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  • · Fachbeitrag · Rechtshilfe/Amtshilfe

    Gruppenanfragen nach Art. 26 Abs. 1 OECD MA und deren Bedeutung für Art. 27 Abs. 1 DBA CH

    von RA Dr. Florian Bach, FA für StrR und StR, Kullen Müller Zinser Partnerschaftsgesellschaft, Sindelfingen

    | Im Nachgang zu der am 17.7.12 veröffentlichten Überarbeitung des Kommentars zum OECD MA hat sich bei den an ein Auskunftsersuchen zu stellenden Anforderungen und dem Begriff „Gruppenanfrage“ neuer Diskussionsbedarf ergeben. Sachlich nicht ganz zutreffend wurde darüber im Zusammenhang mit dem „Abkommen über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt“ vom 21.9.11 berichtet. Richtigerweise hätte das Problem „Gruppenanfrage“ aber mit dem am 26.3.10 paraphierten und am 27.10.10 zwischen der Schweizer Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Revisionsprotokoll verbunden werden müssen, das am 21.12.11 in Kraft getreten ist (BGBl II 11, 1090). |

    1. OECD-Musterabkommen

    Das erstmals im Jahr 1963 veröffentliche - und seitdem mehrmals überarbeitete - Musterabkommen der OECD (OECD MA) auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen dient dazu, Probleme im Zusammenhang mit der internationalen Doppelbesteuerung zu lösen. Bei dem MA handelt es sich nicht um eine verbindliche völkerrechtliche Vereinbarung, der Rat der OECD hat seinen Mitgliedstaaten jedoch empfohlen, beim Abschluss neuer Abkommen bzw. deren Überarbeitung dem MA zu folgen. Das MA enthält zu einzelnen Problemen gesonderte Bestimmungen wie beispielsweise

    • den Austausch von Informationen zwischen den Steuerverwaltungen der Vertragsstaaten (Art. 26 MA) oder
    • die Amtshilfe der Vertragsstaaten bei der Beitreibung der Steuern (Art. 27 MA).

     

    Zu jedem Artikel des MA gibt es eine Kommentierung, mit der die Bestimmung erläutert und interpretiert wird. Diese Anmerkungen werden vom Fiskalausschuss ausgearbeitet, der wiederum mit Sachverständigen besetzt ist, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten entsandt werden.

    2. Informationsaustausch nach Art. 26 OECD-MA

    Gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 1 MA tauschen „die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten … die Informationen aus, die zur Durchführung dieses Abkommens oder zur Verwaltung oder Anwendung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art … voraussichtlich erheblich sind“. Mit dieser großen Auskunftsklausel wird es dem ersuchenden Staat ermöglicht, um Auskünfte nachzusuchen, die zur Ermittlung des eigenen Steueranspruchs vonnöten sind.

     

    2.1 Fishing expeditions unzulässig

    Der mit der Formulierung „voraussichtlich erheblich“ umschriebene Maßstab soll für einen Informationsaustausch im weitest möglichen Umfang sorgen. Voraussichtlich erheblich sind Daten dann, wenn im konkreten Fall (!) die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der ersuchende Staat ein Besteuerungsrecht hat und zugleich ausgeschlossen ist, dass der ersuchende Staat ohne die begehrte Auskunft von dem Gegenstand der Besteuerung Kenntnis zu erlangen vermag. Es soll also sichergestellt werden, dass nicht um Auskünfte nachgesucht werden kann, die für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen wahrscheinlich unerheblich sind, zugleich - und sehr viel gewichtiger - erfolgt hierdurch eine Begrenzung der Amtshilfe auf den Einzelfall. Eine auf Ausforschung gerichtete Beweisanforderung ohne tatsächliche Anhaltspunkte (fishing expedition) ist mithin unzulässig.

     

    2.2 Gruppenanfragen neuerdings zulässig

    Am 17.7.12 wurde eine Neukommentierung zu Art. 26 MA veröffentlicht, die der Fiskalausschuss der OECD ausgearbeitet hat. Demnach muss internationale Amtshilfe nicht nur im Einzelfall gewährt werden, sondern auch für Gruppen von Steuerpflichtigen. Bei diesen Gesuchen müssen die betroffenen Personen durch spezifische Suchkriterien identifiziert werden.

     

    • Entwicklung

    Die bei der OECD erwachsenen Begierden gehen zurück auf die zwischen der Schweiz und den USA „ausgefochtenen“ UBS-Fälle. Das BVerwG der Schweiz hatte zu dem nach wie vor gültigen DBA CH/USA aus dem Jahr 1996 am 5.3.09 entschieden, dass Gruppenanfragen zulässig sind. Am 19.8.09 wurde dann zwischen der Schweiz und den USA das UBS-Abkommen geschlossen. Mit diesem Abkommen hatte sich die Schweiz verpflichtet, ein Amtshilfegesuch der US-Steuerbehörde (IRS) zu bearbeiten. Hierbei ging es um etwas mehr als 4.000 Fälle, die man von Seiten der Amerikaner als fortgesetzte schwere Steuerdelikte ausgemacht hatte und bei denen bestimmte Mindesthinterziehungs- bzw. Ertragsvolumina definiert werden konnten.

    Das BVerwG der Schweiz hatte dieses Abkommen zwar am 21.1.10 als weitestgehend rechtswidrig verworfen, da keine Anhaltspunkte für einen Abgabe-/Steuerbetrug i.S. des Schweizer Rechts zu erkennen waren. Um die UBS jedoch vor der Insolvenz zu bewahren, wurde diese Entscheidung letzten Endes „umgangen“ und das UBS-Abkommen in der Schweiz als förmliches Gesetz beschlossen (Wassermeyer/Weigell in Debatin/Wassermeyer, DBA-CH, Art. 27 Rn. 13). Hiermit wurde schlussendlich die erforderliche Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) Bankdaten an die IRS übermitteln durfte. Die UBS zahlte in diesem Zusammenhang Geldbußen von etwa 780 Mio. US $ an die amerikanischen Behörden.

    Von Interesse sind alsdann die Anforderungen, die an die Umschreibung eines zu missbilligenden Verhaltensmusters einer bestimmten Personengruppe zu stellen sind. Dies umso mehr, als auch in der aktuellen Kommentierung darauf hingewiesen wird, dass fishing expeditions unzulässig sind. Eine Definition des Begriffs Gruppenanfrage enthält das MA genauso wenig, wie der Kommentar hierzu. Allein den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einer Gruppenanfrage und einer nach wie vor verpönten Ausforschung („ins Blaue hinein“) ist man sich bewusst. In der Kommentierung heißt es insoweit: „ … where the request relates to a group of taxpayers not individually identified, it will often be difficult to establish that the request is not a fishing expedition …”.

     

    Auch ein Blick auf das DBA CH/USA bzw. das vom Schweizer BVerwG am 5.3.09 geäußerte Verständnis hiervon ist für die Klärung des Begriffs der Gruppenanfrage nicht sonderlich ergiebig. Voraussetzung für eine zulässige Gruppenanfrage ist dort eine missbilligende Beteiligung des Informationsinhabers, die ausweislich der Neukommentierung des Art. 26 MA aber gerade nicht erforderlich ist. In Ziffer 5.2 heißt es nämlich „ … in the case of a group request a third party will usually, although not necessarily, have actively contributed to the noncompliance of the taxpayers in the group, …“.

     

    Eine erste Orientierungshilfe für die nun erforderliche Differenzierung zwischen einer zulässigen Gruppenanfrage und einer unzulässigen Ausforschung wird man möglicherweise durch Anlehnung an die im Rahmen der Aufdeckung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO und den dort unter dem Stichpunkt Sammelauskunftsersuchen entwickelten Grundsätzen erlangen können.

     

    Das mit § 208 AO umschriebene Betätigungsfeld der Steuerfahndung ist nicht lediglich darauf begrenzt, die bereits in Umrissen bekannten steuerlich mutmaßlich relevanten Sachverhalte aufzuklären, mit den Vorfeldermittlungen darf sogar nach unbekannten Steuerfällen gesucht werden. Ungeachtet dessen bedarf es aber auch für solche Ermittlungen eines hinreichenden Anlasses, es darf nicht „ins Blaue hinein“ ermittelt werden. Zur Konkretisierung des Ermittlungsanlasses vermögen Formulierungen wie beispielsweise „gezielte Suche nach Zufallsfunden“ oder die Begriffe „Ausforschungsdurchsuchung“ oder „Rasterfahndung“ allerdings wenig beizutragen. Nachdem jedoch zukünftige Fälle gesucht werden dürfen, müssen auch prospektive Elemente Berücksichtigung finden dürfen. Diese gehen letzten Endes aber wiederum auf allgemeine (steuerfahnderische) Erfahrungen zurück, die in anderen - bereits bekannten - Fällen gemacht wurden. Damit weist der hinreichende Ermittlungsanlass auch einen retrospektiven Teil auf.

     

    Einigkeit dürfte insoweit bestehen, dass ein hinreichender Anlass nicht zureichende tatsächliche Anhaltspunkte i.S. eines strafrechtlichen Anfangsverdachts gemäß § 152 Abs. 2 StPO voraussetzt. Um aber das Übermaßverbot nicht zu verletzten, muss der hinreichende Anlass über die allgemeine Erwägung, dass Steuern häufig hinterzogen oder verkürzt werden (retrospektiver Teil) hinaus durch bestimmte Anhaltspunkte konkretisiert sein (prospektiver Teil). Man kann insoweit auch von einer erhöhten (Entdeckungs-)Wahrscheinlichkeit sprechen.

     

    Mit Urteil vom 9.12.08 hat der BFH (VII R 47/07, PStR 09, 103) zu der hinreichenden Veranlassung der Fertigung einer Kontrollmitteilung im Rahmen der Außenprüfung einer Bank Stellung genommen: Danach ist die Fertigung einer Kontrollmitteilung ausnahmsweise einmal gerechtfertigt, wenn ein bestimmtes Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, „die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung erkennen lassen, die - mehr als es bei Kapitaleinkünften aus bei Banken geführten Konten und Depots stets zu besorgen ist - dazu verlockt, solche Einkünfte dem FA zu verschweigen“. Diese Formulierung kann man auf die Vorfeldermittlungen übertragen und in derartigen Konstellationen dann auch von einer erhöhten (Entdeckungs-)Wahrscheinlichkeit sprechen. Lassen sich entsprechende Auffälligkeiten für eine Vielzahl von Fällen detailliert umschreiben, sind diese Auffälligkeiten zugleich geeignet Gegenstand einer Gruppenanfrage zu sein.

    3. Art. 27 Abs. 1 DBA CH

    Die durch den Austausch der Ratifikationsurkunden bereits am 21.12.11 in Kraft getretene Änderung des Art. 27 DBA CH entspricht im Wesentlichen dem Wortlaut von Art. 26 MA. Abweichungen bestehen im Hinblick auf die Möglichkeit zum Gebrauch der Informationen für andere Zwecke mit dem Einverständnis beider Staaten sowie in der ausdrücklichen Ermächtigung der Vertragsstaaten zu Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung von Informationsbegehren gegenüber Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie zur Ermittlung von Besteuerungsverhältnissen. Diese Abstufungen sind im Kommentar zum MA vorgesehen und mit dem OECD-Standard zu vereinbaren.

     

    3.1 Große Auskunftsklausel seit dem 21.12.11 in Kraft

    Aufgrund der nun im DBA-CH niedergeschriebenen großen Auskunftsklausel („ … tauschen die Informationen aus, die … zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art ... voraussichtlich erheblich sind …“) ist es der hiesigen Finanzverwaltung grundsätzlich möglich, die ESTV um Auskünfte zu ersuchen und hierbei Informationen zu erfragen, die sich (zurück) auf den Zeitraum ab dem 1.1.11 beziehen (BMF 4.1.12, IV B 2-S 1301-CHE/07-10027-01, BStBl I 12, 17).

     

    3.2 Beurteilung Auskunftsverlangen auf Schweizer Seite: ADV bzw. StAhiG

    Die auf der großen Auskunftsklausel beruhenden Auskunftsverlangen der deutschen Finanzverwaltung wurden auf Schweizer Seite bislang anhand der am 1.10.10 in Kraft getretenen Verordnung über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV) beurteilt. Demnach leitete die ESTV ein Amtshilfeverfahren dann ein, wenn die zweifelsfreie Identität der betroffenen Person und die des Informationsinhabers dargelegt wurden. Unter der Geltung der ADV wären Gruppenanfragen mithin nicht bearbeitet worden, da die Identität der betroffenen Person im Rahmen einer solchen Anfrage nicht dargelegt werden kann. Die ADV wurde mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiG) vom 28.10.12 zum 1.2.13 allerdings wieder aufgehoben. Ursprünglich enthielt auch dieses Gesetz den Grundsatz, dass Amtshilfe nur im Einzelfall geleistet wird. Die Wendung „im Einzelfall“ wurde im Laufe des Jahres 2012 jedoch gestrichen, mit der Folge, dass der sachliche Anwendungsbereich des StAhiG nunmehr auch Gruppenanfragen erfasst.

     

    Nachdem die am 17.7.12 veröffentlichte Kommentierung des OECD MA erst nach der Aufnahme der großen Auskunftsklausel im DBA CH in der Fassung vom 27.10.10 erfolgte, gilt es zu klären, ob die neu geschaffene Möglichkeit der Gruppenanfrage überhaupt rückwirkend Geltung erlangen kann. Es besteht Übereinstimmung, dass Änderungen des MA und damit einhergehende Änderungen des Kommentars keine Bedeutung für bereits geschlossene Abkommen entfalten können. Bloße Änderungen des Kommentars sollen hingegen bei der Anwendung/Auslegung bereits bestehender Abkommen herangezogen werden können, da eine neue Kommentierung auf den übereinstimmenden Willen des Fiskalausschusses und damit letztlich auf den Willen der OECD-Mitgliedstaaten zurückgeht; dies gilt umso mehr als Änderungen des MA bzw. auch Änderungen des Kommentars vielfach nur klarstellende Funktion haben. Darüber hinaus könne jeder Mitgliedstaat eine Bemerkung zum Kommentar anfügen. Mit dieser ließe sich beispielsweise dokumentieren, dass sich der jeweilige Staat einer neu in den Kommentar aufgenommenen Auslegung nicht anzuschließen vermag. Mit einer solchen Bemerkung wird ein Hinweis geschaffen, wie der die Bemerkung anbringende Staat den bestimmten Artikel des MA künftig anzuwenden gedenkt.

     

    Im Ergebnis können mithin auch spätere Fassungen des Kommentars bei der Auslegung bereits bestehender Abkommen Anwendung finden. Nachdem die Schweiz keine ablehnende Bemerkung zu der jetzigen Kommentierung des Art. 26 MA angefügt hat, erlangt der Begriff der Gruppenanfrage zunächst auch einmal Bedeutung im Rahmen von Art. 27 Abs. 1 DBA CH.

     

    Die ebenfalls zum 1.2.13 in Kraft getretene Verordnung über Amtshilfe bei Gruppenersuchen nach internationalen Steuerabkommen bestimmt, dass Informationen über Sachverhalte gewährt werden, die die Zeit ab dem Inkrafttreten des StAhiG betreffen, eine Rückwirkung erfolgt also nicht.

     

    3.3 Inhaltliche Anforderungen an eine zulässige Gruppenanfrage

    Es bleibt mithin aber immer noch die Frage, welche Anforderungen an das im Rahmen einer zulässigen Gruppenanfrage zu umschreibende Verhaltensmuster zu stellen sind. Zu den an dieser Stelle diskutierten Beispielen zählen regelmäßig wiederkehrende Bargeldabhebungen des Bankkunden, der Kauf von oft zur Steuerhinterziehung verwendeten Anlageprodukten oder auch die Weisung des Kunden, die für ihn bestimmte Post in der Bank zu lagern.

     

    In Anlehnung an das Urteil des BFH vom 9.12.08 (a.a.O.) bedarf die Beschreibung eines typisierten Verhaltensmusters allerdings der Darlegung einer besonderen Auffälligkeit, aus der für den durchschnittlichen Betrachter hervorgeht, dass dieses Verhalten allein dazu dient, Steuern zu hinterziehen. Bargeldabhebungen gehören nicht hierzu, da mit einer solchen Abhebung keine Steuern hinterzogen werden können und Bargeld für gewöhnlich keine Kapitalerträge erwirtschaftet. Den Aspekt einmal außeracht gelassen, dass im Wege einer Gruppenanfrage keine Auskünfte aus der Schweiz für die Zeit vor dem 1.2.13 zu erlangen sind, gehören Barabhebungen selbst dann nicht dazu, wenn nennenswerte Beträge oder gar das gesamte Guthaben im Rahmen der Beendigung der Geschäftsbeziehung in bar abgehoben wurden. Auch ein solches Verhalten ist nämlich nicht geeignet Steuern zu hinterziehen. Durch das zwischenzeitlich als Abschleichen mit einem selbstständigen Begriff umschriebenen Verhalten wird allenfalls versucht, die Entdeckung und/oder die Ahndung einer möglicherweise bereits begangenen Steuerhinterziehung zu verhindern.

     

    Solange jedoch der Grundsatz Nemo-tenetur-se-ipsum-accusare gilt, will sicherlich noch niemand aus einem solchen Verhalten auf eine Steuerhinterziehung schließen wollen. Auch die Verlagerung des gesamten Guthabens mittels einer bargeldlosen Transaktion von einer in der Schweiz ansässigen Bank zu einer Bank in ein Drittland, ist keine taugliche Umschreibung eines typisierten Verhaltens im Sinne einer zulässigen Gruppenanfrage. Wer sagt denn, dass mit dem in das Drittland transferierten Guthaben zukünftig auch tatsächlich steuerpflichtige Kapitalerträge erwirtschaftet werden? Dies einmal unterstellt, würde es sich lediglich wiederum um den Grad einer Befürchtung handeln, dass Kapitaleinkünfte gegenüber dem Finanzamt verschwiegen werden, der „bei Bank geführten Konten und Depots stets zu besorgen ist“ (BFH 9.12.08, a.a.O.).

     

    Auch die im Zusammenhang mit der Einführung der EU-Zinssteuer zum 1.7.05 erfolgte Verlagerung von Geldern beispielsweise von der Schweiz auf die Bermudas ist als Steuergestaltung - Vermeidung dieser Quellensteuer - nicht zu beanstanden und kein Indiz dafür, dass dieses Verhalten allein der Steuerhinterziehung dient. Auch die Umschreibung „Postversand banklagernd“ vermag eine Gruppenanfrage nicht zu rechtfertigen. Aus einem solchen Vermerk kann nämlich nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass Steuern hinterzogen werden, würde dies doch zunächst einmal die Annahme voraussetzten, dass unter jeder Bankbeziehung steuerpflichtige Erträge erlangt werden. Das ist aber nicht der Fall - zur Verdeutlichung sei einmal auf ein unter einer schweizerischen Bankbeziehung vorhandenes, gut gefülltes Metallkonto oder dort gar physisch vorhandene Metalle verwiesen. Entsprechendes gilt für ein Nummerkonto.

     

    Eine meines Erachtens aber zulässige Gruppenanfrage zeigt folgendes Beispiel: In 2012 sind (Schein-)Lebensversicherungen ins Visier der Steuerfahndung geraten. Hat nun die Finanzverwaltung beispielsweise anhand der aus anderen Fällen bekannten Lebensversicherungspolicen, etwaigen Nachträgen und individuellen Vereinbarungen hierzu oder den Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Erkenntnis gewonnen, dass mit Verträgen einer bestimmten Gesellschaft kein biometrisches Risiko abgedeckt wird, es sich vielmehr um einen vermögensverwaltenden Versicherungsvertrag handelt, der eben nicht unter die jeweils im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG fällt, dürfte sich ein typisiertes Verhaltensmuster beschreiben lassen, welches im Rahmen einer Gruppenanfrage zur Gewährung von Auskünften führen wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Aufgrund der in Art. 27 Abs. 1 DBA CH enthaltenen großen Auskunftsklausel und der sich aus Art. 26 OECD-MA ergebenden Kommentierung wird man ab dem 1.2.13 auch Auskunftsersuchen in Form einer Gruppenanfrage an die ESTV richten können. Es vermag jedoch nicht jedes erdenkliche Verhaltensmuster eine Gruppenanfrage zu rechtfertigen, auch wenn es sich hierbei um ein ungewöhnliches Verhaltensmuster handelt. Für eine zulässige Gruppenanfrage muss vielmehr ein Verhalten umschrieben werden, aus dem eindeutig hervorgeht, dass dieses Verhalten allein dazu dient/gedient hat, Steuern zu hinterziehen und es muss klar von einer nach wie vor unzulässigen fishing expedition abgegrenzt sein.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 72 | ID 37644000

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