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  • 24.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112755

    Finanzgericht München: Urteil vom 03.03.2011 – 5 K 3379/08

    1. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts schlüssig und glaubhaft vorgetragen, dass er zur Vorbereitung von Entscheidungsgrundlagen für Firmeninvestitionen im Rahmen seiner nichtselbstständigen Tätigkeit als Diplomingenieur im Bereich Marketing und Applikation von Halbleiterbauteilen jede einzelne Zeitschrift – „Effekten Spiegel”, „Depot-Optimierer”, „Finanztip”, „Wahrer Wohlstand” und „Oxford Club” – als Arbeitsmittel genutzt hat.



    2. Die Vielzahl der Zeitschriften spricht eher für als gegen deren berufliche Nutzung.


    FG München v. 03.03.2011

    5 K 3379/08

    Tatbestand

    Gründe
    I.

    Die Kläger werden vom Beklagten (dem Finanzamt) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Diplomingenieur und Technical Marketing Manager senior bei X, die Klägerin ist Lehrerin. Die Kläger erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

    Im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 25. Juni 2007 erkannte das Finanzamt die in der Einkommensteuererklärung geltend gemachten Aufwendungen des Klägers für die Börsenzeitschriften „Effekten Spiegel”, „Depot-Optimierer”, „Finanztip”, „Wahrer Wohlstand” und „Oxford Club” nicht als Werbungskosten im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit an.

    Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Aus hier nicht streitigen Gründen wurde der Einkommensteuerbescheid für 2005 am 12. Dezember 2007 geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

    Im Rechtsbehelfsverfahren legte der Kläger jeweils ein Exemplar der o.g. Börsenzeitschriften vor. Daraus sei zu ersehen, dass es sich um spezifische Fachinformationen zur internationalen wirtschaftlichen Entwicklung handele. Diese Informationen für langfristige Kapitalanlagen benötige er beruflich, z.B. zur Beurteilung der langfristigen Entwicklung der Konjunktur und des Konsumverhaltens von Automobilkäufern im Angesicht der Immobilien- und Bankenkrise. Seine Tätigkeit bestehe in Marketing und Applikation von Halbleiterbauteilen, wofür es erforderlich sei, die langfristige Entwicklung des Marktes abzuschätzen und danach die Entwicklung marktspezifischer Bausteine zu veranlassen. Die Kenntnis gesamtwirtschaftlicher Vorgänge, insbesondere zum Konsumverhalten potentieller Endkunden, sei daher unerlässlich, und könne am besten aus den genannten Zeitschriften gezogen werden. Die Zeitschriften würden nicht für seine eigenen Kapitalanlageentscheidungen verwendet.

    Mit der Einspruchsentscheidung vom 22. September 2008 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2005 aus hier nicht streitigen Gründen auf 46.322 EUR herab und wies im Übrigen den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.

    Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger unter Vorlage verschiedener Unterlagen ihr Begehren auf Berücksichtigung der Aufwendungen für die Zeitschriften „Effekten Spiegel”, „Depot-Optimierer”, „Finanztip”, „Wahrer Wohlstand” und „Oxford Club” in Höhe von 1.187,23 EUR als Werbungskosten im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers weiter. Zur Begründung tragen sie unter Vorlage verschiedener Unterlagen im Wesentlichen vor, dass die vom Kläger bezogenen Publikationen für ihn tägliches Arbeitsmittel gewesen seien und ihm wesentliche Informationen für Entscheidungen und Beurteilungen in seiner täglichen beruflichen Tätigkeit geliefert hätten.

    Die Kläger beantragen,

    bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers weitere Werbungskosten in Höhe von 1.187,23 EUR zu berücksichtigen und unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids für 2005 vom 12. Dezember 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. September 2008 die Einkommensteuer für 2005 entsprechend herabzusetzen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung führt das Finanzamt ergänzend aus, dass der Kläger nur allgemein die berufliche Veranlassung für die Anschaffung der Zeitschriften dargestellt habe. Diese werde ihm nicht abgesprochen. Erforderlich für den Abzug von Werbungskosten sei jedoch, dass die Anschaffung der Zeitschriften nahezu ausschließlich beruflich veranlasst gewesen sei und eine private Mitveranlassung ausscheide. Dies habe der Kläger nicht entsprechend glaubhaft gemacht. Aus den vorgelegten Unterlagen in englischer Sprache ergebe sich lediglich ein Bild der Tätigkeit des Klägers. Seine Einbindung in die Unternehmensvorgänge und folglich ein Bezug zu den Zeitschriften könne daraus nicht hergeleitet werden. Entgegen der Aufforderung des Gerichts habe der Kläger nicht für jede Zeitschrift dargelegt, welche Artikel in welchem Umfang in seine Arbeit Eingang gefunden hätten. Aus der vorgelegten Exceltabelle ergebe sich kein Zusammenhang mit bestimmten Artikeln der ausgewählten Zeitschriften, da jeweils nur die generelle aktuelle Marktsituation einfließe, die vom Kläger abgeschätzt werde, soweit sich diese aus dem Vortrag des Klägers und der Tabelle überhaupt erschließe. Darüber hinaus decke die Tabelle nur einen kleinen Teilbereich der strittigen Zeitschriften ab, da nur eine Zeitschrift behandelt werde. Auf die Urteile des Finanzgerichts des Saarlands vom 19. März 1991 (1 K 317/90, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1991, 468) und des Hessischen Finanzgerichts vom 5. Mai 1992 (10 K 580/89, EFG 1992, 517) werde verwiesen.

    Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2008, die Aufklärungsanordnung des Gerichts vom 4. Mai 2010, die eingereichten Schriftsätze, insbesondere den Schriftsatz des Klägers vom 24. Mai 2010 samt Anlagen, und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 3. März 2011.



    Gründe

    II.

    Die Klage ist begründet.

    1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – sind Werbungskosten über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – hinaus alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Zu den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigungsfähigen Werbungskosten gehören auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG). Arbeitsmittel sind Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen. Zu den Arbeitsmitteln können auch Zeitschriften und Bücher zählen, wenn die Literatur ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 VI R 53/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 230, 317, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2010, 2316, mit weiteren Nachweisen).

    a) Nicht abziehbar sind jedoch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Anschaffungskosten können dann uneingeschränkt als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet. Daraus folgt, dass es für die Abziehbarkeit von Aufwendungen für beruflich genutzte Gegenstände, die auch privat genutzt werden können, bei der Entscheidung, ob nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebenshaltung vorliegen, im Allgemeinen weniger auf den objektiven Charakter des angeschafften Gegenstands ankommt, sondern vielmehr auf die Funktion des Gegenstands im Einzelfall, also den tatsächlichen Verwendungszweck (BFH-Urteile vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl 2004 II S. 958, und vom 20. Juli 2005 VI R 50/03, BFH/NV 2005, 2185). Bei einem gemischt genutzten Gegenstand ist nach den Grundsätzen des Großen Senats des BFH im Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1) eine Aufteilung in Betracht zu ziehen.

    b) Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch, wenn zu entscheiden ist, ob Bücher oder Zeitschriften als Arbeitsmittel zu würdigen sind. Nach der Entscheidung des BFH vom 28. April 1972 VI R 305/69 (BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723) sind pauschale Feststellungen hierzu nicht ausreichend. Dabei ist die Eigenschaft eines Buchs oder einer Zeitschrift als Arbeitsmittel nicht ausschließlich danach zu bestimmen, in welchem Umfang der Inhalt eines Schriftwerks in welcher Häufigkeit Eingang in die Arbeitstätigkeit gefunden hat. Auch die Verwendung der Literatur zur Vorbereitung oder Nachbereitung von Arbeitsprozessen oder Dienstbesprechungen kann eine ausschließliche oder zumindest weitaus überwiegende berufliche Nutzung der Literatur begründen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 230, 317, BFH/NV 2010, 2316, zu den Arbeitsmittel eines Lehrers, mit weiteren Nachweisen). Um Arbeitsmittel verneinen zu können, genügt daher nicht die Feststellung für die Gesamtheit der angeschafften Bücher oder Zeitschriften, dass es sich um Literatur handele, die auch von zahlreichen Steuerpflichtigen gekauft würden, die keine berufliche Verwendung dafür hätten (vgl. zu dieser Argumentation auch Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, 24). Es muss vielmehr für jedes Buch und jede Zeitschrift einzeln untersucht werden, ob es sich um einen Gegenstand der Lebensführung oder um ein Arbeitsmittel handelt. Erst wenn diese Untersuchungen zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, kann der objektive Charakter der Werke den Ausschlag geben (BFH in BFHE 230, 317, BFH/NV 2010, 2316). Lassen die objektiv festgestellten Tatsachen unter Berücksichtigung der dafür von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale und Maßstäbe die rechtliche Würdigung zu, dass Aufwendungen für ein Arbeitsmittel nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind, weil es nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird, stehen private Motive dem Werbungskostenabzug nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 24.06.2009 IV R 20/07, BFH/NV 2010, 20).

    2. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts unter Vorlage weiterer Unterlagen schlüssig und glaubhaft vorgetragen, dass er zur Vorbereitung von Entscheidungsgrundlagen für Firmeninvestitionen im Rahmen seiner Tätigkeit als Diplomingenieur im Bereich Marketing und Applikation von Halbleiterbauteilen jede einzelne Zeitschrift – „Effekten Spiegel”, „Depot-Optimierer”, „Finanztip”, „Wahrer Wohlstand” und „Oxford Club” – als Arbeitsmittel genutzt hat, um einerseits die Treffsicherheit der von ihm auch im Streitjahr zu treffenden Prognosen – zur Herstellung welcher Halbleiterchips mit welcher Produktionskapazität – durch weitere, neben den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterialien abzusichern und ggf. dem Entscheidungsträger belegen zu können sowie um andererseits den von der Richtigkeit seiner Einschätzungen abhängigen Gehaltsbestandteil erhöhen zu können. Dabei spricht die Vielzahl der Zeitschriften nach der Meinung des Senats eher für als gegen deren berufliche Nutzung (vgl. Wagner, Anmerkung zum Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30. September 2010 5 K 3976/08 E, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2011, 229). Der Kläger hat anhand der vorgelegten Anlage 7 (Klageakte Bl. 63 und 64) beispielhaft die Auswertung jedes im Streitjahr erschienenen Exemplars der Zeitschrift „Wahrer Wohlstand” umfassend erklärt und ferner glaubhaft dargelegt, dass er mit den anderen Zeitschriften in gleicher Weise verfahren ist. Die Vertreterin des Finanzamts hat in der mündlichen Verhandlung keine Zweifel an diesen Ausführungen geäußert.

    Darauf, in welchem Umfang der Kläger die von ihm getroffenen Auswertungen im Rahmen der beim Arbeitgeber stattfindenden Entscheidungsprozesse tatsächlich eingebracht hat oder inwieweit seine erstellten Prognosen zutreffend waren, kommt es nicht an. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des BFH reicht es aus, wenn der Kläger die Börsenzeitschriften zur Vorbereitung oder Nachbereitung seiner Dienstaufgaben im Unternehmen beruflich genutzt hat.

    3. Die Steuerberechnung wird dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 S. 1

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