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  • · Fachbeitrag · Außerordentliche Kündigung

    Geschäftsschädigende Äußerungen in einem „You-Tube“-Video

    Äußerungen eines ArbN über betriebliche Missstände im Rahmen eines Videos, das ins Internet gestellt wird und dort über verschiedene Portale verbreitet wird, können einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden, wenn sie geeignet sind, die Kreditwürdigkeit des ArbG zu beschädigen. Erlaubt ist jedoch eine sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten auch in dieser Form (BAG 31.7.14, 2 AZR 505/13, Abruf-Nr. 142748).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war Bewerber für den Wahlvorstand einer im Betrieb der ArbG geplanten Betriebsratswahl. Im Vorfeld einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands trat der ArbN in einem Video auf, das im Auftrag der Gewerkschaft ver.di produziert wurde. In diesem Video äußerte der ArbN, dass es im Betrieb der ArbG Probleme gebe. Es fehlten Sicherheitsvorkehrungen an einzelnen Maschinen. Man könne fast behaupten, keine Maschine sei 100-prozentig ausgerüstet. Es seien keine Fachkräfte vorhanden, die das Beherrschen der Maschinen 100-prozentig erfüllten.

     

    Das Video wurde u.a. im Internet und auf der Plattform „You-Tube“ verbreitet. Zudem verbreitete es der ArbN über seinen eigenen Facebook-Account.

     

    Nachdem auf Einladung von ver.di eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl stattgefunden hatte, verlief diese höchst unübersichtlich. Daher konnte ein Wahlvorstand, für den sich der ArbN beworben hatte, nicht gewählt werden.

     

    Auf Antrag der ver.di hin bestellte das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand, in dem der ArbN hingegen nicht berücksichtigt wurde.

     

    Nach Kenntnisnahme von dem Video und den dortigen Äußerungen des ArbN kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis mit dem ArbN fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des ArbN war letztinstanzlich vor der Revisionsinstanz erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG stützt seine Auffassung, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung nicht vorhanden sei, vorwiegend darauf, dass die Schwere der Vorwürfe in den Videos nicht so eklatant sei, dass hierauf eine außerordentliche Kündigung gestützt werden könne. Der ArbN habe in seinen Aussagen nicht behaupten wollen, dass der ArbG überwiegend ungelernte Kräfte beschäftige. Er habe nur verdeutlichen wollen, dass er die Bildung eines Betriebsrats als sinnvoll ansehe. Zwar sei die wissentlich falsche, geschäftsschädigende Äußerung über betriebliche Verhältnisse und die Verbreitung dieser Äußerung über digitale Medien nicht gestattet und geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Erlaubt sei aber eine sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten. Für die Abgrenzung einer unzulässigen von einer noch zulässigen Äußerung sei entscheidend, welchen Inhalt die Äußerung habe, und in welchem Kontext sie verbreitet werde.

     

    Darüber hinaus hat das BAG klargestellt, dass ein Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG zugunsten des ArbN nicht eingreife. ArbN, die für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidierten oder von dritter Seite vorgeschlagen würden, seien nämlich keine Wahlbewerber im Sinne des § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG.

     

    Praxishinweis

    Die Wertung des 2. Senats, die unstreitigen Äußerungen des klagenden ArbN in dem Video seien noch zulässig, überrascht. Geschäftsschädigend und mit den betrieblichen Realitäten nicht übereinstimmend waren die Äußerungen unstreitig. Generell ist aber der ArbN gehalten, Äußerungen zu unterlassen, die geeignet sind, dem ArbG Schaden zuzufügen und zu einer Beeinträchtigung der berechtigten Interessen zu führen. Insbesondere bei Äußerungen im Internet und auf dessen Plattformen ist darauf hinzuweisen, dass diese jederzeit abrufbar sind und der Möglichkeit der Vervielfältigung in unbegrenzter Zahl unterliegen. Die Tatsache, dass das Internet nie vergisst, führt dazu, dass ein unbegrenzter Adressatenkreis jederzeit Zugriff zu solchen Äußerungen hat.

     

    Der ArbG ist gut beraten, den ArbN für den (auch privaten) Umgang mit dem Internet in Bezug auf Äußerungen über das Unternehmen gewisse Regel- und Verhaltensmaßnahmen beispielsweise in Codexform an die Hand zu geben. Unabhängig von der Wertung durch die Arbeitsgerichte wird dies zumindest die ArbN für das Problem sensibilisieren.

     

    Checkliste / Kündigung wegen kritischer Äußerungen

    Bei einer Kündigung wegen kritischer Äußerungen sind folgende Punkte zu beachten:

    •  
    • Was genau hat der ArbN geäußert?
      • Bezieht sich die Äußerung auf die betrieblichen Verhältnisse?
      • Geht die Äußerung über sachliche Kritik hinaus?
      • Ist der Gehalt geschäftsschädigend im objektiven Sinn?

     

    • Wo und in welchem Zusammenhang fiel die Äußerung?
      • Privater Kreis/Arbeitskollegen
      • Öffentliche Kritik am ArbG (z.B. Internet, Presse, Weitergabe von Informationen an Behörden oder Ähnliches)?

     

    • Gab es einen konkreten Anlass für die Äußerung?
      • Durchführung einer Betriebsratswahl
      • Kritik am ArbG auf einer Betriebsversammlung
      • Äußerungen im Rahmen einer Weihnachtsfeier

     

    • Wurde vor der Kritik eine betriebsinterne Klärung der Streitpunkte versucht?
    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 8 | ID 43116862