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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Prüfungs- und Regulierungsfristen für den KH-Versicherer in der aktuellen Rechtsprechung

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Im Zielkonflikt zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit verweisen Vertreter der Versicherungswirtschaft gerne auf Letzteres. Gewiss - eine sorgfältige Anspruchsprüfung liegt auch im Interesse der Versicherungsgemeinschaft. Aber wo und wann schlägt sorgfältiges Prüfen in pflichtwidrige Verzögerung um? Mit einem Update des Beitrags in Heft 11/2009 bringen wir Sie auf den neuesten Stand der Rechtsprechung. |

     

    Arbeitshilfe / Beginn und Dauer der Prüfungsfrist

    Beginn der Prüfungsfrist: Selbst bei von Anfang an unstrittiger Haftung läuft die Frist nicht ab dem Unfalltag. Ob und wann der VR durch seinen VN unterrichtet wurde, ist selbst bei Nichtidentität von VN und Fahrer für den Beginn der Prüfungsfrist belanglos. In Gang gesetzt wird sie mit Zugang eines „spezifizierten“ Anspruchsschreibens (st. Rspr., OLG München 14.12.12, 10 U 1161/12, Abruf-Nr. 142876, m. w. N.).

     

    Das spezifizierte Anspruchsschreiben: Das typische Erstschreiben mit der Aufforderung, innerhalb der Frist x die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen, reicht nach allgemeiner Meinung nicht aus. Notwendiges Minimum ist die Bezifferung eines Ersatzanspruchs. Schlüssigkeit wie für eine Klage ist nicht Voraussetzung. Sicherheitshalber sollte bei der Position „Reparaturkosten“, wenn sie in einem Sechsmonatsfall (dazu VA 10/14, 168) vor Ablauf der Haltefrist geltend gemacht wird, zur (geplanten) Weiternutzung ausdrücklich etwas gesagt werden. Die Einhaltung der Frist hat zwar nur beweismäßige Bedeutung. Doch nicht alle Gerichte wissen das (vgl. LG Duisburg SP 14, 316 zu § 93 ZPO).

     

    Bei einer Mehrheit von Positionen (Regelfall) kann es je nach Zeitpunkt ihrer Geltendmachung und je nach Prüfungsbedarf zu unterschiedlichen Fristen kommen. Nicht die letzte, sondern die erste Bezifferung setzt die (erste) Frist in Gang. Andererseits: Mit einer Salami-Taktik lässt sich der Prüfungszeitraum nicht verkürzen, auch nicht durch eine Vorschussanforderung (OLG Stuttgart 26.4.10, 3 W 15/10, Abruf-Nr. 101822, VA 10, 110).

     

    Manche Gerichte fordern schon für eine fristauslösende „Spezifizierung“ außer einer Schadensbezifferung die Vorlage von Belegen (Schadengutachten, Rechnung, Arztbericht). Ob bei einer Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Gutachtenbasis der Beginn der Prüfungsfrist davon abhängt, dass das Gutachten dem VR vorliegt, ggf. im Original mit Originalfotos, oder ob dafür eine Bezugnahme auf das Gutachten mit dem Angebot der Vorlage genügt, ist noch nicht ausjudiziert. Auch wenn mat.-rechtl. keine Vorlagepflicht besteht (OLG Zweibrücken 22.1.14, 1 U 165/11, Abruf-Nr. 142877, m.w.N.), ist es ratsam, dem VR das Gutachten incl. Fotos so früh wie möglich zur Verfügung zu stellen. Zu den (Kosten-)Risiken eines Mauerns s. OLG Karlsruhe VA 12, 77; LG Wuppertal SP 13, 21; AG Köln SP 13, 20. Bei fiktiver Abrechnung der (Netto-)Reparaturkosten muss eine vorhandene Werkstattrechnung nicht vorgelegt werden, um die Prüfungsfrist in Gang zu setzen (s. aber auch LG Bochum NJW-RR 90, 859). Bei Abrechnungswechsel, z.B. erst fiktiv, dann konkret, Beginn einer Neufrist bzw. Fristverlängerung (OLG Koblenz SP 11, 337).

     

    Problem „Akteneinsicht“: Die Prüfungsfrist beginnt und läuft nach umstrittener Ansicht (Nachw. bei Balke SVR 14, 145) unabhängig davon, ob der VR die Ermittlungsakte einsehen möchte und die Polizei/StA darum gebeten hat (so zutreffend OLG München 29.7.10, 10 W 1789/10, Abruf-Nr. 104208). Daran ändert sich nichts dadurch, dass der VR dem Geschädigten vor Ablauf der Prüfungsfrist mitteilt, er wolle erst Akteneinsicht nehmen (a.A. LG Halle/Saale SVR 09, 463). Indem der Anwalt des Geschädigten die ihm von der Polizei gefaxte Unfallanzeige mit der Schadensmeldung an den VR weiterleitet, kann er dem Standardargument des VR „vor Akteneinsicht läuft nix“ ein Stück weit den Boden entziehen.

    Länge der Prüfungsfrist: Hartnäckig hält sich bis in die jüngste Zeit hinein die Ansicht, dem VR stehe in der Regel ein Prüfzeitraum von 4 - 6 Wochen zur Verfügung (s. Tabelle „versicherungsgünstige Rspr.“). Das entspricht nicht dem Beschleunigungsgebot, wie es in § 14 VVG, § 3a PflVG verankert ist (s. auch A. 2.14.1 AKB). Aus tatsächlichen Gründen ist die 4-6-Wochen-Judikatur schlicht überholt. Mehrere Unfallfachsenate gehen zu Recht von einer deutlich kürzeren Frist aus (s. Tabelle „geschädigtengünstige Rspr.“). Hervorzuheben, nicht nur wegen ihrer Aktualität, ist die Spruchpraxis des 10. ZS OLG München.

     

    Arbeitshilfe / Prüfungsfrist und Verzug

    Nur wegen fehlenden Verschuldens - nicht etwa wegen fehlender Fälligkeit - gerät der VR vor Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist trotz eventueller Mahnung nicht in Verzug. Mit Ablauf der Frist tritt nicht automatisch Verzug ein (st. Rspr., AG Dortmund 4.7.14, 431 C 1646/13, Abruf-Nr. 142878), wohl aber bei vorheriger Mahnung, z.B. im spez. Anspruchsschreiben (OLG Saarbrücken 27.2.07, 4 U 470/06 - 153, Abruf-Nr. 071060). Dass der VR noch keine Einsicht in die Ermittlungsakte hat nehmen können, schließt Verzug nicht aus (OLG Stuttgart 18.9.13, 3 W 46/13, Abruf-Nr. 133807, DAR 13, 708; OLG München 29.7.10, 10 W 1789/10, Abruf-Nr. 104208; aber str.). Verzugsausschließend können berechtigte Beleganforderungen wirken, wobei manche Gerichte so großzügig sind, Verzug nicht nur bzgl. der angeblich unbelegten Einzelposition zu verneinen, sondern insgesamt (z.B. AG Hamm 16.4.14, 24 C 128/13, Abruf-Nr. 142771).