeit. Sie haben nicht beachtet, was jedem erfahrenen Kutschfahrer hätte einleuchten müssen. Es ist nach den Darlegungen des Sachverständigen eine ganz naheliegende Erwägung, durch eine genaue Choreographie Fahrwege festzulegen, die Begegnungen in dichtem Abstand ausschließen, um so eine Ursache möglicher Überreizung der Pferde zu vermeiden und die Konzentration der Fahrer auf die Beherrschung ihrer Pferde nicht unnötig abzulenken. Der Sachverständige hat einen solchen Plan als "wichtig" bewertet; hier hätten die "minimalen Informationen" indes gefehlt (Bl. 718 LG). Die Vorstandsmitglieder haben Mindestanforderungen nicht eingehalten. Das allein rechtfertigt einen schweren Verschuldensvorwurf. Er wird gesteigert durch das Ausmaß der zu beherrschenden Gefahr. Es musste den Vorstandsmitgliedern deutlich sein, dass Unfälle, deren Wahrscheinlichkeit sie zu vermindern hatten, erhebliche Schäden auslösen könnten. Dass Zusammenstöße von Kutschen oder deren Schleudern oder Umkippen zu schweren Verletzungen der ungeschützt und ungesichert aufsitzenden Menschen führen können, mussten die Vorstandsmitglieder wissen. Ihre große Erfahrung nach vielen Jahren des Kutschenführens verschärft die Sorgfaltsanforderungen, denen die Vorstandsmitglieder gerecht werden mussten, und steigert somit auch die Schwere des Verschuldens bei der Missachtung dieser Sorgfalt. Wer mehr weiß und mehr kann, muss diese Fähigkeiten einsetzen, um selbst angebahnte Gefahren zu beherrschen.

    Für die gegen die Vorstandsmitglieder gerichteten Schadensersatzansprüche der Klägerin haftet der Beklagte zu 1 gemäß § 31 BGB. Zurechnungsgrund ist die organschaftliche Verrichtung, die rein privates Handeln der Repräsentanten ohne sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben, die sie für den Verein wahrnehmen, von der Zurechnung ausnimmt. Die Organisation der Jubiläumsfeier gehörte zum Aufgabenkreis der Vorstandsmitglieder.

    Die Beklagten zu 6 und zu 7 haben der Klägerin Schadensersatz zu leisten, weil sie sie fahrlässig verletzt haben (§ 823 I BGB). An sie richtete sich eine Sorgfaltsanforderung, die derjenigen entspricht, der die Vorstandsmitglieder zu genügen hatten. Auch an die Beklagten zu 6 und zu 7 richteten sich wegen ihrer besonderen Kenntnisse und ihrer großen Erfahrung hohe Sorgfaltsanforderungen. Sie waren, wie sie wiederholt vorgetragen haben, erfahrene Kutschenführer. Sie waren auch das Führen von Mehrspännern seit vielen Jahren gewohnt, das der Sachverständige als besonders anspruchsvoll beschrieben hat, weil auf die weiter vom Fahrer entfernt eingespannten Pferde nur schwer Einfluss zu nehmen sei. Die Beklagten zu 6 und zu 7 hätten beachten müssen, dass das Befahren des Platzes mit vier mehrspännigen Kutschen zu Begegnungen in dichtem Abstand führen konnte, die die Pferde in besonderem Maße beunruhigen könnten und die deshalb durch einen genauen Ablaufplan hätten vermieden werden müssen. Die Beklagten zu 6 und zu 7 waren nicht verpflichtet, am Erstellen einer solchen Choreographie mitzuwirken, weil sie nicht mit der Organisation der Veranstaltung betraut waren. Aber als erfahrene und verantwortliche Führer von Mehrspännern hätten sie ihre Mitwirkung ohne einen solchen Ablaufplan verweigern müssen. Es musste ihnen, genau so wie den Vorstandsmitgliedern, deutlich sein, dass die Gefahr von Begegnungen und die Gefahr unsicherer Kontrolle über die Pferde während des Bewältigens von Kreuzungen und Entgegenkommens leicht zu vermindern war, indem jeder Kutschenführer vorher festgelegte Fahrwege einhält, bei denen solche Begegnungen vermieden werden.

    Ein Mitverschulden (§ 254 I BGB) hat die Klägerin nicht getroffen.

    Die Klägerin hat nicht auf eigenes Risiko oder eigene Gefahr gehandelt, indem sie sich zur bloßen Mitfahrt auf einer Kutsche entschloss, ohne dass ihr irgendeine Mitwirkung an der Kutschenführung abverlangt war oder sie diese übernehmen wollte. Die bloße Mitfahrt auf einer Kutsche bei einem Schaufahren bedeutet nicht, ein Risiko zu übernehmen, das wie ein Verschulden gegen sich selbst bewertet werden müsste. Kutschenunfälle geschehen äußerst selten. Die entfernte, geringe Möglichkeit, eine Kutschfahrt könnte mit einem Unfall enden und zu schweren Verletzungen führen, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, das mit der Teilnahme am sozialen Zusammenleben verbunden ist. Ein Mitverschulden ist mit der Übernahme dieses Risikos nicht verbunden.

    Das Verhalten der Klägerin gleicht nicht der Übernahme des Verletzungsrisikos bei der Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf oder Training in einer Sportart, bei der wegen ihrer Eigenart mit impulskräftigem Körperkontakt zu rechnen ist oder die sogar darauf angelegt ist, andere Sportler körperlich zu bedrängen oder in ihrem Fortkommen zu hindern. Während solche Sportler damit rechnen müssen und deshalb damit einverstanden sind, durch regelgerechtes oder im noch adäquaten Maß regelwidriges Verhalten anderer Verletzungen zu erleiden, ist bei der Mitfahrt auf einer Kutsche mit Verletzungen nicht zu rechnen, erst recht nicht mit schweren Verletzungen auf Grund grob fahrlässiger Fehler erfahrener Kutschfahrer.

    Die Mitfahrt auf der Kutsche bei dem mangelhaft vorbereiteten Schaufahren wäre der Klägerin wie ein Verschulden gegen sich selbst anzulasten, wenn sie die gleichen Sorgfaltsanforderungen getroffen hätten, wie die Organisatoren und die Kutschenführer. Dann hätte sie kraft ihrer eigenen Kenntnisse und Erfahrungen das sorgfaltswidrige Vorgehen der Organisatoren und Fahrer erkennen können, und sie hätte, um sich dem erkennbar hohen Risiko schwerer Schädigung nicht auszusetzen, eine Mitfahrt ablehnen müssen. Die Klägerin wies aber nicht die gleichen Kenntnisse und Erfahrungen auf, wie die Vorstandsmitglieder und die Fahrer. Jene waren in der Kutschenführung erfahren. Sie führten ihre anspruchsvollen Mehrspänner seit vielen Jahren. Sie kannten die damit verbundenen Besonderheiten des mehrspännigen Fahrens und die Risiken, die es durch umsichtiges Handeln zu vermindern galt. Die Klägerin hatte hingegen nur gelegentlich Kutschen geführt und nur weniger anspruchsvoll zu fahrende Einspänner. Einer Prüfung für ein Fahrabzeichen niedriger Klasse hatte sie sich erst im Jahr vor dem Unfall unterzogen. Wegen ihrer geringeren Sachkunde und Erfahrung richteten sich an die Klägerin nicht die gleichen Anforderungen wie an die Organisatoren und die Fahrer. Sie durfte vielmehr darauf vertrauen, dass die erfahrenen Kutschenführer die Lage richtig und verantwortungsvoll einschätzten und kein Risiko eingingen, das schwerwiegende Körperverletzungen umfasste.

    Ob die Klägerin nach dem Durchfahren der Linkskurve, ungefähr zu der Zeit, als der Beklagte zu 6 die Kontrolle über die Pferde verlor, in die Leinen griff, braucht nicht aufgeklärt zu werden. Dieses eventuell unsachgemäße und eventuell dem Beklagten zu 6 nicht angekündigte und eventuell zur Abwendung des schädigenden Ereignisses ungeeignete Eingreifen geschah mehrere Sekunden nach dem Beginn des Galoppierens und in noch näherem zeitlichen Abstand zum darauffolgenden Kippen der Kutsche in schneller Fahrt. Wenn die Klägerin damit zur Schadensentstehung beigetragen oder die Vermeidung des Schadens erschwert haben sollte (§ 254 I BGB), fällt dieses Versagen im letzten Augenblick neben dem fahrlässigen Verschulden der Beklagten zu 6 und zu 7 und erst recht neben der groben Fahrlässigkeit der Vorstandsmitglieder nicht ins Gewicht. Wer in einer von einem anderen herbeigeführten, inzwischen ausweglos erscheinenden Notlage falsch handelt, belastet sich dadurch nicht mit einer Kürzung des ihm zustehenden Schadensersatzes. Vielmehr hat der Schädiger die Folgen auch dieser Bedrängnis des Geschädigten zu tragen, die ihn dazu gebracht hat, unüberlegt, objektiv falsch und unter regelmäßigen Umständen unentschuldbar zu handeln.

    Die Beklagten sind der Klägerin als Gesamtschuldner verpflichtet (§ 840 I BGB).

    Die Entscheidungsformel stellt der Senat ohne Beschwer für eine Partei und ohne über die Anträge der Klägerin hinauszugehen dahin richtig, dass in Bezug auf schon entstandene Schäden ein Grundurteil ergeht, in Bezug auf künftige Schäden ein Feststellungsurteil.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

    Ein Anspruch auf Verlegung des Verkündungstermins, der auf den dritten Mittwoch nach dem Mittwoch der mündlichen Berufungsverhandlung anberaumt worden ist (vgl. §§ 525 S. 1, 310 I 2 ZPO), steht dem Beklagten zu 1 nicht. Zu der mit seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Berufungsverhandlung erörterten Bewertung der Rechtslage hätte er Stellung nehmen können, ohne dass es dazu einer Fristsetzung oder eines Hinausschiebens der Verkündung bedurft hätte. Entgegen der mit dem Verlegungsantrag in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgetragenen Ansicht hat der Senat in seiner Beurteilung der Rechtslage nichts im Gegensatz zum bisherigen Prozessstoff Überraschendes mitgeteilt. Das gilt auch für den vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1 angesprochenen Gesichtspunkt grober Fahrlässigkeit. Zum einen lag während des gesamten Verlaufs des Rechtsstreits auf der Hand, dass für eine Entscheidung über die Klage auch § 31 a I 1 BGB maßgeblich sein wird und mithin die Frage nach einem grob fahrlässigen Verhalten der Vorstandsmitglieder des Beklagten zu 1. Zum anderen hat das Landgericht diese grobe Fahrlässigkeit im angefochtenen Urteil ausdrücklich angenommen (S. 16, 19 f. UA), so dass damit gerechnet werden konnte, dass dieser Aspekt auch im Berufungsverfahren zu erörtern sein wird. Schließlich zwingt die bloße Möglichkeit von Vergleichsverhandlungen nicht dazu, den Verkündungstermin hinauszuschieben. Die Prozessbevollmächtigten haben in der Berufungsverhandlung Vergleichsmöglichkeiten sehr gegensätzlich und ohne Annäherung miteinander besprochen. Wenn nach der mündlichen Berufungsverhandlung eine Partei mitgeteilt hätte, dass dennoch Vergleichsmöglichkeiten erneut mit ernsthaften Erfolgsaussichten wieder aufgenommen worden wären, hätte der Verkündungstermin verlegt werden können. Solche Mitteilungen haben den Senat indes nicht erreicht.

    Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 II ZPO), besteht nicht.

    Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 430.000 Euro festgesetzt (§§ 63 II, 47 I 1 GKG). Die Streitwertbemessung des Landgerichts (Vfg. v. 20. Juli 2023, Bl. 1869) ist nicht zu beanstanden. Wegen der Erörterungen der Parteien in der mündlichen Berufungsverhandlung zur etwaigen vergleichsweisen Abfindung der Ansprüche der Klägerin weist der Senat darauf hin, dass die Bemessung des Streitwerts - entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1 - keinen Anhaltspunkt für eine angemessene Höhe einer Abfindung bietet. Während wiederkehrende Leistungen wie etwa ein Ersatz des Haushaltsführungsschadens für die Bemessung des Streitwerts auf dreieinhalb Jahre zu begrenzen sind (§ 9 ZPO), muss der Klägerin daran gelegen sein, eine Abfindung für ihre Lebenszeit zu erhalten.