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  • 01.04.2006 | Strafrecht

    Aktuelle Rechtsprechung im Verkehrsstrafrecht: Urteile, die Sie als Verteidiger kennen müssen

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm

    In den vergangenen Jahren hat die obergerichtliche Rechtsprechung zu wichtigen verkehrsstrafrechtlichen Fragen Stellung genommen. Die nachfolgende Übersicht fasst die wichtigsten Entscheidungen in ABC-Form zusammen.  

     

    Rechtsprechungs-ABC

    Angriff auf die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrers (§ 316a StGB): Der BGH hat seine Rechtsprechung geändert. Bislang wurde unter einem Angriff auf die Entschlussfreiheit nicht bloß die Anwendung von Gewalt gesehen, sondern auch die Anwendung von Täuschung und List. Das sieht der 4. Strafsenat jetzt anders (BGHSt 49, 8 = VA 04, 48, Abruf-Nr. 040051). § 316a StGB liegt demnach nicht (mehr) vor, wenn der Täter während der Fahrt den Raubentschluss fasst, seine räuberische Absicht aber planmäßig vor dem Geschädigten verbirgt und ihn veranlasst, an einer anderen Stelle als dem ursprünglich angegebenen Fahrtziel anzuhalten. Denn die darin liegende bloße List kann grundsätzlich ebenso wie die Täuschung noch nicht als Angriff auf die Entschlussfreiheit angesehen werden. Deshalb stellt allein die Angabe eines Fahrtziels bzw. dessen Änderung ebenso wie der Fahrtantritt selbst, auch wenn der Täter damit seine Raubabsicht verbindet, noch kein Verüben eines Angriffs dar, sondern regelmäßig ein nach der Vorstellung des Täters den Angriff vorbereitendes Geschehen (BGHG; a.a.O.).  

     

    Ausländische Fahrerlaubnis (§ 21 StVG): Die mit dem Erwerb und der Nutzung einer ausländischen Fahrerlaubnis zusammenhängenden Fragen sind seit der Entscheidung des EuGH v. 29.4.04 (VA 04, 100, Abruf-Nr. 041215 = NJW 04, 1725) im Fluss. Bei den Folgen aus dieser Entscheidung sind die strafrechtlichen von den verwaltungs- bzw. fahrerlaubnisrechtlichen zu trennen. Von Bedeutung ist auch, wenn der Inhaber die ausländische Fahrerlaubnis erworben hat (vgl. zu allem die Übersicht in VA 05, 143; siehe auch noch OVG Münster VA 06, 34, Abruf-Nr. 053646; VG Koblenz VA 05, 196, Abruf-Nr. 052451; zur Frage der Wiederaufnahme des Strafverfahrens aufgrund der Entscheidung des EuGH siehe OLG Karlsruhe VA 05, 17, Abruf-Nr. 043016).  

     

    Bedeutender Fremdschaden (§ 142 StGB): Der Begriff des bedeutenden Fremdschadens hat für die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis nach unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gem. § 69 Abs. 3 Nr. 3 StGB Bedeutung. Nur, wenn ein „bedeutender Fremdschaden“ vorliegt, kann die Fahrerlaubnis entzogen werden. Die Rechtsprechung zieht die Grenze inzwischen wohl bei mindestens 1.300 EUR (OLG Dresden VA 05, 145, Abruf-Nr. 051790 = NJW 05, 2633; OLG Jena DAR 05, 289; siehe aber auch noch LG Hamburg VA 05, 52, Abruf-Nr. 050330 [1.250 EUR]). Die Tendenz ist aber steigend. Die ersten Gerichte haben bereits erst ab 1.500 EUR einen bedeutenden Fremdschaden bejaht (vgl. u.a. AG Saalfeld DAR 05, 52; LG Kaiserslautern 23.1.04, 5 Qs 6/04, Abruf-Nr. 060570).  

     

    Belangloser Schaden (§ 142 StGB): Die Strafbarkeit nach § 142 StGB scheidet aus, wenn es sich um einen Bagatellunfall handelt. Der wird in Rechtsprechung und Literatur u.a. angenommen, wenn ein nur belangloser Sachschaden entstanden ist. Die Grenze liegt grds. dort, wo üblicherweise Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht werden. Das wird von der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur bei einer Schadensgrenze von (derzeit) etwa 25 bis 30 EUR angenommen (Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 142 Rn. 11). Aber auch hier ist die Tendenz steigend. Himmelreich (DAR 06, 1) geht z.B. davon aus, dass die Grenze bei 150 EUR liegen soll.  

     

    Beinaheunfall:§ 315c StGB setzt eine konkrete Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer voraus. Diese ist erst gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses, ein „Beinahe-Unfall“ nahe liegt (BGH NJW 95, 3131), so dass es – rückblickend – „gerade noch einmal gut gegangen ist“. Ist es also z.B. einem entgegenkommenden Fahrer noch möglich, auf das verkehrswidrige Überholen des Fahrers durch ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- und Ausweichmanöver zu reagieren und so einen Unfall abzuwenden, liegt eine konkrete Gefährdung i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 b StGB nicht vor (OLG Hamm VA 05, 92, Abruf-Nr. 050666).  

     

    Durchsuchung bei einem Straßenverkehrsdelikt: Auch bei einem Straßenverkehrsdelikt ist grds. eine Durchsuchungsmaßnahme erlaubt. Allerdings muss diese im Hinblick auf den Tatvorwurf verhältnismäßig sein (BVerfG VA 05, 89, Abruf-Nr. 050967).  

     

    Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB): Nach der Entscheidung des großen Strafsenats vom 27.4.05 (VA 05, 121, Abruf-Nr. 051608) setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Straftat der allgemeinen Kriminalität voraus, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. § 69 StGB bezweckt nämlich den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, so dass ein „verkehrsspezifischer Zusammenhang festgestellt werden muss. Das bedeutet, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis i.d.R. nicht bei der bloßen Nutzung eines Kfz zur Suche nach Tatobjekten oder Tatopfern in Betracht kommt oder in den „Kurierfällen“, in denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert (vgl. dazu auch die Rspr-Übersicht in VA 05, 211).  

     

    Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG): siehe „Ausländische Fahrerlaubnis“  

     

    Fahrfehler, relative Fahruntüchtigkeit: Allein der in der unzureichenden Beleuchtung eines Fahrzeugs liegende Fahrfehler vermag eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit i.S.d. § 316 StGB nicht zu rechtfertigen. Das Einschalten des Standlichtes anstelle des Abblendlichtes ist ein Fahrfehler, der auch nüchternen Fahrern, insbesondere bei gut beleuchteten Straßen, passiert (LG Potsdam VA 05, 91, Abruf-Nr. 050962).  

     

    Fluchtfälle (§ 315b StGB): Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB durch Zufahren auf einen anderen liegt nur vor, wenn der Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Fahrzeug mit verkehrsfeindlicher Einstellung zweckwidrig einsetzt und mit Schädigungsvorsatz handelt (BGHSt 48, 233; BGH DAR 04, 230). Dies kann z.B. in den „Fluchtfällen“ durch Zufahren auf einen kontrollierenden Polizeibeamten erfolgen. Bei dem Zufahren auf eine Polizeisperre ergeben sich zwei Möglichkeiten: Nutzt der Fahrer das Fahrzeug in konkreter Nötigungsabsicht, liegt ein gefährlicher Eingriff nur vor, wenn er mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt hat (BGH, a.a.O.). Wird das Fahrzeug hingegen nur als Fluchtmittel benutzt, ist ein gefährlicher Eingriff auf jeden Fall zu verneinen (BGH VA 05, 216, Abruf-Nr. 053134; siehe auch „Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“).  

     

    Führer eines Kraftfahrzeuges: Der BGH hat in einigen zu § 316a StGB ergangenen Entscheidungen zu diesem Begriff Stellung genommen. Danach ist Führer eines Kfz, wer das Fahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist (BGHSt 49, 8, 14). Es ist also stets derjenige „Führer“, der das Kfz im Straßenverkehr in Bewegung hält. Befindet sich das Fahrzeug, in dem sich das (potentielle) Tatopfer aufhält, nicht (mehr) in Bewegung, so ist darauf abzustellen, ob das Opfer als Fahrer (noch) mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist (BGHSt 49, 8, 14; zuletzt BGHSt 50, 169 = VA 05, 176, Abruf-Nr. 052099 und „Verkehrsbedingter Halt“).  

     

    Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB): Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr wird nur noch angenommen, wenn zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass das Fahrzeug mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht wird. Erst dann liegt eine – über den Tatbestand des § 315c StGB hinausgehende – „Pervertierung“ des Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen „Eingriff“ in den Straßenverkehr i.S.d. § 315b Abs. 1 StGB vor (BGHSt 48, 233; OLG Hamm VA 06, 17, Abruf-Nr. 053404; VA 00, 67, Abruf-Nr. 001046 = NJW 00, 2686, siehe auch „Konkrete Gefahr, gefährlicher Eingriff“).  

     

    Gestatten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG): Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung muss der Kfz-Halter nicht allgemein den Zugang von Personen ohne Fahrerlaubnis zu den Fahrzeugschlüsseln verhindern (BayObLG NZV 96, 462 m.w.N.; OLG Hamm VA 06, 12, Abruf-Nr. 053415). Die Pflicht, einem nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis befindlichen Dritten die Möglichkeit des Zugangs zum Zündschlüssel zu verwehren, besteht vielmehr nur dann, wenn in dessen Person (BayObLG, a.a.O.) oder in der Situation (OLG Hamm NJW 83, 2456 f.) konkrete Umstände vorliegen, die befürchten lassen, dieser werde ohne Erlaubnis oder sogar gegen den Willen des Fahrzeughalters dessen Fahrzeug in Betrieb nehmen (strenger OLG Koblenz VRS 71, 144).  

     

    Konkrete Gefahr, gefährlicher Eingriff: Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung zur zeitlichen Abfolge von abstrakter und konkreter Gefahr bei einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr i.S.d. § 315b StGB im 48. Band von BGHSt aufgegeben (BGHSt 48, 119 = VA 03, 40, Abruf-Nr. 030100). Danach ist für alle Tatbestandsalternativen des § 315b StGB erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Verkehrssicherheit bewirkt, welche sich zu einer konkreten Gefahr für eines der Schutzobjekte verdichtet. Nicht mehr erforderlich ist aber eine zeitliche „Abfolge“ der Gefährdungserfolge. Es reicht aus, wenn die Tathandlung unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt, sofern dieser Erfolg sich als Steigerung der abstrakten Gefahr darstellt. Greift also der Täter in den fließenden Verkehr ein, indem er Hindernisse auf der Fahrbahn bereitet oder Gegenstände auf fahrende Fahrzeuge wirft, kann § 315b Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StGB auch erfüllt sein, wenn die Tathandlung unmittelbar zu einem bedeutenden Fremdsachschaden führt und sich dieser Erfolg als Steigerung der durch die Tathandlung bewirkten abstrakten Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt.  

     

    Nötigung im Straßenverkehr (§ 240 StGB): vgl. dazu die Checklisten in VA 05, 70 m.w.N. aus der umfangreichen Rechtsprechung sowie z.B. OLG Hamm VA 06, 16, Abruf-Nr. 053407).  

     

    Öffentlicher Verkehrsraum: Nach ständiger BGH-Rspr. (zuletzt u.a. BGHSt 49, 128 = VA 04, 174, Abruf-Nr. 041309) ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Umfasst werden demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird (vgl. dazu auch LG Bonn VA 04, 210, Abruf-Nr. 042839). Eine Rasenfläche vor einem öffentlichen Gebäude, die nicht als Zugangsweg dient, gehört allerdings auch dann nicht zum öffentlichen Verkehrsraum, wenn sie vereinzelt als Abkürzungsweg zu dem Gebäude genutzt wird (BGH VA 04, 193, Abruf-Nr. 042511).  

     

    Perversion (§ 315b StGB): siehe „Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“  

     

    Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB): siehe „Angriff auf die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrers (§ 316a StGB)“, „Führer eines Kratfahrzeuges“ und „Verkehrsbedingter Halt“.  

     

    Schuldunfähigkeit: Für die Beurteilung der Frage, ob ein alkoholbedingter Rausch vorliegt oder die Schuldfähigkeit jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, was ggf. nur zur Verurteilung nach § 323a StGB führt, kommt der Höhe der BAK als Indiz ein erhebliches Gewicht zu. Es gibt aber keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der BAK regelmäßig von Schuldfähigkeit auszugehen ist (OLG Hamm VA 05, 91, Abruf-Nr. 050668).  

     

    Schusswaffengebrauch im Straßenverkehr: Die Abgabe eines Schusses kann ein „ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff“ i.S.d. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB sein, wenn ein Kraftfahrer durch den Knall des Schusses so in Schrecken versetzt wird, dass er deswegen andere Verkehrsteilnehmer oder auch sich selbst in Gefahr bringt (OLG Hamm VA 01, 12 Abruf-Nr. 011458).  

     

    Steinewerferfälle: Nach seiner neuen Rspr. bejaht der BGH (BGHSt 48, 233 = VA 03, 40, Abruf-Nr. 030100) in den (Steine)Werferfällen eine verkehrsspezifische konkrete Gefahr i.S.d. § 315b StGB nur, wenn durch den Eingriff die sichere Beherrschbarkeit eines im fließenden Verkehrs befindlichen Fahrzeugs beeinträchtigt und dadurch – mit der Folge eines „Beinahe-Unfalls“ – unmittelbar auf den Fahrvorgang eingewirkt wird. Dem stellt er die Fälle gleich, in denen der Fortbewegung des Fahrzeugs mittels eines Hindernisses oder eines anderen, ebenso gefährlichen Eingriffs in der Weise entgegengewirkt wird, dass eine konkrete Gefahr für Fahrzeuginsassen oder Fahrzeug entsteht. An einer verkehrsspezifischen Gefahr fehlt es, wenn der Eingriff zwar zu einer abstrakten Gefährdung des Straßenverkehrs führt, die sich hieraus entwickelnde konkrete Gefahr aber in keiner inneren Verbindung mit der Dynamik des Straßenverkehrs steht (siehe „Konkrete Gefahr, gefährlicher Eingriff“).  

     

    Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB): Die Verurteilung wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit setzt grundsätzlich die Feststellung voraus, dass die Tatzeit-BAK mindestens 0,3 o/oo beträgt (OLG Hamm VA 04, 14, Abruf-Nr. 032476). Nach der überwiegenden OLG-Rspr. kann bei der Verurteilung nach § 316 Abs. 1 StGB nicht bereits aus einer hohen BAK auf Vorsatz geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten. Es bedarf der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs wie auch dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie des Täterverhaltens während und nach der Tat. Es kommt zudem auf die vom Tatrichter näher festzustellende Erkenntnisfähigkeit des Fahrzeugführers bei Fahrtantritt an. Es gibt nämlich nach wie vor keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit erkennt (zuletzt u.a. OLG Hamm VA 04, 54, Abruf-Nr. 040220; dazu ausführlich VA 01, 34; s. auch OLG Koblenz VA 01, 152, Abruf-Nr. 010992).  

     

    Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB): siehe „Unfallbegriff“ und „bedeutender Fremdschaden“ und „belangloser Sachschaden“.  

     

    Unfallbegriff (§ 142 StGB): Zum Begriff der Unfalls im Straßenverkehr“ hat der BGH in seiner Entscheidung vom 15.11.01 (4 StR 233/01, VA 02, 47, Abruf-Nr. 020149 = BGHSt 47, 158) Stellung genommen. Ein Unfall ist danach jedes Schadenereignis, in dem sich ein verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert hat. Das wird aber dann nicht (mehr) angenommen werden, wenn das Schadenereignis im Straßenverkehr schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild nicht die Folge des allgemeinen Verkehrsrisikos, sondern einer deliktischen Planung ist. Diese Rechtsprechung hat der BGH für den Fall bestätigt, dass mit einem Pkw vorsätzlich gegen einen Lichtmast gefahren wird (BGH VA 05, 122, Abruf-Nr. 051643).  

     

    Unübersichtliche Stelle: Eine unübersichtliche Stelle i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 d StGB ist gegeben, wenn der Fahrzeugführer den Verkehrsablauf wegen ungenügenden Überblicks über die Fahrbahn oder die sie umgebende Örtlichkeit nicht vollständig übersehen, deshalb Hindernisse und Gefahren nicht rechtzeitig bemerken und ihnen nicht sicher begegnen kann. (OLG Hamm 25.10.05, 3 Ss 440/05, Abruf-Nr. 053649).  

     

    Verkehrsbedingter Halt: Die Frage, ob ein „verkehrsbedingter Halt“ vorliegt, hat Bedeutung bei der Prüfung, ob jemand Führer eines Kfz und damit taugliches Opfer eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) sein kann. Von einem verkehrsbedinten Halt wird ausgegangen bei einem Halt an einer Rotlicht zeigenden Ampel (BGHR StGB § 316a Abs. 1 Straßenverkehr 16), an einer geschlossenen Bahnschranke oder in einem Stau. Dann wird die Eigenschaft als Führer eines Kfz i.d.R. bejaht, weil der Lenker eines Kfzs in einer solchen Situation – unabhängig davon, ob er den Motor weiterlaufen lässt oder kurzfristig ausstellt – seine Aufmerksamkeit weiter auch auf das Verkehrsgeschehen richten muss (BGHSt 49, 8, 15 m.w.N.). Auch bei einem anderen, also nicht verkehrsbedingten Halt bleibt der Fahrer aber weiterhin Führer des Kfzs i.S.d. des § 316a StGB, solange er sich in dem Fahrzeug aufhält und mit dessen Betrieb und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist (BGHR StGB § 316a Abs. 1 Straßenverkehr 17; NStZ 04, 269; VRS 106, 199; BGH 17.2.05, 4 StR 537/04, Abruf-Nr. 060571; BGHSt 50, 169 = VA 05, 176, Abruf-Nr. 052099). Dies ist allerdings regelmäßig dann nicht mehr der Fall, wenn das Tatopfer sein Fahrzeug zum Halten gebracht und den Motor ausgestellt hat (BGHSt 49, 8, 15; 50, 169; VRS 107, 38; BGH 30.3.04, 4 StR 35/04, Abruf-Nr. 060572).  

     

    Verkehrsfremder Eingriff (§ 315b StGB): Nach der neueren BGH-Rspr. wird im fließenden Straßenverkehr ein Verkehrsvorgang nur dann zu einem Eingriff in den Straßenverkehr i.S.d. § 315b Abs. 1 StGB „pervertiert“, wenn zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht wird (BGHSt 48, 233). Der bloße Gefährdungsvorsatz reicht nicht mehr aus.  

     

    Verkehrsspezifischer Zusammenhang: Fast alle wichtigen Entscheidungen des 4 Strafsenats des BGH aus der letzten Zeit enthalten den Begriff des „verkehrsspezifischen Zusammenhangs“ (vgl. z.B. BGHSt 50, 93 = VA 05, 121, Abruf-Nr. 051608). Dieser wird vom BGH verwendet, um die teilweise zu weite verkehrsrechtliche Rechtsprechung einzugrenzen.  

     

    Zerstörung von Autoteilen: Die mutwillige Zerstörung von Autoteilen (hier: Durchstechen der Reifen in einer Weise, dass es zu unkontrollierbaren Ausbrüchen des Fahrzeuges während der späteren Fahrt und damit zu schwersten Unfällen kommen kann) führt zur Annahme der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kfz i.S.d. § 69 Abs. 1 StGB (OLG Karlsruhe VA 05, 195, Abruf-Nr. 052797).  

     

    Zufahren auf einen Anderen: siehe„Fluchtfälle“  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2006 | Seite 70 | ID 90819