Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 28.09.2011

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 28.07.2011 – 7 K 655/10

    An den Nachweis für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „beabsichtigt” im Sinne des § 7g Abs. 1 EStG sind keine übermäßig strengen Anforderungen zu stellen.


    Tatbestand

    Streitig ist ein Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG.

    Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

    Der Kläger erzielt mit einer Betriebsverpachtung an die A. GmbH Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zwischen beiden Firmen liegt eine Betriebsaufspaltung vor.

    Der Kläger bestellte am 12.02.2008 eine Photovoltaikanlage für 169.158,56 € netto (201.298,69 € brutto), die am 02.04.2008 installiert wurde.

    Am 08.05.2009 ging beim Finanzamt die Einkommensteuererklärung der Kläger für das Jahr 2007 ein. Mit Schreiben vom 29.07.2009 machte der Klägervertreter unter Vorlage einer Anlage EÜR für die beabsichtigte Anschaffung der Photovoltaikanlage einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 67.321,29 € im Rahmen eines neuen Betriebes geltend.

    Das Finanzamt erließ am 04.08.2009 den Einkommensteuerbescheid 2007, mit dem die Einkommensteuer 2007 auf 39.026 € festgesetzt wurde. Der Investitionsabzugsbetrag war darin nicht berücksichtigt.

    Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 01.09.2009 Einspruch ein. Zur Begründung verwiesen sie auf den beantragten Investitionsabzugsbetrag. Eines Nachweises der Investitionsabsicht durch Vorlage einer verbindlichen Bestellung bedürfe es nicht, da die Investition im Zeitpunkt der Antragstellung des Investitionsabzugsbetrags bereits durchgeführt und somit konkretisiert und die Betriebseröffnung im Jahr 2008 vollendet gewesen sei. Lediglich für den Fall, dass die Betriebseröffnung noch nicht vollendet gewesen wäre, bedürfe es zur Konkretisierung der Investitionsabsicht einer verbindlichen Bestellung (BFH-Urteil vom 19.04.2007 IV R 28/05, BStBl II 2007, 704). Der Finanzierungszusammenhang sei dadurch gegeben, dass die mit der Beantragung des Investitionsabzugsbetrags im Jahr 2007 verbundene Steuererstattung zur Rückführung der mit der Investition verbundenen Darlehen verwendet werden solle.

    Das Finanzamt stellte die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2007 mit Bescheid vom 16.09.2009 gem. § 164 AO unter den Vorbehalt der Nachprüfung. Der Investitionsabzugsbetrag blieb weiterhin unberücksichtigt.

    Am 17.09.2009 erließ das Finanzamt einen nach § 164 AO geänderten, inhaltsgleichen Einkommensteuerbescheid. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

    Die Kläger legten gegen den Bescheid vom 16.09.2009 und den Bescheid vom 17.09.2009 mit gesonderten Schreiben, jeweils vom 18.09.2009, wiederum Einspruch ein und begehrten weiterhin den Ansatz des geltend gemachten Investitionsabzugsbetrags.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 01.04.2010 wies das Finanzamt unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung den Einspruch vom 01.09.2009 gegen den Einkommensteuerbescheid vom 04.08.2009 als unbegründet zurück. In Jahren vor Abschluss der Betriebseröffnung könne ein Investitionsabzugsbetrag für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines begünstigten Wirtschaftsgutes nur gebildet werden, wenn die Investitionsentscheidungen hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen am Ende des Jahres, für das die Rücklage gebildet wird, ausreichend konkretisiert seien. Bei Rücklagen für wesentliche Betriebsgrundlagen sei es darüber hinaus erforderlich, dass das Wirtschaftsgut, für das die Rücklage gebildet werde, bis zum Ende des Jahres der Rücklagenbildung verbindlich bestellt worden sei (BFH-Urteile vom 25.04.2002 IV R 30/00, BStBl II 2004, 182; und vom 19.04.2007 IV R 28/05, BStBl II 2007, 704). Im Streitfall seien die Voraussetzungen für die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags nicht gegeben, da die Kläger keine verbindliche Bestellung bis zum Ende des Jahres der Rücklagenbildung (2007) nachgewiesen hätten. Vorliegend sei der Betrieb erst im April 2008 mit der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage eröffnet worden. Bei der installierten Anlage handele es sich unstreitig um eine wesentliche Betriebsgrundlage. Folglich sei für die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags im Jahr 2007, dem Jahr vor Abschluss der Betriebseröffnung, der Nachweis einer verbindlichen Bestellung erforderlich. Nach dem eindeutigen Wortlaut der vorgenannten Regelungen sei es entgegen der Auffassung der Kläger in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die Investition im Zeitpunkt der Antragstellung des Investitionsabzugsbetrags bereits durchgeführt und der Betrieb eröffnet worden seien. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gefahr einer missbräuchlichen Bildung einer Ansparrücklage im konkreten Fall bestanden habe.

    Die Einsprüche vom 18.09.2009 gegen die Bescheide vom 16.09.2009 und 17.09.2009 verwarf das Finanzamt mangels Beschwer als unzulässig, da diese Bescheide gem. § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des laufenden Rechtsbehelfsverfahren geworden seien.

    Hiergegen haben die Kläger am 30.04.2010 Klage erhoben. Die Kläger tragen vor, der Kläger habe sich bereits im Jahr 2007 über einen längeren Zeitraum hinweg mit der Planung und Realisierung einer Photovoltaikanlage intensiv auseinandergesetzt. Er und sein Sohn, der zeitgleich ebenfalls eine Photovoltaikanlage installiert habe, hätten sich beim Anlagenhersteller X Solar GmbH im Jahr 2007 mehrfach beraten lassen und an angebotenen Informationsveranstaltungen teilgenommen. Am 21.12.2007 habe der Kläger den Kostenvorschlag der Firma X erhalten, der Grundlage für das Angebot vom 24.01.2008 gewesen sei, dass der Kläger dann am 12.02.2008 angenommen habe. Die Anlage sei dann am 02.04.2008 installiert worden. Der Investitionsabzugsbetrag sei dann versehentlich nicht gleich in der Einkommensteuererklärung 2007 beantragt worden, aber dies sei noch vor Ergehen des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 2007 nachgeholt worden.

    Die Kläger sind der Ansicht, dass der Investitionsabzugsbetrag im Jahr 2007 anzuerkennen sei. Bei der Einführung des Investitionsabzugsbetrags sei eine gegenüber der früheren Regelung strengere Nachversteuerung bei Unterbleiben der Investition eingeführt worden. Die Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme habe sich daher gegenüber den früheren Jahren vermindert. Die zur damaligen Rechtslage entwickelten Rechtsgrundsätze seien daher nicht ohne Weiteres auf die neue Rechtslage zu übertragen. Schon bisher sei für die – nun als Tatbestandsmerkmal ins Gesetz aufgenommene - Investitionsabsicht nur in Ausnahmefällen ein Nachweis erforderlich gewesen. So sei bei Existenzgründern eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen verlangt worden. Dies sei zwar schon nach der früheren Rechtslage nicht vom Gesetzestext gedeckt gewesen, da so ein bloßes Beweisanzeichen zum Tatbestandsmerkmal erhoben worden sei. Eine Übertragung auf die neue Gesetzesfassung sei aber völlig ausgeschlossen, da § 7g EStG n. F. einen außerbilanziellen Abzugstatbestand enthalte und die damalige Begründung der Nachweisanforderungen auf § 269 HGB gestützt worden sei. Wie gering die Missbrauchsgefahr sei, sei daran zu erkennen, dass bei der rückwirkenden Auflösung des Abzugsbetrages die Vollverzinsung gem. § 233a AO greife. Die Kläger verweisen auf die inzwischen ergangenen Urteile des Finanzgerichts München vom 26.10.2010 (2 K 655/10, EFG 2011, 521) und des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 03.05.2011 (13 K 12121/10, juris), nach denen eine verbindliche Bestellung als Nachweis der Investitionsabsicht nach der neuen Rechtslage nicht mehr erforderlich sei. Eine zeitliche Grenze bestehe hierfür nach dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht.

    Auch die zweite Begründung für das damalige Nachweiserfordernis, das Fehlen eines Gewinnzuschlags bei Existenzgründern, sei entfallen, da die Neufassung des Gesetzes keine Existenzgründerförderung mehr vorsehe.

    Der letzte verbliebene Ausschlussgrund, dass ein Investitionsabzugsbetrag nur für plausible Investitionen gewährt werden könne, greife im vorliegenden Fall nicht, da hier die Investition nicht nur plausibel, sondern sogar tatsächlich vorgenommen worden sei.

    Darüber hinaus halten es die Kläger für unzulässig, für eine Investition, die erst im Laufe der drei Folgejahre getätigt werden müsse, bereits im Abzugsjahr eine verbindliche Bestellung zu verlangen. Außerdem sei es nicht mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren, einen Existenzgründer schlechter zu stellen als den Inhaber eines bereits eröffneten Betriebes.

    Der Einwand des Finanzamts, es fehle am Finanzierungszusammenhang, sei unzutreffend. Der BFH verneine den Finanzierungszusammenhang nur dann, wenn der Abzugsbetrag erst mehr als zwei Jahre nach der Investition geltend gemacht werde, wobei die Zweijahresfrist taggenau zu berechnen sei (BFH-Urteil vom 17.06.2010 III R 43/06, BFHE 230, 517, BFH/NV 2011, 104). Die Photovoltaikanlage sei am 02.04.2008 angeschafft worden. Der Investitionsabzugsbetrag sei mit Schreiben vom 29.07.2009 mit Anlage EÜR, also noch vor Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2007 am 04.08.2009, geltend gemacht worden. Dieser Ablauf sei geradezu typisch; der Investitionsabzug werde regelmäßig für das Jahr, in dem die Investition vorbereitet werde, begehrt. Die Investition erfolge dann im zweiten Jahr und die steuerliche Geltendmachung erst mit der Steuererklärung für das erste Jahr. Daher bestehe auch in ihrem Fall der erforderliche Finanzierungszusammenhang, zumal die Anlage tatsächlich fremdfinanziert worden sei und die sich aus der Beantragung des Investitionsabzugsbetrages ergebende Steuererstattung Teil der Finanzierungsplanung gewesen sei. Sonderfälle, in denen ein Finanzierungszusammenhang fehlen könne, wie der Absicht, das Ergebnis einer Betriebsprüfung zu neutralisieren, lägen nicht vor.

    Die Kläger beantragen, unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007, zuletzt in Gestalt des Einkommensteuerbescheids vom 17.09.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 01.04.2010, bei der Einkommensteuerfestsetzung 2007 einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG i. H. v. 67.321,29 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen.

    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Für den Fall des Unterliegens beantragen die Beteiligten die Zulassung der Revision wegen Rechtsfortbildung bzw. grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage.

    Das Finanzamt ist weiterhin der Ansicht, dass bei neu zu eröffnenden Betrieben eine verbindliche Bestellung des betreffenden Wirtschaftsgutes zu verlangen sei, und verweist auf das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 08.05.2009 (IV C 6-S 2139-b/07/10002, 2009, BStBl I 2009, 633, Tz. 29). Die zu § 7g EStG a. F. entwickelte Rechtsprechung sei auf § 7g n. F. zu übertragen, da die Neufassung durch die ausdrückliche Aufnahme des Tatbestandsmerkmals „beabsichtigt” auf diese damalige Rechtsprechung Bezug genommen und insgesamt eine Verschärfung beabsichtigt habe. Das Finanzamt verweist auf die steuerliche Literatur (Kulosa in Schmidt, EStG, § 7g Rn. 13, u. a.).

    Außerdem bezweifelt das Finanzamt nunmehr den Finanzierungszusammenhang, da der Investitionsabzugsbetrag für bereits getätigte Investitionen nicht mehr in Anspruch genommen werden könne (BFH-Urteile vom 29.04.2008 VIII R 62/06, BStBl II 2008, 747; und vom 14.08.2001 XI R 18/01, BStBl II 2004, 181; Beschluss vom 29.09.2006 XI B 136/05, BFH/NV 2007,40). Der Finanzierungszusammenhang entfalle nicht erst bei einer Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrags mehr als zwei Jahre nach der Investition, sondern immer nach deren Durchführung, und er müsse spätestens bei Abgabe der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Die Kläger habe jedoch nicht bei Einreichung der Einkommensteuererklärung am 08.05.2009, sondern erst am 29.07.2009 den Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht.

    Auf den Inhalt der im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 28.07.2011 und die dem Senat vorliegenden Akten (Einkommensteuerakte für die Jahre 2005 – 2008 sowie Rechtsbehelfsakte) wird Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    I. Die Kläger sind berechtigt, gem. § 7g Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung einen Investitionsabzug i. H. v. 67.321,29 € vorzunehmen.

    1. Der Investitionsabzugsbetrag kann gem. § 7g Abs. 1 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn

    1. der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, die folgenden Größenmerkmale nicht überschreitet:

    a) bei Gewerbebetrieben oder der selbständigen Arbeit dienenden Betrieben, die ihren Gewinn nach § 4 Absatz 1 oder § 5 ermitteln, ein Betriebsvermögen von 235.000 €;

    b) bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft einen Wirtschaftswert oder einen Ersatzwirtschaftswert von 125.000 € oder

    c) bei Betrieben im Sinne der Buchstaben a und b, die ihren Gewinn nach § 4 Absatz 3 ermitteln, ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags einen Gewinn von 100.000 €;

    2. der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich

    a) in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen;

    b) mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich zu nutzen und

    3. der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt.

    Im Hinblick auf die Anforderungen, die an die Konkretisierung und Ernsthaftigkeit einer „voraussichtlichen” Investition zu stellen sind, enthält § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG n. F. andere Anforderungen als die Vorgängervorschrift des § 7g Abs. 3 EStG a. F. (BFH-Beschluss vom 18.03.2010 X B 124/09, BFH/NV 2010, 1278). Das zusätzliche Tatbestandsmerkmal „beabsichtigt” in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG n. F. stellt eine Konkretisierung gegenüber dem beibehaltenen Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich” in § 7g Abs. 3 EStG a. F. dar, die auf die zu § 7g Abs. 3 EStG a. F. entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze Bezug nimmt.

    Diese Rechtsprechungsgrundsätze können nach Auffassung des Senats jedoch nicht unbesehen und vollständig auf die neue Gesetzesfassung übertragen werden. Insbesondere das zum früheren Recht entwickelte Erfordernis, dass bei der Bildung einer Ansparrücklage für einen noch nicht eröffneten Betrieb die wesentlichen Betriebsgrundlagen bereits verbindlich bestellt sein müssen, ist im Kontext der damaligen Gesetzesfassung zu sehen. Nach damaligem Recht war die Ansparrücklage erst mit Ablauf des zweiten auf ihre Bildung folgenden Kalenderjahres aufzulösen, wenn die Investition unterblieben war. Dies ist nach neuem Recht nicht der Fall; der Investitionsabzug ist rückgängig zu machen mit entsprechenden Zinsfolgen. Eine Missbrauchsgefahr ist nach der geltenden Gesetzeslage also nicht mehr im selben Maße vorhanden wie nach früherem Recht.

    Eine strengere Auslegung würde auch dem Zweck des Gesetzes – der Wirtschaftsförderung – widersprechen. Gerade für die Neueröffnung eines Betriebes sind häufig schwerer Bankkredite zu erlangen als für Investitionen in einen bestehenden Betrieb. Die Voraussetzungen des § 7g EStG für Neueröffnungen strenger auszulegen als für Steuerpflichtige mit bestehenden Betrieben würde bedeuten, dass die Steuervergünstigung des § 7g EStG ausgerechnet denjenigen, die ihrer besonders bedürfen, vorenthalten würde. Eine solche Auslegung würde den Sinn des Gesetzes in sein Gegenteil verkehren. Hätte der Gesetzgeber eine solch strenge Auslegung sicherstellen wollen, hätte er im Hinblick auf die bereits nach altem Recht umstrittene Forderung nach einer verbindlichen Bestellung eine entsprechende Regelung in das Gesetz aufnehmen können. Stattdessen hat er sich dafür entschieden, einer missbräuchlichen Inanspruchnahme durch strengere Vorschriften bezüglich der Rückabwicklung des Investitionsabzugsbetrags entgegenzuwirken.

    Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass der Nachweis für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „beabsichtigt” auch bei noch zu eröffnenden Betrieben anders als durch eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erbracht werden kann (so auch Finanzgericht München mit Urteil vom 26.10.2010 2 K 665/10, EFG 2011, 521; Niedersächsisches FG mit Urteil vom 03.05.2011 13 K 12121/10, juris).

    2. Im vorliegenden Fall erfüllen die Kläger mit der Anschaffung der Photovoltaikanlage die vorgenannten Voraussetzungen.

    Der Kläger hat bereits im Jahr 2007 i. S. d. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG beabsichtigt, die Photovoltaikanlage in den folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen.

    Die Kläger haben den Nachweis für das Bestehen der Absicht, die Photovoltaikanlage in den drei Folgejahren anzuschaffen, für das Jahr 2007 durch die Vorlage des am 21.12.2007 erstellten Kostenvoranschlages des Herstellers und den Nachweis der umfassenden Beratung und der Teilnahme an Informationsveranstaltungen durch den Kläger erbracht. Einen Kostenvoranschlag lässt nur erstellen, wer tatsächlich eine bestimmte Maßnahme ernsthaft ins Auge gefasst hat. Der Kostenvoranschlag kam von dem im Folgejahr beauftragten Unternehmen und entspricht weitgehend dem dann angenommenen Angebot, wobei lediglich stärkere Solarmodule gewählt wurden als ursprünglich beabsichtigt. Es handelt sich nach Überzeugung des Senats auch tatsächlich um den für den Kläger und nicht um einen für seinen Sohn für dessen Photovoltaikanlage erstellten Kostenvoranschlag, auch wenn der angegebene erforderliche Fangschutz bei der Gerüstaufstellung im Kostenvoranschlag vom Angebot erheblich abweicht. Die Abweichung beruht offenbar darauf, dass im Kostenvoranschlag versehentlich mit der Länge nur einer Seite der Halle und nicht der Summe der Längen aller betroffenen Seiten gerechnet wurde.

    Aus der tatsächlichen Vornahme einer Investition zu Beginn des Folgejahres kann zurückgeschlossen werden, dass sich der Kläger im Jahr 2007 bereits ernsthaft mit der Anschaffung der Photovoltaikanlage befasst haben muss. Eine jedenfalls für die Einkommensverhältnisse der Kläger erhebliche Investition in einen neu zu gründenden Betrieb nimmt niemand „auf die Schnelle” vor. Bei der Investition in eine Photovoltaikanlage kommt hinzu, dass diese witterungsbedingt sinnvollerweise erst im Frühjahr installiert werden konnte. Andererseits liegen die vorgetragenen Indizien für die Investitionsabsicht und die Auftragserteilung auch nicht so weit auseinander, dass diese Absicht zwischenzeitlich hätte aufgegeben werden können. Der zeitliche Ablauf indiziert daher die Entstehung der Investitionsabsicht bereits im Vorjahr.

    Ebenfalls für das Vorhandensein der Investitionsabsicht sprechen die noch im Jahr 2007 erfolgte Beratung durch die Herstellerfirma und der Besuch der angebotenen Informationsveranstaltungen.

    Schließlich ergibt sich für den Senat auch aus der Aussage des als Zeugen vernommenen Sohnes des Klägers, dass der Kläger sich bereits im Jahr 2007 zur Anschaffung der Photovoltaikanlage entschlossen hatte. Der Zeuge hat glaubhaft und detailliert die aufeinander folgenden Besuche verschiedener Handwerker im Oktober 2007 beschrieben, die dann zur Suche nach einem größeren Anbieter führten, der dann in der Firma X gefunden wurde. Der Zeuge konnte zwar nicht ausdrücklich angeben, wann genau sich sein Vater zum Erwerb der Anlage entschlossen hat. Die von ihm geschilderten Umstände, nämlich der Besuch bei der Informationsveranstaltung von X und der Einholung des Kostenvoranschlages, decken sich jedoch mit den Angaben der Kläger. Der Umstand, dass der Sohn des Klägers sich beim Besuch des Vertreters der Firma X im November 2007 mit der Angabe, dass er dieselben Konditionen erhalten werde, wie sein Vater, zufriedengab und er die Frage der Anschaffung der Anlage damit als geklärt ansah, spricht nach Überzeugung des Senats ebenfalls für eine noch im Jahr 2007 gefasste Investitionsabsicht des Klägers. Die Aussagen des Zeugen waren dabei weder durch das verwandtschaftliche Verhältnis noch durch das Interesse an der Förderung seiner eigenen Photovoltaikanlage erkennbar beeinflusst. Der Zeuge hat seine Schilderung nicht präziser vorgenommen als das nach mehreren Jahren noch möglich gewesen wäre und auch zur Frage, wann sein Vater den Entschluss zur Anschaffung gefasst habe, nicht eine eigene, den Klägern günstige Schlussfolgerung dem Senat aufzudrängen versucht, sondern schlicht den Ablauf der damaligen Ereignisse geschildert.

    Der Senat schließt daher aus dem Kostenvoranschlag, der Teilnahme an den Informationsveranstaltungen und dem Parallelverhalten des Zeugen in Bezug auf seine eigene Anlage auf die Entstehung der Investitionsabsicht im Jahr 2007.

    Weitergehende Nachweise sind auch bei einem neuzueröffnenden Betrieb nicht zu verlangen. Die Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG sind daher erfüllt.

    II. Der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages steht nicht entgegen, dass der Kläger die Photovoltaikanlage vor Geltendmachung des Investitionsabzugsbetrages erworben hat. Insbesondere besteht der erforderliche Finanzierungszusammenhang.

    Ein solcher Finanzierungszusammenhang ist zwar nicht ausdrücklich im Gesetz gefordert. Seine Notwendigkeit ergibt sich nach Ansicht des Senats auch nach neuem Recht daraus, dass das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich” auch in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG enthalten ist. Die zu § 7g Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze können aber schon wegen der geänderten Frist für die Anschaffung auch an dieser Stelle nur in angepasster Form weitergelten. Der „voraussichtlichen” Anschaffung eines Wirtschaftsguts steht eine Anschaffung vor der Rücklagenbildung nicht im Wege (BFH-Urteil vom 08.11.2006 I R 89/05, BFH/NV 2007, 671). Eine Rücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG muss nicht bereits bei erstmaliger Einreichung der Steuererklärung, sondern kann auch später im Rahmen einer Bescheidänderung gebildet werden (BFH-Urteil vom 29.11.2007 IV R 82/05, BStBl II 2008, 471), es sei denn, dass dafür nicht investitionsbezogene Gründe ausschlaggebend sind, sondern z. B. lediglich die Einkunftsgrenze für die Begünstigung gemäß § 10e EStG a. F. wieder unterschritten werden soll (BFH-Urteil vom 29.04.2008 VIII R 62/06, BStBl II 2008, 747). Der BFH setzt wegen der Funktion der Rücklage als Finanzierungserleichterung in ständiger Rechtsprechung einen Finanzierungszusammenhang zwischen Investition und Rücklagenbildung voraus, obwohl sich dieses Merkmal und eine damit verbundene zeitliche Begrenzung nicht unmittelbar aus dem Regelungstext ergibt (BFH-Urteil vom 14.08.2001 XI R 18/01, BStBl II 2004, 181). Der Finanzierungszusammenhang stellt jedenfalls keine zahlungsflussorientierte Größe im Sinne eines tatsächlichen Ansparens oder einer Finanzierung zur Anschaffung oder Herstellung in Form einer Steuerminderung dar (BFH-Urteil vom 08.11.2006 I R 89/05, BFH/NV 2007, 671). Das Erfordernis eines Finanzierungszusammenhangs schließt es daher z. B. nicht aus, die Rücklage auch dann zu bilden, wenn die Bilanz für das Jahr der Rücklage zeitlich nach der Investition aufgestellt wird. Nach der Rechtsprechung zu § 7g EStG a. F. war davon auszugehen, dass der Finanzierungszusammenhang zwischen der Rücklage und der Investition jedenfalls dann gewahrt war, wenn die Rücklage nicht später als zwei Jahre nach Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter gebildet wird (BFH-Urteile in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181; in BFH/NV 2007, 671). Diese Frist zwischen der Investition und der nachfolgenden Bildung der Rücklage war taggenau zu berechnen (BFH-Urteil vom 17.06.2010 III R 43/06, BFH/NV 2011, 104). Ob nach neuem Recht von einer Frist sogar von drei Jahren auszugehen ist, kann dahinstehen.

    Die Anschaffung der Photovoltaikanlage erfolgte im vorliegenden Fall am 02.04.2008. Der Investitionsabzug wurde mit Schreiben vom 29.07.2009 vorgenommen, also ein Jahr, drei Monate und 27 Tage später. Der zeitliche Zusammenhang ist daher unabhängig von der Frage, ob die Frist nach neuem Recht zu verlängern ist, gewahrt. Sachfremde Gründe für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages sind nicht erkennbar.

    Die Kläger sind daher berechtigt, für den Photovoltaikbetrieb des Klägers im Jahr 2007 den streitigen Investitionsabzugsbetrag abzuziehen.

    Der Klage war daher stattzugeben.

    III. Die Einkommensteuer berechnet sich daher wie folgt:

    Bisheriger Gesamtbetrag der Einkünfte138.918 €
    Gewerbliche Einkünfte des Klägers
    aus Betrieb „Photovoltaikanlage”-67.321 €
    neuer Gesamtbetrag der Einkünfte71.597 €
    Sonderausgaben8.205 €
    Einkommen/zu versteuerndes Einkommen63.392 €
    zu versteuern mit Progressionsvorbehalt12.815 €
    Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte146 €
    festzusetzende Einkommensteuer12.669 €
    IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    V. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ob die von der Rechtsprechung zu § 7g EStG a. F. entwickelten Grundsätze auch bezüglich der Erforderlichkeit einer verbindlichen Bestellung der betreffenden Wirtschaftsgüter durch Existenzgründer auf § 7g EStG n. F. zu übertragen sind, hat grundsätzliche Bedeutung.

    VorschriftenEStG § 7g Abs. 1

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents