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  • · Fachbeitrag · Kosten der Betriebsratstätigkeit

    Haftung der Betriebsratsmitglieder und des Betriebsrats für Beratungshonorare

    • 1. Ein Vertrag, den der Betriebsrat - vertreten durch dessen Vorsitzenden und Stellvertreter - mit einem Beratungsunternehmen schließt, ist soweit wirksam, wie die vereinbarte Beratung zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. In diesem Umfang besteht ein Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den ArbG gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG. Insofern besteht eine entsprechende Rechtsfähigkeit des Betriebsrats im Rahmen seines Wirkungskreises auch im Verhältnis zu Dritten.
    • 2. Der Betriebsrat kann sich im Rahmen eines solchen Vertrags trotz seiner Vermögenslosigkeit zur Zahlung des Entgelts wirksam verpflichten. Das „rechtliche Können“ folgt insofern dem „vermögensmäßigen Können“ des Betriebsrats.
    • 3. Betriebsratsmitglieder, die einen Beratungsvertrag mit einem Beratungsunternehmen abschließen und hierbei einen Aufgabenumfang vereinbaren, der nicht zur Erfüllung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist, können gegenüber dem Beratungsunternehmen entsprechend § 179 BGB haften, soweit ein Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat nicht wirksam zustande gekommen ist.

    (BGH 25.10.12, III ZR 266/11, Abruf-Nr. 123564)

    Sachverhalt

    Der ArbG plante im Jahr 2007 verschiedene innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen, die zum Abbau und zur Verlegung zahlreicher Arbeitsplätze führen sollten. Der Betriebsrat fasste daraufhin den Beschluss, sich im Verfahren über einen Interessenausgleich von einem externen Beratungsunternehmen betriebswirtschaftlich beraten zu lassen. Nachdem dies dem Beratungsunternehmen vom Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt worden war, erklärte das Unternehmen in einem an den Betriebsratsvorsitzenden gerichteten Schreiben, es nehme die Beauftragung an, und stellte gleichzeitig den Inhalt und die Kosten der Beratung dar.

     

    In der Folgezeit erbrachte das Beratungsunternehmen Leistungen, deren Umfang und Gegenstand zwischen den Beteiligten streitig sind. Das Unternehmen rechnete gegenüber dem Betriebsrat auf Basis von Tagewerken Kosten in einer Gesamthöhe von 86.762,90 EUR ab. Der Betriebsratsvorsitzende reichte die Rechnung mit der Bitte um Ausgleich an den ArbG weiter. Dieser verweigerte die Bezahlung mit der Begründung, die Leistung sei unzulänglich dokumentiert und nicht hinreichend detailliert beschrieben. Zudem sei ein Teil der Beratungsleistungen nicht erforderlich gewesen. Die vom Betriebsrat beschlossene Abtretung des Freistellungsanspruchs gegen den ArbG nach § 40 Abs. 1 BetrVG nahm das Beratungsunternehmen nicht an.

     

    Das Unternehmen verlangt nun vom Betriebsrat, dessen Vorsitzenden und der damaligen Stellvertretenden als Gesamtschuldner die Begleichung der Honorare. Der ArbG ist als Streitverkündeter aufseiten der Beklagten beigetreten.

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beratungsunternehmens mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage, soweit sie gegen den Betriebsrat gerichtet ist, als unzulässig verworfen wird. Die Revision und die Anschlussrevision führten zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 3. Senat des BGH hat klargestellt, dass auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen eine Haftung des Vorsitzenden und der stellvertretenden Vorsitzenden für die von dem Beratungsunternehmen geltend gemachten Honorarforderungen nicht ausgeschlossen werden könne.

     

    Insbesondere komme eine Haftung dieser Betriebsratsmitglieder als Vertreter ohne Vertretungsmacht entsprechend § 179 Abs. 1 BGB in Betracht, soweit der Betriebsrat als Gremium nicht wirksam verpflichtet worden sei.

     

    Insofern hat der BGH klargestellt, dass der Betriebsrat generell nicht rechts- und vermögensfähig sei. Er könne daher nicht am Rechtsverkehr teilnehmen. Allerdings besitze er die Fähigkeit, Inhaber vermögensmäßiger Rechtspositionen zu sein, soweit er innerhalb des ihm vom BetrVG zugewiesenen Wirkungskreises tätig werde.

     

    Das BAG habe bisher nicht ausdrücklich die Frage entschieden, ob aus dem Freistellungsanspruch gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG, den der Betriebsrat gegenüber dem ArbG besitze, eine Vermögensfähigkeit des Betriebsrats und seine Fähigkeit abgeleitet werden kann, als Gremium im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises, zu dem auch die Hinzuziehung externer Sachverständiger zähle, selbst Verträge mit Dritten zu schließen.

     

    Insofern hat der 3. Senat des BGH sich klar dahingehend geäußert, dass der Betriebsrat in Bezug auf Hilfsgeschäfte mit Dritten, die er im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises tätige, partiell rechtsfähig sei. Ein gegen den ArbG gerichteter Anspruch des Betriebsrats auf Befreiung einer Verbindlichkeit setze notwendig das Bestehen einer eigenen Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber dem Dritten voraus.

     

    Allerdings könne der Betriebsrat durch seine Vertreter, hier dessen Vorsitzenden und dessen stellvertretende Vorsitzende, nicht unbegrenzt verpflichtet werden. Die Vermögens- und Rechtsfähigkeit des Betriebsrats im Rechtsverkehr mit Dritten sei auf den ihm vom BetrVG übertragenen Aufgabenkreis beschränkt. Außerhalb dieses gesetzlichen Wirkungskreises könne er keine privatrechtlichen Geschäfte tätigen.

     

    Dies bedeute, dass eine Überschreitung der durch die beschränkte Rechtsfähigkeit des Betriebsrats gezogenen Grenzen bereits dann vorliege, wenn und soweit eine erforderliche Beratung in ihrer konkreten Ausgestaltung für die Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats im Einzelnen nicht erforderlich sei und ihr daher kein korrespondierender Erstattungs- oder Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den ArbG nach § 40 Abs. 1 BetrVG gegenüberstehe.

     

    Das rechtliche Können folge insoweit dem vermögensmäßigen Können. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten gegenüber dem ArbG bzw. ein Anspruch gegenüber dem Betriebsrat bestehe nicht, wenn der Betriebsrat eine Beratungstätigkeit in Auftrag gebe, die zur Wahrnehmung seines hier durch § 111 BetrVG bestimmten Aufgabenkreises nicht erforderlich sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die Erforderlichkeit aufgrund des zu weit gefassten Umfangs der Beratungstätigkeit oder der nicht marktüblichen Höhe der vereinbarten Vergütung scheitere. Da der Vertragspartner beim Betriebsrat wegen dessen im Regelfall bestehender Vermögenslosigkeit keine Befriedigung erlangen könne, die über den Freistellungsanspruch gegen den ArbG hinausgehe, sei für ihn eine weitergehende rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Betriebsrats überdies regelmäßig wertlos.

     

    Soweit das Beratungsunternehmen daher gegen den Betriebsrat wegen Überschreiten der „Erforderlichkeitsgrenze“ keinen wirksamen Honoraranspruch besitze, komme eine Haftung der handelnden Betriebsratsmitglieder, also im vorliegenden Fall des Betriebsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreterin, entsprechend § 179 BGB in Betracht.

     

    Die in § 179 BGB postulierte Haftung wegen Überschreitens der Vertretungsmacht durch den Vertreter trifft das jeweils rechtsgeschäftlich im Namen des Betriebsrats handelnde Betriebsratsmitglied. Überschreitet daher die mit einem Berater vereinbarte Vergütungshöhe schon im Ansatz den marktüblichen Tarif und ist daher nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG seitens des ArbG erstattungsfähig, haftet für den Differenzbetrag, vorbehaltlich der Einschränkung nach § 179 Abs. 2 und 3 BGB, dasjenige Betriebsratsmitglied, das den Vertrag in Namen des Betriebsrats geschlossen hat.

     

    Wenn die Erforderlichkeitsgrenze nicht bereits bei Vertragsschluss, sondern später durch Aufwendungen im Rahmen der Tätigkeit, die den Beratungs- und Zeitaufwand überschreiten, gesprengt wird, hat für den Mehraufwand dasjenige Betriebsratsmitglied einzustehen, das die konkrete Leistung beim Beratungsunternehmen oder Sachverständigen abgerufen hat.

     

    Zur Darlegungs- und Beweislast führt der BGH aus, dass das als rechtsgeschäftlich Handelnder in Anspruch genommene Betriebsratsmitglied beweisen muss, dass die Hinzuziehung des Beraters betriebsverfassungsrechtlich zulässig sowie nach Umfang und Vergütungshöhe erforderlich war, also im Rahmen der Grenzen des § 40 Abs. 1 BetrVG gelegen habe, um eine Haftung nach § 179 BGB wirksam abwenden zu können.

     

    Ob sich die Haftung auf das positive oder negative Interesse richte, hänge davon ab, ob das handelnde Betriebsratsmitglied Kenntnis gehabt habe, dass im konkreten Fall die Erforderlichkeitsgrenze überschritten gewesen sei. Dies ist dann zu verneinen, wenn das Betriebsratsmitglied infolge einer Rückfrage beim Beratungsunternehmen oder einer vorherigen Marktabfrage von der Üblichkeit des vereinbarten Honorarsatzes ausgehen konnte. Darüber hinaus ist eine Haftung des handelnden Betriebsratsmitglieds analog § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn dem Vertragspartner bekannt oder infolge Fahrlässigkeit unbekannt war, dass der Vertragsschluss einen außerhalb des gesetzlichen Wirkungskreises des Betriebsrats liegenden Gegenstand betraf oder das Honorar nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig war. Insofern stellt der BGH klar, dass ein Beratungsunternehmen, das auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert ist, die Höhe des marktüblichen Honorars kennen muss.

     

    Anderes gelte hingegen für den Umfang der Beratungstätigkeit. Allein Bedenken in einer Stellungnahme der ArbG, ob eine Beratungstätigkeit in diesem Umfang notwendig sei, seien insofern nicht ausreichend. Im Weiteren führt der 3. Senat aus, dass über die Haftungsbeschränkungen für handelnde Betriebsratsmitglieder, die in § 179 Abs. 2 und 3 BGB enthalten sind, weitere Haftungsprivilegierungen oder -befreiungen von Betriebsratsmitgliedern allein wegen der Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamts nicht in Betracht kommen.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil erhöht das Risiko der handelnden Betriebsratsmitglieder, nach § 179 BGB für die Verpflichtung von Sachverständigen und externen Beratern zu haften. Üblicherweise wird ein Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den ArbG, der im Rahmen der erforderlichen Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG wie auch die vorliegende Entscheidung klarstellt, grundsätzlich gegeben ist, an das Beratungsunternehmen abgetreten, das dann versucht, Zahlungsansprüche des Betriebsrats, nunmehr aus abgetretenem Recht, gegen den ArbG durchzusetzen.

     

    Eine direkte Inanspruchnahme von Betriebsratsmitgliedern ist bislang eine absolute Ausnahmeerscheinung. Der Betriebsrat kann, unabhängig von der Frage, wie dies dogmatisch zu begründen ist, nur in Höhe der erforderlichen, also erstattungsfähigen Kosten wirksam verpflichtet werden. Die handelnden Betriebsratsmitglieder können jedoch grundsätzlich, wie der BGH nun klargestellt hat, als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Höhe etwaiger überschießender Beratungshonorare in Anspruch genommen werden. Hiergegen können sie sich nur nach den Haftungsprivilegien des § 179 Abs. 2 und 3 BGB, mit dem Argument, dass das Beratungsunternehmen die die Marktüblichkeit übersteigende Höhe der Kosten hätte kennen bzw. den Umfang klar hätte darlegen müssen, zur Wehr setzen.

     

    Checkliste / Ansprüche gegen den Betriebsrat

    • Möglichkeit (gängige Praxis): Externer Berater/SV/RA lässt sich vom Betriebsrat den Kostenfreistellungsanspruch gegen den ArbG nach § 398 BGB, § 40 Abs. 1 BetrVG abtreten und geht dann gegen den ArbG vor.
    • Problem: Freistellungs- und Kostenerstattungsanspruch gegen den ArbG (und Betriebsrat!) besteht nur im Rahmen der erforderlichen Beratungs- und Sachverständigentätigkeit in Höhe des marktüblichen Honorars.
    • Bezüglich des überschießenden Betrags kommt eine Haftung der handelnden Betriebsratsmitglieder in Frage, die sich mit dem Kennen bzw. Kennenmüssen der Berater nach § 179 Abs. 3 BGB exkulpieren können.
    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 24 | ID 37556000