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  • 03.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146289

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 30.09.2015 – 3 K 480/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Thüringen, 30.09.2015 - 3 K 480/14

    In dem Rechtsstreit
    XXX
    gegen Finanzamt
    XXX
    wegen Einkommensteuer 2012
    hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts am 30.09.2015 ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 29.08.2013, geändert durch Bescheid vom 16.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2014 wird dahingehend geändert, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von 1.962,16 € bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit steuermindernd zu berücksichtigen sind.
    2.

    Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
    3.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
    4.

    Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    5.

    Die Revision wird zugelassen

    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften aus einer selbstständigen Tätigkeit als Übungsleiterin, insbesondere die Frage, ob Betriebsausgaben auch geltend gemacht werden können, wenn die Einnahmen unterhalb des Pauschbetrages gemäß § 3 Nr. 26 EStG bleiben.

    Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem erhielt sie für ihre Tätigkeit als Stadtratsmitglied Einnahmen in Höhe von 1.091,08 €, die als steuerfreie Aufwandsentschädigung gem. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerlich nicht berücksichtigt wurden.

    Weiterhin erzielte sie aus einer Übungsleitertätigkeit Einnahmen in Höhe von 1.200,00 €. Damit verbunden waren vom Beklagten nicht bestrittene Ausgaben in Höhe von 4.062,16 €. Sie machte in ihrer Einkommensteuererklärung einen Verlust aus selbständiger Arbeit in Höhe von zunächst 1.771,00 € geltend.

    Der Beklagte setzte im Einkommensteuerbescheid zunächst einen Gewinn von 1.771,00 € an, im geänderten und nunmehr streitigen Einkommensteuerbescheid vom 16.01.2014 (Bl. 24 Rb-Akte) setzte er die Einkünfte aus der Stadtrats- und der Übungsleitertätigkeit auf 0,- Euro herab. Die Klägerin begehrt den Ansatz eines Verlustes. Den Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück.

    Die Klägerin trägt vor, den Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit in Höhe von 1.200,00 € stünden Ausgaben in Höhe von 4.062,16 r€ gegenüber. Der Beklagte sei zu Unrecht der Auffassung, dass mit der Pauschale gem. § 3 Nr. 26 EStG, im Streitjahr bis zu 2.100,00 €, auch die diesen Pauschalbetrag übersteigenden Aufwendungen von 4.062,16 € abzüglich 2.100 €, mithin 1.962,16 € abgegolten seien, d.h. in der weiteren Berechnung unberücksichtigt bleiben müssten. Die Klägerin meint, dass der die Pauschale übersteigende Verlust bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zu berücksichtigen sei. Obwohl sie nur Einnahmen in Höhe von 1.200,00 € habe, sei von ihr der Freibetrag rechnerisch berücksichtigt worden. Sie fühle sich durch die Auffassung des FG Berlin-Brandenburg vom 05.12.2007, 7 K 3121/5 B und dem BFH Urteil vom 06.07.2005 XI R 61/04 in ihrer Meinung bestätigt.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 29.08.2013, geändert durch Bescheid vom 16.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2014 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von 1.962,16 € bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit steuermindernd berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, entsprechend der Lohnsteuerrichtlinien (R 3.26 Abs. 9 Satz 1 Lohnsteuerrichtlinie 2013) sei ein Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, die mit den steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nr. 26 EStG in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stünden nur dann möglich, wenn die Einnahmen aus der Tätigkeit und gleichzeitig auch die jeweiligen Ausgaben den Freibetrag überstiegen.

    Da die Einnahmen der Klägerin (1.200 €) den Freibetrag (2.100 €) nicht übersteigen, komme ein über den Freibetrag hinausgehender Betriebsausgabenabzug nicht in Betracht. Der Auffassung der Finanzgerichte Rheinland-Pfalz (2 K 1996/10) und Berlin-Brandenburg (7 K 3121/05 B), die gegen die Verwaltungsauffassung entschieden hätten, sei nicht zu folgen. Diese Urteile beträfen altes Recht. Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12.1999 (BGBl. I 1999, 2601) sei ab dem Veranlagungszeitraum 2000 in § 3 Nr. 26 die Befreiung von "Aufwandsentschädigungen" durch die Befreiung von "Einnahmen" ersetzt worden. Nach § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG seien die Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter bis maximal 2.100 € steuerfrei. Überschritten die Einnahmen den steuerfreien Betrag dürften ab dem 01.01.2000 die mit nebenberuflichen Tätigkeiten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben, abweichend von § 3 c EStG nur insoweit als Betriebsausgaben angezogen werden, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen.

    Ein Abzug von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, die mit den steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nr. 26 EStG in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stünden sei nur dann möglich, wenn die Einnahmen aus der Tätigkeit und gleichzeitig auch die jeweiligen Ausgaben über dem Freibetrag lägen.

    Die Beteiligten haben nach Hinweis des Berichterstatters vom 22.07.2015 auf die Erfolgsaussichten der Klage und die Möglichkeit einer Revisionszulassung übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
    Entscheidungsgründe

    I. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 90 Abs. 2 FGO.

    II. Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid vom 29.08.2013, geändert durch Bescheid vom 16.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2014 ist insoweit rechtswidrig, als weitere Betriebsausgaben In Höhe von 1.962,16 € zu berücksichtigen sind.

    1. Die Klägerin erzielte unbestritten Einkünfte aus selbständiger Arbeit gem. § 18 EStG. Gem. § 4 EStG kann sie grundsätzlich hierfür angefallene Betriebsausgaben ansetzen.

    Unstreitig erzielte die Klägerin als Übungsleiterin Einnahmen aus einer Betätigung, die unter § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG fällt. Da die Einnahmen von 1.200,00 € unter dem (damals) gültigen Freibetrag von 2.100,00 € liegen, sind diese Einnahmen steuerfrei.

    2. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klägerin jedoch die den Freibetrag von 2.100,00 € übersteigenden Ausgaben geltend machen und somit 4.062,16 € abzüglich 2.100,00 € = 1.962,16 € ansetzen.

    a. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat am 25.05.2011 (2 K 1996/10, EFG 2011, 1596) zu Recht rechtskräftig zum EStG 2009 entschieden, dass auch dann, wenn die Einnahmen eines Übungsleiters den Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG unterschreiten, das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG der Abzugsfähigkeit der den Betrag der Einnahmen übersteigenden Ausgaben nicht entgegensteht.

    Auch das FG Brandenburg hat im Urteil vom 05.12.2007 (7 K 3121/05 B, EFG 2008, 1535) zutreffend zu der ab dem Veranlagungszeitraum 2000 geltenden Fassung des EStG entschieden, dass die völlige Steuerfreistellung der unter dem Freibetrag des § 3 Nr. 26 EStG liegenden Einnahmen nicht zum vollumfänglichen Abzugsverbot der Ausgaben führt. Die auch dort zugelassene Revision wurde nicht eingelegt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

    Soweit das FG München, Urteil vom 22.12.2004 (15 K 2777/03, [...]) anderer Ansicht war und davon ausging, dass dann, wenn die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit den Freibetrag des § 3 Nr. 26 EStG unterschreiten, das generelle Abzugsverbot für Werbungskosten des § 3 c EStG zum Tragen kommen soll, folgt der Senat dem nicht.

    b. Gemäß § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG sind Aufwandsentschädigungen für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten steuerfrei; gemäß Satz 2 sind Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten bis zur Höhe von insgesamt 2.100 Euro im Jahr als Aufwandsentschädigungen anzusehen. Nach § 3c EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. § 3c EStG bestätigt damit den allgemeinen Grundsatz, dass bei steuerfreien Einnahmen kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden soll (BFH- Urteil vom 30.01.1986, IV R 247/84, BFHE 146, 65, BStBl II 1986, 401 [BFH 30.01.1986 - IV R 247/84]).

    Durch den pauschalen Freibetrag des § 3 Nr. 26 EStG soll der durch die aufgeführten Beschäftigungen entstehende Aufwand pauschal steuerfrei abgegolten werden (Schmidt/Heinicke, Komm. zum EStG § 3 Stichwort "Nebeneinkünfte").

    c. § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG postuliert nun eine Ausgabenabzugsbeschränkung. Er schränkt den Abzug von Ausgaben ein, welche mit den nebenberuflichen Tätigkeiten im Sinne von § 3 Nr. 26 Satz 1 in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies ist eine spezielle Regelung für den Abzug von Ausgaben, die der allgemeinen Regelung des § 3c EStG vorgeht. Überschreiten die Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten den steuerfreien Betrag, dürfen die mit den nebenberuflichen Tätigkeiten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3 c EStG nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen.

    Diese Vorschrift greift ihrem Wortlaut nach aber nur dann ein, wenn die Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten den steuerfreien Betrag "über"-schreiten, d.h. höher als (im Streitjahr) 2.100,00 € liegen. Ist dies der Fall, dürfen die mit den nebenberuflichen Tätigkeiten zusammenhängenden Ausgaben nur dann abgezogen werden, soweit sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen. § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG regelt jedoch dem Wortlaut nach nicht den Fall, dass die Einnahmen den steuerfreien Betrag nicht über-, sondern unterschreiten, also wie hier im Streitfall nur 1.200,00 € betragen.

    Man könnte zwar der Auffassung sein, dass dann die allgemeine Regelung des § 3c Abs. 1 EStG Anwendung findet und die Ausgaben in vollem Umfang vom Abzug ausgeschlossen sind.

    d. Eine solche Interpretation steht jedoch im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Regelung und zu dem systematischen Zusammenhang beider Normen. § 3c EStG will lediglich eine doppelte Begünstigung des Steuerpflichtigen verhindern, die dadurch entstehen könnte, dass einerseits Einnahmen steuerfrei gezahlt werden und andererseits die entsprechenden Betriebsausgaben steuermindernd abzugsfähig sind. So liegt der Fall indes nicht, denn die Klägerin hat nur den die steuerfreie Aufwandsentschädigung übersteigenden Betrag geltend gemacht.

    d. § 3 Nr. 26 EStG liegt die Annahme zu Grunde, dass dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der begünstigten Tätigkeit Aufwendungen in Höhe des steuerfrei gestellten Betrages erwachsen sind, die durch die gezahlte Aufwandsentschädigung ersetzt werden. Die in § 3 Nr. 26 EStG vorgesehene Steuerbefreiung hat (auch weiterhin) die Wirkung einer Betriebsausgaben- oder Werbungskostenpauschale (zutreffend FG Berlin-Brandenburg vom 05.12.2007 aaO sowie BFH, Urteil vom 06.07.2005, XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163 [BFH 06.07.2005 - XI R 61/04]).

    Folgte man der Auffassung des Beklagten bestünde ein Abzugsverbot, wenn z.B. nur steuerfreie Einnahmen von 2.100,00 € oder geringer angefallen sind und Betriebsausgaben von geringer Höhe. Nach der Formulierung des § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG wäre bei Einnahmen bis 2.100,00 € ein Abzug von Werbungskosten und Betriebsausgaben auch dann ausgeschlossen, wenn die Ausgaben wie im vorliegenden Fall die erzielten Einnahmen erheblich übersteigen. Es ist jedoch nicht plausibel, dass bei den Pauschbetrag auch nur geringfügig übersteigenden Einnahmen von z.B. 2.101,00 € ein Abzug der 2.101,00 € unter Umständen erheblich übersteigenden Betriebsausgaben und Werbungskosten möglich sein sollte, im Gegensatz dazu aber bei Einnahmen von 2.100,00 € oder darunter (wie im Streitfall) nicht (so zutreffend v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, § 3 Nr. 26 Rdnr. B 26/141 und 26/150).

    Die uneingeschränkte Geltung von § 3c Abs. 1 EStG bei Einnahmen bis 2.100,00 € würde dazu führen, dass sich die als Begünstigung ausgestaltete Regelung des § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG in diesen Fällen zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt. Dies widerspräche dem objektiven Nettoprinzip, wonach prinzipiell alle Aufwendungen, die durch die Einnahmeerzielung veranlasst sind, als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig sein sollen.

    Durch die vorliegende Auslegung wird gewährleistet, dass nebenberufliche tätige Übungsleiter im Vergleich zu einem hauptberuflich Tätigen nicht benachteiligt werden, denn ohne die Regelung des § 3 Nr. 26 EStG wären unstreitig alle Betriebsausgaben abzugsfähig (vgl. auch BFH, Urteil vom 06.07.2005 XI R 61/04, aaO mit Anmerkung Heuermann, Die steuerliche Betriebsprüfung 2005, 337). Der BFH hat in diesem Urteil noch dahin gestellt bleiben lassen, wie der Fall auf der Grundlage des neu gefassten § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2000 zu beurteilen ist. Der erkennende Senat sieht in der aktuellen Gesetzesfassung keinen Anlass dazu, den Steuerpflichtigen nunmehr schlechter zu stellen. Es ist nicht erkennbar, dass der auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses (Bundestagsdrucksache 14/2380) eingefügte Satz 2 des § 3 Nr. 26 EStG die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben einschränken wollte, wenn die Einnahmen den (angehobenen) Freibetrag unterschreiten. Dies wäre auch sinnwidrig, denn das ehrenamtliche Engagement von Bürgern sollte gestärkt werden.

    Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    Da eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage erforderlich ist, wird die Revision zugelassen.