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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Statt 221 nur 14 Tage Nutzungsausfall nach Totalschaden

    • 1. In der Regel ist bei dem Kfz-Besitzer von einem Nutzungswillen auszugehen. Dieser Erfahrungssatz wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass der Geschädigte nicht sogleich nach dem Unfall einen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung beauftragt und aus wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründen mit der Ersatzbeschaffung wartet.
    • 2. Ein mittelloser Geschädigter verstößt gegen seine Schadenminderungspflicht, wenn er den Schädiger nicht unverzüglich auf die Gefahr eines hohen Nutzungsausfallschadens hinweist. Das gilt auch bei einem Schädiger, hinter dem kein Haftpflichtversicherer steht.

    (OLG Brandenburg 20.11.12, 6 U 36/12, Abruf-Nr. 130155)

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Beim Basteln an dem abgemeldeten und deshalb nicht haftpflichtversicherten Ford der Bekl. zu 3) hatten die minderjährigen Bekl. zu 1) und 2) den in der Nähe abgestellten VW Golf des Kl. beschädigt. Wer genau für die Kollision verantwortlich war, will der Kl. zunächst nicht gewusst haben. Deshalb habe sich, so seine Einlassung, die Abwicklung des Schadenfalls verzögert. Erst 9 Monate nach dem Unfall stellte er sein - inzwischen stillgelegtes - Fahrzeug einem Sachverständigen vor. Nach weiteren vier Monaten beschaffte er sich mit finanzieller Hilfe des Großvaters einen Ersatzwagen.

     

    Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für 221 Tage wurde in erster Instanz komplett abgewiesen. Begründung: kein Nutzungswille. Das sieht das OLG anders (vgl. Leitsatz 1). Allerdings spricht es dem Kl. eine Entschädigung nur für 14 Tage zu, d.h. für den Zeitraum einer Ersatzbeschaffung (Gutachten: 12 Arbeitstage). Vorgeworfen wird ihm ein Verstoß gegen seine Schadenminderungspflicht. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Informationspflicht mittelloser Geschädigter müssten auch in einem Fall gelten, in dem der Schädiger keinen Versicherer im Rücken habe.

     

    Praxishinweis

    Mag es sich auch um einen etwas „krummen“ Fall mit fortbestehender Halterhaftung nach § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StVG handeln, so sind doch vier Umstände bemerkenswert: Erstens die nicht auszurottende Neigung mancher Gerichte, den Nutzungswillen als Grundvoraussetzung einer Entschädigung zu verneinen. Zweitens die zunehmende Strenge in der Annahme eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht wegen unterbliebenen Hinweises auf die eigene Mittellosigkeit. Drittens: Die Kausalität des Unterlassens wird mehr oder weniger unterstellt. Dabei spricht im Streitfall einiges dafür, dass die Schädiger auch auf einen „Armutshinweis“ des Geschädigten hin nichts gezahlt hätten. Und viertens: Als Ausfallzeit wird nur die reine Wiederbeschaffungszeit (bzw. die Reparaturdauer) anerkannt, ohne Vorlaufzeiten für Überlegung, Beratung, Gutachteneinholung u.a. Wie auf allen vier Problemfeldern zu argumentieren ist, um optimalen Ersatz für den Geschädigten zu erreichen, ist Gegenstand mehrerer VA-Schwerpunktbeiträge, zuletzt VA 12, 132 (Vorlaufzeiten) und VA 12, 114 (Warn- und Hinweispflicht). Siehe auch LG Hamburg VA 13, 2.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 20 | ID 37496570