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  • · Fachbeitrag · Angelegenheit

    Zurückverweisung durch Verfassungsgericht: Weiteres Verfahren ist neuer Rechtszug

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Hebt ein Verfassungsgericht die Entscheidung eines Gerichts auf und verweist die Sache an dieses zurück, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug (BGH 19.9.13, IX ZB 16/11, Abruf-Nr. 133296).

     

    Sachverhalt

    Im Zivilverfahren hatte das AG den Beklagten B verurteilt, an die Klägerin K einen Geldbetrag zu zahlen. Dagegen erhob B die Anhörungsrüge, die das AG zurückwies. Auf seine Verfassungsbeschwerde hob der bayerische VerfGH das amtsgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Das AG verurteilte B dann (teilweise) erneut und legte ihm und der K einen Teil der Kosten des Rechtsstreits auf.

     

    Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte B erfolglos unter Hinweis auf § 21 RVG auch eine weitere 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG. Diese war vom AG nicht in Ansatz gebracht worden. Die Beschwerde des B beim LG hatte keinen Erfolg: Eine weitere Terminsgebühr sei nicht anzuerkennen, weil § 21 RVG die Gebührenfrage nur bei einer Zurückverweisung durch das Rechtsmittelgericht regele. Die Verfassungsbeschwerde sei kein ordent­liches Rechtsmittel. Durch sie werde nicht über die anhängige Sache an sich verhandelt und entschieden. Auch trete mit ihrer Erhebung keine Hemmung der Rechtskraft der fachgerichtlichen Entscheidung ein. Die Entscheidung des VerfG sei mit der Regelung des § 321a ZPO vergleichbar. Hiernach sei das Verfahren fortzuführen, und die Gebühren entstünden insgesamt nur einmal. Mit seiner Rechtsbeschwerde hat B die Aufnahme der weiteren Terminsgebühr in das Kostenfestsetzungsverfahren erstrebt. Der BGH ist dem gefolgt.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Terminsgebühr ist erneut entstanden. Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht nach § 21 Abs. 1 RVG ein neuer Rechtszug. Die Norm findet auch ­Anwendung, wenn ein VerfG die Entscheidung eines anderen Gerichts aufhebt und die Sache zur neuen Entscheidung hierhin wieder zurückverweist.

     

    Dafür sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Zwar steht das VerfG außerhalb des förmlichen Instanzenzugs. Stellten es eine Verfassungsverletzung fest, wird die angefochtene Entscheidung jedoch ebenso wie bei einem ­ordentlichen Rechtsmittel aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Im Umfang seines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs nimmt daher auch das VerfG gegenüber dem Vordergericht die Funktion eines übergeordneten Gerichts wahr. § 21 Abs. 1 RVG soll die durch eine Zurückverweisung entstehende Mehrarbeit des Rechtsanwalts vergüten - auch in diesem Fall. Hierfür ist maßgeblich, dass der Anwalt typischerweise die verfassungsrechtliche Entscheidung und ihre prozessrechtliche Vorgeschichte in seine Betrachtungen einbeziehen und seine Prozesstaktik hierauf aufbauen muss.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist zwar im Zivilverfahren ergangen, sie gilt aber auch für die Aufhebung und Zurückverweisung durch das VerfG in Straf- und Bußgeldsachen (Burhoff, RVG prof. 13, 50). In Zivilverfahren ist allerdings Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG zu beachten. Danach ist die bereits entstandene Verfahrens­gebühr auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen.

     

    Merke |  In Straf- und Bußgeldsachen findet keine Anrechnung statt.

     

    Der BGH hat sich mit seiner erstmaligen Entscheidung dieser Frage der h.M. in Rechtsprechung und ­Literatur angeschlossen (OVG Lüneburg AnwBl 66, 137 zu § 15 BRAGO; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 21 RVG Rn. 3; ­Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 3).

     

    In dem Verfahren vor dem Gericht, an das zurückverwiesen wird, fallen die Gebühren also erneut an. Daran hat sich durch das 2. KostRMoG v. 23.7.13 (BGBl 13, 2586) nichts geändert, obwohl die Regelung in § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a.F. weggefallen ist. Dort war früher geregelt, dass der Rechtsanwalt im ­gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann (zum Begriff des Rechtszugs Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A, Rechtszug § 19 Rn. 1198). Jetzt ist in § 17 Nr. 1 RVG bestimmt, dass das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegan­gene Rechtszug eine eigene Angelegenheit bilden. Aufgrund dieser Formulierung könnte man der Auffassung sein, dass das zurückverwiesene Verfahren keine unterschiedliche Angelegenheit ist. Es könnte nicht als „vorausgegangener Rechtszug“ angesehen werden, sondern nach § 21 Abs. 1 RVG als „neuer Rechtszug“. Diese Auslegung würde aber verkennen, dass durch den Wegfall des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a.F. und die Neuregelung des § 17 Nr. 1 RVG keine gebührenrechtlichen Änderungen beabsichtigt waren (BT-Drucksache 17/11471, 267). Der Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen, dass die alte Rechtslage insgesamt von der neuen Regelung erfasst wird.

     

    Anderenfalls würde zudem Sinn und Zweck der Regelungen in § 17 Nr. 1, § 21 Abs. 1 RVG verkannt. Denn sie sollten und sollen nach wie vor sicher­stellen, dass der Rechtsanwalt auch im zurückverwiesenen Verfahren noch einmal Gebühren berechnen kann (BGH, a.a.O.). Es ist kein Grund ersichtlich, dass der Gesetzgeber davon abweichen wollte. Das würde auch der vergleichbaren Rechtslage bei der Wiederaufnahme entgegenstehen, nach der bei dem Ursprungsverfahren, das Wiederaufnahmeverfahren und das wiederaufgenommene Verfahren ausdrücklich als verschiedene Angelegenheiten angesehen werden. Schließlich lässt sich mit allgemeinen verfahrensrechtlichen Überlegungen der Anfall gesonderter Gebühren im Verfahren nach Zurückverweisung begründen. Wird nämlich ein Urteil aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen, befindet sich das Verfahren wieder auf dem Stand nach Eröffnung des Hauptverfahrens. Das ist gebührenmäßig zwar nach § 21 Abs. 1 ein „neuer“ Rechtszug, zugleich aber wieder der dem Rechtsmittel „vorausgegangene Rechtszug“, für den § 17 Nr. 1 RVG gilt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Burhoff, RVG prof. 13, 50: Verweisung und Zurückverweisung - So wirken sie sich auf die Gebühren aus
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 2 | ID 42397178