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  • · Interview

    Zweigpraxis: Standortauswahl, Versicherungen, Generationenübergang

    Bild: Oral surgeon at dental office illustration / Authority Dental / CC CC BY 2.0

    | Die eigene Praxis läuft sehr gut, das Team harmoniert, die Patienten sind zufrieden und spiegeln dies auch durch positive Bewertungen auf Jameda oder Google. Es reift die Idee einer Zweigpraxis, denn vielleicht fehlt am aktuellen Standort die Fläche, der (finanzielle) Aufwand ist zu groß und/oder es soll eine andere/neue Klientel angesprochen werden. Worauf kommt es in solchen Fällen an und was gilt es zu beachten? Zu diesem Thema und seinen unterschiedlichen Aspekten, vom Standort über die Versicherungen und den Generationenübergang bis hin zum Marketing, sprachen wir mit den beiden erfahrenen Experten Stephan Hinzen, Finanzberater der Zahnärzte und Dr. Sebastian Schulz, ieQ-health GmbH & Co. KG aus Münster. Den zweiten Teil des Interviews finden Sie in ZP 08/2022. |

     

    Frage: Die erste Frage, die sich PraxisinhaberInnen stellt, ist: Gründe ich an einem weiteren Standort eine neue Praxis oder bietet sich die Übernahme einer bestehenden Praxis an?

     

    Hinzen: Bei dieser Frage muss sich zunächst überhaupt die Option auf neue Räumlichkeiten ergeben, denn nicht jedes Objekt ist dafür geeignet. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende (finanzielle) Aufwand, um Räume für eine Zahnarztpraxis nutzbar zu machen sowie die laufende Begleitung während der (Um-)Bauphase. Wer schon einmal verschiedene Gewerke auf der Baustelle koordiniert hat, kann davon ein Lied singen. Idealerweise wird hierfür ein spezialisierter Baubegleiter bzw. Architekt beauftragt.

     

    Nach der ganzen Bauphase geht es dann darum, neue Patienten für diesen Standort zu gewinnen und von dem bereits erfolgreichen Praxiskonzept auch an dieser Stelle zu überzeugen.

     

    Im Gegensatz dazu erscheint die Übernahme einer (Alters-)Praxis mit einer bestehenden Infrastruktur, einem Patientenstamm sowie vorhandenem Personal deutlich einfacher. Hier warten allerdings andere Herausforderungen: Eine Renovierung der Praxisräume und ggf. Erneuerung der Technik stellt dort dann eine vergleichsweise einfache Aufgabe dar. Hier lauern dann aber verkrustete Praxisabläufe, andere Behandlungsschwerpunkte oder Zuzahlungskonzepte der Patienten, die aufgebrochen werden müssen.

     

    Dr. Schulz: Je nachdem, ob neu gegründet oder übernommen wird, variieren auch die Ansätze für das strategische Praxismarketing enorm: Bei der Gründung eines komplett neuen Standorts steht die generelle Erzeugung von Aufmerksamkeit für die neue Praxis im Vordergrund. Das regionale Umfeld und vor allem die avisierten Zielgruppen müssen erfahren, dass es eine neue Praxis gibt, wofür diese steht und warum diese anders ist als alle bisher im lokalen Markt existierenden. Dafür sollte ein großzügiger zeitlicher Vorlauf, idealerweise von 5 bis 6 Monaten, eingeplant werden.

     

    Bei der Übernahme einer anderen Praxis als Zweigpraxis geht es, im Rahmen von Umbau, Renovierung und Umstrukturierung, vor allem um eine interne und externe Veränderungskommunikation, bei der Team, Patienten und Partner der Praxis behutsam mitgenommen werden müssen. Natürlich sind auch eine Analyse und ggf. Umstrukturierung bisheriger Marketingmaßnahmen obligatorisch.

     

    Frage: Herr Hinzen, aus Ihrer langen Erfahrung bei der Begleitung solcher Projekte auf unterschiedlichen Ebenen, welche Vor- und Nachteile sehen Sie?

     

    Hinzen: Beide Varianten haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile sowie ihre Berechtigung. Über allem schwebt aber die große Herausforderung, wie diese beiden Standorte organisiert werden können und müssen. Eine regelmäßige Präsenz an beiden Standorten ist unverzichtbar und durch die KZV zudem sogar gefordert. Aus diesem Grund sollten sich die Standorte sowohl räumlich als auch fachlich ergänzen und sich in erreichbarer Entfernung voneinander befinden. Eine Kannibalisierung sollte vermieden werden, und idealerweise ergänzen sich die Praxen vom Behandlungsangebot. Damit wird erreicht, dass jeder Standort seine eigenen „Duftmarken“ setzen kann und somit auch dem Patienten plausibel wird, dass Behandlungsschwerpunkte zu seinem Vorteil sind und eine bessere Versorgung versprechen.

     

    Frage: Wie organisiere ich das?

     

    Hinzen: Bei der Schwerpunktsetzung macht es Sinn, dass dies auch durch unterschiedliche Ausprägungen bei den Behandlern dokumentiert wird. Damit kann im Zuge des Praxismarketings dem Patienten überzeugend vermittelt werden, dass es für die einzelnen Anwendungsgebiete auch unterschiedliche Behandler gibt. Deswegen sollte bei der Personalauswahl darauf geachtet werden, dass möglichst viele Bereiche abgedeckt werden können. Hinzu kommt, dass beide Praxisstandorte über die EDV miteinander verbunden sind. D. h., an beiden Standorten kann auf die Patientendaten zugegriffen werden. Selbstverständlich sind dabei die Anforderungen der DSGVO sowie allgemeine Sicherheitsstandards beim Einsatz von EDV zu beachten.

     

    Dr. Schulz: In der Marketingpraxis erleben wir tatsächlich sowohl die Strategie, überall alles anzubieten, aber auch, jeden Standort zu spezialisieren. Wir beraten also zum einen Praxen, die an den verschiedenen Standorten möglichst gleich wirken, d. h., den potenziellen Neupatienten vermitteln wollen, dass alle Standorte in puncto Service, Einrichtung/Ambiente und Behandlungsspektrum das Gleiche anbieten, je nach Konstrukt auch durch die gleichen Behandler an beiden Standorten. Zum anderen haben wir dann die Praxen, die bestimmte Leistungen nur an einem der Standorte anbieten, gewissermaßen einzelne Praxen innerhalb des Gesamtkonstrukts als Spezialisten positionieren, in die die Patienten dann für bestimmte Leistungen und/oder Behandler geschickt werden.

     

    Beide Strategien sind in der Wirtschaftspraxis probat und funktionieren. Was sinnvoller ist, hängt von den eigenen Wünschen ab, von der Entfernung der Standorte, dem Team, den Spezialisierungen usw.

     

    Frage: Und welche Rechtsform wähle ich dabei?

     

    Hinzen: Ob für die Gründung einer Zweigpraxis die Form einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) „ausreicht“ oder dafür die MVZ-Gründung der richtige Weg ist, hängt im Wesentlichen von der persönlichen Situation aber auch von der Anzahl der involvierten Behandler ab. Gibt es also nur einen Praxisinhaber oder mehrere?

     

    Bei der Wahl der „ÜBAG“ gibt es in der Regel ein bis zwei wirtschaftliche und rechtliche Praxisinhaber, die wiederum jeweils zwei Ärzte anstellen können. Demnach können dann z. B. bei zwei Inhabern weitere vier ZahnärztInnen auf Vollzeitbasis angestellt werden. Bei einem MVZ in Form einer GmbH brauche ich „nur“ einen ärztlichen Leiter (nicht zwingend muss dieser auch Gesellschafter/Besitzer sein) und ich kann eine unbegrenzte Anzahl an ZahnärztInnen anstellen.

     

    Eine pauschale Aussage lässt sich dazu nicht treffen und sollte mit dem persönlichen Berater unter Hinzuziehung spezialisierter Anwälte und Steuerberater diskutiert werden.

     

    Dr. Schulz: Die gewählte Rechtsform hat dann später natürlich auch direkte Auswirkungen auf die Kreation der Praxismedien, das ist jedem sicherlich klar. Was wichtig ist: Die Praxis muss in offiziellen Angaben wie z. B. dem Impressum der Homepage natürlich den vollständigen und korrekten Praxisnamen führen, kann aber für das Logo, den Fließtext der Praxis-Website, Social Media usw. einen prägnanteren Markennamen finden (lassen), der besser einprägsam und ‒ ganz pragmatisch für die Medien ‒ auch deutlich kürzer ist. Die Zweigpraxis wird dann, zumindest in den allermeisten Fällen, ohnehin unter demselben „Marken-Dach“ der ersten Praxis laufen, und die Kunst besteht eher darin, die neue Marke aufzubauen und zu etablieren (komplette Neugründung der Zweigpraxis) bzw. die übernommene Praxis behutsam, aber stringent in die gesamte Markenkommunikation zu integrieren.

     

    Fortsetzung folgt | In Teil 2 des Interviews klären wir Fragen zum Thema „Versicherungen“ und zur Praxisabgabe.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Sonderausgabe „Mehr Umsatz durch angestellte Zahnärzte“ unter iww.de/zp > Downloads > Sonderausgaben
    • Die 5 Vorteile für MVZ-Gründer (ZP 04/2018, Seite 4)
    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 16 | ID 48333582