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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Sachverständigenkosten: Auf die Rechnung kommt es an

    • 1. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung betreiben.
    • 2. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags.
    • 3. Die vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten dürfen nicht allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbands (hier: BVSK-Honorarbefragung) gekürzt werden.

    (BGH 11.2.14, VI ZR 225/13, Abruf-Nr. 140719; Leitsätze der Redaktion)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach dem vom Kl. eingeholten Gutachten betrug der erforderliche Reparaturaufwand 1.050 EUR zzgl. USt. Für das Gutachten stellte der Sachverständige 534,55 EUR incl. USt. in Rechnung. Der Haftpflicht-VR zahlte 390 EUR, der Restbetrag von 144,55 EUR ist Gegenstand der Klage. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung hat das LG weitere Gutachterkosten von 56,90 EUR zugesprochen. Auf der Grundlage der BVSK-Honorarbefragung hat es die erstattungsfähigen Kosten auf 446,85 EUR geschätzt.

     

    Diese Schadensberechnung hat der BGH missbilligt. Dabei stellt er insbesondere auf die Bedeutung der Rechnung für die Erforderlichkeitsprüfung ab. Erste Aussage: Durch eine Vorlage der Rechnung genüge der Geschädigte regelmäßig seiner Darlegungslast. Zweite Aussage: Für die Bestimmung des „erforderlichen“ Betrags (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) sei der Rechnungsbetrag ein „wesentliches Indiz“, sofern die Preise nicht - auch für den Geschädigten deutlich erkennbar - erheblich über den üblichen Preisen lägen.

     

    Mit diesen Grundsätzen, so der BGH, sei nicht zu vereinbaren, wie das LG die Sachverständigenkosten gekürzt habe. Verkannt habe es die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung und die Lage des Geschädigten bei der Beauftragung eines Sachverständigen. Nur wenn er erkennen könne, dass der Sachverständige Honorarsätze verlange, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, sei ein zur Verfügung stehender günstigerer Gutachter zu beauftragen. Solche Umstände seien auch mit Blick auf die angeblich überhöhten Nebenkosten vom LG nicht festgestellt worden. Zwischenergebnis: Der Rechnungsbetrag entspricht dem „erforderlichen“ Geldbetrag.

     

    Sodann schlägt der BGH mit der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB ein neues Kapitel auf. Dazu vorzutragen, habe die Bekl. bisher keine Veranlassung gehabt, weshalb die Sache zurückzuverweisen sei. Allein der Umstand, dass die vom Sachverständigen abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschritten, könne die Annahme eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht nicht rechtfertigen.

     

    Praxishinweis

    Die bislang letzte Entscheidung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten liegt rund sieben Jahre zurück (VA 07, 61 = NJW 07, 1450). In der Zwischenzeit hat sich eine instanzgerichtliche Rspr. entwickelt, die mit den altehrwürdigen BGH-Grundsätzen teilweise unvereinbar ist (guter Überblick bei Vuia, NJW 13, 1197; DS 13, 182). Zur Kategorie der Abweichler gehört auch die LG-Entscheidung im vorliegenden Fall. Der BGH hat jetzt die Chance genutzt, die er vor sieben Jahren, wie sich gezeigt hat, nicht hinreichend wahrgenommen hat: Dem Instanzrichter klipp und klar zu sagen, unter welchen Voraussetzungen Sachverständigenkosten nicht mehr als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden können und ihm unmissverständlich klarzumachen, dass zwischen der Erforderlichkeitsprüfung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und der Frage eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB scharf zu trennen ist. Was der VI. ZS seinerzeit unter Tz. 22 geschrieben hat („in geeigneten Fällen im Wege der Schadensschätzung ...“), war für etliche Instanzgerichte eine Einladung, von ihrer vermeintlich großen Freiheit überschießend Gebrauch zu machen. Damit sollte es jetzt vorbei sein - beim Grundhonorar wie bei den Nebenkosten. Zwar werden die Versicherer zumal bei Letzteren weiterhin den Rotstift ansetzen (mitunter durchaus verständlich). Damit vor Gericht durchzudringen, wird indes ein Stück schwerer werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Nebenkostenproblematik siehe vor allem LG Saarbrücken VA 12, 163 mit Kritik an der geforderten Plausibilitätskontrolle im Praxishinweis.
    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 56 | ID 42557249