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  • 01.08.2006 | Täteridentifizierung

    Fahreridentifizierung anhand eines Lichtbildes: Was Tatrichter immer wieder falsch machen

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm

    Ist der Mandant verurteilt worden, stellt sich die Frage, ob der Amtsrichter die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an das tatrichterliche Urteil beachtet hat. Diese sind unterschiedlich, je nach dem, welchen Weg der Identifizierung gewählt wurde. Zwei Wege stehen zur Verfügung:  

     

    Weg 1: Verweisung auf das vom Verkehrsverstoß gefertigte Foto
    1. Bezugnahme in den Urteilsgründen
    Der Amtsrichter kann in den Urteilsgründen gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das in der Akte befindliche Foto von dem Verkehrsverstoß Bezug nehmen. Aufgrund dieser Bezugnahme wird das Lichtbild dann zum Bestandteil der Urteilsgründe (eingehend dazu BayObLG DAR 98, 147; OLG Jena DAR 04, 665; OLG Dresden DAR 00, 279; OLG Hamm VA 04, 118, Abruf-Nr. 040776, und VA 05, 34, Abruf-Nr. 043298). Macht der Amtsrichter von dieser Möglichkeit Gebrauch, gilt:

     

    Weitere Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers sind in diesem Fall nach der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich entbehrlich (BGHSt 41, 376 und die vorstehend zitierten Entscheidungen des OLG). Es reicht aus, wenn der Tatrichter im Urteil mitteilt, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Lichtbild um ein nach Aufnahmeort und Aufnahmezeit näher bezeichnetes Radarfoto handelt.

     

    Etwas anderes gilt, wenn das Foto eine schlechte Bildqualität aufweist (vgl. dazu Burhoff VA 06, 125). Dann muss der Tatrichter in den Urteilsgründen nämlich umfassend darlegen, warum er gleichwohl den Fahrer anhand des Lichtbildes hat identifizieren können (BGH, a.a.O.; OLG Zweibücken StraFo 01, 135). Er muss insbesondere darlegen, welche charakteristischen Eigenarten das Bild geeignet erscheinen lassen, den Betroffenen sicher als die auf dem Radarfoto abgebildete Person zu erkennen (OLG Zweibrücken, a.a.O.; OLG Hamm VA 03, 150, Abruf-Nr. 031641).

     

    2. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bezugnahme
    Der Amtsrichter muss prozessordnungsgemäß auf das von dem Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild Bezug genommen haben (vgl. dazu nur OLG Hamm VA 05, 34, Abruf-Nr. 043298; OLG Jena DAR 04, 665). Denn nur dann wird das Lichtbild Gegenstand der Urteilsurkunde und kann dann vom Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt eingesehen werden.

     

    Für eine ordnungsgemäße Bezugnahme muss erkennbar sein, dass der Amtsrichter mit seinen Ausführungen das Lichtbild zum Gegenstand der Urteilsurkunde machen wollte und er nicht nur den Beweiserhebungsvorgang beschreibt (u.a. OLG Hamm VA 05, 34, Abruf-Nr. 043298; OLG Köln NJW 04, 3274, jeweils m.w.N.). Hier werden von den Amtsrichtern häufig Fehler gemacht. Auf Folgendes ist zu achten:

     

    • Eine ordnungsgemäße Bezugnahme erreicht der Amtsrichter auf jeden Fall damit, dass er den Gesetzeswortlaut des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwendet (OLG Hamm NZV 98, 179 = VRS 94, 348). Ist überhaupt nur ein Foto in der Akte, muss er nicht auch noch die Blattzahl nennen, wo sich dieses Foto befindet (OLG Hamm, a.a.O.).

     

    • Nicht ausreichend ist aber z.B. die Formulierung: „Aufgrund des Vergleichs des Betroffenen mit den vom Gericht in Augenschein genommenen Fotos, Bl. 6 d.A., stand zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war“ (OLG Brandenburg DAR 98, 112; OLG Dresden DAR 00, 279; OLG Hamm VRS 93, 349; OLG Köln NJW 04, 3274).

     

    • Nicht ausreichend ist auch die Formulierung: „Dieser Sachverhalt (bezüglich der Täterschaft des Betroffenen, der sich zur Sache nicht eingelassen hat) steht fest aufgrund ... der Inaugenscheinnahme des Radarfotos Bl. 11d.A.“ (OLG Düsseldorf 26.9.01, 2a Ss (OWi) 214/01 (OWi) 75/01 III, Abruf-Nr. 061626). Ebenfalls wohl nicht ausreichend ist der bloße Hinweis auf „die Lichtbilder Bl. 1 i.V.m. Bl. 12 d.A...“ und die „überbrachten weiteren Vergrößerungen im Hauptverhandlungstermin“ (OLG Zweibrücken StraFo 01, 135).

     

    Praxishinweis: Verwiesen werden muss auf ein von dem konkreten Verkehrsverstoß gefertigtes Foto (OLG Hamm NZV 96, 466).
     

     

    Weg 2: Keine Verweisung auf das Beweisfoto
    1. Erhöhter Begründungsaufwand erforderlich
    Verweist der Tatrichter in den Urteilsgründen nicht auf das Beweisfoto, ist ein erhöhter Begründungsaufwand erforderlich. Es genügt dann weder, dass (nur) das Ergebnis der Überzeugungsbildung mitgeteilt wird, noch, wenn bloß die zur Identifizierung herangezogenen Merkmale der auf dem Foto abgebildeten Person aufgelistet werden (BGHSt 41, 376; OLG Dresden DAR 00, 279). Vielmehr muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht, dem das Lichtbild mangels Verweisung in den Urteilsgründen nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Das bedeutet:

     

    • Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität enthalten (OLG Dresden DAR 00, 279). Die Formulierung ist: „Auf dem Originallichtbild in DIN A5-Vergrößerung ist der Betroffene aber hinreichend klar zu identifizieren“, als noch genügend angesehen worden, um auf eine ausreichende Bildqualität des vorliegenden Lichtbildes des Betroffenen zu schließen (OLG Hamm VA 00, 31, Abruf-Nr. 000701).

     

    • Die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale muss der Amtsrichter so präzise beschreiben, dass anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos möglich ist (OLG Hamm NZV 97, 89; OLG Dresden, a.a.O.).

     

    • Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern (BGHSt 41, 376). Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Rückspiegel einen Teil des Gesichts des Betroffenen verdeckt hat (s. dazu OLG Hamm NZV 96, 466; OLG Zweibrücken StraFo 01, 135; OLG Hamburg zfs 97, 155).

     

    • Die Mitteilung der Identifizierungsmerkmale wird nicht dadurch entbehrlich, dass weitere Beweisanzeichen auf die Täterschaft des Betroffenen hindeuten (OLG Hamm NZV 97, 89 = DAR 97, 29 für Haltereigenschaft). Auch aus dem Schweigen des Betroffenen dürfen keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden (OLG Zweibrücken StraFo 01, 135 m.w.N.). Entsprechendes gilt für eine (taktische) Anfrage des Verteidigers, ob ggf. ein an sich drohendes Fahrverbot gegen eine Erhöhung der Geldbuße in Wegfall kommen könne (OLG Zweibrücken a.a.O.).

     

    2. Beschreibung der Identifizierung
    Wie viele Merkmale des Betroffenen der Tatrichter beschreiben muss, hängt davon ab, wie individuell die beschriebenen Merkmale sind und wie sicher sie es ermöglichen, eine bestimmte Person zu erkennen. Als Faustregel gilt: Je individueller die angeführten Merkmale sind, desto kleiner kann die Zahl der Merkmale sein (zur Darstellung der Identitätsmerkmale in den Gründen siehe u.a. OLG Karlsruhe NStZ-RR 96, 17; OLG Celle NStZ 95, 243; OLG Dresden DAR 00, 279). Entscheidend ist, ob am Ende für das OLG der Vorgang der Identifizierung nachprüfbar ist (OLG Jena DAR 04, 665).

     

    Praxishinweis: Es reicht nicht aus, wenn einerseits die auf dem Lichtbild abgebildete Person und andererseits der Betroffene beschrieben werden (OLG Hamm VA 03, 150, Abruf-Nr. 031641). Das erklärt nicht, warum und woran der Tatrichter den Betroffenen als die abgebildete Person erkannt hat.

     

    Als nur allgemeine, zur Identifizierung nicht ausreichende Merkmale sind u.a. angesehen worden:
    • Augen- und Nasenpartie, Haaransatz (OLG Düsseldorf DAR 91, 191),
    • Oberlippenbart, Haaransatz und Kinnform (OLG Frankfurt NZV 92, 86),
    • Bartwuchs, Stellung der Augen sowie der Augenbrauen (OLG Düsseldorf 26.9.01, 2 a Ss (OWi) 214/01 (OWi) 75/01 III, Abruf-Nr. 061626).

     

    Solche Merkmale müssen durch weitere konkrete anatomische Einzelmerkmale, die unterscheidbare Charakteristika enthalten, aufgefüllt/ergänzt werden/sein. Ausreichend sind daher u.a. z.B. folgende Ausführungen: Männliche Person im Alter des Betroffenen, schmale, längliche Kopfform, markante, im mittleren Bereich nach vorn gewölbte Stirn, im Bereich des Scheitels auffällig hoher Haaransatz, im Bereich der Nasenflügel und -spitze breiter werdende Nase).
     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2006 | Seite 144 | ID 90989