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  • 10.11.2011 · IWW-Abrufnummer 113635

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 19.01.2011 – 8 K 41/10

    1. Ist der Steuerpflichtige nicht Erbe eines verstorbenen nahen Angehörigen geworden und trägt er gleichwohl die Kosten der Bestattung des Angehörigen, kommt ein Steuerabzug als außergewöhnliche Belastung nur insoweit in Betracht, als ein die Bestattungskosten deckender Nachlass offensichtlich nicht vorhanden ist oder Erstattungsansprüche gegen den bzw. die Erben nicht durchsetzbar sind (Anschluss an FG Saarland v. 5.6.1996, 1 K 239/95 ).



    2. Hat der Enkel die Bestattung der offenbar von seiner Mutter beerbten Großmutter in Auftrag gegeben und bezahlt, kommt ein Steuerabzug nach § 33 EStG nicht in Betracht, wenn er bis zuletzt keine sicheren Aussagen über die Person des Erben oder den Bestand des Nachlasses getroffen hat, obwohl er nach § 85 S. 1 Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) sich als Erstattungsberechtigter nach § 1968 BGB ohne weiteres beim Nachlassgericht die Ausfertigung eines Erbscheins hätte erteilen lassen können.


    Sächsisches FG v. 19.01.2011

    8 K 41/10

    Tatbestand
    Streitig ist, ob vom Kläger geltend gemachte Aufwendungen für die Bestattung seiner Großmutter als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen sind.

    Der Kläger ließ am 12.10.2005 seine verstorbene Großmutter G. St. einäschern und die Urne am 13.10.2005 bestatten. Hierfür hatte er an das Bestattungsunternehmen 1.464,00 EUR, an die Friedhofsverwaltung der Stadt R. 175,00 EUR und an die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde W. 460,10 EUR, wovon 337,50 EUR als Grabnutzungsgebühr für die Jahre 2007 bis 2025 berechnet wurden, zu entrichten. Darüber hinaus berechnete die Kirchengemeinde dem Kläger für eine weitere Grabstätte für den Zeitraum 1998 bis 2017 542,34 EUR. Diese Kosten in Höhe von insgesamt 2.641,44 EUR machte der Kläger mit seiner Einkommensteuererklärung 2005 vom 24.03.2006 als außergewöhnliche Belastungen geltend.

    Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 15.12.2006 ließ der Beklagte die genannten Aufwendungen unberücksichtigt. Außergewöhnliche Belastungen lägen nur vor, soweit die angefallenen Aufwendung nicht durch Ersatzleistungen Dritter, z.B. Krankenkasse, Versicherung, etc. oder den Wert des Nachlasses gedeckt seien.

    Dagegen legte der Kläger am 22.12.2006 Einspruch ein. Die Beerdigungskosten seien vollständig von ihm getragen worden, da kein Nachlass vorhanden und die Kosten auch nicht von der Krankenkasse ersetzt worden seien. In einem Telefonat am 20.08.2008 erklärte das Steuerbüro des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass es sich bei G. St. um die Mutter des Klägers handle und diese schon zu Lebzeiten mittellos gewesen sei. Es würden noch Nachweise eingereicht, dass kein Erbe vorhanden sei. Unter dem 28.08.2009 erinnerte der Beklagte den Kläger an diese Nachweise. Mit Änderungsbescheid vom 07.10.2009 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung 2005 gegen den Kläger aus anderen Gründen. Mit Schreiben vom 03.11.2009 wies der Beklagte den Kläger erneut daraufhin, dass Nachweise zur Mittellosigkeit des Nachlasses weiterhin nicht vorlägen. Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2009 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

    Am 07.01.2010 hat der Kläger Klage erhoben.

    Voraussetzung für den Abzug von Beerdigungskosten für einen nahen Angehörigen sei, dass die Aufwendung nicht aus dem Nachlass bestritten werden könnten und dass sie nicht durch sonstige, dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt seien. Der Kläger habe keinerlei Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Tod seiner Großmutter erhalten. Der Kläger kenne die Vermögenssituation seiner Großmutter zum Zeitpunkt ihres Todes nicht. Als Betreuer seiner Großmutter liege ihm allerdings eine Abrechnung über ihr Vermögen für den Zeitraum 24.10.2002 bis 06.05.2003 vor, wonach zu Beginn der Abrechnungsperiode 7.077,55 EUR und zum Ende 6.105,92 EUR in Form von Bankguthaben vorhanden gewesen seien. Der Kläger sei nicht Erbe geworden. Erbe sei die Mutter des Klägers geworden. Aus sittlichen und moralischen Gründen könne der Kläger den Ersatz der getragenen Aufwendungen vom Erben nicht verlangen und ggf. gerichtlich durchsetzen. Ihm sei auch nicht bekannt, wer tatsächlich Erbe geworden sei. Seine Großmutter habe mit ihm zu Lebzeiten gesprochen, dass er nicht als Erbe eingesetzt werde, da ihr Vermögen ohnehin nahezu aufgebraucht sei. Erbe sei vermutlich der Neffe seiner Großmutter, J. E. oder dessen Sohn, Js. E., beide wohnhaft in P.. Er habe diesen die Rechnungen über die Bestattungskosten zur Bezahlung übergeben. Diese hätten die Kosten jedoch nicht beglichen. Als Auftraggeber habe er daher die Kosten zunächst tragen müssen. Seine Bemühungen, die Kosten von den mutmaßlichen Erben erstattet zu bekommen, seien fehl geschlagen. Genaue Angaben zum Vermögen seiner Großmutter im Zeitpunkt ihres Todes könne der Kläger nicht machen. Er sei nur für den Übergangszeitraum, für den die Abrechnung vorliege, Betreuer gewesen. Allerdings sei durch eine spätere Heimunterbringung bei monatlichen Kostensätzen von über 1.000 EUR mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Vermögen nahezu vollständig aufgebraucht worden. Damit habe er seine Mitwirkungspflichten umfassend erfüllt. Im Besteuerungsverfahren gelte der Amtsermittlungsgrundsatz.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2009 dahingehend zu ändern, dass der Abzug der Beerdigungskosten in Höhe von 2.642,00 EUR als außergewöhnliche Belastungen zugelassen wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Beerdigungskosten seien vom Erben zu tragen. Das zuletzt bekannte Reinvermögen der Großmutter am 06.05.2003 habe die geltend gemachten Kosten jedenfalls deutlich überstiegen. Es bestehe auch für einen nahen Angehörigen keine sittliche Verpflichtung, die Beerdigungskosten anstelle vorhandener Erben, denen allein der die Beerdigungskosten übersteigende Nachlass zufließe, zu übernehmen.

    Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.01.2011 ist für den am 27.12.2010 unter Hinweis darauf, dass auch bei Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, geladenen Kläger niemand erschienen. Der Kläger hatte am 17.12.2010 vortragen lassen, dass keine neuen Tatsachen bzw. Sichtweisen mehr vorgebracht werden könnten und daher Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt werde, nachdem er zuvor die Verlegung eines vorher anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung mit der Begründung beantragt hatte, gerne persönlich erscheinen zu wollen und zur zunächst festgesetzten Terminstunde verhindert zu sein. Mit Fax vom 18.01.2011 um 18.02 Uhr hatte der Kläger dann um die Anberaumung eines neuen Termins für den Fall gebeten, dass tatsächlich eine mündliche Erörterung aus Sicht des Gerichts unverzichtbar sei. Sein Entschluss, den Termin am 19.01.2011 nicht wahrzunehmen, beruhe auf einer witterungsbedingten Havarie in seinem Unternehmen.



    Entscheidungsgründe
    Das Gericht entscheidet nach § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – aufgrund der mündlichen Verhandlung am 19.01.2011, trotzdem der Kläger in diesem Termin nicht vertreten war. Eine nochmalige Terminsverlegung aufgrund des per Fax am 18.01.2011 um 18.02 Uhr übermittelten Schriftsatzes, der dem erkennenden Einzelrichter erst nach Beginn anderer Terminstunden am 19.01.2011 zur Kenntnis gelangt ist, oder eine Vertagung wegen des dort genannten Grundes nach § 155 FGO, § 227 Zivilprozessordnung – ZPO – kommt nicht in Betracht. Fraglich ist bereits, ob überhaupt ein als Prozesshandlung zulässig angebrachter Verlegungs- bzw. Vertagungsantrag vorliegt, da das Terminänderungsbegehren davon abhängig gemacht wurde, ob eine mündliche Erörterung aus gerichtlicher Sicht unverzichtbar sei. Dabei dürfte es sich kaum um eine zulässige rein innerprozessuale Bedingung handeln. Wie sich aus § 91 Abs. 2 FGO ergibt, ist eine mündliche Erörterung mit einer Prozesspartei grundsätzlich nicht unverzichtbar. Die mündliche Verhandlung dient vielmehr der Gewährung rechtlichen Gehörs. Wenn eine Prozesspartei davon keinen Gebrauch machen will oder ihren schriftlichen Vortrag nicht ergänzen, substantiieren oder bekräftigen will oder kann, kann das Gericht den Rechtsstreit auch ohne mündliche Erörterung mit der betreffenden Partei entscheiden. Von daher hängt die Frage der Verzichtbarkeit einer mündlichen Erörterung nicht zuförderst von der Beurteilung des Gerichts, sondern dem Rechtsschutzinteresse der Beteiligten ab (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 90 Abs. 2 FGO). Dies alles kann jedoch letztlich dahin stehen. Der höchst kurzfristig vorgebrachte Verlegungs- bzw. Vertagungsgrund wurde weder substantiiert noch glaubhaft gemacht. Welche unverschiebbaren und unvertretbaren Handlungen der Kläger aufgrund der Havarie in seinem Unternehmen genau zur Terminstunde wahrzunehmen hatte und warum nicht seine Prozessbevollmächtigte an seiner statt seine rechtlichen Interessen in der mündlichen Verhandlung wahrnehmen konnte, blieb unklar.

    Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 FGO) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Abzug der geltend gemachten Bestattungskosten als außergewöhnliche Belastung kommt schon dem Grunde nach nicht in Betracht. Es kann daher dahin stehen, inwieweit die Kosten im einzelnen im Zusammenhang mit der Bestattung der Großmutter stehen.

    Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastungen), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetzt – EStG –). Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

    Die rechtliche Verpflichtung zur Tragung von Beerdigungskosten trifft nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – den Erben. Treffen andere Personen, wie zum Beispiel nächste Angehörige, die nicht zu Erben berufen sind, die erforderlichen Anordnungen unter Eingehung entsprechender Verpflichtungen im eigenen Namen, so haften sie zwar zunächst persönlich ihren Vertragspartnern. Nach § 1968 BGB können sie aber vom Erben Befreiung von diesen Verpflichtungen oder Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Der Erbe haftet insoweit allerdings nur mit dem Nachlass, sofern er nicht nach anderen Bestimmungen, etwa nach § 1615 Abs. 2 BGB, persönlich für die Kosten aufzukommen hat (vgl. Küpper in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2010, § 1968 Rz. 3).

    Eine endgültige Belastung durch Beerdigungskosten eines nahen Angehörigen ohne Ausgabenersatz kommt daher auch aus sittlichen Gründen nur in Betracht, soweit ein diese Kosten deckender Nachlass offensichtlich nicht vorhanden ist oder Erstattungsansprüche gegen den Erben nicht durchsetzbar sind (vgl. FG des Saarlandes, Urteil vom 5. Juni 1996 1 K 239/95 , EFG 1997, 78 m.w.N.). Solches ist im Streitfall nicht erkennbar. Dass das Vermögen der Verstorbenen im Zeitpunkt des Erbfalls aufgebraucht war, wird auch vom Kläger nur gemutmaßt. Ernsthafte Bemühungen, Ersatz seiner Beerdigungsaufwendungen vom Erben zu erlangen, hat der Kläger nicht unternommen. Obwohl er nach § 85 Satz 1 Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FGG – sich als Erstattungsberechtigter nach § 1968 BGB ohne weiteres beim Nachlassgericht die Ausfertigung eines Erbscheins erteilen lassen kann und er zudem als Pflichtteilsberechtiger Abkömmling (§ 2303 BGB) vom so ermittelten Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen kann, hat er bis zuletzt keine sicheren Aussagen über die Person des Erben oder den Bestand des Nachlasses treffen können. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger seine Mitwirkungspflichten nach § 93 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung – AO – verletzt. Der Untersuchungsgrundsatz nach § 88 AO gebietet nicht, dass das Finanzamt von Amts wegen Einsicht in die Nachlassakten nimmt, zumal ihm ein Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses ohnehin nicht zusteht. Das Finanzamt konnte seine Ermittlung von Amts wegen darauf beschränken, dem Kläger die Beischaffung der für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Informationen und Nachweise aufzugeben. Auch im gerichtlichen Verfahren waren weitergehende Ermittlungen von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 FGO und § 97 Abs. 1 Satz 1 AO) weder geboten noch erschienen sie zielführend.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

    RechtsgebieteEStG, GG, AOVorschriftenEStG § 33 Abs. 1 EStG § 33 Abs. 2 BGB § 1968 F GG § 85 S. 1 AO § 93 Abs. 1 AO § 97 Abs. 1

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