08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 12.09.2005 – VI 237/04
Hat die Steuerverwaltung langfristig Vollstreckungsaufschub zugesagt, der sie bei einer Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht mehr bindet, so kann und braucht sie bei Fortfall von Unterhaltsverpflichtungen und bei Erwerb von Grundvermögen nicht weiterhin Vollstreckungsaufschub zu gewähren
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zur Löschung einer von ihm eingetragenen Zwangssicherungshypothek verpflichtet ist und ob eine Vereinbarung über Vollstreckungsaufschub noch Bindungswirkung entfaltet.
Der 1949 geborene Kläger ist gelernter Gas- und Wasserinstallateurmeister und seit langem bei der Umweltbehörde in Hamburg beschäftigt. Wegen unstreitiger Steuerschulden von 30.298,07 EUR, die überwiegend aus den Jahren 1979 bis 1988 stammen (vgl. Aufstellung der in Vollstreckung befindlichen Rückstände vom 17.03.2004, Bl. 217 Vo-Akten Bd. IV), sowie vom Kläger ohne nähere Begründung angezweifelter Verspätungs- und Säumniszuschläge von insgesamt etwa 71.000 EUR beantragte der Beklagte am 7. Juni 2004 gemäß § 322 AO in Verbindung mit § 864 ff. ZPO die Eintragung einer Sicherungshypothek zu Lasten des hälftigen Miteigentumsanteils des Klägers am Grundstück X-Weg 1, Hamburg. Dabei handelt es sich um ein vom Kläger ausweislich des Wohnungsgrundbuchs (Bl. 71 ff. Vo-Akten Bd. IV) am 30.06.1997/18.03.1998 erworbenes, selbst genutztes 712 m2 großes Einfamilienhausgrundstück (tatsächlich offenbar ein 1.424 m2 großes Zweifamilienhausgrundstück, vgl. die Einkommens- und Vermögensübersicht vom 17.01.1997, Bl. 187 Vo-Akten Bd. III) in Hamburg-..., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung, Abstell- und Wirtschaftsräumen sowie Garage.
Vorangegangen war ein Gespräch am 2. Juni 2004, bei dem ausweislich des vom Beklagten gefertigten Aktenvermerkes mit Schreiben vom 3. Mai 2004 angeforderte Zins- und Tilgungspläne nicht vorgelegt wurden, dafür aber Darlehensverträge mit der Bauspar AG über 74.000 und 148.000 DM sowie der B-Bank über 119.300 EUR.
Gegen den Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek legte der Kläger am 28. Juni 2004 Einspruch ein. Zur Begründung berief er sich auf eine Vereinbarung über die Rückführung von Steuerrückständen vom 20. Dezember 1996, deren Bedingungen - insbesondere monatliche Zahlung von 250 DM beziehungsweise 127,82 EUR - er eingehalten habe.
Aus den vorliegenden Vollstreckungsakten ergibt sich hierzu Folgendes: Gegen den Kläger wurde seit mindestens 1993 vollstreckt. Am 27. März 1996 erschien der Kläger beim seinerzeitigen Amtsvorsteher des Beklagten und legte dar, es sei eine verbindliche Regelung zur Tilgung der Steuerrückstände mit der Oberfinanzdirektion getroffen worden. Daran habe sich der Beklagte zu halten. Probleme habe es immer wieder, auch vor 1993, bei Personalwechsel gegeben. Die jeweiligen Sachbearbeiter hätten dann offenbar seinen Fall zu einer raschen Beförderung nutzen wollen.
Da es in dieser Besprechung nicht zu einer Einigung hinsichtlich der Frage kam, ob Einkommensteuererstattungsansprüche mit laufend gezahlten Raten verrechnet werden sollten, kündigte der Kläger an, sich an den Staatsrat zu wenden. Der Beklagte pfändete daraufhin das Arbeitseinkommen des Klägers wegen Abgabenrückständen von über 150.000 DM, darunter neben Einkommen-, Gewerbe- und Umsatz- auch Lohnsteuer. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 4 ff. Vollstreckungsakte Bd. III verwiesen.
Am 19. April 1996 meldete sich der seinerzeitige Staatsrat der Umweltbehörde für den Kläger. Der damalige Vollstreckungssachgebietsleiter des Beklagten vermerkte über das Gespräch, dass der Staatsrat nach Darstellung des Sachverhaltes keine Möglichkeit gesehen habe, den Forderungen des Klägers nachzukommen. Der Kläger behauptete demgegenüber, der Sachgebietsleiter habe dem Staatsrat zugesichert, keine weiteren Zwangsmaßnahmen durchzuführen.
Nach zahlreichen weiteren Verhandlungen und umfangreichem Schriftwechsel, in dessen Rahmen der Kläger Unterlagen zu seinen Unterhaltsverpflichtungen vorlegte (Blatt 51 f. Vollstreckungsakten Bd. III), teilte der Beklagte der seinerzeitigen Rechtsanwältin des Klägers mit, dass mangels Offenbarung der Vermögensverhältnisse die Arbeitslohnpfändung nicht aufgehoben werde. Es fehle die Einkommens- und Vermögensübersicht und der Kläger habe sich auch sonst unkooperativ verhalten. Die Höhe des pfändbaren Betrages werde durch die Besoldungs- und Versorgungsstelle berechnet, die die Unterhaltspflicht für die Söhne berücksichtigen werde.
Am 16. Oktober 1996 wurde die Einkommens- und Vermögensübersicht vom 10. Oktober 1996 abgegeben (Blatt 64 Vollstreckungsakten Bd. III). Der geschiedene Kläger hatte danach zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Sein monatliches Nettogehalt betrug mit Kindergeld 3.056,55 DM. Sonstige Einnahmen erzielte er nicht. Seine feststehenden monatlichen Ausgaben errechnete er mit 2.963,87 DM. Dazu gehörten „Lebenshaltungskosten, drei Personen, eine Person davon schwer behindert” 1.200 DM. Die beiden danach berücksichtigten Söhne waren nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten bereits über 18 Jahre alt, suchten einen Ausbildungsplatz und bezogen Leistungen vom Arbeitsamt. Nach den Erklärungen vom 02.09.1996 (Bl. 58 ff. Vo-Akten Bd. III) dagegen studierte der Sohn A Physik an der Universität Hamburg und verfügte über kein eigenes Einkommen.
Der Sohn D hatte angegeben, seit dem 01.04.1996 Wehrdienst abzuleisten, und der dritte Sohn E wurde mit ca. 100 DM monatlich unterstützt und sollte künftig in den Haushalt des Klägers aufgenommen werden.
Zu seinen Vermögensverhältnissen gab der Kläger an, dass Geldmittel, Aktien und Wertpapiere, Forderungen, Lebensversicherungen und Grundvermögen nicht vorhanden seien. Ein Bausparvertrag mit einem Guthaben von ca. 2.000 DM bestehe bei der F. Einziger weiterer Vermögensgegenstand sei ein Daimler-Benz 190, Baujahr 1984, Laufleistung 170.000 km.
Die Lohnpfändung wurde mangels eines für den Beklagten akzeptablen Tilgungsvorschlages nicht aufgehoben. Nachdem der Kläger sich mit Schreiben vom 15. November 1996 an den seinerzeitigen Finanzsenator gewandt und ein Disziplinarverfahren und dienstrechtliche Schritte gegen den Amtsvorsteher wegen Rechtsbeugung, Amtsmissbrauch und Behinderung in einem schwebenden Rechtsverfahren gefordert hatte, kam es am 19. Dezember 1996 zu einer Besprechung in der Oberfinanzdirektion, an der der mittlerweile pensionierte Finanzpräsident Dißars, die Referentin R, der seinerzeitige Vollstreckungssachgebietsleiter V und der Kläger teilnahmen.
Der Vollstreckungssachgebietsleiter fasste mit Schreiben an den Kläger vom 20. Dezember 1996 die dort getroffenen Vereinbarungen im Wesentlichen wie folgt zusammen: Der Beklagte werde die Aufhebung der Lohnpfändung anzeigen. Der Kläger habe im Januar eines jeden Jahres eine Kopie der Gehaltsabrechnung und eine vollständig ausgefüllte Einkommens- und Vermögensübersicht zu übersenden. Das Finanzamt verpflichte sich, nach Vorlage dieser Unterlagen einen jeweils für ein Jahr geltenden Vollstreckungsaufschub zu gewähren, der widerrufbar sei, wenn die Zahlungen nicht bis zum 15. des folgenden Monats geleistet würden. Der Vollstreckungsaufschub werde gewährt gegen Zahlung des hälftigen gemäß § 850c ZPO zulässigen Pfändungsbetrages. Der monatlich zu zahlende Betrag werde auf 250 DM begrenzt. Sonderzahlungen sollten bei der Berechnung nicht berücksichtigt und Steuererstattungen ausgezahlt werden. Bei wesentlichen Veränderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei die Finanzverwaltung an die oben getroffenen Vereinbarungen nicht mehr gebunden. Der Vereinbarung sei die vom Kläger am 10. Oktober 1996 vorgelegte Einkommens- und Vermögensübersicht zugrunde gelegt worden.
Auch in der Folgezeit kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten, z.B. zu Schreiben des Klägers an den Senator, Anträgen auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens und Tätigwerden der Oberfinanzdirektion.
In der Einkommens- und Vermögensübersicht vom 27. Januar 1997 (Blatt 186 Vollstreckungsakten Band III) hatte sich die Laufleistung des Fahrzeuges um 15.000 auf 155.000 km vermindert. Zum Grundvermögen erklärte der Kläger, den hälftigen Anteil des in Wohnungseigentum aufgeteilten 1.424 mqm großen Grundstücks X-Weg 2 erworben zu haben. Der Kaufpreis habe 270.560 DM betragen, davon entfalle die Hälfte auf ihn. Dies geschah ausweislich eines Schreibens des Grundbuchamtes an den Kläger vom 23. März 1998 aufgrund der Auflassung vom 30. Juni 1997, eingetragen am 18. März 1998.
Der Kläger gab in der Einkommens- und Vermögensübersicht vom 27. Januar 1997 einen 1997 abgeschlossenen Bausparvertrag zur Deckung der öffentlichen Baumittel und des Vorausdarlehens mit einem Guthaben von 4.000 DM an; in den Folgejahren erklärte er zum Bausparvertrag jeweils, es habe sich nichts verändert (d.h. 1999: „wie 1998”, 2003: „wie 2002” usw.).
Die beiden Kinder wurden in die Berechnung der Lebenshaltungskosten - offenbar bis 2002 - weiter einbezogen. In der Bezügemitteilung für Januar 2003 sind Kinderfreibeträge nicht mehr berücksichtigt und die allgemeinen Lebenshaltungskosten nur noch mit 400 DM monatlich angesetzt.
Trotz weiterer Differenzen gewährte der Beklagte weiterhin widerruflichen Vollstreckungsaufschub, so am 8. Mai 1998 gegen Ratenzahlungen von monatlich 230,40 DM und am 23. Februar 1999 gegen Ratenzahlungen von monatlich 141,15 DM (Blatt 231 Vollstreckungsakten Band III), am 15. Februar 2000 gegen Zahlung von monatlich 250 DM und am 10. Februar 2003 gegen Raten von monatlich 127,82 EUR (Bl. 15 Vollstreckungsakten Bd. IV).
Nachdem der Kläger am 2. Februar 2004 wiederum eine Einkommens- und Vermögensübersicht eingereicht hatte, errechnete der Beklagte, dass monatlich 497 EUR pfändbar seien. Der Sachbearbeiter fertigte am 6. Februar 2004 einen Aktenvermerk, indem er davon ausging, dass die Verwaltung an die Vereinbarung vom 19. Dezember 1996 wegen wesentlicher Veränderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht mehr gebunden sei. Der Kläger sei seit 18. März 1998 Eigentümer des Grundstücks X-Weg 1, habe bis zum 31.12.2003 durch seine Zahlungen Eigentümergrundschulden in Höhe von 29.733,03 EUR (Bausparkasse) und 11.130,41 EUR (Wohnungsbaukreditanstalt) erlangt, es seien Scheidungsfolgekosten entfallen und keine unterhaltsberechtigten Kinder mehr vorhanden.
Der Vollstreckungssachgebietsleiter bat den Kläger daraufhin zu einem Gespräch, was dieser mit der Begründung ablehnte, es habe seit 1996 keine nicht aktenkundige Veränderung seines Vermögens gegeben. Ab Ende 2005 würden Jahr für Jahr Teile der Steuerschuld wegen Verjährung entfallen.
Der Beklagte gewährte am 18. Februar 2004 Vollstreckungsaufschub gegen eine monatliche Rate von 497 EUR. Zugleich pfändete er etwaige Eigentümergrundschulden des Klägers (Blatt 75 ff. Vollstreckungsakten Band IV), deren Höhe er mit 29.733 EUR (Bausparkasse) und 11.130 EUR (Wohnungsbaukreditanstalt) annahm, die jedoch ausweislich der Drittschuldnererklärungen bereits an die B-Bank eG von 1861 abgetreten waren (Bl. 100 f. Vollstreckungsakten), und setzte eine Erstattungssperre, um künftige Steuererstattungsansprüche mit den Rückständen aufrechnen zu können.
Der Kläger wandte sich am 23. Februar 2004 an den Finanzsenator mit der Bitte, den Amoklauf des Vollstreckungssachgebietsleiters zu stoppen, der versuche, durch Erpressung und Nötigung eine bindende Vereinbarung außer Kraft zu setzen (Bl. 86 Vo-Akten Bd. IV). Zugleich bat er den Senator um Erlass der Rückstände.
Die Finanzbehörde antwortete, die Maßnahmen des Beklagten seien nicht zu beanstanden. Der Kläger werde gebeten, auf das Gesprächsangebot einzugehen und an der Suche nach einer tragbaren Lösung mitzuwirken.
Der Beklagte lehnte den Erlassantrag am 12. April 2004 ab (Bl. 180 Vo-Akten Bd. IV). Zu einer Einigung über weiteren Vollstreckungsaufschub kam es nicht. Der Beklagte beanstandete am 15.06.2004, dass die Einkommens- und Vermögensübersichten nicht nachvollziehbar seien. So weise die Einkommensübersicht für 2004 ein monatliches Defizit in Höhe von 381 EUR aus, das sich durch die verschwiegenen Sparleistungen auf monatlich 611 EUR erhöhe. Der Kläger habe außerdem sein Sparkonto bei der Bausparkasse verheimlicht. Dies sei noch steuerstrafrechtlich zu würdigen.
Auf dieses Konto zahlte der Kläger monatlich neben vermögenswirksamen Leistungen 230 EUR ein; das Guthaben zum 31.12.2003 beträgt 23.669,15 EUR (Bl. 212 Vo-Akten Bd. IV).
Bereits am 07.06.2004 hatte der Beklagte den Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek gestellt, die im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens am 18.06.2004 in Höhe von 102.139,24 EUR eingetragen wurde (Bl. 216, 225 Vo-Akten Bd. IV).
Den am 28. Juni 2004 eingelegten Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 06.07.2004 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die am 3. August 2004 beim Gericht eingegangene Klage.
Der Beklagte hat die Vereinbarung vom 19./20.12.1996 mit Schreiben vom 24.01.2005 (falsch datiert auf 2004, Bl. 73 FG-Akten) wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise wegen Irrtums bezüglich der Unterhaltsleistungen für die Söhne des Klägers im Jahr 1996 angefochten.
Der Kläger trägt vor, die 1996 getroffene Vereinbarung sei weiterhin wirksam und von ihm eingehalten worden. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich nicht verändert. Der Umstand, dass die Unterhaltsberechtigung der Kinder zu einem absehbaren Zeitpunkt entfallen würde, sei in der Vereinbarung bereits berücksichtigt worden. Die in der Einkommens- und Vermögensübersicht vom 10.10.1996 angegebenen Lebenshaltungskosten von 1.200 DM hätten sich nur auf ihn selbst bezogen; er habe besondere Nahrungsmittel benötigt. Die Teilnehmer der Besprechung am 19.12.1996 in der OFD hätten dies gewusst; sie hätten auch gewusst, dass seine Kinder damals bereits über 18 Jahre alt gewesen seien, Leistungen vom Arbeitsamt erhielten und keiner Unterhaltszuwendungen durch ihn, den Kläger, bedurften.
Durch den Grundstückserwerb habe sich keine Veränderung der Lage ergeben. An die Stelle der Miete seien die Finanzierungskosten getreten. Von einer Besicherung der Ansprüche des Beklagten hätten die Beteiligten bewusst abgesehen.
Die Eintragung der Sicherungshypothek sei zudem rechtsmissbräuchlich gewesen, weil der Verkehrswert des Grundstücks unter der Belastung mit vorrangigen Grundschulden liege, so dass der Beklagte bei einer Zwangsversteigerung leer ausgehen würde. Die Sicherungshypothek behindere seine Verhandlungen über eine Anschlussfinanzierung.
Der Kläger beantragt, 1.den Beklagten zu verpflichten, die Löschung der am 18. Juni 2004 in das Grundbuch von Hamburg-..., Blatt ..., eingetragenen Zwangssicherungshypothek zu bewilligen und 2. festzustellen, dass die Vereinbarung vom 19.12.1996 weiterhin wirksam ist.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er sieht sich wegen seiner Anfechtung vom 24.01.2004 nicht mehr an die Vereinbarung vom 20.12.1996 gebunden und meint, darüber hinaus sei die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung nicht gegeben gewesen oder entfallen, da der schon bei Abschluss der Vereinbarung vom 20.12.1996 seinen Kindern keinen Unterhalt mehr gezahlt, sondern nur Unterkunft zur Verfügung gestellt habe, und die Kinder auch nicht unterhaltsbedürftig gewesen seien, da sie seinerzeit selbst Leistungen vom Arbeitsamt bezogen hätten. Die Unterhaltspflicht sei jedenfalls mit dem Abschluss ihrer Ausbildung, d.h. spätestens 2003, entfallen.
Dem Gericht haben zwei Bände Vollstreckungs- und ein Band Rechtsbehelfsakten vorgelegen, auf die hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Die Beteiligten haben im Zusammenhang mit der widerrufenen Einigung in der mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2005 auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter.
I. Der auf Bewilligung der Löschung der Sicherungshypothek gerichtete Klagantrag ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Eintragung der Hypothek und nicht deren Löschung Gegenstand des Einspruchs und der Einspruchsentscheidung waren, denn dabei geht es um dasselbe Begehren, nämlich die Beseitigung der Hypothek aus dem Grundbuch.
Die Klage ist aber insoweit unbegründet. Die Eintragung der Sicherungshypothek war rechtmäßig (1.) und stellt sich nicht als unbillige Vollstreckungsmaßnahme im Sinne von § 258 AO dar (2.); dem Kläger ist Vollstreckungsaufschub auch nicht aufgrund der Vereinbarung vom 19./20.12.1996 zu gewähren, denn diese entfaltet keine Bindungswirkung mehr (3.).
1. Die Eintragung der Sicherungshypothek war rechtmäßig.
Die der Eintragung zu Grunde liegenden Steuerforderungen waren fällig und sind der Höhe nach unstreitig. Auch wegen der Nebenleistungen konnte vollstreckt werden. Da Verspätungszuschläge mit der Steuer festgesetzt und Säumniszuschläge automatisch berechnet werden, geht das Gericht von deren Richtigkeit aus. Den vom Kläger ohne nähere Begründung vorgetragenen Zweifeln an der Höhe der Nebenleistungen ist nicht zu folgen, zumal er keinen Abrechnungsbescheid beantragt hat.
Der Kläger hat, nachdem sein mit dem Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist begründeter Erlassantrag vom 23.02.2004 am 12.04.2004 abgelehnt worden war, auch nicht in diesem Verfahren die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf vollständigen oder teilweisen Erlass von Nebenleistungen vorgetragen. Ob dem Kläger die rechtzeitige Zahlung der Steuern wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich war (vgl. zum Erlass von Säumniszuschlägen BFH-Beschluss vom 29.10.2004, IX B 81/04, Juris, m.w.N.; BFH-Urteil vom 18.06.1998, V R 13/98, BFH/NV 1999, 10; BFH-Urteil vom 08.03.1990, IV R 34/89, BFHE 160, 296, BStBl II 1990, 673) und die Vollstreckung wegen der Nebenleistungen deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hätte, braucht mithin nicht entschieden zu werden.
Die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen wegen Steuerschulden - insbesondere durch Eintragung einer Sicherungshypothek - ist eine zulässige Art der Beitreibung (vgl. § 322 Abs. 1 und Abs. 3 S. 4 AO). Nach den aufgrund der Einkommens- und Vermögensübersichten des Klägers bekannten wirtschaftlichen Verhältnissen steht auch fest, dass der geschuldete Betrag durch Vollstrekkung in bewegliches Vermögen nicht beizutreiben war.
2. Die Eintragung der Sicherungshypothek ist auch nicht unbillig im Sinne von § 258 AO.
Wenn nicht die Geltendmachung der Abgabenrückstände insgesamt unbillig und deshalb ein Erlass (§ 227 AO) geboten ist, können Vollstreckungsmaßnahmen nach § 258 AO einstweilen einzustellen, zu beschränken oder aufzuheben sein, wenn sie im Einzelfall unbillig sind.
Bestimmte einzelne Vollstreckungshandlungen können danach vorübergehend oder dauerhaft unbillig sein. Die grundsätzlich nur vorläufige Natur der nach § 258 AO zutreffenden Regelung schließt nicht aus, dass eine einzelne Maßnahme der Zwangsvollstreckung schlechthin und auf Dauer unbillig sein kann. In diesem Falle ist an Stelle der unbilligen Maßnahme auf billige Art zu vollstrecken.
Außerdem kann sich jegliche Zwangsvollstreckung als vorübergehend unbillig darstellen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollstrekkung ein unangemessener Nachteil droht, der durch kurzfristiges Zuwarten vermieden werden kann (BFH-Beschluss v. 04.02.1992, VII B 119/91, BFH/NV 1992, 789; Tipke/ Kruse, AO, FGO, § 258 AO Rdnr. 5).
a) Für eine vorübergehende Unbilligkeit jeglicher Vollstreckungsmaßnahmen ist im Streitfall nichts ersichtlich. Die Vollstreckung beim Kläger beruht weder auf lediglich vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten noch ist eine wesentliche Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit zu erwarten; die Vollstreckung trifft ihn gegenwärtig nicht härter als dies (mutmaßlich) in einigen Monaten oder Jahren der Fall wäre. Dem Kläger geht es dementsprechend auch nicht um die Verhinderung einer Vollstreckung zur Unzeit, sondern um die dauernde Beschränkung seiner Zahlungspflicht auf monatlich 250 DM/127 EUR und die Aufhebung der Sicherungshypothek.
b) Die Eintragung der Sicherungshypothek stellt sich auch nicht als unbillige Vollstreckungsmaßnahme dar, denn der Kläger wird durch sie nicht unverhältnismäßig härter getroffen als durch andere mögliche Vollstreckungshandlungen.
Die alternativ in Betracht kommende Pfändung seiner Besoldungsansprüche würde ihn mutmaßlich zum einen mehr beeinträchtigen, weil er dann auch die Finanzierungsraten nicht mehr aufbringen könnte, und zum anderen angesichts der Höhe seiner Verbindlichkeiten nicht ausreichen.
Falls die Sicherungshypothek ihn - wie behauptet - bei Refinanzierungs- oder Umschuldungsverhandlungen behindern sollte, läge darin kein Nachteil, der - wie wirtschaftliche Existenzvernichtung, Verlust des Arbeitsplatzes, Zwang zu Notverkäufen (vgl. die Nachweise bei Tipke/Kruse, AO, FGO, § 258 AO Rdnr. 6) - so gravierend wäre, dass er sie als schlechthin unbillig erscheinen ließe.
Ob eine vom Beklagten aufgrund der Sicherungshypothek betriebene Zwangsversteigerung des Grundstücks unbillig wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
3. Der Beklagte ist auch nicht wegen der Vereinbarung vom 19.12.1996 verpflichtet, weiterhin Vollstreckungsaufschub zu gewähren. Rechtsnatur und Rechtmäßigkeit (vgl. §§ 130, 131 AO) der Vereinbarung sowie die Frage, ob der Beklagte sie wirksam angefochten hat, können offen bleiben. Denn ihre Bindungswirkung besteht jedenfalls deshalb nicht mehr, weil sich die zu Grunde gelegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers wesentlich verändert haben.
Nach der Regelung in Nr. 7 wurde der Vereinbarung die am 10.10.1996 vorgelegte Einkommens- und Vermögensübersicht zu Grunde gelegt und bestimmt, dass die Finanzverwaltung bei wesentlichen Veränderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht mehr gebunden sei. Aus dem Zweck der Vereinbarung, eine billige Regelung über die Vollstreckung der bestehenden Abgabenrückstände zu treffen, ist zu folgern, dass alle in der Einkommens- und Vermögensübersicht abgefragten Positionen von Bedeutung sein sollten. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse kam es deshalb einerseits auf die Einnahmeseite an, weil diese für die Höhe des pfändbaren Betrages entscheidend ist, andererseits aber auch auf die Höhe der monatlichen Ausgaben, weil diese eine Beschränkung der zumutbaren Raten aus Billigkeitsgründen gebieten können. Bezüglich der Vermögensverhältnisse waren die vollstreckungsfähigen Aktiva von Bedeutung.
a) Die so verstandenen Einkommensverhältnisse haben sich seitdem wesentlich verändert, indem die Unterhaltsverpflichtung für die Kinder des Klägers entfallen ist.
Die der Vereinbarung zu Grunde gelegte Einkommens- und Vermögensübersicht geht von Lebenshaltungskosten für drei Personen in Höhe von 1.200 DM monatlich aus, im Folgejahr wurden für die Lebenshaltungskosten von drei Personen 1.300 DM zu Grunde gelegt. Ob diese seinerzeit in dieser Höhe bestanden, was die Erklärungen der Söhne nahe legen, oder ob die im Erörterungstermin geäußerte Annahme der Beteiligten zutrifft, dass der Kläger wegen Leistungen des Arbeitsamtes an die Söhne durch Unterhaltsverpflichtungen im Dezember 1996 nicht mehr belastet war (trotz Wehrdienstableistung von D seit April 1996 und Studium durch A?), kann dahinstehen. Maßgeblich ist insoweit die unzweideutige Bezugnahme des Schreibens vom 20.12.1996 auf die Einkommens- und Vermögensübersicht vom 10.10.1996.
Spätestens seit Anfang 2003 bestehen diese Verpflichtungen nicht mehr; die Kinder des Klägers werden bei der Besoldung auch nicht mehr berücksichtigt. Der Kläger selbst hat in seiner Einkommens- und Vermögensübersicht 2003 für allgemeine Lebenshaltungskosten nicht mehr wie am 10.10.1996 1.200 DM, sondern nur noch 400 DM angesetzt. Die sich daraus ergebende Verminderung seiner monatlichen Belastungen von 800 DM monatlich ist angesichts der nur durchschnittlichen Einkommensverhältnisse und der zuvor auf höchstens 250 DM monatlich bestimmten Rate im Sinne der Regelung Nr. 7 des Schreibens vom 20.12.1996 wesentlich.
Auf die Frage, ob am 19.12.1996 über die tatsächliche Unterhaltsbelastung des Klägers und den eventuellen oder voraussichtlichen Fortfall der Verpflichtungen gesprochen wurde, kommt es nicht an. Denn maßgeblich für den Inhalt des möglichen Anspruchs auf Vollstreckungsaufschub ist das Bestätigungsschreiben des Beklagten vom 20.12.1996, dem der Kläger nicht widersprochen hat. Zu etwaigen in der Akte nicht festgehaltenen weitergehenden Zusagen in der Besprechung hat der Kläger nichts behauptet, was auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen des Beklagten - nicht der unzuständigen Oberfinanzdirektion - schließen lässt. Diese konnten zudem mangels Schriftform (vgl. § 205 AO sowie die Grundsätze über eine verbindliche Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben, vgl. dazu Tipke/Kruse, AO, FGO, Rz. 31 f. vor § 204 AO) keine Wirkung erlangen und wären im Übrigen durch das Bestätigungsschreiben entfallen.
Auf die zunächst beabsichtigte Vernehmung des zum Termin der mündlichen Verhandlung erschienenen Sachgebietsleiters V ist deshalb verzichtet worden; die Beteiligten haben sich damit durch den Verzicht auf eine (weitere) mündliche Verhandlung konkludent einverstanden erklärt.
b) Hinsichtlich der Vermögensgegenstände des Klägers geht die der Vereinbarung zu Grunde gelegte Einkommens- und Vermögensübersicht davon aus, dass mit Ausnahme eines Bausparvertrages mit einem Guthaben von circa 2.000 DM keine werthaltigen Vermögensgegenstände und insbesondere kein Grundvermögen vorhanden sei.
Dies hat sich durch den Erwerb des Wohnungseigentums wesentlich geändert. Da in der Einkommens- und Vermögensübersicht vom 10.10.1996 mit Ausnahme des Bausparguthabens keine verwertungsfähigen Gegenstände enthalten waren, wäre bereits eine relativ geringfügige Änderung als wesentlich anzusehen. Da es auf vollstreckungsfähige Aktiva ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob der Grundstückswert die Belastungen übersteigt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Grundstücke häufig im Wert steigen und Belastungen meist im Laufe der Jahre getilgt werden oder im Todesfalle durch eine - offenbar auch im Streitfall bestehende (Bl. 198 Vo-Akten Bd. IV) - zweckbestimmte Risiko-Lebensversicherung abgelöst werden können.
c) Das Gericht braucht angesichts der vorstehenden wesentlichen Änderungen nicht zu entscheiden, ob auch das Bausparguthaben von 23.669,15 EUR zum 31.12.2003, dessen Größenordnung aus den vorangegangenen Einkommens- und Vermögensübersichten nicht ersichtlich ist und dem Beklagten offenbar erst im Juni 2004 bekannt wurde, eine wesentliche Änderung der Vermögenslage bewirkt hat, oder ob dem dessen Abtretung an die B-Bank entgegensteht.
d) Das Schreiben des Beklagten vom 20.12.1996 ist entsprechend seinem Wortlaut dahin auszulegen, dass der Beklagte infolge der wesentlichen Veränderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers an die Vereinbarung nicht mehr gebunden ist. Die Vereinbarung ist mithin nicht lediglich an die geänderten Verhältnisse anzupassen; eine Anpassung ist lediglich für den Fall ansonsten unwesentlicher Änderungen hinsichtlich der Höhe der monatlichen Raten vorgesehen (Nr. 4 des Schreibens).
Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der vom Beklagten und der Oberfinanzdirektion offenbar verfolgten Zielsetzung, zurückhaltend und schonend beizutreiben (Begrenzung der Rate auf die Hälfte des pfändbaren Betrages, höchstens 250 DM, kein Zugriff auf Steuererstattungen oder Weihnachtsgeld) und die Arbeitsbelastung durch Berichtspflichten infolge der Schreiben des Klägers an den Senator usw. zu vermindern. Die Vereinbarung lässt dagegen nicht erkennen, dass eine erlassähnliche Regelung geschaffen werden sollte.
e) Der Beklagte hat sein Recht, aufgrund veränderter Verhältnisse keinen weiteren Vollstreckungsaufschub nach den vereinbarten Bedingungen mehr zu gewähren, nicht verwirkt. Ein Vertrauenstatbestand ist beim Kläger zu keinem Zeitpunkt entstanden.
II. Der hinsichtlich der andauernden Wirksamkeit der Vereinbarung vom 19./20.12.1996 gestellte Feststellungsantrag (Klagantrag zu 2.) ist unzulässig, weil der Kläger seine diesbezüglichen Rechte stattdessen durch eine auf Gewährung von Vollstreckungsaufschub nach Maßgabe der Vereinbarung gerichtete Verpflichtungsklage verfolgen könnte (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Feststellungsantrag wäre anderenfalls, d.h. bei unterstellter Zulässigkeit, aus den oben (I. 3.) dargelegten Erwägungen unbegründet.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 115 Abs. 2 FGO).