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  • · Fachbeitrag · AGG

    Unterbliebene Einladung zum Bewerbungsgespräch eines Schwerbehinderten als Benachteiligungsindiz

    Ein öffentlicher ArbG hat nach § 82 S. 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Ausnahme stellt nur die offensichtlich fehlende Eignung für die Stelle dar. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden (BAG 16.2.12, 8 AZR 697/10, Abruf-Nr. 120835).

    Sachverhalt

    Der schwerbehinderte Bewerber hatte sich auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt a.M. als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen GdB von 60 hingewiesen. Beim ArbG besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter, in der von einer Einladung zum Auswahlverfahren abgesehen werden kann, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragtem Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Der ArbG sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Bewerbers ab. Dieser sieht hierin eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung und verlangt eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 EUR.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LAG hat den ArbG zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700 EUR verurteilt. Die Revision des ArbG blieb vor dem BAG erfolglos. Der ArbG hätte den ArbN zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Integrationsvereinbarung beschränke nicht das Recht des Schwerbehinderten auf ein Vorstellungsgespräch. Deshalb bestehe eine Vermutung, dass dieser wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Die Vermutung sei auch nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung und zur fachlichen Eignung hätten. § 82 S. 2 und 3 SGB IX habe hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen ArbG zur Einladung schwerbehinderter Bewerber abschließenden Charakter. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des ArbN war nach Auffassung des 8. Senats aus formalen Gründen unzulässig.

     

    Praxishinweis

    § 82 S. 2 SGB IX ist (nur) für öffentliche ArbG zwingend. Die nicht erfolgte Einladung ist damit ein Indiz i.S. des § 22 AGG für eine Benachteiligung und löst damit einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG aus. Derzeit kann noch nicht gesagt werden, ob und wie weit die Entscheidung auch auf private Arbeitgeber übertragen wird. Dennoch sollte der Rechtsanwalt aus dem Fall sicherheitshalber folgende Punkte beachten: Die oben genannte Vermutung kann ein öffentlicher ArbG nur durch den Beweis widerlegen, dass für die Nichteinladung Gründe vorgelegen haben, die weder die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers noch dessen Schwerbehinderung betreffen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2012 | Seite 59 | ID 32437750