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  • 14.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215651

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 26.02.2020 – 4 K 594/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Hessisches Finanzgericht
    4. Der Senat

    26.02.2020


    nachgehend BFH München, V R 11/20, Revision anhängig

    Tenor

    Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 09.12.2016 und der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2018 wird der Beklagte verpflichtet, durch Bescheid die Einhaltung der satzungsgemäßen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO für die Gesellschaftsverträge in den Fassungen auf Grund der Gesellschafterbeschlüsse vom xx.xx.05.2012 und vom xx.xx.2005 gesondert festzustellen.

    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, der Klägerin für die Jahre 2015 bis 2017 die Erfüllung der sog. satzungsgemäßen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung durch gesonderte Feststellung zubestätigen.

    Die Klägerin ist eine 1995 gegründete GmbH, die im Handelsregister des Amtsgericht B unter HRB xx eingetragen ist. Bei Gründung trug sie den Namen C GmbH. Zum ursprünglichen Gesellschaftsvertrag, der nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten den bis 2008 geltenden Voraussetzungen des § 60 der Abgabenordnung (AO) entsprach, wird im Einzelnen auf die Akten verwiesen. In § 3 des Gesellschaftsvertrags hieß es zu nächst:

    „Gegenstand der Gesellschaft ist die gemeindepsychiatrische Versorgung für den Nordteil des D. Die Angebote der Gesellschaft richten sich an psychisch kranke Menschen, vor allem jene, die einen kürzeren oder längeren Aufenthalt in psychiatrischen Krankenhäusern hinter sich haben.

    Dazu gehört der Aufbau und die Weiterentwicklung der gemeindenahen psychiatrischen und psychologischen Versorgung und die Enthospitalisierung im nördlichen D unter besonderer Berücksichtigung der rehabilitativen Arbeit in E.“

    In § 4 hieß es zunächst:

    „Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 51 ff. AO. Die Gesellschaft ist selbstlos tätig. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.

    Die Gesellschaft ist bemüht, gemäß § 51 die Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu erlangen.“

    Im Jahr 2010 wurde § 11 des Gesellschaftsvertrags im Hinblick auf die Verteilung des Vermögens im Fall der Auflösung im Wortlaut dahingehend geändert, dass (wie schon bisher bestimmt) die Gesellschafter im Fall der Auflösung nicht mehr als ihre eingezahlten Einlagen zurück erhalten und dass ‒ wie neu in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen ‒ der Restbetrag zu je Hälfte dem Arbeitskreis F GmbH und dem Verein G e.V. zustehe und diese die Mittel nur zu steuerbegünstigten Zwecken verwenden dürften. Im Einzelnen wird zu dem geänderten § 11 auf Bl. 29 des Sonderbands „Verträge, HR etc.“ verwiesen.

    Im Jahr 2012 beschlossen die Gesellschafter eine Änderung des § 7 betreffend das Selbstkontrahieren der Geschäftsführer. Zu der neuen Fassung des § 7 wird im Einzelnen auf Bl. 43 des Sonderbands „Verträge, HR etc“ verweisen.

    Zum Inhalt des gesamten ab xx.xx.2012 geltenden ‒ mithin hinsichtlich §§ 3, 4 seit Gründung unveränderten ‒ Gesellschaftsvertrags (im Folgenden GV 2012) wird auf Bl. 48 bis 56 des Sonderband „Verträge, HR etc.“ verwiesen. Zu dieser Fassung des Gesellschaftsvertrags teilte der Beklagte mit Schreiben vom 19.08.2014 unter dem Betreff „Prüfung der Anerkennung nach § 60a Abs. 1 AO über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO“ mit, dass dieser Gesellschaftsvertrag nicht mehr den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche. Um eine Anerkennung zu erteilen, werde um eine Einreichung einer geänderten Fassung gebeten. „§ 3 ff. des Vertrages“ sei nicht gesetzeskonform. Die Klägerin werde daher gebeten, § 3 der Satzung entsprechend der Mustersatzung abzuändern und die gemeinnützigen Zwecke laut § 52 AO, die die Stiftung fördern wolle „(wörtlich) zu benennen“. Die bisher in § 3 enthaltenen Formulierungen könnten in den Bereich Zweckverwirklichung laut Mustersatzung übernommen werden.

    Mit Schreiben vom 10.02.2015 erinnerte der Beklagte die Klägerin an die Beantwortung des Schreibens. Nachdem der Beklagte zudem ein Zwangsgeld angedroht hatte, legte die Klägerin ‒ zusammen mit dem Einspruch gegen die nicht streitgegenständliche Androhung des Zwangsgelds ‒ den bereits am xx.xx.2015 neu gefassten Gesellschaftsvertrag vor, den die Gesellschafter mit notariell beurkundetem Gesellschafterbeschluss vom xx.xx.2015 unter dem Tagesordnungspunkt „Neufassung der Satzung“ einstimmig entsprechend der Anlage zur Urkunde der Notarin H neu gefasst hatten. In diesem Gesellschaftsvertrag wurde zum einen die Firma der Klägerin in „A GmbH“ geändert (§ 1 des neuen Gesellschaftsvertrags). Ferner hieß es in § 3 des Gesellschaftsvertrags nunmehr:

    „Zweck der Gesellschaft ist die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, insbesondere die gemeindepsychiatrische Versorgung für D. Die Angebote der Gesellschaft richten sich an psychisch kranke Menschen, vor allem jene, die einen kürzeren oder längeren Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern hinter sich haben. Dazu gehören der Aufbau, die Weiterentwicklung der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung im D. Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die Unterhaltung von Tagesstätten, ambulant/stationär betreutem Wohnen, psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen, eine Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen und begleitetes Wohnen in Familien.“

    § 4 lautete nunmehr:

    „Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der § 51 ff. der AO. Die Gesellschaft ist selbstlos tätig. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“

    Zum Inhalt des gesamten Gesellschaftsvertrags in der am xx.xx.2015 beschlossenen Fassung (im Folgenden GV 2015) wird im Einzelnen auf die Akten verwiesen (Bl. 13 ff. FG-Akten).

    Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 15.06.2015 mit, dass eine Erteilung eines Feststellungsbescheids nach § 60 AO zu dem Gesellschaftsvertrag vom 12.01.2015 nicht möglich sei, da der Gesellschaftsvertrag nicht alle notwendigen Festlegungen der Mustersatzung des § 60 AO enthalte. Es werde daher vorgeschlagen, folgenden Zweck in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen:

    „ - Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege

    Förderung mildtätiger Zwecke“

    Außerdem seien in § 4 des Gesellschaftsvertrags auch die mildtätigen Zwecke aufzunehmen. Ferner wurden Änderungen in § 10 vorgeschlagen. Der Beklagte setzte für die Beantwortung keine Frist. Im Einzelnen wird zum Inhalt des Schreibens auf die Akten (Bl. 18 f. des Sonderbands Bandes „Einspruchsverfahren § 60 AO“) verwiesen.

    Ausweislich einer Aktennotiz im Jahr 2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass der Gesellschaftsvertrag in den nächsten Tagen geändert werde. Jedoch ging bei dem Beklagten zunächst kein geänderter Gesellschaftsvertrag ein. Der Beklagte erließ deshalb am 09.12.2016 einen Bescheid über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung satzungsgemäßer Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO, in dem es heißt, dass die Klägerin mit ihrer Satzung in der Fassung vom xx.xx.2015 nicht die satzungsgemäßen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfülle.

    Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.01.2017 Einspruch ein. Die Klägerin rügte u.a., dass bereits am xx.xx.2014 über die Satzungsmäßigkeit des Gesellschaftsvertrags hätte entschieden werden müssen und nicht mit Verweis auf die Satzungsänderung vom xx.xx.2005 der Erlass des Bescheids hätte verweigert werden dürfen. Außerdem habe der Beklagte keine Frist gesetzt. Ferner sei Vertrauensschutz zu gewähren.

    Mit Schreiben vom 23.06.2017 teilte der Beklagte u.a. mit, dass für 2014 die Steuerbegünstigung noch nicht zu versagen sei, da die Beanstandung der Satzung erst am 19.08.2014 erfolgt sei. Weiter heißt es, aufgrund „... Fehlverhaltens ist der Körperschaft ab dem Jahr keine Steuerbegünstigung mehr zu gewähren, da sie die Gewährung des Vertrauensschutzes verloren hat.“ Insoweit war keine Jahreszahl genannt.

    Mit Schreiben vom 30.06.2017 rügte die Klägerin u.a., dass das Jahr, ab dem eine Steuerbegünstigung nicht mehr zu gewähren sei, in dem Schreiben vom 23.06.2017 nicht genannt werde. Ferner vertrat die Klägerin nunmehr auch die Ansicht, dass die beanstandete Satzung vom xx.xx.2015 den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche. Der Beklagte habe auch nicht klar ausgedrückt, worin die Beanstandung liege. Auf die wörtliche Wiedergabe der Mustersatzung bzw. der in § 52 AO aufgezählten Zwecke komme es nicht an. Die Anforderungen einer wortgleichen Übernahme wäre auch mit europäischen Recht nicht zu vereinbaren, weil auch eine nicht in deutscher Sprache verfasste Satzung Grundlage steuerlicher Vergünstigungen sein könne. Auch die Literatur vertrete die Auffassung, dass nicht bloße Wortklaubereien zu einer Ablehnung führen dürften.

    In einem Schreiben vom 21.07.2017 teilte der Beklagte sodann mit, dass zur Klarstellung noch einmal mitgeteilt werde, dass die Steuerbegünstigungen für die Jahre 2015, 2016 und 2017 nicht mehr gewährt werden könnten. Hingegen könne die Steuerbegünstigung ab dem 01.01.2018 wieder gewährt werden, wenn noch im Jahr 2017 ein Beschluss über die Verabschiedung einer ordnungsgemäßen Satzung ergehe und durch Eintragung im Handelsregister wirksam werde.

    Mit Schreiben vom 10.08.2017 legte die Klägerin u.a. weitere Satzungsentwürfe vor. Ferner legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.08.2017 einen mit Gesellschafterbeschluss vom xx.xx.2017 neu gefassten Gesellschaftsvertrag der Klägerin vor, zu deren Inhalt im Einzelnen auf die Akten (Bl. 118 ff. des Sonderbands „Verträge, HR etc.“) verwiesen wird.

    Mit Schreiben vom 08.01.2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Satzung vom xx.xx.2017 mit Eintragung am xx.xx.2017 zur Folge habe, dass für das Jahr 2018 ein Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO erteilt werden könne. Der Beklagte hielt zudem daran fest, dass bis 2014 Vertrauensschutz zu gewähren sei, da die Beanstandung der Satzung erst am 19.08.2014 erfolgt sei. Im Hinblick auf die im Jahr 2015 eingereichte Satzung vom xx.xx.2015 sei der Vertrauensschutz jedoch verwirkt. Wegen des am xx.xx.2015 geänderten Vertrags sei das Finanzamt nicht mehr verpflichtet gewesen, eine ausreichende Frist für eine weitere Änderung der Satzung einzureichen. Hierzu verweist der Beklagte auf den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 59 Nr. 4 AEAO. Daher könne für die Jahre 2015 bis 2017 keine Steuerbegünstigung mehr gewährt werden.

    Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ der Beklagten am 21.02.2018 für die Satzung in der „Fassung vom xx.xx.1995 (zuletzt geändert am xx.xx.2017)“ einen die satzungsgemäßen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung bestätigenden Feststellungsbescheid (Bl. 27 ff. FG-Akte) und wies darauf hin, dass die damit verbundene Steuerbefreiung frühestens ab dem 01.01.2018 beansprucht werden könne. Der Beklagte wies sodann mit Einspruchsentscheidung vom 13.03.2018 (Schreiben vom 20.03.2018) den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 09.12.2016 als unbegründet zurück (siehe im Einzelnen Bl. 77 ff. FG-Akten). Denn die gesonderte Feststellung der Einhaltung er satzungsgemäßen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AO für die Jahre 2015 bis 2017 sei zu Recht abgelehnt worden.

    Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin meint, dass es nicht zutreffe, dass in der Satzung vom xx.xx.2015 als Zweck der Gesellschaft die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege wörtlich hätte enthalten sein müssen. Zum einen genieße die Klägerin Vertrauensschutz, da der Beklagte sie stets auf Basis der vorherigen Satzungen als gemeinnützig anerkannt habe. Zum anderen müsse auch nicht Wort für Wort die Mustersatzung übernommen werden. § 60 Abs. 1 AO fordere nur, dass die Satzungszwecke so genau bestimmt sein müssen, dass aufgrund der Satzung geprüft werden könne, ob die satzungsgemäßen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben seien. Es sei ausreichend, dass die Verpflichtung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung förderungswürdiger Zwecke sowie die Verwendung des Begriffs „selbstlos“ in der Satzung enthalten seien. Zudem sei Gemeindepsychiatrie schon per Definition eindeutig dem Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung zuzuordnen. Unter Gemeindepsychiatrie sei die Hilfe für psychisch Behinderte auch in der Gemeinde, das heißt außerhalb der großen Anstalten und der Praxen niedergelassener Psychiater zu verstehen. Dies sei die Definition laut Wikipedia. Es gebe ein dichtes Netz gemeinnütziger, gemeindepsychiatrisch tätiger Akteure und einen Dachverband Gemeindepsychiatrie in Köln. Zweifel an der Gemeinnützigkeit der Klägerin könnten deshalb aufgrund der beanstandeten Satzung nicht entstehen. Abgesehen davon sei Zweck der Gesellschaft auch die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen. Die Klägerin wäre allein damit steuerbegünstigt im Sinne der Abgabenordnung. Abgesehen davon hätte der Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 09.12.2016 auch deshalb nicht erlassen dürfen, weil der Beklagte keine Frist zur weiteren Stellungnahme gewährt habe. Die Klägerin habe unter den vorliegenden Umständen nicht mit einem ablehnenden Bescheid rechnen müssen. Soweit der Beklagte auf das Telefongespräch vom 20.04.2016 verweise, lägen der Klägerin bzw. ihrem Vertreter keine Aufzeichnungen vor. Der Beklagte habe aber in der Aktennotiz selbst ausgeführt, dass eine gesonderte Feststellung nach § 60a AO nicht ergehen könne. Der Beklagte habe somit auch nach eigener Darstellung weder eine Frist gesetzt noch den Erlass eines ablehnenden Bescheids angedroht.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO vom 09.12.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 20.03.2018 aufzuheben,

    den Beklagte zu verpflichten, einen Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 zu erlassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Ansicht, dass nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AO in der im Jahr 2009 aufgrund des Jahressteuergesetzes 2009 geltenden Fassung die in der als Anlage 1 zur Abgabenordnung enthaltenen Mustersatzung bezeichneten Feststellungen enthalten sein müssten. Die satzungsgemäßen Voraussetzungen lägen nicht vor, weil weder in § 3 GV 2012 noch in § 3 GV 2015 der satzungsgemäße Zweck in der Satzung konkret benannt worden sei. Das Finanzamt müsse mutmaßen, ob mit diesen Satzungen gemeinnützige Zwecke, z.B. der Zweck der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens oder der öffentlichen Gesundheitspflege, die Förderung der Hilfe für Behinderte oder evtl. auch nur mildtätige Zwecke erfüllt werden sollten. Der enthaltene Begriff der Gemeindepsychiatrie könne nicht eindeutig dem Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung zugeordnet werden. Auch der angeführte Verweis auf Wikipedia führe hier nicht zu einer eindeutigen Zweckbestimmung. Der Satzung könne somit nicht hinreichend klar entnommen werden, welcher Zweck mit der gemeindepsychiatrischen Versorgung für den Schwalm-Eder-Kreis verfolgt werden solle. Hinsichtlich des von der Klägerin entsprechend der AEAO zu § 59 Nr. 4 begehrten Vertrauensschutzes habe der Beklagte der Klägerin gerade die Steuerbegünstigung auch für 2014 noch nicht versagt, da die Beanstandung der Satzung erst am 19.08.2014 erfolgt sei. Im Hinblick auf die im Jahr 2015 eingereichte Satzung vom xx.xx.2015 sei jedoch der Vertrauensschutz verwirkt. Aufgrund des geänderten Gesellschaftsvertrags sei das Finanzamt nicht mehr verpflichtet gewesen, eine ausreichende Frist für eine weitere Änderung der Satzung zu gewähren. Denn in § 59 Nr. 4 AEAO heiße es: „Die vorstehenden Grundsätze gelten nicht, wenn die Körperschaft die Satzung geändert hat und eine geänderte Satzungsvorschrift zu beanstanden ist. In diesem Fällen fehlt es an einer Grundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz.“ Zudem habe das Finanzamt den ablehnenden Bescheid erst am 09.12.2016, also mehr als 1 ½ Jahre später erlassen. Die Klägerin habe insoweit ausreichend Zeit für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages gehabt. Daher sei zu Recht die Einhaltung der satzungsgemäßen Voraussetzungen für den Zeitraum vor dem 01.01.2018 zu Recht abgelehnt worden. Soweit die Klägerin meine, dass Gemeindepsychiatrie hinreichend bestimmt sei, übersehe sie, dass aufgrund der Mustersatzung die Formulierungen entsprechend § 52 Abs. 2 AO fester Bestandteil der zu prüfenden Satzung sein müssten. Einen Raum für Auslegung gebe es nicht. Soweit die Klägerin auf die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen hinweise, sei dies für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung, da die Verfolgung mildtätiger Zwecke erstmals im Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 2017 genannt worden sei. Nachdem der Berichterstatter auf die Regelungen zum sogenannten Bestandsschutz hingewiesen hatte, vertrat der Beklagte die Ansicht, dass der Bestandsschutz bereits aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrags vom xx.xx.2010 nicht gewährt werden könne. Hierzu verweist der Beklagte auf § 60 Nr. 3 bzw. § 60a Nr. 2 AEAO.

    Dem Gericht liegen zwei Bände Verwaltungsakten (1 Hefter „Einspruchsverfahren § 60a AO“ und 1 Sonderband „Verträge, HR etc.“) vor. Diese sind Gegenstand des Verfahrens und der Entscheidung.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat Erfolg.

    1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne von § 101 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Denn seit Einführung des Feststellungsverfahrens im Sinne des § 60a AO wird durch Feststellungsbescheid über die satzungsgemäßen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung entschieden. Da insoweit die positive gesonderte Feststellung für die Steuerbegünstigung erforderlich ist, kann dies nur durch Verpflichtungsklage erreicht werden.

    Im Hinblick darauf, dass der Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2018 die satzungsgemäßen Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO für den Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom xx.xx.2017 festgestellt hat und im Einspruchsverfahren für die Veranlagungen bis 2014 ‒ wenn auch aus Vertrauensschutzgründen ‒ die satzungsgemäßen Voraussetzungen anerkennt hat, ist die Klage dahin zu verstehen, dass die Klägerin begehrt, dass die beiden weiteren in den Jahren 2015 bis 2017 geltenden Satzungsfassungen ‒ also der GV 2012 und der GV 2015 ‒ ebenfalls als vereinbar mit den Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO anerkennt werden. Denn das Ziel, im sich anschließenden Veranlagungsverfahren für die Jahre 2015 bis 2017 insgesamt als gemeinnützig beurteilt zu werden, kann die Klägerin nur erreichen, wenn auch für diese Fassungen die positive Feststellung nach § 60a AO erfolgt. Das Gericht versteht deshalb in rechtschutzgewährender Weise auch das vorherige Verwaltungs- und Einspruchsverfahren und auch die Einspruchsentscheidung so, dass sowohl der GV 2012 als auch der GV 2015 von Anfang an Verfahrensgegenstand und somit auch im Sinne von § 44 FGO Gegenstand des Vorverfahrens waren.

    2. Die so verstandene Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr durch gesonderte Feststellung die Einhaltung der satzungsgemäßen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung sowohl hinsichtlich des GV 2012 als auch hinsichtlich des GV 2015 bestätigt.

    a) Nach § 60a AO wird die Einhaltung der satzungsgemäßen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO gesondert festgestellt.

    Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung gewährt, wenn sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung (Satzung im Sinne dieser Vorschriften) ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsgemäßen Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen gegeben sind. Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AO muss die Satzung zudem die in der Anlage 1 bezeichneten Festlegungen enthalten. Anlage 1 zur Abgabenordnung enthält die sogenannte Mustersatzung. Nach deren § 1 gehören zu den aus steuerlichen Gründen notwendigen Bestimmungen u.a.

    „Die Körperschaft mit Sitz in … verfolgt ausschließlich und unmittelbar - gemeinnützige - mildtätige - kirchliche Zwecke - (nicht verfolgte Zwecke streichen) im Sinne des Abschnitts steuerbegünstigte Zwecke der Abgabenordnung.

    Zweck der Körperschaft ist … (z.B. die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Jugend- und Altenhilfe, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, Kunst und Kultur, Landschaftspflege, Umweltschutz, des öffentlichen Gesundheitswesens, des Sports, Unterstützung hilfsbedürftiger Personen).

    Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch … (z.B. Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen und Forschungsvorhaben, Vergabe von Forschungsaufträgen, Unterhaltung einer Schule, einer Erziehungsberatungsstelle, Pflege von Kunstsammlungen, Pflege des Liedguts und des Chorgesanges, Errichtung von Naturschutzgebieten, Unterhaltung eines Kindergartens, Kinder-Jugendheimes, Unterhaltung eines Altenheimes, eines Erholungsheimes, Bekämpfung des Drogenmissbrauchs, des Lärms, Förderung sportlicher Übungen und Leistungen).“

    Entgegen der Ansicht des Beklagten folgt daraus nicht, dass die Satzung einen oder mehrere der in § 52 Abs. 2 AO enthaltenen Zwecke dem Wortlaut nach wiederholen muss (so mittelbar bereits Senatsurteil vom 10.11.2016 4 K 179/16, juris). Zwar sind in der Mustersatzung in der Klammer nach „Zweck der Körperschaft ist“ ausschließlich die in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannte Zwecke enthalten. Die Einführung der Mustersatzung war indes eine Reaktion darauf, dass der Bundesfinanzhof die „Unmittelbarkeit“ und „Ausschließlichkeit“ nicht als notwendigen Bestandteil des Wortlauts der Satzung angesehen hatte (vgl. dazu Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.06.2017 4 K 917/16, juris). Der Steuergesetzgeber wollte mithin die Leitungsorgane der Gesellschaft ausdrücklich gesellschaftsrechtlich auf die Einhaltung dieser Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit verpflichtet sehen. Würde der Steuergesetzgeber hingegen verlangen, dass als primärer Zweck ein in § 52 Abs. 2 AO genannter Zweck bezeichnet würde, wäre es den Leitungsorganen mitunter möglich, einen darunter fallenden (Teil-) Zweck zu verfolgen, den die Mitglieder bzw. Gesellschafter so nicht gewollt haben. Deshalb wird häufig eine Einengung der satzungsgemäßen Tätigkeit gewollt und bestimmt sein (z. B. bei Sportvereinen etwa die konkrete Sportart statt bloß Förderung des Sports). Da zudem ohnehin gemeinnützigkeitsrechtlich die Art und Weise der Zweckverwirklichung anzugeben ist, hält der erkennende Senat dafür, dass aus dem Klammerzusatz des § 1 der Mustersatzung nicht hervorgeht, dass bei der Angabe des Zwecks zwingend der Wortlaut des § 52 Abs. 2 AO zu wiederholen ist. Vielmehr hat § 60 Abs. 1 Satz 2 AO nichts daran geändert, dass nur die Art der begehrten Steuerbegünstigung (z. B. „gemeinnützig“) genannt sein muss und dass im Fall der Gemeinnützigkeit durch die Satzung verbindlich zum Ausdruck kommen muss, dass und wie die Allgemeinheit in Gestalt eines Zwecks, der mit § 52 Abs. 2 AO vereinbar ist, gefördert werden soll (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29.06.2017 4 K 917/16, juris). Nach der somit weiterhin geltenden Rechtsprechung des BFH (vgl. diese mit umfangreichen Nachweisen zusammenfassend insbesondere BFH, Urteil vom 15. November 2017 ‒ I R 39/15 ‒, BFH/NV 2018, 611) ist dafür erforderlich, dass die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sind, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung sind ‒ jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt ‒ so weit wie möglich zu konkretisieren. Es genügt ferner (weiterhin), dass diese Voraussetzungen auf Grund einer Auslegung der (gesamten) Satzungsbestimmungen als gegeben angesehen werden können. Unklarheiten, ob die Körperschaft nach ihrer Satzung ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen, d.h. die Allgemeinheit fördern soll, gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft.

    Nach § 52 Abs. 2 Nr. 3 AO ist als Förderung der Allgemeinheit unter anderem die „Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, insbesondere die Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten, auch durch Krankenhäuser im Sinne des § 67 AO“ anzuerkennen. Die darunter fallenden Tätigkeiten müssen nach Ansicht des BFH im Urteil vom 06. Februar 2013 ‒ I R 59/11 ‒, BFHE 241, 101, BStBl II 2013, 603 eine von der individuellen Hilfe gegenüber dem einzelnen Patienten losgelöste, auf das öffentliche Gesundheitswesen bezogene, übergreifende Funktion haben; die Hilfe in individuellen Krankheitsfällen gehört nach dieser Rechtsprechung deshalb nicht (mehr) zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege. Die Hilfe in individuellen Krankheitsfällen kann allerdings nach § 52 Abs. 2 Nr. 9 AO als Förderung der Wohlfahrtswesen gemeinnützig sein. Zu dem Wohlfahrtswesen gehört auch die Wohlfahrtspflege im Sinne von § 66 Abs. 2 AO, d.h. die planmäßige zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen, wobei sich die Sorge auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken kann.

    Daraus folgt, dass die Förderung der Allgemeinheit auch durch die Hilfe auf Grund Krankheit hilfsbedürftiger Menschen geschehen kann und daher die Hilfe für kranke Menschen nicht mildtätigen Zwecken vorbehalten ist. Eine Notwendigkeit, die Hilfe in individuellen Krankheitsfällen als mildtätigen Zweck im Sinne von § 53 Nr. 1 AO in die Satzung aufzunehmen, besteht deshalb nur für solche Körperschaften, die den Kreis der Begünstigten in einer gegen § 52 Abs. 1 Satz 2 AO verstoßenden Weise beschränken wollen. Ein Verstoß gegen das Exklusivitätsverbot des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO liegt indes nur vor, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, - z. B. durch Zugehörigkeit zu einer Familie oder einem Unternehmen ‒ fest abgeschlossen ist, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Die ‒ etwa durch die Grenzen der Leistungsfähigkeit einer Körperschaft veranlasste ‒ räumliche Beschränkung der begünstigten Personen verstößt jedenfalls dann nicht gegen das Exklusivitätsverbot, wenn die begünstigten Personen einen (letztlich räumlichen) Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rz. 10).

    b) Nach diesen Grundsätzen ist die satzungsgemäße Festlegung des Zwecks und der Art und Weise der Zweckverwirklichung der Klägerin weder hinsichtlich § 3 GV 2012 noch hinsichtlich § 3 GV 2015 gemeinnützigkeitsrechtlich zu beanstanden. Der erkennende Senat ist davon überzeugt, dass sowohl § 3 GV 2012 als auch § 3 GV 2015 die Leitungsorgane der Klägerin jedenfalls auf den gemeinnützigen Zweck der Förderung des Wohlfahrtswesens im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 9 AO durch unmittelbare Hilfe und Unterstützung für psychisch kranke Personen verpflichteten. Beide Fassungen des § 3 zeigen insbesondere mit der Bezugnahme auf die gemeindepsychiatrische ‒ nach Überzeugung des Gerichts als ambulante, tagesstationäre und sonstige psychiatrische Rehabilitationseinrichtungen zu verstehende ‒ Versorgung auf, dass die Tätigkeit der Klägerin der Hilfe psychisch kranker Personen dienen sollte. Hierbei handelt es sich um die Hilfe in individuellen Krankheitsfällen, die nach der dargelegten Rechtsprechung des BFH zwar nicht (mehr) stets unter § 52 Abs. 2 Nr. 3 AO fällt, aber jedenfalls ‒ wenn sie sich wie hier unmittelbar an die Patienten richten soll ‒ das Wohlfahrtswesen im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 9 AO fördern.

    Die Art und Weise der Verwirklichung dieser Hilfe unmittelbar gegenüber den psychisch erkrankten Personen ist jedenfalls in der Fassung des § 3 GV 2015 hinreichend bestimmt, weil dort ausdrücklich die Unterhaltung von Tagesstätten, ambulant / stationär betreutes Wohnen, psychosoziale Kontakte und Beratungsstellen, eine Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen und begleitetes Wohnen genannt sind. Eine derartige Konkretisierung enthält § 3 in der vorherigen Fassung des GV 2012 zwar nicht. Jedenfalls unter Berücksichtigung des § 11 Abs. 9 GV 2012 geht jedoch auch schon aus dem GV 2012 hervor, dass die Klägerin einen Bereich „Wohnen und Beratung“ und einen Bereich „Arbeit und Beschäftigung (Tagesstätte)“ hatte. Dies genügt in einer Gesamtschau der Bestimmungen des GV 2012 für die hinreichend konkrete Bezeichnung der Art und Weise der Zweckverwirklichung und für die bei § 52 Abs. 1 Nr. 9 AO notwendige Festlegung auf Hilfen unmittelbar gegenüber den psychisch erkrankten Personen.

    Abgesehen davon könnte sich die Klägerin für die Frage, ob § 3 GV 2012 die Art und Weise der Zweckverwirklichung hinreichend konkretisiert, auf Vertrauensschutz berufen. Denn der Beklagte hatte im Schreiben vom 19.08.2014 mitgeteilt, dass die in § 3 GV 2012 enthaltenen Formulierungen als Zweckverwirklichung in die nach Ansicht des Beklagten nur wegen § 60 Abs. 1 Satz 2 AO zu ändernden Satzung aufgenommen werden könne. Der Beklagte hatte damit verbindlich zum Ausdruck gebracht, dass die Konkretisierung der Zweckverwirklichung nicht zu beanstanden ist.

    Ein Verstoß gegen das Exklusivitätsverbot des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO liegt nicht vor. Denn bei der Beschränkung auf die Hilfe im (nördlichen) D handelt es sich nicht um eine unzulässige Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis. Vielmehr ist dies eine nachvollziehbare bloße räumliche Beschränkung, die erkennbar dazu dient, das Leistungsvermögen der Klägerin nicht zu überfordern. Innerhalb dieses Raumes sind jedoch ‒ jedenfalls nach dem Gesellschaftsvertrag, der im Rahmen des § 60a AO alleiniger Prüfungsgegenstand ist ‒ im Grundsatz sämtliche Personen begünstigt, die wegen der psychischen Erkrankung der Versorgung bedürfen, so dass das Gericht keine Zweifel hat, dass sowohl der GV 2012 als auch der GV 2015 die Klägerin in einer mit den satzungsgemäßen Voraussetzungen der Steuerbegünstigungen übereinstimmenden Weise auf die Förderung der Allgemeinheit verpflichteten.

    c) Hinsichtlich § 3 GV 2012 wäre ein Verstoß gegen Art. 60 Abs. 1 Satz 2 AO ohnehin auch deshalb nicht zu beanstanden, weil § 60 Abs. 1 Satz 2 AO insoweit noch nicht gilt.

    aa) Nach Art. 97 § 1f Abs. 2 EGAO ist § 60 Abs. 1 Satz 2 AO nur auf Gründungen nach dem 31.12.2018 und auf Satzungsänderungen, die nach dem 31.12.2008 wirksam werden, anwendbar. Die Beschränkung der Anwendung auf Satzungsänderungen spricht dafür, dass bei am 01.01.2009 bereits bestehenden Körperschaften nur die nach dem 31.12.2008 erfolgten inhaltlichen Änderungen (und nicht der inhaltlich unveränderte Teil der Satzung) dem § 60 Abs. 1 Satz 2 AO genügen müssen (so auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 60 AO Rz. 3). Soweit der Beklagte unter Berufung auf die AEAO zu § 60 Nr. 3 und zu § 60a Nr. 2 die Ansicht vertritt, dass bei einer Satzungsänderung die gesamte Satzung in Übereinstimmung mit der Mustersatzung gebracht werden müsste, folgt der erkennende Senat dem nicht. Wenn nämlich eine bestehende Körperschaft ohne Änderung ihrer Satzung als steuerbegünstigt fortbestehen kann, ist nicht ersichtlich, warum die Gesellschafter bzw. Mitglieder im Fall einer aus anderen Gründen erfolgten Änderung verpflichtet sein sollen, aus steuerrechtlichen Gründen inhaltlich weitergehende Änderungen vorzunehmen.

    bb) Ausgehend davon gilt § 60 Abs. 1 Satz 2 AO erst für § 3 GV 2015. Hingegen war die zuvor geltende Fassung des § 3 GV 2012 bereits seit der Gründung im Jahr 1995 im Gesellschaftsvertrag enthalten gewesen, so dass die Feststellung nach § 60a AO selbst dann, wenn ‒ entgegen der Ansicht des Senats ‒ der Wortlaut eines in § 52 Abs. 2 AO genannten Förderungszwecks zu wiederholen wäre, nur hinsichtlich § 3 GV 2015 versagt werden könnte. Denn der aus 1995 stammende § 3 GV 2012 ist (noch) nicht an § 60 Abs. 1 Satz 2 AO in Verbindung mit der Mustersatzung zu messen.

    c) Der GV 2012 und der GV 2015 verstoßen auch nicht anderweitig gegen die satzungsgemäßen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gemeinnütziger Körperschaften.

    aa) § 4 Abs. 1 GV 2012 und § 4 GV 2015 enthalten ausdrücklich die Bestimmungen, dass die Verwirklichung der Satzung „ausschließlich“ und „unmittelbar“ „gemeinnützige Zwecke“ verfolgen, dass die Klägerin „selbstlos“ tätig sei und „nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke“ verfolge. Damit erfüllt die Klägerin insbesondere auch die darauf bezogenen Voraussetzungen der § 60 Abs. 1 Satz 2 AO in Verbindung mit der Mustersatzung.

    bb) § 11 GV 2012 und § 10 GV 2015 entsprechen den Vorschriften des §§ 55, 61 AO an die satzungsgemäße Vermögensbindung.

    aaa) Wie nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO geboten, dürfen die Gesellschafter nach § 11 Abs. 2 und 3 Satz 2 GV 2012 und § 10 Abs. 2 und 3 GV 2015 keine Gewinnausschüttungen und keine sonstigen Zuwendungen erhalten.

    bbb) Wie nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO geboten, dürfen die Gesellschafter (in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter) nach § 11 Abs. 5 GV 2012 und § 10 Abs. 5 GV 2015 bei Auflösung nicht mehr als ihre Einlagen zurückerhalten. Dies stimmt zwar nicht vollständig mit dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO überein, der dahingehend zwischen Bareinlagen und Sacheinlagen differenziert, dass die Mitglieder nicht mehr als die eingezahlten Kapitaleinlagen und den gemeinen Wert der Sacheinlagen erhalten dürfen. Das Gericht ist jedoch ‒ angesichts der gewollten und jahrelang in Kenntnis des Gesellschaftsvertrags vom Beklagten auch zuerkannten Steuerbegünstigung ‒ davon überzeugt, dass der Gesellschaftsvertrag dies entsprechend den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO meint. Soweit die Klägerin damit gegen die nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AO notwendigen Festlegungen laut der Mustersatzung verstoßen sollte, wäre dies unbeachtlich, weil der Wortlaut so schon seit der Gründung (als § 11 Abs. 5 Satz 1 des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags) bestanden hatte und deshalb die Klägerin ‒ wie bereits dargelegt ‒ nach der Übergangsvorschrift des Art. 97 § 1f Abs. 2 EGAO nicht zu einer Änderung des Wortlauts der im Wege der Auslegung inhaltlich mit § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO übereinstimmenden Bestimmung verpflichtet war.

    ccc) Es war schließlich mit §§ 61, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO vereinbar, dass in § 11 Abs. 6 ff. GV 2012 und § 10 Abs. 6 ff. GV 2015 vorgesehen war, dass die die Einlagen übersteigenden Mittel (sog. Restbetrag) bei den dort genannten Begünstigten nur für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden dürfen und der diesbezügliche Verwendungsbeschluss erst ausgeführt werden dürfe, wenn das Finanzamt seine Zustimmung erteilt hat. Dass die insoweit Begünstigten gleichzeitig die jeweiligen Gesellschafter waren, ist unschädlich, weil die Zuwendungen an die gemeinnützige Verwendung gebunden sind und die Verwendung durch das Finanzamt überwacht werden kann.

    Es ist nach Auffassung des erkennenden Senats auch unschädlich, dass § 11 Abs. 5 und 6 ff. GV 2012 und § 10 Abs. 5 und 6 ff. GV 2015 weder ausdrücklich bestimmen, dass dies bei der Klägerin auch für den „Wegfall ihres bisherigen Zwecks“ gelte, noch ausdrücklich bestimmen, dass der Restbetrag „ausschließlich und unmittelbar“ für die steuerbegünstigten Zwecke erfolgen dürfe. Auch insoweit ist der Senat angesichts der gewollten und zuvor zuerkannten Steuerbegünstigung davon überzeugt, dass der GV 2012 und der GV 2015 im Wege der Auslegung entsprechend § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO zu verstehen sind. Da der auszulegende Wortlaut bereits Inhalt des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags war, gilt auch insoweit § 60 Abs. 1 Satz 2 AO aus den zur Auslegung der Übergangsvorschriften dargelegten Gründen noch nicht. Dazu kommt, dass für die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung der Vermögensverwendung bei schädlicher Zweckänderung überhaupt kein Bedarf zu erkennen ist. Denn weder das Gesellschaftsrecht noch das Steuerrecht können verhindern, dass die Gesellschafter im Fall einer für die Steuerbegünstigung schädlichen Änderung des satzungsgemäßen Zwecks zugleich eine Verwendung des bestehenden Vermögens für diese schädlichen Zwecke beschließen. Die satzungsgemäßen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung beruhen deshalb auf der Idee, die Leitungsorgane durch die Satzung auf die laufende Einhaltung der Voraussetzungen der Steuerbegünstigung zu verpflichten. Eine Bindung der Gesellschafter sieht hingegen weder § 55 AO noch § 61 AO vor. Der Zweck des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO greift daher für die Änderung des satzungsgemäßen Zwecks nicht.

    ddd) Da auch sonst keine gemeinnützigkeitsrechtlichen Beanstandungen der streitgegenständlichen Gesellschaftsverträge ersichtlich sind, war der Klage auf Erteilung des begehrten Feststellungsbescheids sowohl für den GV 2012 als auch für den GV 2015 durch Verpflichtungstenor stattzugeben und die diesbezügliche Ablehnung des Beklagten aufzuheben.

    Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarkeit von § 11 GV 2012 und § 10 GV 2015 mit § 55 Abs. 1 AO durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags erfolgt, weist das Gericht ergänzend darauf, dass die Klage hinsichtlich der Anerkennung des GV 2012 und des GV 2012 mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2015 auch dann begründet wäre, wenn dieser Auslegung nicht zu folgen wäre. Denn der Beklagte hatte im Schreiben vom 19.08.2014 nur § 3 beanstandet und eine Umformulierung des § 10 Abs. 5 GV 2015 (vorher § 11 Abs. 5 GV 2012) erst im Schreiben vom 15.06.2015 als notwendig dargestellt. Die Klägerin könnte sich  deshalb für die Frage der Einhaltung des § 55 AO im Jahr 2015 auf Vertrauensschutz berufen. Denn wie aus dem Schreiben vom 23.06.2017 hervorgeht, gewährt der Beklagte für aus seiner Sicht zu beanstandete Altregelungen Vertrauensschutz jeweils bis zum Ende des Jahres, in dem die Beanstandung erfolgt ist, so dass eine ‒ entgegen der Ansicht des Senats durchgreifende ‒ Beanstandung des § 10 GV 2015 Wirkung erst ab 2016 entfalten darf.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    4. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 711, 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung.

    5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob ein in § 52 Abs. 2 AO genannter Zweck wörtlich im Gesellschaftsvertrags wiederzugeben ist und wie die Übergangsregelung zu § 60 Abs. 1 Satz 2 auszulegen ist, zugelassen.

    RechtsgebietAOVorschriften§ 52 AO, § 55 AO, § 59 AO, § 60 AO, § 60a AO