Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 23.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231425

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 04.07.2022 – 22 W 32/22

    1) Nach § 29 BGB kommt die Notbestellung eines organschaftlichen Vertreters eines Vereins nur dann in Betracht, wenn die erforderliche Anzahl von Mitglieder des Vertretungsorgans fehlt und die zeitweise Behebung des Mangels dringend ist, weil ein Schaden droht oder eine alsbald erforderliche Handlung unterbleibt und der Verein den Mangel nicht selbst beheben kann.

    2) Wird ein Antrag nach § 29 BGB mit der Unwirksamkeit von Vorstandswahlen begründet, muss diese feststehen oder jedenfalls mit wenig Aufwand feststellbar sein. Ist die Unwirksamkeit voraussichtlich nur in einem umfangreichen Strengbeweisverfahren feststellbar, kann der Antragsteller zunächst auf den Zivilprozessweg zur Klärung verwiesen werden. Bei einer Partei kommt zudem die Anrufung des Parteischiedsgerichts in Betracht.



    Tenor:

    Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. März 2022 wird zurückgewiesen.

    Der Verfahrenswert beträgt 5.000 Euro.
    Gründe

    I.

    Der Beteiligte zu 1) ist nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung eine Partei im Sinne des Grundgesetzes. In der Zeit vom 4. bis 6. Dezember 2021 ist ein virtueller Bundesparteitag durchgeführt worden, bei dem auch ein neuer Vorstand gewählt worden ist. In der Folge des Parteitages ist eine bestätigende Briefwahl durchgeführt worden.

    Der Beteiligte zu 2) war zuvor beim 1. Bundesparteitag als Beauftragter für Medien und Kommunikation in den Vorstand gewählt worden. Mit einem Schreiben vom 2. Februar 2022 hat er beim Amtsgericht Charlottenburg die Bestellung eines Notvorstands für den Beteiligten zu 1) beantragt und drei Personen vorgeschlagen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit einem Beschluss vom 28. März 2022 zurückgewiesen. Es fehle nicht an einem Vorstand. Ob die bereits erfolgte Anfechtung der Vorstandswahl Erfolg habe, könne nicht in dem Verfahren nach § 29 BGB vorweggenommen werden.

    Gegen diesen am 1. April 2022 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit einem am 21. April 2022 als Fax eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 29. April 2022 zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    1. Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beteiligte zu 2) ist als Mitglied des Beteiligten zu 1) zu der erfolgten Antragstellung nach § 29 BGB befugt und aus diesem Grund auch beschwerdebefugt, vgl. § 59 Abs. 1 und 2 FamFG. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht worden. Einer Beschwer bedarf es nicht, weil es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit handelt.

    2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Bestellung eines Notvorstands zu Recht abgelehnt.

    a) Der Antrag des Beteiligten muss nicht deshalb erfolglos bleiben, weil der Beteiligte zu 1) nach dem Willen ihrer Gründer eine Partei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ParteienG darstellt. Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt auch in diesem Fall eine Bestellung eines Notvorstands nach § 29 BGB in Betracht (Senat, Beschluss vom 20. Mai 2020 - 22 W 7/20 -, juris Rn. 9). Die Zurückweisung des Antrags war aber gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen für eine Bestellung nicht gegeben sind.

    b) Nach § 29 BGB kommt die Notbestellung eines organschaftlichen Vertreters eines Vereins nur dann in Betracht, wenn die erforderliche Anzahl von Mitglieder des Vertretungsorgans fehlt und die zeitweise Behebung des Mangels dringend ist, weil ein Schaden droht oder eine alsbald erforderliche Handlung unterbleibt und der Verein den Mangel nicht selbst beheben kann.

    Insoweit steht schon nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass es an einer erforderlichen Anzahl von Mitgliedern des Vertretungsorgans fehlt. Der Beteiligte zu 2) ist zwar als Beauftragter für Medien und Kommunikation nach seiner Darstellung das einzig verbliebene Mitglied des am 21. März 2021 bestellten Vorstands. Danach steht ihm keine Vertretungsbefugnis zu, die nach § 16 der Satzung nur den Vorsitzenden und Stellvertretern zukommt. Eine solche Vertretungsbefugnis wird aber zur Einberufung einer Mitgliederversammlung grundsätzlich für erforderlich gehalten (vgl. KG, Beschluss vom 6. Dezember 1977 - 1 W 2603/77 -, juris Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., Rdn. 157a). Zu beachten ist im vorliegenden Fall aber, dass Anfang Dezember 2021 ein Bundesparteitag stattgefunden hat und dort auch über die Neuwahl eines Vorstands abgestimmt worden ist. Danach verfügt der Beteiligte zu 1) derzeit über einen Vorstand. Soweit der Beteiligte zu 2) Bedenken wegen des Ablaufs dieses Parteitages und der dort durchgeführten Abstimmungen hat und die Auffassung vertritt, die Vorstandswahlen seien unwirksam, insbesondere die nachfolgende schriftliche Abstimmung zur Bestätigung der Wahlen sei fehlerhaft, weil nicht alle Parteimitglieder einbezogen worden seien, könnte dies tatsächlich die Annahme rechtfertigen, die Beschlüsse seien nichtig. Die zur Beurteilung der Sachlage notwendigen Tatsachen stehen aber nicht fest. Sie sind für den Senat auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand zu ermitteln. Denn insoweit wäre eine Beweisaufnahme im Strengbeweisverfahren erforderlich. Die Wirkungen der Entscheidung des Senats würden aber auf die Beteiligten beschränkt sein, während eine entsprechende Nichtigkeitsfeststellung über die Bestellungsbeschlüsse im Zivilprozess auch die nichtbeteiligten Vereinsmitglieder erfassen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 1992 - II ZR 23/92 -, juris; Urteil vom 23. Februar 1978 - II ZR 37/77 -, BGHZ 70, 384-388 zur Genossenschaft; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. Dezember 2001 - 3Z BR 280/01 -, juris Rn. 15; Burhoff, Vereinsrecht, 2016, Rn. 431; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., Rdn. 215a). Ein solcher Zivilprozess ist auch schon anhängig. Dass dieser von vornherein nicht durchführbar wäre, weil der Verein gerade nicht wirksam vertreten werden kann, trifft nicht zu. So steht die Unwirksamkeit der Beschlüsse über die Vorstandswahl nicht fest, sondern soll erst im Rahmen des Prozesses festgestellt werden, so dass zunächst von einer Vertretung durch die gewählten Vorstandsmitglieder auszugehen ist (so ausdrücklich zur GmbH: BGH, Urteil vom 10. November 1980 - II ZR 51/80 -, juris). Die Vertretungsbefugnis des neuen Vorstands ist eine doppelrelevante Tatsache. Steht die Unwirksamkeit später fest, liegt ein Außenhandeln eines faktischen Vorstands vor, das sich der Verein nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht zurechnen lassen muss (vgl. KG, Beschluss vom 26. Februar 2004 - 1 W 549/01 -, juris Rn. 48; Reichert/Wagner, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Rn. 2182). Die Vertretung des Vorstands im Prozess trotz Wahlanfechtung entspricht im Übrigen der Regelung in § 250 Abs. 3 AktG in Verbindung mit § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG. Aus diesem Grund ist der Zivilprozess abzuwarten. Besondere Gründe, vorab eine nicht bindende Entscheidung über die Wirksamkeit der Vorstandswahlen im Rahmen des Verfahrens nach § 29 BGB zu treffen, sind nicht ersichtlich. So trägt der Beteiligte zu 2) auch keinen Sachverhalt vor, der den Eintritt eines Schadens erwarten lässt oder eine sofortige Handlung eines in jedem Fall vertretungsberechtigten Vorstandes erfordern würde.

    Dass den Bestellungsbeschlüssen ohne weiteres der Makel der Fehlerhaftigkeit anhaften würde, ist nicht ersichtlich und lässt sich auch dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) nicht entnehmen. So wird etwa eine fehlende Ladung aller Mitglieder zu dem Parteitag Anfang Dezember von dem Beteiligten zu 2) lediglich vermutet. Auch die Ausführungen des von alten Vorstandsmitglieder nach der Wahl eines neuen Vorstands eingesetzten Wahlprüfungsausschusses lassen einen Schluss auf eine eindeutige Rechtswidrigkeit nicht zu. Aus einer Durchführung einer bestätigenden Briefwahl allein mit den Teilnehmern des Parteitages ergibt sich eine solche Rechtswidrigkeit jedenfalls nicht zwingend, weil das Gesetz für die Wahl des Vorstands keine Urwahl vorsieht, vgl. § 6 Nr. 11 ParteienG. Ob dann § 5 Abs. 4 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID 19-Pandemie gleichwohl so verstanden werden muss, ohne dass dies im Wortlaut festgehalten ist, dürfte zweifelhaft sein. Insoweit steht aber auch schon nicht fest, wie die Briefwahl durchgeführt wurde. Offen ist auch nach wie vor, inwieweit die Anrufung des Parteischiedsgerichts, dass für die Feststellung einer Unwirksamkeit einer derartigen Wahl zuständig wäre, vgl. der § 10 Abs. 2 SchiedsO, möglich gewesen ist (vgl. zur Bedeutung Senat, Beschluss vom 20. Mai 2020 - 22 W 7/20 -, juris Rn. 10 mwN). Denn die Wahl der Mitglieder des Schiedsgerichts unterlag der Beschränkung des § 5 Abs. 4 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID 19-Pandemie gerade nicht. Der Beteiligte zu 2) hat insoweit lediglich die Auffassung vertreten, die Wahl der Mitglieder des Schiedsgerichts sei unwirksam. Eine Wahlanfechtung ist nach der Satzung des Beteiligten zu 1) zudem fristgebunden, vgl. § 12 SchiedsO, was dafür spricht, dass das Beanstandungsrecht nur zeitlich begrenzt ausgeübt werden kann.

    3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Der Senat sieht im Übrigen entgegen dem Antrag des Beteiligten zu 1) keinen Anlass die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 FamFG sind nicht gegeben. Eine Erstattungsanordnung ist im Übrigen auch im Parteischiedsverfahren des Beteiligten zu 1) grundsätzlich nicht vorgesehen, vgl. § 26 Abs. 3 SchiedsO.