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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Prüfungs- und Regulierungsfristen für den KH-Versicherer in der Rechtsprechung - ein Update

    von VRiOLG a. D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Mehrere aktuelle Entscheidungen, vor allem der wichtige Beschluss des OLG Saarbrücken (5.12.16, 4 W 19/16), geben Veranlassung, das Thema „Prüfungs- und Regulierungsfristen“ erneut aufzugreifen. |

     

    Arbeitshilfe / Beginn und Dauer der Prüfungsfrist

    Beginn der Prüfungsfrist

    Selbst bei von Anfang an unstrittiger Haftung oder bei einem Bagatellschaden läuft die Frist nicht ab dem Unfalltag. Ob und wann der Haftpflicht-VR durch seinen eigenen VN unterrichtet wurde, ist für den Beginn der Prüfungsfrist gleichfalls unerheblich, selbst wenn der VN nicht der Fahrer war. In Gang gesetzt wird die Frist mit Zugang eines „spezifizierten“ Anspruchsschreibens (st. Rspr., z. B. OLG Saarbrücken 5.12.16, 4 W 19/16, Abruf-Nr. 193758). Darlegungs- und beweispflichtig für den Zugang beim zuständigen Schadenregulierungsbüro des VR ist der Geschädigte (OLG Saarbrücken a.a.O.).

     

    Das spezifizierte Anspruchsschreiben

    Das typische Erstschreiben mit der Aufforderung, innerhalb der Frist x die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen und/oder einen Vorschuss zu zahlen, reicht nach allgemeiner Meinung nicht aus. Notwendiges Minimum ist die Bezifferung des Anspruchs. Bei einer Mehrheit von Positionen kann es je nach Zeitpunkt ihrer Geltendmachung und je nach Prüfungsbedarf zu unterschiedlichen Fristen kommen. Nicht die letzte, sondern die erste Bezifferung setzt die (erste) Frist in Gang. Diese kann sich indes bei einem Nachschieben von Positionen oder einer Neuberechnung verlängern (OLG Saarbrücken 2.2.17, 4 U 148/15, mit Hinweis auf OLG München 26.2.16, 10 U 579/15).

     

    Manche Gerichte fordern schon für eine fristauslösende „Spezifizierung“ außer einer Schadensbezifferung die Vorlage von Belegen (Schadengutachten, Rechnung, Arztbericht). Ob bei einer Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Gutachtenbasis der Beginn der Prüfungsfrist davon abhängt, dass das Gutachten dem VR vorliegt, ggf. im Original mit Originalfotos, oder ob dafür eine Bezugnahme auf das Gutachten mit dem Angebot der Vorlage genügt, ist noch nicht abschließend geklärt.

     

    Auch wenn materiell-rechtlich keine Vorlagepflicht besteht (OLG Zweibrücken 22.1.14, 1 U 165/11, Abruf-Nr. 142877), ist es ratsam, dem VR das Gutachten inklusive Fotos so früh wie möglich zur Verfügung zu stellen. Zu den (Kosten-)Risiken eines Mauerns s. OLG Karlsruhe VA 12, 77; LG Saarbrücken VA 17, 57 („scheckheftgepflegt“ erst im Prozess vorgetragen). Bei fiktiver Abrechnung der (Netto-)Reparaturkosten muss eine vorhandene Werkstattrechnung nicht vorgelegt werden, um die Prüfungsfrist in Gang zu setzen. Bei einem Abrechnungswechsel, z. B. Fahrzeugschaden erst fiktiv, dann konkret, wird dem VR ein Zeitzuschlag zugebilligt (OLG Koblenz SP 11, 337).

     

    Länge der Prüfungsfrist

    Nachdem das OLG Saarbrücken eine Zeit lang zu den Tempomachern zählte, ist es bereits durch den Beschluss vom 9.2.10, 4 W 26/10-03, in den alten Vier-bis-Sechs-Wochen-Trott zurückgefallen. In seinem aktuellen Beschluss vom 5.12.16, 4 W 19/16, Abruf-Nr. 193758, bestätigt durch Urteil vom 2.2.17, 4 U 148/15, hält der Senat daran fest. Wörtlich heißt es: „Die wohl überwiegende Rechtsprechung sieht bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen als angemessen an.“

     

    Praxishinweis | Selbst wenn diese Einschätzung quantitativ und/oder qualitativ falsch sein sollte (wofür einiges spricht, siehe Pott, NZV 15, 111): Für den Anwalt des Geschädigten, dem sichersten Weg verpflichtet, bestimmt sie den Zeitplan. Vor Ablauf von sechs Wochen Klage zu erheben, ist selbst bei einem durchschnittlichen Unfall - Inlandsunfall ohne Ausländerbeteiligung, nur Sach-, kein Personenschaden, überschaubares Unfallgeschehen, z. B. Auffahrunfall - mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden.

    Anders liegen die Dinge selbstverständlich, wenn der VR vor Ablauf der Frist zu Unrecht jegliche oder auch nur eine restliche Zahlung verweigert hat und sich dadurch ohne Mahnung in Verzug gesetzt hat (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Zum Zusammenspiel von Prüfungsfrist und Verzug siehe die Arbeitshilfe weiter unten.

     

    Verlängerung der Regelfrist

    Die vier- bis sechswöchige Regelfrist kann sich durch Sonderfaktoren verlängern, z. B. komplexer Unfallhergang oder Auslandsberührung (instruktiv LG Saarbrücken NJW-RR 16, 1503) oder VR fordert Unterlagen an, Geschädigter erweckt den Eindruck, der Forderung nachzukommen (stillschweigende Fristverlängerung).

     

    Problem „Akteneinsicht“

    Die vom VR als erforderlich angesehene Einsicht in die polizeiliche Unfallakte oder die Ermittlungsakte hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Dauer der Prüfungsfrist (OLG München 29.7.10, 10 W 1789/10, Abruf-Nr. 104208). So auch jetzt OLG Saarbrücken 5.12.16, 4 W 19/16, Abruf-Nr. 193758. Doch der 4. ZS weicht den - keineswegs unstrittigen - Grundsatz ein Stück weit auf. Er akzeptiert nämlich unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Prüf- und Bearbeitungsfrist aus Gründen der Akteneinsicht. Dazu verweist er auf OLG Frankfurt VersR 15, 1373.

     

    Arbeitshilfe / Prüfungsfrist und Verzug

    Vor Ablauf der Prüfungsfrist tritt - trotz eventueller Mahnung - grundsätzlich kein Verzug ein (BGH NJW 64, 1467; OLG Saarbrücken 2.2.17, 4 U 148/15 = r+s 17, 209). Andererseits: Mit Ablauf der Frist befindet sich der VR nicht automatisch im Verzug (st. Rspr., AG Dortmund 4.7.14, 431 C 1646/13, Abruf-Nr. 142878), wohl aber bei vorheriger Mahnung. Diese kann auch schon im spezifizierten Anspruchsschreiben erfolgen (OLG Saarbrücken 27.2.07, 4 U 470/06 - 153, Abruf-Nr. 071060). Zum Verzug eines KH-VR aktuell und instruktiv OLG Saarbrücken 2.2.17, 4 U 148/15.

     

    Bei ernsthafter und endgültiger Regulierungsverweigerung gerät der VR auch ohne Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). An diesen Ausnahmetatbestand stellt die Rspr. hohe Anforderungen. So ist es keine Erfüllungsverweigerung, wenn der VR mitteilt, er komme unaufgefordert auf die Sache zurück, wenn die Ermittlungsakte vorliegt (OLG Saarbrücken 5.12.16, 4 W 19/16, Abruf-Nr. 193758).

     

    Akteneinsicht und Verzug

    Dass der VR noch keine Einsicht in die Ermittlungsakte hat nehmen können, schließt Verzug nicht aus (OLG Stuttgart 18.9.13, 3 W 46/13, Abruf-Nr. 133807; OLG München 29.7.10, 10 W 1789/10, Abruf-Nr. 104208; aber str.). Verzugsausschließend (§ 286 Abs. 4 BGB) können berechtigte Beleganforderungen wirken. Weitere Rspr. bei Pott, NZV 15, 111.