Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Restwert: OLG Köln erneut gegen BGH

    Ein Geschädigter verstößt gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB, wenn er sein Unfallfahrzeug zu dem im Schadensgutachten ausgewiesenen Restwertbetrag verkauft, bevor er dem Haftpflichtversicherer des Schädigers Gelegenheit gegeben hat, ein höheres Restwertangebot zu machen (OLG Köln 16.7.12, 13 U 80/12, Abruf-Nr. 123377).

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Gutachter der Kl. hatte als Restwert 3.600 EUR angegeben. Noch vor Übersendung des Gutachtens an den bekl. VR verkaufte die Kl. den Pkw zum darin ausgewiesenen Restwert. Der VR setzte als Restwert 6.110 EUR an. Ein verbindliches Kaufangebot in dieser Höhe hatte er innerhalb einer Woche nach Empfang des Gutachtens übermittelt. Das LG Aachen sieht im Verkauf des Unfallwagens vor Übersendung des Gutachtens an den VR einen Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB. Da das inhaltlich akzeptable, höhere Restwertangebot des VR rechtzeitig vorgelegt worden sei, müsse die Kl. sich den höheren Restwert anrechnen lassen. Weil der BGH und die überwiegende Instanz-Rspr. gegenteiliger Ansicht sind, ließ die Kl. Berufung einlegen. Umso größer war das Erstaunen, als das OLG Köln mit Hinweisbeschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) die LG-Ansicht als „völlig zutreffend“ und vereinbar mit dem BGH bezeichnete. Daraufhin nahm die Kl. ihre Berufung zurück.

     

    Praxishinweis

    Der OLG-Beschluss ist in zweifacher Hinsicht eklatant fehlerhaft. Dabei geht es nicht um das Ergebnis (darüber lässt sich durchaus streiten). Nein, es ist der Umgang mit dem Sachproblem. Zum einen inhaltlich-argumentativ, zum anderen prozessual. Im Ergebnis weicht das OLG von der Rspr. des BGH (NJW 93, 1849; NJW 05, 3134) und der Spruchpraxis der meisten Instanzgerichte ab. Schon wegen dieser - dem 13. ZS nicht bewussten, aber ohne Weiteres erkennbaren - Divergenz hätte das in Unfallsachen ohnehin ungeeignete Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht gewählt werden dürfen. Nach Rücknahme der Berufung vor deren endgültiger Zurückweisung bleibt die an Willkür grenzende Vorgehensweise des OLG ohne Sanktion. Was droht, ist ein Anwaltsregress.

     

    Für die Versicherer ist der vorliegende Beschluss abermals eine Steilvorlage. So wie die Wartepflicht-Entscheidung des 15. ZS des OLG Köln (VA 05, 135), gleichfalls ergangen nach § 522 Abs. 2 ZPO a.F. Die damals in VA geübte Kritik, speziell an der Verfahrensweise, gilt heute gleichermaßen. Zu den Sachargumenten pro und contra ausführlich OLG Düsseldorf VA 06, 4 = VersR 06, 1657 und OLG Koblenz VA 12, 55; s. auch LG Dresden VA 12, 4.

     

    Angesichts der „gefestigten“ Rspr. des OLG Köln kann die in VA 12, 56 gegebene Warnung nur wiederholt werden: Vorsicht bei der Verwertung des Unfallfahrzeugs hinter dem Rücken des Schädigers/VR! Informieren und warten erspart Ärger. Bei Annahme einer Obliegenheit kann ein höherer Nutzungsausfallschaden abgewälzt werden, ebenso etwaige Standkosten. Steht die Verwertungsampel dagegen von Anfang auf Grün (BGH), geht nicht nur von diesen Schadenspositionen Zeit- und Handlungsdruck aus.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2012 | Seite 200 | ID 36676210