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  • 05.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145065

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 23.06.2015 – 7 W 23/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    7 W 23/15 Brandenburgisches Oberlandesgericht
    84 AR 75/14 FF Amtsgericht Frankfurt (Oder)

    Brandenburgisches Oberlandesgericht

    Beschluss

    In der Vereinsregistersache

    betreffend

    Waldorfpädagogik …, vertreten durch den Vorstand,

    Antragsteller und Beschwerdeführer,

    - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte … -

    hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko,
    den Richter am Oberlandesgericht Pliester und
    den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gerschner

    am 23. Juni 2015

    b e s c h l o s s e n :

    Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Frankfurt/Oder vom 13. November 2014 aufgehoben.

    Das Amtsgericht wird angewiesen, die Eintragung des Antragstellers im Vereinsregister nicht mit der Begründung abzulehnen, der Zweck des Antragstellers bestehe in der Ausübung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

    G r ü n d e :

    I.

    Die Mitglieder des Antragstellers haben diesen am 25. Juni 2014 gegründet und eine Satzung verabschiedet (Bl. 6 ff. d.A.), die während des Anmeldeverfahrens am 17. Dezember 2014 teilweise abgeändert worden ist. Satzungsgemäßer Vereinszweck sind nach § 2 die Förderung der Jugendhilfe und die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung auf der Grundlage der Pädagogik …. Dieser Zweck soll durch die Veranstaltung von Vorträgen, Seminaren und Workshops zu Themen der künstlerischen und wissenschaftlichen Grundlagen der Waldorfpädagogik und den Betrieb einer Kindertagesstätte als Einrichtung der freien Jugendhilfe in Trägerschaft der Eltern erreicht werden.

    Das Amtsgericht hat durch Zwischenverfügung vom 17. November 2014 mitgeteilt, dass der Eintragung im Vereinsregister ein Hindernis entgegenstehe. Der Betrieb einer Kindertagesstätte sei als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, die nicht nur Nebenzweck des Vereins sei. Das Eintragungshindernis könne nur dadurch behoben werden, dass in der Satzung jeglicher Hinweis auf das Betreiben einer Kindertagesstätte gestrichen werde.

    Gegen die ihm am 24. November 2014 zugestellte Zwischenverfügung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde vom 19. Dezember 2014, beim Amtsgericht eingegangen am 22. Dezember 2014. Die am 17. Dezember 2014 beschlossene Satzungsänderung enthält in
    § 2 Nr. 2 als Vereinszweck unter anderem weiterhin „den Betrieb einer Kindertagesstätte als Einrichtung der freien Jugendhilfe in Trägerschaft der Eltern“.

    Der Antragsteller begründet seine Beschwerde wie folgt:

    Im Vordergrund seiner Aktivitäten stehe die Umsetzung der ideellen Ziele der Waldorfpädagogik, es gehe ihm nicht um den Betrieb einer Kindertagesstätte als solcher. Der mit der Kindertagesstätte einhergehende Geschäftsbetrieb werde überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand finanziert. Gründe des Gläubigerschutzes könnten dann nicht tragend sein. Die wirtschaftliche Betätigung, die mit dem Betrieb verbunden sei, sei lediglich ein Mittel zur Erreichung des - rein ideellen - Zwecks und allenfalls als Nebenzweck anzusehen. Die steuerliche Anerkennung als gemeinnützig indiziere, dass eine wirtschaftliche Betätigung nur Nebenzweck sei. Die Eltern der in der Tagesstätte zu betreuenden Kinder hätten schließlich viele weitere Aufgaben, so die Organisation von Elternabenden, Basaren, Garteneinsätze, Putzaktionen zur Reinigung der Tagesstätte, Gestaltung der Jahresfeste usw. Die Beschwerde weist darauf hin, dass gemeinnützige Einrichtungen in Deutschland seit jeher in der Form des ein-getragenen Vereins betrieben würden.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 4. März 2015).

    II.

    Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 382 Abs. 4 S. 2 FamFG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Anders als das Amtsgericht gemeint hat, steht der Eintragung des Antragstellers nicht entgegen, dass sein Zweck im Sinne des § 21 BGB auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet wäre.

    1.

    Zutreffend hat das Amtsgericht seiner Beurteilung zu Grunde gelegt, dass der Betrieb der Kindertagesstätte den maßgeblichen Schwerpunkt der Betätigung des Antragstellers bildet. Die neben der Einrichtung der Tagesstätte in der Satzung genannten Tätigkeitsfelder treten dahinter zurück. Schon der personelle und sachliche Aufwand, den eine Tagesstätte erfordert, geht weit über den Aufwand hinaus, der durch die Veranstaltung von Vorträgen und Seminaren verursacht wird. Die Vorträge und Seminare flankieren auch inhaltlich nur den eigentlichen Kern der Vereinstätigkeit, der in der pädagogischen Betreuung der Kinder liegt; diese findet im Wesentlichen in der Tagesstätte statt.

    2.

    Damit ist die Frage aber noch nicht beantwortet, ob der Betrieb der Kindertagesstätte „Zweck“ im Sinne der §§ 22, 23 BGB ist. Mit den Mitteln formaler Begrifflichkeit ist kaum zu entscheiden, ob der Beweggrund oder das „letzte“ Ziel zum Zweck erklärt wird, oder eines der Mittel, die letztlich dem Ziel dienen. Die Notwendigkeit dieser Unterscheidung ist älter als das BGB; so sah schon das Bayr. Gesetz vom 29. April 1869 (zitiert bei Staudinger, Seuff. Bl. für Rechtsanwendung, Bd. 62, 314, 316) die Versagung der Zulassung derjenigen Vereine vor, welche „auf Erwerb, Gewinn oder eigentlichen Geschäftsbetrieb abzielen“. Das Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften unter-stellte folgende „Vereine“ - mit Rücksicht auf den wirtschaftlichen Zweck - gesonderten Re-gelungen, nämlich die Vorschuss- und Kreditvereine, die Rohstoffvereine, die Absatzgenossenschaften und Magazinvereine, die Produktiv-, Konsum-, Einkaufs- und Wohnungsbaugenossenschaften. Von solchen auf geschäftlichen Erfolg ihrer selbst oder ihrer Mitglieder zielenden Vereinigungen waren diejenigen mit „idealer Tendenz“ abzugrenzen, die „gemeinnützige, wohlthätige, gesellige, wissenschaftliche, künstlerische, politische und religiöse“ Zwecke fördern wollten (Staudinger a.a.O. S. 318). Dass zu diesen ideellen Zwecken auch die Kinder- und Jugenderziehung im Rahmen bestimmter pädagogischer Vorgaben gehört, war seit Bestehen des Bürgerlichen Gesetzbuches lange Zeit nicht ernsthaft bestritten.

    Nun ist nicht zu verkennen, dass sich die Rahmenbedingungen für Einrichtungen zur Kinder- und Jugenderziehung, in denen sich die ideelle Zweckbestimmung verwirklichen lässt, seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches erheblich geändert haben.

    Zum einen haben sich die Anforderungen an den materiellen Rahmen für Erziehungseinrichtungen erhöht. Auch der finanzielle Aufwand, der erforderlich ist, um den Erziehern einen sozial angemessenen Arbeitsplatz zu verschaffen, ist deutlich höher als früher. Der hierdurch verursachte finanzielle und administrative Aufwand und das gesteigerte Bewusstsein vom Bestehen von Haftungsrisiken haben mit dazu geführt, dass einzelne Kindertagesstätten und vergleichbare Einrichtungen mittlerweile auch in der Rechtsform der GmbH betrieben werden. Dies darf aber den Blick auf die eigentliche Zweckbestimmung, deren ideelle Natur durch die Änderung der Rahmenbedingungen nicht in Wegfall gerät, nicht verstellen.

    Zum anderen werden insbesondere im Bereich der Freizeitaktivitäten zunehmend kommerzielle Dienstleistungen angeboten, die traditionell durch Idealvereine bedient wurden: Sportstudios bieten Gruppensportaktivitäten an, kommerzielle Musikschulen treten in Wettbewerb zu Musik- und Musikschulvereinen usw. Aus diesem Befund ist indes nicht abzuleiten, dass (ursprünglich) ideelle Zwecke nur deshalb zu wirtschaftlichen werden, weil sie von Dritten zum Gegenstand gewinnorientierten Handelns gemacht werden. Aus der Existenz von Kita-GmbHs lässt sich demgemäß nichts für den vom Antragsteller verfolgten Zweck herleiten (anders wohl im Ergebnis KG, Beschluss vom 18. Januar 2011, 25 W 14/10).

    3.

    Die gebotene typologische Betrachtungsweise, die im Wege der Kontrollüberlegung ergänzend anzustellen ist, führt für den Antragsteller nicht zu einem anderen Ergebnis.

    Die Befürchtung, die auch dem angefochtenen Beschluss zu Grunde liegt, geht dahin, dass es sich bei Kinderbetreuungsleistungen um einen wirtschaftlichen Markt handelt, auf dem die Gewinnorientierung das Handeln der Marktteilnehmer bestimmt. Solches kann in Brandenburg - zumal auf dem Lande - nicht festgestellt werden. Schon die Rahmenbedingungen der Betreuung der Kleinen in Kindertagesstätten sind so gestaltet, dass ein echter Gewinn kaum zu erwarten ist. So ist die Finanzierung der Einrichtungen nach dem Brandenburgischen Ki-TaG (Fassung vom 28. April 2014) so geregelt, dass der weitaus größte Teil der Kosten des notwendigen pädagogischen Personals durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gezahlt wird. Daneben haben die Gemeinden, soweit sie nicht ohnehin Grundstück und Gebäude zur Verfügung stellen, nach § 16 Abs. 3 KiTaG die Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten der Räumlichkeiten zu tragen. Insbesondere, soweit die Eltern durch gesteigerte pädagogische Ansprüche einen höheren personellen oder sachlichen Aufwand wünschen, tragen sie die hierdurch verursachten Kosten selbst. Für ein Gewinnstreben der Eltern oder des Vereins ist hier kein Raum.

    4.

    Soweit manche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur darauf verweisen, andere Rechts-formen als diejenige des eingetragenen Vereins seien für den Betrieb einer Kindertagesstätte besser geeignet, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei der die Gesellschafter zur Einzahlung des Stammkapitals verpflichtet sind und beim Ausscheiden einen Anspruch für den Verlust ihres Geschäftsanteils haben, wird den Interessen der Eltern typischerweise nicht gerecht; denn ihnen geht es gerade nicht um die kapitalmäßige Beteiligung an der Vereinigung. Für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), welche nach dem Gesetz darauf gerichtet ist, in eine GmbH „hineinzuwachsen“, gilt das gleiche. Die Organisation als Genossenschaft, die nur dem sozialen oder kulturellen Wohl der eigenen Mitglieder dient, ist zum Betrieb von Kindertagesstätten bislang nur vereinzelt gewählt worden. Diese Organisationform hätte zur Folge, dass Kindern von Nicht-Genossen der Zugang zu der Kindertagesstätte des Antragstellers grundsätzlich verwehrt bliebe, was ausweislich der Satzung gerade nicht beabsichtigt ist. Denn die Förderung von Nicht-Mitgliedern ist einer Genossenschaft nur in eingeschränktem Umfang möglich (vgl. Beuthin, Genossenschaftsgesetz, 15. Aufl. 2011, § 8 RN 7 m.w.N.).