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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Der Ersatz von Abschleppkosten im Haftpflichtschadensfall ‒ ein Update

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Die Haftpflichtversicherer haben auch bei den Abschleppkosten ihre Gangart spürbar verschärft. Vom Bestreiten der Erforderlichkeit (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) über den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 254 Abs. 2 BGB bis hin zum Regress gegen den Abschleppdienst ‒ durchweg werden mehr oder weniger schwere Geschütze aufgefahren. Nicht immer verfehlen sie die gewünschte Wirkung. VA bringt Sie auf den neuesten Stand der Rechtsprechung. |

     

    Übersicht 1 / Abschleppen wohin und wie weit?

    1. Totalschadensfälle

    Ist das Fahrzeug völlig zerstört (technischer Totalschaden) oder auch für einen technischen Laien ex ante klar erkennbar nicht mehr reparaturwürdig, ist ein Abschleppen zum weit entfernten Heimatort i. d. R. wirtschaftlich unvernünftig. Besichtigung und Begutachtung können in Unfallortnähe erfolgen, z. B. auf dem Betriebshof des Abschleppdienstes. Gibt es dort keine Hebebühne, ist sie aber für eine Besichtigung/Begutachtung erforderlich, ist die nächstgelegene Werkstatt mit Hebebühne anzufahren. Je nach Entfernung kann das die Heimatwerkstatt sein.

     

    Zur Zwei-Etappen-Konstellation „erst Betriebshof, dann Überführung zur Heimatwerkstatt“ geschädigtengünstig: AG Meißen 29.5.19, 115 C 405/18, Abruf-Nr. 216129 ‒ junger Leasingwagen mit wirtsch. TS; LG Saarbrücken 29.10.20, 6 O 187/20, Abruf-Nr. 218750 ‒ mit Material und Werkzeug beladener Servicewagen, wirtsch. TS. Geschädigtenungünstig: KG 4.12.06, 12 U 206/05, Abruf-Nr. 071967 ‒ erkennbare Reparaturunwürdigkeit, Verwertung in Berlin statt Ingolstadt zumutbar; LG Stuttgart 15.6.11, 8 O 434/11, Abruf-Nr. 112428 ‒ Abschleppauftrag an Heimatwerkstatt, einfache Entfernung 375 km.

    2. Reparaturfälle

    Bei eindeutiger Reparaturwürdigkeit, wie im Fall unverschuldeter Fehleinschätzung, kann ein (Weiter-)Transport zur heimischen Vertrauenswerkstatt in Grenzen wirtschaftlich vernünftig und damit „erforderlich“ sein, immer vorausgesetzt, der Unfallwagen kann oder darf nicht mehr auf eigener Achse bewegt werden. Für die fehlende Fahrbereitschaft wie für deren Unfallbedingtheit ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig.

     

    Die in manchen Urteilen zu lesende Formel „nächstgelegene geeignete Werkstatt“ (z. B. LG Ellwangen 15.2.12, 2 O 340/11, Abruf-Nr. 120818) muss kritisch hinterfragt werden, zumal in Corona-Zeiten. Ebenso die mit § 254 Abs. 2 BGB begründete Aussage, dass eine Instandsetzung in der unfallortnächsten Markenwerkstatt i. d. R. zumutbar sei (OLG Köln NZV 91, 429; AG Frankfurt a. M. 12.3.20, 30 C 246/19, juris). Argumente pro Abschleppen nach Hause (ohne Corona-Aspekte): Abholen des vor Ort reparierten Fahrzeugs hätte ähnlich hohe, wenn nicht höhere Kosten verursacht (Hinfahrt zur Werkstatt, ggf. Übernachtung, Verdienstausfall, Rückfahrt). Aus der sehr stark einzelfallgeprägten Rspr. (Tendenz geschädigtenfreundlich): AG Deggendorf 27.6.18, 3 C 259/17, juris (bis 100 km ohne Weiteres Heimatwerkstatt); AG Schwandorf 21.8.17, 1 C 187/17, Abruf-Nr. 196284; AG Rosenheim 12.5.17, 8 C 90/17, Abruf-Nr. 194519; AG Siegburg 14.4.16, 124 C 7/16, Abruf-Nr. 185866. Versicherungsgünstig AG Pfaffenhofen 22.12.17, 1 C 710/17, juris (Schleppentfernung 141 km, älterer VW Golf). Erhebliches Gewicht hat auch das ‒ oft übersehene ‒ Nachbesserungsargument: Heimat schlägt Ferne. Je größer die Entfernung Wohnsitz/Werkstatt, desto höher etwaige Nachbesserungsbegleitkosten (Fahrt, Übernachtung, Verdienstausfall etc.), vgl. Otting, SVR 15, 334. Zur Konstellation „erst nach Hause, dann zur Werkstatt“ s. LG Stade 19.7.19, 4 S 63/18, Abruf-Nr. 216770; zur Konstellation „erst unfallortnaher Betriebshof, dann Heimatwerkstatt“ AG Wiesloch 28.8.20, 1 C 183/19, Abruf-Nr. 217736; AG Frankfurt a. M. 12.3.20, 30 C 246/19 (71), juris.

     

    Übersicht 2 / Probleme zur Höhe der Kosten

    1. Ausgangspunkt

    Die Kosten für das Abschleppen eines unfallbeschädigten Fahrzeugs gehören zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn das Abschleppen zur Instandsetzung oder Ersatzbeschaffung erforderlich und zweckmäßig ist (st. Rspr., aktuell OLG Bamberg 26.8.20, 5 U 118/20, Abruf-Nr. 217697).

    2. Zahlung oder nur Freistellung?

    KH-Versicherer stehen häufig auf dem Standpunkt, der Geschädigte habe lediglich einen Freistellungsanspruch, zumal dann, wenn er die Rechnung des Abschleppdienstes noch nicht (voll) bezahlt habe. Dieser Freistellungsanspruch wird dann mitunter mit der Maßgabe anerkannt, dass der Beklagte (= Versicherer) sich verpflichtet, den Kläger von dem Betrag x gegenüber dem Abschleppdienst XY dadurch freizustellen, dass diese Werklohnforderung auf eigene Kosten des Beklagten abgewehrt wird.

     

    Richtig ist: Auch wenn die Rechnung noch nicht bezahlt ist, kann der auf Zahlung gerichtete Anspruch nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB geltend gemacht werden (BGH NJW 17, 1785 Rn. 11 ‒ Sachverständigenkosten; OLG Bamberg 25.8.20, 5 U 118/20, Abruf-Nr. 217697 ‒ Abschleppkosten). Bezahlung ist keine Schlüssigkeitsvoraussetzung.

     

    Praxistipp | Für Geschädigten-Anwälte: Nicht auf Freistellung, sondern auf Zahlung (mit Verzinsung) klagen! Dann geht das o. a. Maßgabe-Anerkenntnis von vornherein ins Leere (AG Böblingen 9.12.20, 20 C 460/20, Abruf-Nr. 219811).

    3. Darlegungs-/Beweislast und Beweisführung/richterliche Schätzung

    In prozessualer Hinsicht sind die folgenden Punkte zu beachten.

     

    • Erforderlichkeit i. S. d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nach Grund und Höhe der Kosten
    • Hierfür ist der Geschädigte, wie auch sonst, darlegungs- und beweispflichtig. Dazu reicht es, die ‒ von ihm beglichene ‒ Rechnung vorzulegen (so OLG Bamberg a. a. O.). Die Betonung liegt auf „beglichen“. Weist er die Zahlung nach, zweckmäßigerweise durch ihn persönlich (zur Zahlung durch seinen Anwalt s. BGH NJW 20, 1001 Rn. 17), kommt ihm die Indizwirkung der bezahlten Rechnung zugute, sofern der Zahlbetrag mit der getroffenen Preisvereinbarung übereinstimmt. In Fällen ohne vorherige Preisabsprache nützt die Zahlung nichts (keine Indizwirkung, s. Eggert VA 18, 62).
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    • Worin besteht der konkrete Vorteil der Indizwirkung? Bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist der tatsächlich erbrachte Aufwand, sprich Bezahlung der Rechnung gem. Preisabsprache, ein wesentliches Indiz (Anhalt) für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags (BGH NJW 20, 1001 Rn. 16). Um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen, reicht es dann nicht (mehr) aus, die Erforderlichkeit des Rechnungsbetrags einfach zu bestreiten. Dann ist nur noch ein substanziiertes Bestreiten beachtlich (OLG Bamberg a. a. O. mit Beispiel für ein derartiges Bestreiten). Kurz: Vortragsentlastung auf Geschädigtenseite mit korrespondierender Belastung der Gegenseite.
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    • Rechnung nicht bzw. nicht voll bezahlt
    • Bei Fehlen der Indizwirkung der beglichenen Rechnung oder anderer gleich gewichtiger Indizien genügt grundsätzlich einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit der Kostenhöhe (BGH NJW 18, 693 Rn. 20). Ein gleich gewichtiges Indiz kann eine mit dem Abschleppdienst geschlossene Vergütungsvereinbarung darstellen, die der Geschädigte im Zeitpunkt des Abschlusses für plausibel halten durfte.
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    • Diese Voraussetzungen liegen in Abschleppfällen nur höchst selten vor. Regelmäßig fehlt schon eine Vergütungsvereinbarung, auch wenn diese konkludent zustande kommen kann. Ist sie ausnahmsweise getroffen (ein Preisaushang am Abschleppwagen genügt dafür ebenso wenig wie die Übergabe einer Preisliste), bleibt fraglich, ob der Geschädigte sie mangels Kenntnis der Einzelkonditionen für plausibel halten durfte. Auf den Punkt gebracht: Das Thema Indizwirkung kann der Geschädigte bzw. sein Anwalt vergessen. Um damit zu argumentieren, fehlt die faktische Basis (Vergütungsvereinbarung).
    • Um den aus Sicht der Schädigerseite überhöhten Rechnungsbetrag (meist der Kürzungsbetrag) erfolgreich einzuklagen, ist vorzutragen und unter Sachverständigenbeweis zu stellen, dass der in Rechnung gestellte Betrag insgesamt wie in den Einzelpositionen der ortsüblichen Vergütung entspricht. Das ist keine Behauptung ins Blaue hinein. Auch prozessual ist der Geschädigte in der Annahme schutzwürdig, dass der Abschleppunternehmer nicht mehr als die ortsüblichen Sätze verlangt. Den Abschleppunternehmer als Zeugen zu benennen und/oder ihm den Streit zu verkünden, kann sinnvoll sein.
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    • Macht es aus Geschädigtensicht Sinn, sich auf die Preis- und Strukturumfrage des Verbandes der Bergungs- und Abschleppunternehmen e. V. (VBA) zu berufen, kurz PuS? Oft wird diese Erhebung (die aktuelle Ausgabe 2020 ist unter www.vba-ev.de abrufbar) schon von der Gegenseite zur Anspruchsabwehr eingesetzt. Der Anwalt des Geschädigten kann sich ein Bild davon machen, ob die in Rechnung gestellten Sätze über oder unter den bundesweiten Durchschnittswerten der PuS liegen. Die ortsüblichen Sätze findet er dort nicht. Zum Beweiswert der PuS und zu deren Bedeutung für die richterliche Schätzung siehe unten.
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    • Wenn der Abschleppdienst im Rahmen des Ortsüblichen abgerechnet hat, ist auch schadensrechtlich alles klar (LG Stuttgart 7.12.17, 5 S 293/16, Abruf-Nr. 199740). Bleibt die spannende Frage: Kann der Geschädigte Ersatz von Abschleppkosten beanspruchen, die nicht im Rahmen des Ortsüblichen liegen, daran gemessen objektiv überhöht sind? In der Rspr. der Instanzgerichte existieren zwei Lösungswege. Vom BGH gibt es noch keine Antwort:
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      • Lösung A (geschädigtengünstig):
    • Solange für ihn als Laien nicht erkennbar ist, dass der Abschleppunternehmer eine die geschuldete übliche Vergütung (§ 632 Abs. 2 BGB) deutlich übersteigende Rechnung gestellt hat, kann der Geschädigte Ausgleich aller tatsächlich gezahlten Aufwendungen verlangen (OLG Celle 9.10.13, 14 U 55/13, Abruf-Nr. 133275). In diese Richtung auch AG Nürnberg 9.11.17, 37 C 3441/17, Abruf-Nr. 198373: „Abschleppkosten sind grundsätzlich in vollem Umfang zu erstatten, es sei denn, dass eine Überhöhung für den Laien erkennbar war oder ihn ein Auswahlverschulden trifft.“ Ähnlich AG Tettnang 12.10.20, 8 C 335/20, Abruf-Nr. 218381 (Polizeiauftrag); AG Schwandorf 2.6.16, 1 C 7/16, Abruf-Nr. 186385; AG Neu-Ulm 12.8.14, 7 C 676/14, Abruf-Nr. 142776; AG Pfaffenhofen 6.12.19, 1 C 360/19, juris.
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      • Lösung B (geschädigtenungünstig):
    • Auszugehen sei von den „angemessenen ortsüblichen“ Abschleppkosten (AG Böblingen 9.12.20, 20 C 460/20, Abruf-Nr. 219811). Mehr müsse der Schädiger nicht finanzieren, so das AG ohne nähere Begründung; ebenso AG Frankfurt a. M. 12.3.20, 30 C 246/19 („nur in Höhe der üblichen Vergütung“) unter Berufung auf AG Krefeld zfs 14, 382. Dass allein die vom Geschädigten gem. § 632 Abs. 2 BGB geschuldete ortsübliche Vergütung für die Bestimmung des erforderlichen Aufwands maßgeblich sei, sagt auch das LG Stuttgart (7.12.17, 5 S 293/16, Abruf-Nr. 199740).
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    • Stellungnahme: Die Lösung B scheint in Anlehnung an die Rspr. des BGH zu den Straßenreinigungs- und den Sachverständigenkosten entwickelt worden zu sein. Mehrere Gründe, tatsächliche wie normative, sprechen gegen eine Übertragbarkeit 1 : 1, die besseren für die traditionelle Lösung A. So wie der Schädiger das Werkstattrisiko zu tragen hat, geht auch das „Hakenrisiko“ zu seinen Lasten.
    • Praxistipp | Von Vorteil für den Geschädigten ist es, wenn er die Rechnung vollständig bezahlt hat. Damit kann er zwar mangels Preisvereinbarung keine Indizwirkung generieren (s. o.), wohl aber seine Schutzwürdigkeit stärken. Im Übrigen: Eine Klage aus eigenem Recht des Geschädigten ist erfolgversprechender als eine Zessionsklage, weshalb ggf. an eine Rückabtretung zu denken ist. Nützlich ist ferner das Angebot, einen etwaigen Schadenersatzanspruch gegen den Abschleppunternehmer abzutreten.
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    • Die Ermittlung der ortsüblichen Vergütung
    • Als Blaupause kann das Urteil des LG Stuttgart dienen (7.12.17, 5 S 293/16, Abruf-Nr. 199740). Der Schätzung nach § 287 ZPO liegen die Preis- und Strukturumfragen des VBA für 2014 und 2016 zugrunde (Unfall in 2015). Zur örtlichen Feindifferenzierung der bundesweiten Durchschnittswerte („alle Verrechnungssätze sind statistische Mittelwerte“), d. h. zur Ermittlung des Ortsüblichen (hier: Großraum Stuttgart), hat die Kammer ergänzend einen Sachverständigen eingeschaltet, der örtliche Abschleppdienste befragt hat.
    • Kritisch anzumerken ist, dass auch im Rahmen freier Schätzung nach § 287 ZPO Durchschnittswerte problematisch sind. Für den Median LG Hannover 19.12.17, 9 O 239/13, juris. Eine dritte Variante wäre der Modus. Fakt ist: Die (orts)übliche Vergütung (§ 632 Abs. 2 BGB) bewegt sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite. Ausreißer sind zu eliminieren; die Mehrzahl zählt (BGH X ZR 80/05, Rn. 13). Die Bandbreiten der ermittelten Durchschnittswerte (d. h. die Ober- und Untergrenzen) werden vom VBA nur bekannt gegeben, wenn ein berechtigtes Interesse an diesen Werten glaubhaft gemacht werden kann. Das wird bei Anfragen von Gerichten und forensisch tätigen Sachverständigen in der Regel bejaht.
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    • Das LG Stuttgart a. a. O. hat auf diese Möglichkeit verzichtet. Es hat auf den bundesweiten Durchschnittswert lt. VBA-Erhebungen abgestellt, diesen jedoch zu Recht nicht als ortsüblich genommen. Es hat diesen vielmehr, sachverständig beraten, um einen t„Ortszuschlag“ aufgestockt (11,63 Prozent). Diese Vorgehensweise ist von § 287 ZPO gedeckt. Überzeugend auch LG Hannover 19.12.17, 9 O 239/13, juris (Bergen und Abschleppen eines Lkw nach BAB-Unfall in Niedersachsen mit landesspezifischer Besonderheit).
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    • Bei strittigen Klagebeträgen von oft weniger als 500 EUR (Pkw, Krad) sind die Gerichte erfahrungsgemäß nicht geneigt, ein Gutachten einzuholen, um die ortsüblichen Konditionen zu klären. Ein solcher Aufklärungsverzicht verstößt nicht per se gegen § 287 ZPO (vgl. OLG Nürnberg 10.12.20, 13 U 4537/19, juris). Herangezogen wird nur die PuS (statt vieler: AG Frankfurt a. M. 12.3.20, 30 C 246/19, juris; AG Lörrach 5.12.18, 4 C 407/18, juris). Zur Ermittlung der Standgeldhöhe auf PuS-Basis LG Chemnitz 25.4.19, 3 S 1/18, Abruf-Nr. 212104. Zur Erstattungsfähigkeit von Standgeld grundsätzlich BGH NJW 13, 1151 Rn. 25.
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    • Dem Richter muss klar gemacht werden: Die bundesweiten VBA-Durchschnittswerte bilden allein betrachtet nicht die ortsübliche Vergütung ab, schon gar nicht ziehen sie die Entschädigungsobergrenze, auch keine Untergrenze. Richtig gesehen sind sie nur die Grundlage der Schätzung, die örtliche Feindifferenzierung muss hinzukommen. 15 Prozent über dem Bundesdurchschnitt können ortsüblich sein (AG Stuttgart 19.10.20, 41 C 1927/20, Abruf-Nr. 218709). Es kann vom Schätzungsermessen gedeckt sein, in Ballungsgebieten mit einem Ortszuschlag von 10 bis 20 Prozent zu rechnen. Im ländlichen Raum muss ein höherer Betrag als der VBA-Durchschnittswert konkret begründet werden (AG Bernkastel-Kues 6.12.16, 4a C 320/16, juris). Es kommt eher ein Abschlag in Betracht. Es ist ermessensfehlerfrei, den Mittelwert innerhalb der ortsüblichen Preisspanne anzusetzen (OLG Brandenburg 23.1.19, 7 U 251/14, juris, keine Abschleppsache). Zur Vertiefung Nugel, zfs 14, 370; Saller, DAR 15, 109.
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    • Als Richtschnur für die Ermittlung der ortsüblichen Vergütung können außer der Lkw-Bergungs-Entscheidung BGH NJW 04, 3484, Rn. 17/18, die beiden BGH-Urteile vom 4.4.06, X ZR 122/05 und X ZR 80/05 herangezogen werden (Sachverständigenvergütung), ferner BGH 9.12.14, VI ZR 138/14 (Straßenreinigungskosten). Es kann hilfreich sein, das Gericht bzw. den Gutachter auf diese Rspr. hinzuweisen.
    • Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB
    • Zwischen dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB richtig zu trennen, macht auch bei der Position „Abschleppkosten“ einige Schwierigkeiten. Wenn Gerichte in den einschlägigen Urteilen von „Schadenminderung(spflicht)“ sprechen, kann das eine wie das andere gemeint sein. Wichtig ist die Unterscheidung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
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    • Aufgrund der besonderen Situation, in der sich Geschädigte meist befinden („Eil- und Notsituation“), trifft sie keine Pflicht zur Erkundigung und zum Vergleich von Preisen, erst recht keine Pflicht zur Markterforschung (st. Rspr., z. B. OLG Celle 9.10.13, 14 U 55/13, Abruf-Nr. 133275; LG Freiburg 20.3.20, 5 O 71/19). Die Darlegungs- und Beweislast für die Annahme wirtschaftlich vernünftigen Verhaltens, z. B. in der Frage „nächstgelegene Werkstatt/Heimatwerkstatt“, trägt der Geschädigte. Dabei kommt ihm die subjektbezogene Schadensbetrachtung zugute.