26.06.2023 · IWW-Abrufnummer 235976
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 15.02.2023 – 9 U 127/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SchlHOLG
9. Zivilsenat
Urteil vom 15.02.2023
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 22. September 2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 31% und der Beklagte zu 69%.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung weiterer Entgelte für den Zeitraum Oktober 2021 bis Januar 2022 für seine Leistungen im Dauerfahrdienst in Anspruch.
Der im Jahr … geborene Kläger arbeitete als Kanalsteurer auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Zwischenzeitlich arbeitet er nicht mehr als Kanalsteurer, sondern im „Dauerfahrdienst“ für den beklagten Verein. Der Kläger ist seit dem …1991 Mitglied des beklagten Vereins. Dieser vereinnahmt und schüttet die von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes eingezogenen Entgelte für die Kanalsteurer an seine Mitglieder aus.
Der Beklagte schuf die Stellen des Dauerfahr- und Dauerwachdienstes, um seinen nicht mehr seetauglichen Mitgliedern eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Der Kläger verfügt nicht über den Seetauglichkeitsnachweis, so dass er nicht mehr die Tätigkeit als Kanalsteurer auf Schiffen ausüben kann.
§ 2 Ziffer 4 der Vereinssatzung sieht insoweit vor, dass die Mitgliedschaft bei dem Beklagten durch Entzug der Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit als Kanalsteurer oder durch Aufgabe der Tätigkeit als Kanalsteurer endet. Ausnahmsweise endet die Mitgliedschaft nicht, wenn ein Kanalsteurer durch die See-Berufsgenossenschaft dienstunfähig geschrieben wird und er bereit ist, Dauerwach- oder Dauerfahrdienst zu leisten.
Der Beklagte änderte mit Beschluss seiner Mitgliederversammlung vom 9. September 2021 die Dienstregel 15 - Entgeltverteilungsverordnung in Ziffer 6 b), und zwar
von:
„Kanalsteurer im Dauerwach- und Dauerfahrdienst erhalten 70 % des Stundensatzes eines voll fahrenden Kanalsteurers.“
in:
„Kanalsteurer im Dauerwach- und Dauerfahrdienst erhalten 70 % des Stundensatzes eines voll fahrenden Kanalsteurers, allerdings maximal 70 % der aktuellen D-Heuer eines vollfahrenden Steurers.“
Ziffer 7 a) Abs. 1 und 2 der Entgeltverteilungsordnung lauten wie folgt:
„Mit Beginn der Krankengeldzahlung bis zum Ablauf des 21. Tages der Krankheit wird mit 80 % des jeweiligen Stundensatzes eines im Reihendienst tätigen Steurers gezahlt. Dies gilt nicht bei Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG).
Die Zeit vom 22. Tag bis einschließlich 42. Tag der Krankheit erhält der erkrankte Steurer die Zahlung eines im Reihendienst befindlichen Steurers.“
Ziffer 7 a) c. Abs. 1 Satz 1 lautet:
„Nach Ablauf der Krankengeldzahlung aus der Vereinskasse beginnt die Krankengeldzahlung durch die Seekrankenkasse.“
Ziffer 8 Abs. 1 der Entgeltverteilungsordnung lautet:
„Nach dem 8. Tag der Krankengeldzahlung durch die Seekrankenkasse erhält das Mitglied für jeden weiteren Tag der Krankheit als Härteausgleich 5,- Euro bis zum Abschluss der Krankengeldzahlung der Seekrankenkasse.“
Ziffer 13 a) der Entgeltverteilungsordnung wurde auf der Mitgliederversammlung vom 9. September 2021 nicht geändert. Er lautete bis zum 24. Januar 2022:
„Für Dauerwächter gilt folgende Entgeltverteilung:
a) Dauerwächter haben Anspruch auf 70 % des Stundensatzes eines voll diensttuenden Kanalsteurers, mindestens jedoch ein Stundenentgeld, das in 30 Tagen 50 % der jeweiligen D-Heuer eines fahrenden Kanalsteurers entspricht.“
Am 25. Januar 2022 beschlossen die Mitglieder des Beklagten die Regelung in Ziffer 13 a) der Entgeltverteilungsordnung zu streichen. Der im Dauerwachdienst tätige Kollege des Klägers erhielt anders als der Kläger und seine zwei weiteren Kollegen im Dauerfahrdienst für die Monate Oktober bis Januar 2022 Entgelte ohne die Deckelung auf 70 % der Durchschnittsheuer (D-Heuer) eines voll fahrenden Steurers ausgezahlt.
Die Durchschnittsheuer (D-Heuer) eines vollfahrenden Kanalsteurers errechnet sich aus dem durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Einkommen eines Kanalsteurers im jeweiligen Vorjahr. Sie betrug in 2021 5.985 € brutto und in 2022 6.795 € brutto. Der rechnerische Stundensatz für einen vollfahrenden Kanalsteurer betrug im Monat Oktober 2021 13,40 €, im Monat November 2021 13 € und im Dezember 2021 12,65 €
Im März 2022 beschlossen die Mitglieder des Beklagten, die zuvor beschlossene Deckelung der Entgelte für die Kanalsteurer im Dauerwach- und Dauerfahrdienst auf maximal 70 % der aktuellen D-Heuer eines vollfahrenden Steurers für die Zukunft aufzuheben.
Ab dem 30. November 2021 war der Kläger langzeitig krank geschrieben. In den Monaten September 2021 bis Januar 2022 erhielt der Kläger von dem Beklagten folgendes Entgelt:
September 2021 5.599,15 € 4.149,86 €
Oktober 2021 4.244,66 € 3.133,37 €
November 2021 4.179,66 € 3.041,21 €
Dezember 2021 3.030,30 € 2.048,68 €
Januar 2022 2.164,75 € 1.844,76 €
Der Kläger verlangt von dem Beklagten, an ihn weitere Entgelte für den Zeitraum Oktober 2021 bis Januar 2022 auszuschütten. Der Kläger errechnet seinen Anspruch auf weitere Entgeltausschüttung in Höhe von 8.044,77 € brutto wie folgt (Anlage K 4):
Monat Brutto gezahlt Brutto geschuldet Differenz brutto
September 2021 5.599,15 € 5.544 € + 55,14 €
Oktober 2021 4.244,66 € 6.978,72 € -2.734,06 €
November 2021 4.179,66 € 6.552 € -2.372,34 €
Dezember 2021 3.030,30 € 5.908,06 € -2.877,76 €
Januar 2022 2.164,75 € 2.049 € -115,75 €
Gesamt -8.044,77 €
Der Beklagte rechnete im Schriftsatz vom 31. August 2022 wie folgt: 70 % der Durchschnittsheuer eines vollfahrenden Kanalsteurers seien in 2021 4.189,50 € und in 2022 4.756,50 € als Entgeltdeckel. Hinzu zu addieren sei die zu Gunsten des Klägers bestehende betriebliche Altersversorgung (+67,57 €) abzüglich anteiliger vom Kläger zu zahlender Versicherungsbeiträge (-12,42 €). Der Betrag sei um die Abzüge aufgrund Krankheit zu reduzieren.
Der weitere Sachverhalt ergibt sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils. Zu den Gründen der erstinstanzlichen Klageabweisung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag weiter. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Landgericht habe weder die Frage des Bestands- und Vertrauensschutzes nach § 242 BGB noch der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB geprüft. Im vorliegenden Fall gehe es um einen synallagmatischen Arbeitsvertrag, der bei Eintritt in den Verein die Berechnungsmodalitäten der Heuer festgelegt und bis zum streitgegenständlichen Beschluss auch für beide Parteien unverändert gegolten habe. Es widerspreche jedem Rechtsgefühl, wenn der Kläger durch einen Mehrheitsbeschluss von „heute auf morgen“ eine Gehaltskürzung von fast 1/3 der zuletzt gezahlten Bruttovergütung erhalte.
Die am 9. September 2021 beschlossene einseitige Gehaltskürzung treffe nur für eine von vier unterschiedlichen Gehaltsgruppen bei dem Beklagten zu. Mit der Begründung, dass die sogenannten Vollsteurer (etwa 100 Mitglieder) der Meinung seien, der Kläger und seine drei Fahrdienstkollegen im Wach- und Fahrdienst würden ungerechter Weise an den von den Kanalsteurern geleisteten Überstunden partizipieren, hätte man auch den besserverdienenden Vorstand (2 Personen) oder die sogenannten Aspiranten (etwa 10 angehende Kanalsteurer) mit einbeziehen können, was eben nicht geschehen sei. Sämtliche 4 Heuergruppen bei dem Beklagten würden mehr oder weniger verdienen je nach Umsatzgenerierung der Vollsteurer. Zudem verfange die Begründung nicht, dass der Kläger zu Unrecht an den von den Vollsteurern geleisteten Überstunden partizipiere. Der Kläger als Fahrer leiste bei Überstunden der Vollsteurer auch mehr Fahrstunden und Einsätze als bei weniger Beschäftigung der Vollsteurer. Demgegenüber hätten der 1. Vorsitzende des Beklagten und sein Verwalter eine Fünftagewoche mit festen Arbeitszeiten. Diese würden keinerlei Überstunden machen, was indes bei den Fahrdienst- und Wachleuten gelegentlich auch vorkomme. Nach dem Beschluss vom 9. September 2021 habe zudem eine Ungleichbehandlung mit dem einen Kollegen im Dauerwachdienst bestanden, weil ein Passus in der Dienstregel bezüglich der Dauerwache übersehen worden sei. Hierin liege eine grundlose Ungleichbehandlung. Der Dauerwachdienst werde nach dem gleichen Heuerschlüssel entlohnt wie der Dauerfahrdienst.
Der Kläger sei seit 31 Jahren Mitglied bei dem Beklagten und könne darauf vertrauen, dass die seinerzeitige Berechnung, die sich seitdem nicht geändert habe, eingehalten und nicht einseitig geändert werde, zumindest sein Einkommen nicht so drastisch gekürzt werde. Zwar könne der Kläger theoretisch seine Mitgliedschaft aufkündigen, praktisch allerdings würde dies einer freiwilligen Kündigung gleichkommen, wonach der Kläger, sollte er keine neue Anstellung finden, von der Arbeitsagentur weniger Leistungen und eine Sperrfrist erhalten würde.
Der Kläger beantragt,
das am 22. September 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Kiel abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, 8.044,77 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten
auf 2.734,06 € seit dem 15. November 2021 bis 14. Dezember 2021, auf 5.051,26 € seit dem 15. Dezember 2021 bis zum 14. Januar 2022, auf 7.929,02 € seit dem 15. Januar 2022 bis 14. Februar 2022 und auf 8.044,77 € seit dem 5. Februar 2022 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Arbeitsrechtliche Grundsätze seien nicht anzuwenden. Es handele sich um ein vereinsrechtliches Verhältnis zwischen den Parteien. Der beklagte Verein nehme lediglich eine sozialrechtliche Arbeitgeberfunktion wahr, jedoch keine arbeitsrechtliche. Die Privatautonomie des Vereins sei zu beachten.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten ist gemäß § 17 Abs. 5 GVG im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen. Hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe in dem landgerichtlichen Urteil. Diese werden von keiner Partei im Berufungsverfahren angegriffen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 31. Januar 2023 ist der Kläger nicht auf eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO gegen den Beschluss der Beklagten vom 9. September 2021 zu verweisen. Dies geht aus der von dem Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, juris Rn. 35 gerade nicht hervor. Vielmehr verneint der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung die analoge Anwendung der Vorschriften des Aktiengesetzes zur Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage auf Vereinsbeschlüsse. Das Vereinsrecht kennt nur gültige oder ungültige Beschlüsse, nicht aber lediglich anfechtbare Beschlüsse im Sinne der §§ 243 ff. AktG (BGH, Urteil vom 9. November 1972 - II ZR 63/71, BGHZ 59, 369-377, juris Rn. 15). Mängel von Vereinsbeschlüssen können im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden, sie können aber auch inzident geltend gemacht werden. Denn einem ungültigen Beschluss kommen keine Rechtswirkungen zu.
Der Kläger hat als Vereinsmitglied des Beklagten einen weiteren Anspruch auf Auskehr der vom Verein eingezogenen Kanalsteurerentgelte in Höhe von 7.814,15 €. In Höhe von 230,62 € ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch unbegründet.
Grundlage für den Anspruch ist § 14 Abs. 1 der Vereinssatzung in Verbindung mit der Dienstregel 15 „Entgeltverteilungsordnung“. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 der Vereinssatzung sind die Pflichten und Rechte der Kanalsteurer in der Dienstregelung niedergelegt, die von der Mitgliederversammlung beschlossen ist.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsbetrag für Januar 2022 in Höhe von 115,75 € brutto ist nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger errechnet für Januar 2022 unter Berücksichtigung seiner den ganzen Januar 2022 andauernden Arbeitsunfähigkeit ein geschuldetes Bruttoentgelt von 2.049 €. Gezahlt worden sind von dem Beklagten 2.164,75 € brutto, mithin 115,75 € mehr als vom Kläger errechnet und nicht 115,75 € weniger.
2. Dem Kläger stehen die geltend gemachten weiteren Entgelte für Oktober 2021 in Höhe von 2.734,06 € brutto, für November 2021 in Höhe von 2.317,20 € brutto und für Dezember 2021 in Höhe von 2.762,89 € brutto zu, insgesamt für die 3 Monate ein weiteres Bruttoentgelt in Höhe von 7.814,15 €. In Höhe von 114,87 € ist der geltend gemachte Zahlungsanspruch für Dezember 2021 abzuweisen, da sich dieser weitere Betrag nicht errechnet.
Da der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 9. September 2021 die Entgeltverteilungsordnung nicht wirksam geändert hat, ist die Entgeltverteilungsordnung in der bisherigen Fassung für die Berechnung der Entgelte maßgeblich.
a. Der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 9. September 2021 zu TOP 15 über die Änderung der Entgeltverteilungsordnung zu TOP 15 ist formell wirksam zustande gekommen. Form- und Verfahrensfehler werden vom Kläger auch nicht gerügt.
Nach § 4 Ziffer 3 der Vereinssatzung beruft der Vorsitzende die Mitgliederversammlung durch schriftlichen Aushang in den Steurerhäusern Kiel und Brunsbüttel ein. Der Aushang muss 24 Stunden vor Beginn der Versammlung erfolgen. Mit der Einberufung soll die Tagesordnung bekannt gegeben werden. Ausweislich der Anlage K 13 ist die Mitgliederversammlung für den 9. September 2021 mit Einladung des Vorsitzenden vom 3. September 2021 einberufen worden. Diese Einladung sah zunächst keinen Tagesordnungspunkt 15 vor. Mit weiterer Einladung vom 6. September 2021 (Anlage K 12) ist die Einladung dann um die Tagesordnungspunkte 13 bis 18 ergänzt worden. TOP 15 sah Folgendes vor: „Antragänderung der DR 15 Entgeltverteilung-Heuerobergrenze für Dauerwache und Dauerfahrdienst“
Die Mitgliederversammlung war beschlussfähig. § 4 Ziffer 4 der Vereinssatzung sieht keine Mindestanzahl an anwesenden Vereinsmitgliedern vor.
Der Beschluss ist auch mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen. Nach § 18 Ziffer 1 der Satzung reichte für eine Änderung der Dienstregel eine einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Diese lag vor. Ausweislich des Protokolls der Mitgliederversammlung haben 16 anwesende Vereinsmitglieder dafür gestimmt, 12 Mitglieder sich enthalten und ein Mitglied dagegen stimmt.
Der Beschluss hat auch eine satzungsmäßige Grundlage. § 14 Ziffer 1 der Vereinssatzung sieht vor, dass die Pflichten und Rechte der Kanalsteurer in der Dienstregelung niedergelegt werden, die von der Mitgliederversammlung beschlossen ist, und dass Änderungen, Ergänzungen oder Kürzungen einer einmal beschlossenen Dienstregelung möglich sind.
b. Bei der vor dem Beschluss bestehenden Ausgestaltung des Anteils des Klägers an den eingenommenen Entgelten handelt es sich nicht um ein Sonderrecht im Sinne des § 35 BGB. Bei Vorliegen eines Sonderrechts hätte der Beschluss nach dem Gesetz für seine Wirksamkeit der Zustimmung des Klägers bedurft. Ein Sonderrecht im Sinne des § 35 BGB kann ein Mitgliedschaftsrecht in Form eines Vermögensrechts wie beim wirtschaftlichen Verein die Beteiligung am Gewinn sein (Schwennicke in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 35 Rn. 8). Nach der Rechtsprechung liegt jedoch ein Sonderrecht nur vor, wenn aus der Vereinssatzung der Wille der Beteiligten hervorgeht, das Recht unveränderlich auszugestalten (Schwennicke, a.a.O., § 35 Rn. 9 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach § 1 Ziffer 2 Satz 1 der Vereinssatzung regelt der Verein die Weiterleitung der von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt eingezogenen Kanalsteurerentgelte sowie das Verteilungsverfahren. Aus § 14 Ziffer 1 geht hervor, dass das Recht des Mitglieds auf einen Entgeltanteil in der Dienstregelung niedergelegt ist. Aus der satzungsmäßigen Möglichkeit, die Dienstregelung zu ändern, ergibt sich aus Sicht eines Mitglieds, dass ein einmal festgelegter Verteilungsschlüssel geändert werden kann, denknotwendig entweder zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten.
c. Der Beschluss vom 9. September 2021 zu TOP 15 hält jedoch einer Inhaltskontrolle nicht stand.
aa. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegen nicht nur vereinsrechtliche Satzungsbestimmungen der Inhaltskontrolle nach §§ 134, 138, 242, 315 BGB, sondern auch die für die Satzung geltenden Regeln gelten in gleicher Weise für die auf Grundlage der Satzung erlassenen Vereinsordnungen (BGH, Urteil vom 13. Juli 1972 - II ZR 138/69, juris Rn. 13; Schwennicke in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 25 Rn. 122). Der Bundesgerichtshof bejaht ausdrücklich die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit einer Inhaltskontrolle verbandsinterner, die Rechtsstellung der Mitglieder regelnder Normen für diejenigen Vereine oder Verbände, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben. Solchen Vereinigungen steht es nicht frei, ihre Mitglieder willkürlichen oder unbilligen, Treu und Glauben (§ 242 BGB) widerstreitenden Satzungsgestaltungen zu unterwerfen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 ‒ II ZR 311/87, BGHZ 105, 306-324, juris Rn. 26 mit ausführlicher Begründung). Die Bestimmungen dürfen nicht unangemessen und unbillig die schutzwürdigen Belange von Vereinsmitgliedern beeinträchtigen, ohne dass hierfür ein überwiegendes sachliches Interesse des beklagten Vereins an einer derartigen Regelung geltend gemacht werden könnte (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 ‒ II ZR 311/87, BGHZ 105, 306-324, juris Rn. 28).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf zudem die Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten nicht zur Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen (BAG, EuGH-Vorlage vom 17. März 2015 ‒ 1 ABR 62/12 (A), BAGE 151, 131-138, juris Rn. 12; BAG, Beschluss vom 26. September 2002 ‒ 5 AZB 19/01, BAGE 103, 20-30, juris Rn. 71; BAG, Beschluss vom 6. Juli 1995 ‒ 5 AZB 9/93, BAGE 80, 256-265, juris Rn. 27). Zwar ergibt sich aus der Vereinsautonomie, dass Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder und des Vereins im Allgemeinen durch die Satzung des Vereins begründet werden (§ 25 BGB). Aufgrund der allgemeinen Freiheit rechtsgeschäftlichen Handelns kann sich der Verein in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung geben. Die Schranken der Vereinsautonomie bilden jedoch die zwingenden Normen des Vereinsrechts und die §§ 134, 138, 242 BGB (BAG, Beschluss vom 6. Juli 1995 ‒ 5 AZB 9/93, BAGE 80, 256-265, juris Rn. 26).
bb. Bei dem beklagten Verein handelt es sich um einen Verein mit überragender wirtschaftlicher Machtstellung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Eine überragende wirtschaftliche oder soziale Machtstellung besitzt ein Verein gegenüber seinen Mitgliedern dann, wenn ein Mitglied auf die Mitgliedschaft angewiesen ist und ohne schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Nachteile nicht aus dem Verein austreten oder ihm fernbleiben kann (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 - II ZR 311/87, BGHZ 105, 306, 318). Für die Tätigkeit als Kanalsteurer auf dem Nord-Ostsee-Kanal sind die Mitglieder faktisch auf die Mitgliedschaft in dem beklagten Verein angewiesen. Der beklagte Verein organisiert den Betrieb der Kanalsteurer. Er ist die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Seeaufgabengesetz beliehene juristische Person des Privatrechts, dem die Vorhaltung, der Betrieb und die Unterhaltung der für den Kanalsteurerdienst notwendigen Einrichtungen sowie weitere Aufgaben von der öffentlichen Hand übertragen sind. Dem Beklagten werden die von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung eingezogenen Kanalsteurerentgelte zur Verteilung zugewiesen.
Auch wenn der Kläger nicht mehr als Kanalsteurer auf Schiffen tätig ist, besitzt der Verein ihm gegenüber nach wie vor eine überragende wirtschaftliche Machtstellung. Ohne gravierende wirtschaftliche Nachteile kann der Kläger nicht einfach aus dem Verein austreten. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im September 2021 war der im … geborene Kläger bereits 61 Jahre alt. Durch den Austritt aus dem Verein hätte der Kläger seine Arbeit verloren und würde seinen Anspruch auf Entgelt verlieren. Damit wäre er seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt. Da der Austritt aus dem Verein einer Eigenkündigung gleichkäme, würde er zudem für eine Sperrzeit von 3 bis 6 Monaten kein Arbeitslosengeld erhalten, also nicht einmal das gegenüber dem Entgelt bei dem Beklagten geringere Arbeitslosengeld beziehen. Zudem befand sich der Kläger mit 61 Jahren in einem Alter, in dem es schwer ist, eine anderweitige, nach Arbeitsbedingungen und Entlohnung gleichwertige Arbeit zu finden.
cc. Der Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt unangemessen und unbillig die schutzwürdigen Belange des Klägers und seiner beiden Kollegen, ohne dass hierfür ein überwiegendes sachliches Interesse des beklagten Vereins an einer derartigen Regelung geltend gemacht werden könnte. Er verstößt daher gegen § 242 BGB.
Dies gilt im Hinblick auf die sofortige Geltung des Beschlusses ohne eine Übergangsfrist und auch im Hinblick auf die Art und Höhe der vorgenommenen Entgeltkürzung. Dabei mag es dem Verein zugestanden werden, dass er ein sachliches Interesse daran hat, den auf den Schiffen tätigen Kanalsteurern einen höheren Entgeltanteil zukommen zu lassen, einmal aufgrund der im großen Umfang geleisteten Mehrstunden und zum zweiten aufgrund der höheren fachlichen Qualifikation gegenüber den im Dauerfahrdienst tätigen Kollegen. Denn diese haben als seedienstunfähige ehemalige Kanalsteurer von der vom Verein angebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, statt aus dem Verein auszuscheiden, in den Dauerfahrdienst zu wechseln.
Dies rechtfertigt jedoch nicht die sofortige Geltung der Entgeltkürzung. Denn der Kläger und seine beiden Kollegen, die mit dem Entgelt ihren Lebensunterhalt bestreiten, hatten so keine angemessene Übergangszeit, um entweder ihre Ausgaben auf den geringeren Entgeltanteil einzustellen oder sich anderweitig eine Arbeitsstelle mit entsprechender Vergütung zu suchen.Auch die Art der vorgenommenen Entgeltkürzung ist unbillig. Denn der Kläger und seine Kollegen haben hierdurch nicht ein Festentgelt erlangt. Die Einführung des Entgeltdeckels führte vielmehr dazu, dass sie in ertragsreichen Monaten für die Kanalsteurer nicht am Überertrag (im Vergleich zur sozialversicherungspflichtigen Durchschnittsheuer des Vorjahres) teilhatten, jedoch in den ertragsarmen Monaten am Unterertrag teilnahmen, obwohl sie gleichbleibend ihren Dienst verrichteten. Die Teilhabe lediglich am Unterertrag stellt eine unbillige Belastung dar, die nicht durch Vereinsinteressen gerechtfertigt ist, zumal die auf den Schiffen fahrenden Kanalsteurer in den Monaten mit Unterertrag nicht notwendig auch Überstunden leisten mussten.
Von der Höhe her ist die vorgenommene sofortige Entgeltkürzung um mehr als 30 % bei voller Arbeitsleistung auch nicht durch überwiegende Vereinsinteressen gerechtfertigt. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit der Weiterbeschäftigung seiner dienstunfähigen Kanalsteurer seinen sozialen Fürsorgepflichten gegenüber seinen Vereinsmitgliedern nachkommt. Mit dem Angebot der Weiterbeschäftigung im Dauerfahr- oder Dauerwachdienst in der Satzung zuzüglich der Entgeltregelung von 70 % des Stundensatzes eines fahrenden Kanalsteurers in der Dienstordnung kam der Beklagte seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen seedienstunfähig gewordenen, aber ansonsten arbeitsfähigen Vereinsmitgliedern nach. Mit der Annahme dieses Angebots ist zugunsten des Vereinsmitglieds ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, dass es auch zukünftig im Verein gegen ein angemessenes Entgelt, das 70 % des Entgelts der fahrenden Kanalsteurer beträgt, seine Arbeitsleistung wird erbringen können. Dieser Vertrauenstatbestand gewinnt mit zunehmenden Jahren im Dauerfahrdienst an weiterem Gewicht. Aufgrund des Vertrauenstatbestands hat das Vereinsmitglied davon abgesehen, sich zeitnah noch in jüngeren Jahren mit höheren Erfolgschancen auf dem Arbeitsmarkt eine anderweitige Anstellung zu suchen. Ein solches Unterfangen wird im jetzigen Alter des Klägers schwierig bis unmöglich sein. Massiven Entgeltkürzungen von mehr als 30 % steht dieser Vertrauenstatbestand entgegen.
dd. Aus Sicht des Senats umgeht der Beschluss auch zwingende arbeitsrechtliche Vorschriften, sodass er gegen § 138 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Der Kläger erbringt aufgrund der Vereinsmitgliedschaft hauptamtlich Arbeitsleistung gegen Entgelt bei dem Beklagten. Zu seinen Gunsten streitet daher die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit. Diese gilt unabhängig davon, ob der Kläger als Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte anzusehen ist.
Arbeitnehmer ist nach der Definition im nationalen deutschen Recht, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG, Beschluss vom 26. September 2002 - 5 AZB 19/01, BAGE 103, 20-30, juris Rn. 70 st. Rspr.). Allerdings verneint das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung bei den Rote-Kreuz-Schwestern die Arbeitnehmereigenschaft, auch wenn sie ihre Arbeitsleistungen in fremdbestimmter persönlicher Abhängigkeit erbringen. Das Bundesarbeitsgericht stellt darauf ab, dass Rechtsgrundlage für die Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit die Mitgliedschaft in dem Verein ist (BAG 17. März 2015 - 1 ABR 62/12 (A), juris Rn. 12 mwN; BAGE 151, 131; BAG, Beschluss vom 21. Februar 2017 ‒ 1 ABR 62/12, BAGE 158, 121-141, juris Rn. 26). Der Mitgliedsbeitrag (§ 58 Nr. 2 BGB) besteht dann in der Leistung von Diensten (BAG, Beschluss vom 6. Juli 1995 ‒ 5 AZB 9/93, BAGE 80, 256-265, juris Rn. 25).
Der Kläger erbringt die Arbeitsleistungen aufgrund der Vereinsmitgliedschaft für den Beklagten und nicht für die Reeder der Schiffe, die den Kanal durchsteuern. Das Argument aus der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landesarbeitsgerichts vom 14. August 2008 (2 Ta 145/08) greift nicht, weil der Kläger nicht mehr als Kanalsteurer tätig ist, sondern vielmehr als dienstunfähiger Kanalsteurer vom Verein im Fahrdienst weiterbeschäftigt worden ist. Er steht damit nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Reeder, weil er nicht zur Vornahme von Dienstverrichtungen vorübergehend auf dem Schiff angestellt wird und nicht zur Schiffsbesatzung gehört (so das Argument des LAG, Beschluss vom 14. August 2008 ‒ 2 Ta 145/08, juris Rn. 18). Der Kläger übernimmt vielmehr Fahrdienste für die übrigen Kanalsteurer, ist damit weisungsgebunden in einen Dienstplan eingebunden und kann nicht seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestalten.
Der Beschluss führte zu einer Entgeltkürzung für die volle Arbeitsleistung von mehr als 30 %. Wäre der Kläger aufgrund eines Arbeitsvertrags und nicht aufgrund der Vereinsmitgliedschaft tätig geworden, wäre er vor einer einseitigen sofortigen Gehaltskürzung seitens des Arbeitgebers geschützt gewesen. Dieser hätte lediglich im Rahmen einer Änderungskündigung unter Beachtung der gesetzlichen Mindestkündigungsfristen nach § 622 BGB für die Zukunft die Vergütung kürzen können. Aufgrund der langjährigen Arbeitsleistung des Klägers für den Beklagten wäre die Änderungskündigung gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB lediglich mit einer Frist von 7 Monaten zum Ende eines Kalendermonats möglich gewesen. Diese Frist ist vorliegend nicht eingehalten und stellt eine zwingende arbeitsrechtliche Schutzvorschrift dar, zumal sie im Fall des Klägers einzelvertraglich nicht hätte abweichend vereinbart werden können (vgl. § 622 Abs. 5 BGB). Über die Generalnorm der §§ 138, 242 BGB ist der Rechtsgedanke dieser Schutzvorschrift auch dann zu beachten, wenn Arbeitsleistungen aufgrund einer Vereinsmitgliedschaft erbracht werden.
4. Berechnung des dem Kläger zustehenden Entgelts für Oktober 2021 bis Dezember 2021:
Da der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 9. September 2021 die Entgeltverteilungsordnung nicht wirksam geändert hat, ist die Entgeltverteilungsordnung in der bisherigen Fassung für die Berechnung maßgeblich. Es ergibt sich folgende Berechnung:
Oktober 2021;
Krankheitstage für den Oktober 2021 liegen nicht vor. Ausgehend von einem rechnerischen Stundenlohn von 13,40 € und 70% der Stundenanzahl eines voll fahrenden Kanalsteurers in diesem Monat über 520,8 Stunden (70% von 24 Stunden x 31 Tage) ergibt sich ein Bruttogehalt von 6.978,72 €. Zuzüglich der betrieblichen Altersversorgung von 67,57 € sowie abzüglich des Versicherungsbeitrags von 12,42 € errechnet sich ein Bruttoentgelt von 7.033,87 €. Die Entgeltabrechnung des Klägers weist für Oktober 2021 lediglich ein Bruttoentgelt von 4.244,66 € auf. Es errechnet sich eine Bruttodifferenz von 2.789,21 €. Hiervon macht der Kläger 2.734,06 € brutto geltend.November 2021:
Im November 2021 war der Kläger an einem Kalendertag krank. Ausgehend von einem rechnerischen Stundenlohn im Monat November 2021 von 13,00 € und 70% der Stundenanzahl eines voll fahrenden Kanalsteurers in diesem Monat über 504 Stunden (70% von 24 Stunden x 30 Tage) ergibt sich zunächst ein Bruttogehalt von 6.552 €. Es errechnet sich ein Satz pro Kalendertag im November 2021 bei 30 Kalendertagen von 218,40 €. Aufgrund der Regelung in Ziffer 7 a) Abs. 1 der Entgeltverteilungsordnung erhielt der Kläger für den einen Krankheitstag lediglich 80 % dieses Satzes, so dass sich ein Kürzungsbetrag von 43,68 € errechnet. Es verbleibt ein Bruttoentgelt von 6.508,32 €. Zuzüglich der betrieblichen Altersversorgung von 67,57 € sowie abzüglich des Versicherungsbeitrags von 12,42 € errechnet sich ein Bruttoentgelt von 6.563,47 €. Die Entgeltabrechnung des Klägers weist für November 2021 lediglich ein Bruttoentgelt von 4.179,66 € auf. Es errechnet sich eine Bruttodifferenz von 2.383,81 €. Hiervon macht der Kläger 2.317,20 € brutto geltend. Dezember 2021:
Im Dezember 2021 war der Kläger an 31 von 31 Kalendertagen krank. Ausgehend von einem rechnerischen Stundenlohn im Monat Dezember 2021 von 12,65 € und 70% der Stundenanzahl eines voll fahrenden Kanalsteurers über 520,8 Stunden in diesem Monat (70% von 24 Stunden x 31 Tage) ergibt sich zunächst ein Bruttogehalt von 6.588,12 €. Es errechnet sich ein Satz pro Kalendertag im Dezember 2021 bei 31 Kalendertagen von 212,52 €. Aufgrund der Regelung in Ziffer 7 a) Abs. 1 und Abs. 2 der Entgeltverteilungsordnung erhält der Kläger für 20 Krankheitstage lediglich 80 % dieses Satzes, jedoch für die restlichen 11 Krankheitstage 100 % dieses Satzes. Es errechnet sich ein Bruttoentgelt von 5.738,04 €. Zuzüglich der betrieblichen Altersversorgung von 67,57 € sowie abzüglich des Versicherungsbeitrags von 12,42 € errechnet sich ein Bruttoentgelt von 5.793,19 €. Die Entgeltabrechnung des Klägers weist für Dezember 2021 lediglich ein Bruttoentgelt von 3.030,30 € auf. Es errechnet sich eine Bruttodifferenz von 2.762,89 €. Der Kläger machte 2.877,76 € brutto geltend, mithin einen die Bruttodifferenz um 114,87 € übersteigenden Betrag. Es ist lediglich der errechnete Betrag von 2.762,89 € zuzusprechen.4. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs auf den zuzusprechenden Betrag in Höhe von 7.814,15 € gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB erst für die Zeit ab 11. März 2022 begründet. Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Februar 2022 hat der Kläger den Beklagten aufgefordert, dass rückständige Entgelt für die Monate Oktober 2021 bis Januar 2022 bis zum 10. März 2022 zu zahlen. Mithin befand sich der Beklagte mit den zuzusprechenden Entgeltforderungen für Oktober bis Dezember 2021 seit dem 11. März 2022 in Verzug.
Für die Zeit vor dem 11. März 2022 ist eine Mahnung nicht vorgetragen. Für die Zahlung des Entgelts war nach der Entgeltverteilungsordnung keine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Die Mahnung war daher nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich.
Soweit der Kläger in seinem Antrag von „Zinsen von 5 %-Punkten“ spricht, war der Zinsantrag dahingehend auszulegen, dass der Kläger den gesetzlichen Verzugszins, mithin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz geltend macht
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 713 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft eine Einzelfallentscheidung. Die rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung.