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  • · Fachbeitrag · Berufsübergreifende Kooperation

    Mit Ärzten auf Augenhöhe arbeiten - Was geht bei gesetzlich versicherten Patienten?

    von Rechtsanwalt Manfred Weigt, Norden

    | Mehr Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen ist gut für die Patienten und von der Politik gewünscht. Problem nur: Es fehlen die passenden Rahmenbedingungen, damit Therapeuten und Ärzte umfassend kooperieren können. Wir schauen uns an, was geht und wie Sie die Zusammenarbeit rechtssicher gestalten können. |

    Zusammenarbeit und Kooperation

    • Beispiel

    Ein Arzt (Orthopäde/Chirurg) möchte zusammen mit einem Physiotherapeuten eine Praxis betreiben. In der Praxis sollen für gesetzlich versicherte Patienten orthopädische Leistungen und Physiotherapie aus einer Hand angeboten werden.

     

    Das Beispiel hört sich gut an. Aber ist eine solche Kooperation überhaupt möglich? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns verschiedene Regelungen ansehen: Rahmenempfehlungen, das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V), Zulassungsempfehlungen und die Berufsordnungen - aufgrund der Vielzahl an Regelungen können Sie schon erahnen, dass die Antwort auf die Frage „Was geht?“ nicht so einfach zu geben ist.

    Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände

     

    Gemeinsam zum Wohl des Patienten arbeiten - für viele ein Ideal (© Robert Kneschke - Fotolia.com)

     

    Eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Physiotherapeuten ist nach den Rahmenempfehlungen im Abschnitt „Zusammenarbeit des Heilmittelerbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt“ vorgesehen.

     

    • § 125 Abs. 1 SGB V § 17: Inhalt und Umfang der Kooperation

    Eine zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung ist nur zu gewährleisten, wenn der verordnende Vertragsarzt und der Therapeut eng zusammenwirken. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Arzt (...) und dem Therapeuten eine Kooperation sichergestellt ist.

     

     

    In Absatz 3 des gleichen Paragrafen ist dagegen geregelt, dass der Heilmittelerbringer den Vertragsarzt nicht aus eigenwirtschaftlichen Überlegungen in seiner Verordnungsweise beeinflussen darf. In den nachfolgenden Paragrafen werden weiterhin enge Grenzen gezogen, in welchen Fällen Verordnungen geändert werden dürfen und wie in Unterbrechungs-, Krankheits- und sonstigen Fällen verfahren werden darf. Damit handelt es sich hierbei streng betrachtet nicht um eine Regelung zur Kooperation im Sinne einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wie die Überschrift der Vorschrift vermuten lassen könnte, sondern um Vorgaben für den Therapeuten, was er bei der Durchführung dieser Verordnung zu beachten hat.

     

    ZWISCHENFAZIT |  Übertragen auf das oben genannte Beispiel heißt das: Die beschriebene Kooperation ist unzulässig, denn beide Partner sind an ein und derselben Praxis wirtschaftlich beteiligt und der Physiotherapeut hat an der Verordnung ein eigenwirtschaftliches Interesse.

     

    Regelungen des SGB V

    Auch § 128 SGB V begrenzt die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten.

     

    • § 128 Abs. 2 SGB V: Unzulässige Zusammenarbeit

    Unzulässige Zuwendungen […] sind auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.

     

     

    Übersetzt bedeutet das: Arbeiten Arzt und Physiotherapeut in einer Praxis zusammen und haben beide Einkünfte aus dieser Praxis, ist diese Kooperation bei der Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten unzulässig, da der Arzt mittelbar am Rezeptwert partizipiert.

     

    Zudem sind die Krankenkassen hier als Kontrollinstanz eingeschaltet, denn der Gesetzgeber fordert: „Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße gegen die Verbote […] angemessen geahndet werden. Für den Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können.“

     

    Ergänzend dazu gibt es seit 2009 zwei weitere Vorschriften, die in diesem Zusammenhang relevant sind: § 73 Abs. 7 SGB V und § 33 Abs. 2 der Ärztezulassungsverordnung nehmen das bestehende Verbot der Zuweisung gegen Entgelt auf, das besagt, dass der Arzt nicht am wirtschaftlichen Erfolg seiner Verordnung partizipieren darf.

     

    ZWISCHENFAZIT |  In unserem Beispielfall würde der Arzt durch die Kooperation am Wert des Rezepts teilhaben. Damit ist die Kooperation in dieser Form auch nach SGB V unzulässig.

     

    Zulassungsempfehlungen

    Die Zulassungsempfehlungen des GKV Spitzenverbands vom 1. März 2012 sehen zwar Kooperationsformen zwischen Leistungserbringern im Gesundheitswesen vor, allerdings nicht zwischen Vertragsärzten und Therapeuten.

     

    • Zulassungsempfehlungen Teil 1, Nr. 4: Zulässige Kooperationsformen

    Praxisgemeinschaften und Gemeinschaftspraxen zwischen Heilmittelerbringern sind möglich.

     

    Da hier eine gemeinsame Praxis mit einem Arzt nicht genannt wird, ist eine Kooperation zwischen einem Arzt und einem Physiotherapeuten auch nach den Zulassungsempfehlungen nicht möglich.

     

    ZWISCHENFAZIT |  Unsere Beispielpraxis kann darüber hinaus auch keine Zulassung erhalten, da der Arzt kein Heilmittelerbringer, sondern Erbringer von Krankenbehandlungen gemäß §§ 27, 95 SGB V ist.

     

    Die einzige Möglichkeit: Integrierte Versorgung

    Bei gesetzlich versicherten Patienten bestehen also nach den derzeitigen Bedingungen des SGB V große Bedenken für Kooperationen zwischen Physiotherapeuten und Ärzten. Zurzeit werden bei Ärzten Einkünfte aus Beteiligungen an Physiotherapiepraxen kritisch gesehen. Eine Ausnahme bildet lediglich die Zusammenarbeit im Rahmen der integrierten Versorgung. Nach § 140a SGB V können die Krankenkassen Verträge mit Angehörigen verschiedener Leistungssektoren abschließen. Damit wird eine sektorenübergreifende Versorgung der Versicherten oder eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung mit den in § 140b Abs. 1 genannten Vertragspartnern möglich.

    Vertrag zwischen Krankenkasse, Arzt und Therapeut

    Damit Physiotherapeuten und Ärzte im Sinne der Integrierten Versorgung zusammenarbeiten können, ist ein Vertrag zwischen der Krankenkasse des Patienten, dem Arzt und dem Therapeuten nötig. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Behandlung nötig ist, die mehrere Leistungssektoren überschreitet oder als interdisziplinäre fächerübergreifende Versorgung anzusehen ist.

     

    Doch was heißt integrierte Versorgung genau? Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (zum Beispiel nach dem Urteil vom 6.2.2008, Az. B6 KA 27/07) und dem Willen des Gesetzgebers soll sich die integrierte Versorgung als „zweite Säule“ der Regelversorgung entwickeln. Das bedeutet, dass bei der Integrierten Versorgung folgende Voraussetzungen zu beachten sind:

     

    • 1. Interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung: Die Beteiligung von Hausärzten allein reicht nicht aus, zusätzliche Facharzt- und Therapeutenbeteiligung sollte enthalten sein.
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    • 2. Leistungssektorenübergreifende Versorgung: Alternative Versorgungsstruktur, mit der die starren Grenzen von ambulanter und stationärer Versorgung überwunden werden können. Damit sollen insbesondere inhaltlich und institutionell getrennte Leistungsprozesse verknüpft werden. Ein Beispiel dafür ist die Verzahnung von ambulanten Operationen mit ambulanter Reha. Indiz für diese leistungssektorenübergreifende Versorgung ist die verschiedene Vergütungsregime überschreitende Budgetverantwortung.

     

    Das BSG führt aus, dass die Behandlungsleistungen in der integrierten Versorgung die der Regelversorgung in der ambulanten oder in der stationären Versorgung zumindest überwiegend ersetzen müssen. Ärzte und Therapeuten können somit kooperieren, wenn der Therapeut ambulante Rehabilitationsleitungen anbietet - immer unter der Voraussetzung, dass eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung der Versorgung gewährleistet werden kann. Das bedeutet, dass

     

    • in einer größeren Region, zum Beispiel in mehreren Land- oder Stadtkreisen, die Behandlung einer oder mehrerer versorgungsrelevanter Volkskrankheiten über die Integrierte Versorgung organisiert wird oder

     

    • in einer Region die gesamte Gesundheitsversorgung der Versicherten einer Kasse über die Integrierte Versorgung gewährleistet wird.

     

    Zurzeit kommen wegen dieses Erfordernisses insbesondere Verträge mit Betriebskrankenkassen in Betracht, da hier aufgrund der Mitgliederstruktur eher eine flächendeckende Versorgung möglich ist. Wie bei jedem Vertrag müssen Leistung und Gegenleistung der Partner - das heißt insbesondere die Leistungen des Arztes und des Physiotherapeuten - im Einzelnen ausgehandelt werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es bei der Behandlung von privat versicherten Patienten gibt, schauen wir uns in einer der nächsten Ausgaben von PP näher an.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 13 | ID 42369230