02.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132464
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 11.12.2012 – 4 K 4361/08
1. Unter die nach § 35a Abs. 2 S. 2 EStG begünstigten Handwerkerleistungen fallen sowohl Instandsetzungsmaßnahmen zur Erhaltung
oder Wiederherstellung des vertraglichen oder ordnungsgemäßen Zustands der Wohnung als auch Modernisierungsmaßnahmen, nicht
jedoch handwerkliche Tätigkeiten im Rahmen einer Neubaumaßnahme.
2. Als Neubaumaßnahme gelten alle Maßnahmen, die im Zusammenhang mit einer Wohnflächenschaffung bzw. Wohnflächenerweiterung
anfallen. Daher ist die Herstellung einer nachträglich eingebauten Dachgaube auch dann nicht gemäß § 35a Abs. 2 S. 2 EStG
begünstigt, wenn sie nur zu einer geringfügigen Erweiterung der Wohnfäche führt (im Streitfall: Wohnflächenerweiterung von
ca. 2,40 m²).
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 4. Senat – ohne mündliche Verhandlung am
11. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand:
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger
Tätigkeit.
Im Kalenderjahr 2006 ließen die Kläger das in ihrem Eigentum stehende und von ihnen bewohnte Einfamilienhaus modernisieren.
Ausweislich des Energieberatungsberichtes vom 02. Juni 2006 bestand das Haus u. a. aus einem Erdgeschoss und einem ausgebauten
Dachgeschoss. Im Dachgeschoss waren die Dachschrägen und die Geschossdecke nicht bzw. gering gedämmt. Im Rahmen von Umbaumaßnahmen
ließen die Kläger unter anderem in die Dachschräge eine Gaube einbauen, welche eine Dämmung aufweist und Fenster mit Isolationsglas.
Für die Herstellung der Dachgaube entstanden den Klägern ausweislich der Rechnung der X. Bau GmbH vom 10. Mai 2006 Aufwendungen
für Lohnkosten in Höhe von 2.100,00 Euro (Bl. 8 und 9 ESt-Akte Bd II). sowie ausweislich des Schreibens der Y. GbR vom 23.
März 2007 (Bl. 11 ESt-A Bd. II) zur Rechnung vom 27. April 2006 (Bl. 12 ESt-A Bd. II) Aufwendungen für Lohnkostenanteile in
Höhe von 547,88 Euro.
Im Rahmen der Einkommensteuererkl ärung 2006 machten die Kläger eine Steuerermäßigung für Aufwendungen für Handwerkerleistungen
für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen für die Lohnkostenanteile für die Herstellung der Dachgaube gemäß
§ 35a Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz – EStG – geltend. Der Beklagte lehnte im Einkommensteuerbescheid vom 31. August
2007 deren Berücksichtigung in vollem Umfang ab, weil diese bei Neubaumaßnahmen nicht begünstigt seien.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens änderte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember
2007 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid zu Gunsten der Kläger, lehnte aber die Berücksichtigung der Steuerermäßigung
für die Aufwendungen zur Herstellung der Dachgaube weiterhin ab.
Die Kläger verwiesen im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens darauf, dass ausweislich des Anwendungsschreibens der Finanzverwaltung
zu den berücksichtigungsfähigen Handwerkerleistungen Arbeiten z.B. am Dach, an der Fassade u. ä. zählten, unabhängig davon,
ob die Aufwendungen für einzelne Maßnahmen Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand darstellten. Es habe sich bei dem Einbau der
Dachgaube nicht um eine Neubaumaßnahme gehandelt habe. Das Dach sei ungedämmt bereits ausgebaut gewesen, der Wohnraum habe
bereits existiert. Durch die Gaube sei der Flur des Daches nur isoliert worden, sowohl an den Seitenflächen der Gaube als
auch im Dachbereich und an den Fenstern. Durch die Fenster werde der Flur erstmals von außen belichtet. Die betreffende Grundfläche
auf dem Dach sei bereits vorher nutzbar gewesen. Die der Gaube umbaute Fläche sei bereits vorher als Wohnfläche genutzt worden.
Die Dachschräge sei bis zum Boden gegangen und nicht durch eine Drempelwand verdeckt gewesen. Eine praktische Nutzung dieser
Fläche sei vor der Maßnahme gegeben gewesen. Lasse man diese praktische Nutzung gänzlich außer Acht, so ergebe sich aus der
Verordnung für Wohnflächenberechnungen lediglich eine unwesentliche Veränderung der Wohnfläche dadurch, dass vor der Maßnahme
Flächen aufgrund der lichten Raumhöhe nicht oder nur zu 50 v. H. anrechenbar gewesen seien. Es handele sich hierbei um Flächen
von ca. 1,60 m², die aufgrund einer lichten Höhe von weniger als einem Meter nicht anrechenbar und ca. 1,60 m², die aufgrund
einer lichten Höhe von mehr als einem Meter und weniger als zwei Metern zu 50 v. H. anrechenbar gewesen wären. Somit ergäbe
sich eine theoretische Erweiterung der Wohnfläche um ca. 2,40 m². Dies entspreche bei einer gesamten Wohnfläche von 90 m²
einer Erweiterung um ca. 2,7 v. H., was als eine nicht wesentliche Veränderung i. S. der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
– BFH – anzusehen sei. Zudem sei nach ständiger Rechtsprechung des BFH von einem Neubau nur dann auszugehen, wenn Baumaßnahmen
an einem bestehenden Gebäude einem Neubau gleichkämen. Das sei nicht der Fall. Die Kläger haben eine Skizze des Dachbodens
vorgelegt, auf die verwiesen wird (Bl. 10 Klageakte).
Mit der Teileinspruchsentscheidung vom 08. September 2007 wies der Beklagte den Einspruch über die bereits gewährte Abhilfe
hinaus als unbegründet zurück. Die geltend gemachten Aufwendungen der Kläger in Höhe von insgesamt 2.647,88 Euro für die Lohnkostanteile
bei der Herstellung der Dachgaube seien nicht zu berücksichtigen, da es sich insoweit um eine Neubaumaßnahme handele. Als
Neubaumaßnahme i. S. von § 35a EStG werde jede Maßnahme definiert, die im Zusammenhang mit einer Wohn- oder Nutzflächenerweiterung
anfalle. Dies gelte auch dann, wenn die Fläche nur geringfügig vergrößert werde, es sei denn, die Vergrößerung sei nur eine
Nebenfolge des gewählten Verfahrens der Dacherneuerung. Im Streitfall ergäbe sich nach den eigenen Berechnungen der Kläger
eine nicht nur theoretische Wohnflächenerweiterung von ca. 2,40 m². Denn die nur prozentuale Anrechenbarkeit von Flächen mit
geringer Raumhöhe entspreche einer geringeren praktischen Nutzbarkeit dieser Flächen. Um die Flächen unter der Gaube praktisch
besser nutzen zu können, sei diese Form der Dacherneuerung gewählt worden. Ein anderer Grund für den Gaubeneinbau sei nicht
ersichtlich.
Mit der am 11. November 2008 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 31. August 2007 in der Fassung der Teileinspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2008 dahingehend
zu ändern, dass weitere Handwerkerleistungen in Höhe von 2.647,88 Euro gemäß § 35a EStG steuermindernd berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung2FGO –). Der Beklagte hat zu Recht die beantragte Steuerermäßigung nach § 35 a Abs. 2 Satz 2 EStG versagt.
Gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert
um die sonstigen Steuerermäßigungen, für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs- Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen,
auf Antrag um 20 v.H., höchstens 600,– EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Nach der Rechtsprechung, der sich der
erkennende Senat anschließt, fallen unter die nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigten Handwerkerleistungen sowohl Instandsetzungsmaßnahmen
zur Erhaltung oder Wiederherstellung des vertraglichen oder ordnungsgemäßen Zustands als auch Modernisierungsmaßnahmen. Nicht
begünstigt sind nach der Auffassung mehrerer Finanzgerichte und der Verwaltung handwerkliche Tätigkeiten im Rahmen einer Neubaumaßnahme
(vgl. Finanzgericht – FG – Nürnberg Urteil vom 15. Dezember 2010 3 K 1991/2009 zitiert nach juris; Niedersächsisches FG Urteil
vom 20. Juli 2010 16 K 116/10, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2010, 2075; Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz
vom 01. Juli 2010 4 K 2708/07, EFG 2010, 1700; Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 35 a Rz. 15; Fischer in Kirchhof,
EStG, § 35 a Rz. 10; Bode in Kirchhof/Söhn, EStG, § 35 a Rz. D 5; Heß/Görn, DStR 2007, 1804; BMF-Schreiben vom 15. Februar
2010 IV C 4-S 2296-b/07/0003, BStBl I 2010, 140 Rz. 20). Als Neubaumaßnahme gelten alle Maßnahmen, die im Zusammenhang mit
einer Nutzfläche oder Wohnflächenschaffung bzw. Wohnflächenerweiterung anfallen.
Unter Berücksichtigung vorstehender Rechtsgrundsätze ist die Klage abzuweisen. Nach den eigenen Berechnungen der Kläger ergibt
sich durch die Herstellung der Dachgaube eine Wohnflächenerweiterung von ca. 2,40 m². Damit liegt eine Neubaumaßnahme im Sinne
der Rechtsprechung vor, die zu einer Wohnflächenerweiterung – wenn auch nur in geringem Umfang – geführt hat, die nicht unter
die Steuerermäßigung gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG fällt.
Die Kläger könnten sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des BFH vom 13. Juli 2011 VI R 61/10 (Bundessteuerblatt – BStBl –
II 2012, 232) berufen, weil der der dortigen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt des Streitfalls
nicht vergleichbar ist. Zudem hat der BFH die im Streitfall zugrunde gelegten Rechtsgrundsätze auch nicht geändert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.