08.01.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 27.06.2000 – 8 K 5705/96 F
1) Zu den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 2 EStG.
2) § 10 Abs. 2 S. 2 EStG ist nicht anzuwenden, wenn die Darlehensschuld vor dem 14.02.1992 entstanden ist und der Steuerpflichtige sich vor diesem Zeitpunkt verpflichtet hatte, die Ansprüche zur Tilgung oder Sicherung dieses Darlehens einzusetzen.
3) § 10 Abs. 2 S. 2 i.V. mit § 52 Abs. 24 S. 3 EStG verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 27.06.2000, an der teilgenommen haben:
aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zu Recht in drei Bescheiden vom 24.05.1996 festgestellt hat, daß die Zinsen aus den in den Bescheiden aufgeführten Kapitallebensversicherungen steuerpflichtig sind.
Der Kläger (Kl.) war bis zum 01.10.1992 Gesellschafter der Firma … und … GbR, … und … (im folgenden GbR).
In der Vereinbarung vom 01.10.1992 erklärten die beiden beteiligten Gesellschafter – der Kl. und Herr … (M.) – daß die Gesellschafter ihre Tätigkeit zum 15.09.1992 eingestellt hätten. Das Betriebsvermögen der Gesellschaft sei zu je 50 % auf die Gesellschafter übertragen worden, die damit ihre neu gegründeten Einzelfirmen fortführen würden. Zur Abwicklung der Gesellschaft wurde vereinbart, daß die Gesellschafter die zur Zeit bestehende Bankschuld bei der … (V-Bank) in Höhe von ca. 320.000 DM je zur Hälfte übernehmen würden.
In der Bilanz per 30.09.1992/31.12.1992 waren neben Versicherungs- und Steuerguthaben in Höhe von 4.928,87 DM und einem Guthaben bei der V-Bank in Höhe von 16.871,60 DM als Aktivposten u. a. der Buchwert der Fahrzeuge mit 1.017 DM und des Inventars in Höhe von 1 DM angegeben. Bei den Vorräten (Warenbestand und teilfertige Arbeiten) und den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen waren jeweils 0 DM angegeben. Für die beiden Gesellschafter war in der Bilanz ein negatives Kapital in Höhe von 162.055,44 DM (für den Kl.) und 146.257,13 DM (für M.) ausgewiesen. Als wesentliche Verbindlichkeiten waren in dieser Bilanz zwei Darlehen gegenüber der V-Bank Münster in Höhe von jeweils 160.000 DM aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Bilanz und zu der o.a. Vereinbarung wird auf die Seiten 23–26 der Gerichtsakte Bezug genommen.
In einer schriftlichen Bestätigung der V-Bank vom 19.02.1997 bestätigte die V-Bank dem Kl., daß dieser an die V-Bank die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag bei der … Nr. 283.886.55 abgetreten habe. Dies habe zur Besicherung ihrer zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Ansprüche gegen die Firma … …s GbR, Konto-Nr.: 9.700.900 und –/985, und gegen den Kl., Konto-Nr: 9.738.300 gedient.
In der diesbezüglichen schriftlichen Abtretungsvereinbarung vom 01.03.1991, die der Kl. mit der V-Bank getroffen hat, wird die Versicherungssumme dieses am 12.11.1984 abgeschlossenen Kapitallebensversicherungsvertrages mit 66,519 DM angegeben. In Nr. 1 des Abtretungsvertrages ist geregelt, daß der Sicherungsvertrag zur Sicherung aller bestehenden und künftigen – auch bedingten oder befristeten – Ansprüche der V-Bank oder eines die Geschäftsverbindung fortsetzenden Rechtsnachfolgers der Bank gegen die GbR und/oder den Kl. erfolgte.
Am 05.11.1992 schlossen der Kl. und V-Bank einen Darlehensvertrag über 160.000 DM (Nr. 32.318.430). Es war eine 100 % Auszahlung vorgesehen. Als Verwendungszweck war die „Umschuldung der Verbindlichkeiten der Firma … GbR, Münster” angegeben. In Nr. 6 dieses Vertrages war zum Punkt Sicherheiten ausgeführt:
„Neben den der Bank bereits bestellten und aufgrund der nach Nr. 19 Abs. 2 der allgemeinen Geschäftsbedingungen haftenden Sicherheiten stellt der Kreditnehmer der Bank mit gesonderten Vereinbarungen noch folgende Sicherheiten, die nicht nur diesen Kredit, sondern alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Bank absichern:”
Das offene Feld für weitere Angaben war nicht ausgefüllt.
Ebenfalls am 05.11.1992 räumte die V-Bank dem Kl. schriftlich einen Kontokorrent-Betriebsmittelkredit in Höhe von 10.000 DM (Höchstkreditgrenze) ein (Nr. 32.318.400).
Als zusätzliche Sicherheiten trat der Kl. am 05.11.1992 zwei Kapitallebensversicherungen an die V-Bank ab:
Lebensversicherungsvertrag Nr. 115.310.923 mit der … Lebensversicherungs- … vom 07.08.1978 über eine Versicherungssumme in Höhe von 71.633 DM
Lebensversicherungsvertrag Nr. 3.529.809.017 mit der … Lebensversicherungs-AG, … vom 17.01.1977 über eine Versicherungssumme in Höhe von 25.000 DM.
Nachdem die V-Bank das FA durch eine Anzeige gem. § 29 Abs. 1 EStDV über die Abtretung der drei Lebensversicherungen informiert hatte, stellte das FA durch drei gesonderte Feststellungsbescheide vom 24.05.1996 die Steuerpflicht von Zinsen aus den drei o.a. Kapitallebensversicherungen fest.
Den nichtbegründeten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung -EE- vom 25.10.1996).
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage trägt der Kl. vor, hinsichtlich der GbR sei eine Realteilung in zwei selbständige Einzelunternehmen (Firma … und Firma …) erfolgt. Es seien somit damals keine neuen Darlehen aufgenommen sondern lediglich bisherige Kontokorrent-Verbindlichkeiten in Darlehensverbindlichkeiten entsprechend den Anteilen der bisherigen Gesellschafter umgewandelt worden. Die abgetretene Lebensversicherung habe nach wie vor demselben Gläubiger für dieselbe Schuld als Sicherheit gedient. Nach seiner Meinung hätte es einer – formularmäßigen – neuen Abtretung auch nicht bedurft. Die Umwandlung einer Kontokorrent-Verbindlichkeit in ein Darlehen mit Festzins stelle unter der Voraussetzung, daß die anderen Bedingungen erfüllt seien, keinen sogenannten Neufall im Sinne des § 10 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit § 52 Abs. 13 a Satz 4 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25.02.1992 dar.
Für ihn habe sich bei der Auflösung der GbR ein Übernahme-Betrag in Höhe von 160.000 DM ergeben. Die Übernahme sei somit zu langfristigen Zwecken erfolgt.
Die Abtretung des mit der …-Lebensversicherungs AG, …, geschlossenen Lebensversicherungsvertrages Nr. 283.833.655 sei am 01.03.1991 (also vor dem 14.02.1992) erfolgt. Die Darlehensschuld sei vor dem 14.02.1992 entstanden Dieser Vertrag sei somit als Altvertrag nicht von der Neuregelung zu erfassen.
Soweit die Gesetzesänderung in bestehende Lebensversicherungsverträge eingreife und die Besteuerung der Erträge auf Lebensversicherungen für den Zeitraum vor der steuerschädlichen Verwendung vorschreibe, werde sie wegen des Rückwirkungsverbotes für verfassungswidrig gehalten. Nach seiner Auffassung dürften allenfalls Erträge besteuert werden, die ab dem 14.02.1992 angefallen seien.
Der Kl. beantragt,
die drei Feststellungsbescheide vom 24.05.1996 und die EE vom 25.10.1996 aufzuheben,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt zur Begründung vor, die Verwendung der gegenüber der … Lebensversicherungs-AG, …, Versicherungsnummer 115.310.923, und gegenüber der …, Versicherungsnummer 3.529.809.017, bestehenden Lebensversicherungen zwecks Sicherung eines betrieblichen Darlehens, mit dem sowohl Anlage- als auch Umlaufvermögen erworben worden sei, sei steuerschädlich im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 a EStG. Die Aufnahme des Darlehens zur Übernahme des 50 % – Gesellschaftsvermögens der … GbR im Hinblick auf den Beginn der selbständigen Tätigkeit stelle kein Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG dar. Entscheidend seien die mit dem abgesicherten Darlehen angeschafften Wirtschaftsgüter. Bei Übernahme von Betriebsvermögen – hier 50 % des Gesellschaftsvermögens der aufgelösten … GbR – werde sowohl Anlage – als auch Umlaufvermögen angeschafft (z B Forderungen, Verbindlichkeiten, Warenbestand). Lediglich die Finanzierung der Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die dauernd zur Erzielung von Einnahmen dienen und keine Forderungen darstellen würden, könnten nach § 10 Abs. 2 Satz 2 a EStG steuerunschädlich über eine Lebensversicherung abgesichert werden. Das sei hier nicht der Fall. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 c EStG sei die Sicherung von Betriebsmittelkrediten über einen Zeitraum von drei Jahren steuerunschädlich möglich. Die Verwendung des abgesicherten Darlehens sei hierbei unbeachtlich. Entscheidend sei lediglich die Dauer der Sicherung durch die Lebensversicherung. Die hier betroffenen Lebensversicherungen würden allerdings länger als drei Jahre der Sicherung betrieblicher Darlehen dienen. Die Steuerunschädlichkeiten können folglich nach § 10 Abs. 2 Satz 2 c EStG nicht festgestellt werden.
Bei der Abtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag des Kl. mit der … (Nr. 2.838.38655) handele es sich um einen sogenannten Altfall, weil die Abtretung vor dem 14.02.1992 erfolgt sei. Ab dem 05.11.1992 hätten die abgetretenen Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag der Absicherung der zum Zwecke der Umschuldung bei der V-Bank aufgenommenen Darlehen (Nr. 32.318.430 und 32.318.400) gedient. Die Umschuldung habe nach dem 14.02.1992 stattgefunden. Die Übergangsregelung des § 52 Abs. 13 a EStG sei nur anwendbar, wenn vor dem 14.02.1992
die Versicherung abgeschlossen worden sei,
das Darlehen (ganz) ausgezahlt worden sei, und
die Verpflichtung der Tilgung oder Sicherung des Darlehens gedient habe oder der Steuerpflichtige sich hierzu verpflichtet habe.
Die Darlehensverträge zwischen dem Kl. und V-Bank seien erst am 05.11.1992 abgeschlossen worden Die Darlehensschuld des Kl. gegenüber der V-Bank habe folglich am 13.02.1992 noch nicht bestanden. Die Umschuldung der Lebensversicherung falle demnach nicht unter die Übergangsregelung des § 52 Abs. 13 a EStG. Somit handele es sich um einen sogenannten Neufall, der unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG auf die Darlehensverwendung zu überprüfen sei. Bei der Realteilung der GbR in zwei selbständige Einzelunternehmen seien – nach Aussage des Kl. – die Kontokorrentverbindlichkeiten der GbR in Darlehensverbindlichkeiten entsprechend den Anteilen der bisherigen Gesellschafter umgewandelt worden. Unter einer Realteilung sei die Aufgabe eines Betriebes durch die Gesellschaft unter Naturalteilung des Gesellschaftsvermögens – evtl. mit Wertausgleich zwischen den Gesellschaftern – zu verstehen. Die im Gesellschaftsvermögen, d. h. im Gesamthandseigentum befindlichen Wirtschaftsgüter würden an die einzelnen Gesellschafter übereignet.
Hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der Umschuldung eine steuerschädliche Verwendung der abgetretenen Lebensversicherung stattgefunden habe, müsse festgestellt werden, ob die abgesicherte Schuld noch dieselbe sei. Wenn der Kl. entsprechend seinem Miteigentumsanteil sowohl die Aktiva als auch die Passiva der GbR anteilig fortgeführt habe und die anteilig übernommenen Kontokorrentverbindlichkeiten in ein Darlehen mit Festzinssatz umgewandelt worden seien, sei die Absicherung der Lebensversicherung weiterhin steuerunschädlich. Werde im Rahmen der Umschuldung allerdings ein Darlehensbetrag angesetzt, der höher ist als die anteilig übernommenen Verbindlichkeiten der GbR, liege nicht eine reine Umschuldung, sondern auch eine Darlehensneuaufnahme vor, die steuerschädlich sei.
Der Kl. habe aber mit Vertrag vom 05.11.1992 einen weiteren Betriebsmittelkredit (Kontokorrent-Vertrag Nr. 32.318.400) von der V-Bank in Höhe von 10.000 DM erhalten. Diese weitere Darlehensaufnahme – ebenfalls durch alle drei Lebensversicherungen anteilig abgesichert (s. Nr. 6 des Kreditvertrages Nr. 32.318.400) – sei steuerschädlich, da dieser Kredit bereits mehr als drei Jahren dem Betrieb des Kl. gedient habe und somit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 c EStG nicht mehr erfüllt seien. Nach Tz 12 des BMF-Schreibens vom 19.05.1993 BStBl. I 1993, 406 sei eine volle Steuerschädlichkeit gegeben, wenn die zur Sicherung oder Tilgung des Darlehens verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen nicht auf die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten und auf die Darlehenshöhe begrenzt seien. Diese Begrenzung müsse in der Abtretungs- oder Verpfändungserklärung oder bei der Hinterlegung vorgenommen werden. Die Einschränkung durch eine Sicherungsabrede reiche als Begrenzung nicht aus. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. In den einzelnen Abtretungen sei vermerkt, daß die Abtretung für alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Bank oder eines die Geschäftsverbindung fortsetzenden Rechtsnachfolgers der Bank erfolge. Eine Heilung der Übersicherung durch die Begrenzung der Abtretung sei durch den Kl. nicht erfolgt. Dabei sei unrelevant, daß der Kl. die Rechtsgültigkeit dieser Klausel unter Hinweis auf die Rechtsprechung bestreite. Maßgeblich sei, daß die Begrenzung in den Abtretungen nicht erfolgt sei. Die Abtretungen seien somit steuerschädlich. Da eine Übersicherung vorliege, komme es auf die Frage, ob tatsächlich nur Anlagevermögen finanziert worden sei, nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Feststellungsakte und auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Berichterstatter hat in diesem Verfahren am 29.02.2000 die Sach- und Rechtslage erörtert. Auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen. Der Kl. hat zu der im Erörterungstermin offengebliebenen Frage, ob die zur Sicherheit abgetretenen Lebensversicherungsverträge der Höhe nach in irgendeinerweise im Hinblick auf zukünftige Forderungen der V-Bank begrenzt worden seien, mitgeteilt, daß weitere oder nachträgliche Vereinbarungen als die dem FA und dem Finanzgericht vorliegenden zwischen ihm und der V-Bank nicht geschlossen worden seien. Die Rechtsgültigkeit in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Klauseln „… aller bestehenden und zukünftigen Ansprüche …” bestreite er unter Hinweis auf die Rechtsprechung (u. a. BGH vom 29.01.1982 V ZR 82/81, BGHZ 83, 56). Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich um eine Überraschungsklausel oder Übersicherung (wegen wachsender Lebensversicherungsansprüche) handele. Auch der Einwand, daß ungültige Verträge steuerlich zu berücksichtigen seien, solange oder soweit die Beteiligten dies gelten lassen wurden, könne hier nicht zum Zug kommen, da ungültige Klauseln in der Regel erst beanstandet wurden, wenn sie zur Anwendung kommen sollten. Aufgrund der Rechtsprechung zu dieser globalen zukünftigen Anspruchsabtretung habe die beteiligte Bank (nach telefonischer Auskunft) ihre Vorgehensweise insofern geändert, als das seit einigen Jahren jeweils eine neue Abtretungserklärung von den Schuldnern zu unterzeichnen sei.
Der Senat hat die Steuerakten für die Einzelfirma des Kl. zum Verfahren beigezogen.
In der Bilanz zum 31.12.1992 war ein negatives Eigenkapital zum 01.09.1992 in Höhe von 158.684,00 DM angegeben.
Die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der V-Bank (Nr. 32.318.430) hatte zum 31.12.1992 eine Höhe von 158.269,94 DM.
Der Kontokorrent-Betriebsmittelkredit (Nr. 32.318.400) war nicht aufgeführt. In den Bilanzen für die Folgejahre waren folgende Zahlen enthalten:
Darlehen | Kontokorrent | |
(Nr. 32.318.430) | (Nr. 32.318.400) | |
DM | DM | |
31.12.1993 | 146.781,58 | 61.638,92 |
31.12.1994 | 132.782,18 | 0,00 |
31.12.1995 | 117.223,46 | 31.479,63 |
31.12.1996 | 100.078,12 | 42.030,49 |
31.12.1997 | 81.184,32 | 19.881,21 |
Der Senat hat in diesem Verfahren am 27.06.2000 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift hierüber wird Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat zu Recht die Einkommensteuerpflicht der Zinsen aus den drei Kapitallebensversicherungsverträgen festgestellt. Nach § 9 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) wird die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert festgestellt, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgaben (SA)-Abzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind.
Nach dieser Vorschrift können Beiträge u. a. zu einer Kapitallebensversicherung nicht als Sonderausgabe abgezogen werden, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag während dessen Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben (BA) oder Werbungskosten (WK) sind, es sei denn das Darlehen dient unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, daß dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen übersteigen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Diese mit Steueränderungsgesetz 1992 eingeführte Gesetzesänderung schließt mithin grundsätzlich Lebensversicherungen von der steuerlichen Förderung aus, die im Rahmen der Erzielung von Einkünften im Sinne von § 2 EStG zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen eingesetzt werden, dessen Finanzierungskosten BA oder WK sind. Sonderregelungen bestehen unter bestimmten Voraussetzungen für Investitionsdarlehen, kurzfristige Betriebsmittelkredite und betrieblich/beruflich veranlaßte Darlehen, die mit einer Direktversicherung gesichert werden.
§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nicht anzuwenden, wenn die Darlehensschuld vor dem 14.02.1992 entstanden ist und der Steuerpflichtige sich vor diesem Zeitpunkt verpflichtet hatte, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Tilgung oder Sicherung dieses Darlehens einzusetzen (§ 52 Abs. 13 a S. 4 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25.02.1992 (BGBl. I 1992, 297; BStBl. I 1992, 146) jetzt § 52 Abs. 24 S. 3 EStG). Handelt es sich in diesem Sinne um einen Altfall, ist nicht weiter zu prüfen, für welchen Zweck die Darlehensmittel eingesetzt worden sind. Sie sind unschädlich eingesetzt. Aus diesem Grunde laßt es auch die Finanzverwaltung zu, solche Darlehen nach dem 13.02.1992 unter Einsatz von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen steuerunschädlich ganz oder teilweise umzuschulden (vgl. BMF-Schreiben vom 26.09.1994BStBl. I 1994, 749 Tz. 6). In der Umschuldung liege an sich eine Darlehensaufnahme nach dem 13.02.1992. Um Darlehensnehmer und Darlehensgeber die Möglichkeit zu geben, andere Vertragspartner zu wählen, werde in den genannten Fällen und unter den Voraussetzungen der Rz. 27 des BMF-Schreibens vom 19.05.1993 BStBl. I 1993, 406 und der Rz. 17 des BMF-Schreibens vom 02.11.1993 BStBl. I 1993, 901 die Altfall-Umschuldung nicht als Darlehens-Neufall gesehen.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Ansprüchen aus dem Lebensversicherungsvertrag des Kl. mit der …, (Vertragsnr.: 283.838.655), die der Kl. der V-Bank am 01.03.1991 zur Absicherung von Darlehen abgetreten hatte, die diese der GbR – bestehend aus dem Kl. und Herrn …- und dem Kl. persönlich gewährt hatte, zwar grundsätzlich um einen Altfall in diesem Sinne.
Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob die o.a. Interpretation des Gesetzes durch die Finanzverwaltung hinsichtlich der Umschuldung zutreffend ist. Denn bei der vom Kl. vorgenommenen Umschuldung handelt es sich auch unter Zugrundelegung der Auffassung der Finanzverwaltung nicht um eine steuerunschädliche Umschuldung in diesem Sinne. Die Finanzverwaltung macht in Rz. 27 des BMF-Schreibens vom 19.05.1993 a.a.O. die steuerunschädliche Umschuldung in Altfällen davon abhängig, daß das Ablösungsdarlehen die Restvaluta des umgeschuldeten Darlehens nicht übersteigt, und daß außerdem die Versicherungsansprüche vereinbarungsgemäß nur bis zu dieser Höhe der Sicherung oder Tilgung des Ablösungsdarlehens dienen.
Die erste dieser beiden Voraussetzungen dürfte zwar gegeben sein. Der Kl. hat bei der zum Zwecke der Fortführung der Geschäfte in einer neugegründeten Einzelfirma vorgenommenen Realteilung der GbR im Auseinandersetzungsvertrag am 01.10.1992 eine Darlehensforderung der V-Bank gegenüber der GbR in Höhe von 160.000 DM übernommen. Demnach übersteigt das am 05.11.1992 zwischen dem Kl. und der V-Bank vereinbarte Ablösungsdarlehen nicht die Restvaluta des umgeschuldeten Darlehens.
Die zweite Voraussetzung, daß die Versicherungsansprüche vereinbarungsgemäß nur bis zu dieser Höhe der Sicherung oder Tilgung des Ablösungsbetrages dienen, liegt aber nicht vor. Nach der in dem Abtretungsvertrag vom 01.03.1991 zwischen der V-Bank und dem Kl. enthaltenen Sicherungsvereinbarung diente nämlich die Abtretung der Ansprüche nicht nur der Sicherheit für die der GbR auf den Darlehenskonten Nr. 9.700.900 und 9.738.300 gewährten (und damit nunmehr vom Kl. in Höhe von 160.000 DM übernommenen) Darlehensbeträge, sondern auch für alle künftigen Ansprüche der V-Bank. Demgemäß dienten die abgetretenen Ansprüche auch zur Sicherheit für den weiteren Betriebsmittelkredit in Höhe von 10.000 DM, den die V-Bank dem Kl. ebenfalls am 05.11.1992 gewährt hat. Da dieser Betriebsmittelkredit nach dem 13.02.1992 eingeräumt worden ist, handelt es sich um einen sog. Neufall im Sinne des § 52 Abs. 24 S. 3 EStG.
Demgemäß ist hier hinsichtlich der Ansprüche des Kl. aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. 283.838.655 mit der … § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG anzuwenden.
Dies gilt auch hinsichtlich der beiden anderen Lebensversicherungsverträge. Bei den Ansprüchen aus den beiden Lebensversicherungsverträgen des Kl. mit der … (Vertragsnr: 3.529.809.017) und mit der … (Vertragsnr.: 115.310.923) handelt es sich nach o.a. Grundsätzen nicht um Altfälle. Der Kl. hat nämlich die Ansprüche aus den beiden Lebensversicherungsverträgen erst am 05.11.1992 und damit nach dem 13.02.1992 an die V-Bank abgetreten.
Die Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen sind daher nur dann nicht steuerpflichtig, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG für einen Sonderausgabenabzug vorliegen.
Nach dieser Vorschrift ist ein SA-Abzug der Beiträge zu den drei Lebensversicherungsverträgen nicht gegeben.
Die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag des Kl. mit der … und aus den anderen beiden o.a. Lebensversicherungsverträgen dienten der Absicherung von Darlehen, und zwar des umgeschuldeten Darlehens in Hohe von 160.000 DM und außerdem des Betriebsmitteldarlehens in Hohe von 10.000 DM. Diese Darlehen sind auch im Rahmen der Erzielung von Einkünften aufgenommen worden. Es ist davon auszugehen, daß der Kl. und der zweite ehemalige Gesellschafter der GbR nach Auseinandersetzung der GbR von der V-Bank keinen für die Fortführung ihrer Einzelfirmen erforderlichen Betriebsmittelkredit bekommen hätten, wenn sie sich nicht zur anteiligen Übernahme der im Zeitpunkt der Auseinandersetzung der GbR bestehenden Darlehensverbindlichkeiten der GbR gegenüber der V-Bank bereit erklärt hätten.
Die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 a EStG, wonach ausnahmsweise die Beiträge zu den dort genannten Lebensversicherungen dennoch als Sonderausgabe abgezogen werden können, liegen hier nicht vor. Denn die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen dienen nicht zur Sicherung von Darlehen, die unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Der mit den abgetretenen Versicherungsansprüchen abgesicherte Betriebsmittelkredit dient nämlich nach der Lebenserfahrung auch dazu, die für das Umlaufvermögen der Einzelfirma erforderlichen Güter zu erwerben. Dies gilt hier im besonderen Maße, weil zum Zeitpunkt der Realteilung der GbR am 01.10.1992 laut Bilanz kein Umlaufvermögen vorhanden war.
Der Kl. kann sich demgegenüber nicht unter Hinweis auf das BGH-Urteil vom 29.01.1982 V ZR 82/81BGHZ 83, 56 mit Erfolg darauf berufen, die in den Abtretungsvereinbarungen enthaltenen Klauseln „Zur Sicherung aller bestehenden und zukünftigen Ansprüche …” seien zivilrechtlich unwirksam, wobei es dahingestellt bleiben könne, ob es sich um eine Überraschungsklausel oder eine Übersicherung (wegen wachsender Lebensversicherungsansprüche) handele. Der dem BGH-Urteil vom 29.01.1982 zugrundeliegende ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Dort war in einem Formularvertrag eine Sicherungsabrede enthalten, derzurfolge eine vom Grundstückseigentümer dem Kreditgeber bestellte Grundschuld als Sicherheit auch für alle zukünftigen Ansprüche des Kreditgebers gegen den mit dem Grundstückseigentümer nicht identischen Kreditschuldner dienen sollte. In jenem Fall hat der BGH zu Recht entschieden, daß derjenige, der zur Sicherung eines fremden und zudem zweckgebundenen zinsgünstigen Darlehens an seinem eigenem Grundstück eine Grundschuld zugunsten des Darlehensnehmer bestellt, billigerweise nicht damit zu rechnen braucht, daß ohne besondere und mit ihm ausgehandelte Vereinbarung die Grundschuld als Sicherheit für alle zukünftigen Forderungen aus laufender Geschäftsverbindung zwischen dem Darlehensschuldner und dem Darlehensgläubiger dient.
Im vorliegenden Fall geht der Senat davon aus, daß die in den Abtretungsvereinbarungen enthaltenen Sicherungsverträge unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Großen Zivilsenats im Beschluß vom 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97 NJW 1998, 671 zivilrechtlich wirksam sind. Danach ist eine formularmäßige Sicherungsklausel selbst dann nicht unwirksam, wenn sie zu einer Übersicherung des Gläubigers führt. Der BGH hat zu Recht entschieden, daß dann, wenn und soweit eine nicht nur vorübergehende nachträgliche Übersicherung eintritt, eine (Teil-)freigabe zwingend erforderlich sei. Aus der Treuhandnatur des Sicherungsvertrages ergebe sich – abgesehen vom Fall auflösend bedingter Sicherungsübertragungen – die Pflicht des Sicherungsnehmers, die Sicherheit schon vor Beendigung des Vertrages zurückzugewähren, wenn und soweit sie endgültig nicht benötigt werde. Diese Pflicht folge gemäß § 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien.
Eine Übersicherung der V-Bank wegen der abgetretenen Ansprüche aus den drei Lebensversicherungen liegt hier im übrigen nicht vor. Die V-Bank hatte dem Kl. am 05.11.1992 Darlehen in Höhe von insgesamt 170.000 DM gewährt. Dem standen nach Angaben des Kl. im Erörterungstermin bei den drei Lebensversicherungsverträgen Rückkaufswerte in Höhe von insgesamt 134.558 DM zum 01.01.1995 gegenüber.
Das FA weist auch zutreffend darauf hin, daß hier ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 2 c EStG vorliegen, wonach die Sicherung von Betriebsmittelkrediten über einen Zeitraum von drei Jahren steuerunschädlich möglich ist. Die vom Kl. an die V-Bank zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche aus den drei Lebensversicherungsverträgen dienten insgesamt länger als drei Jahre der Sicherung betrieblich veranlaßter Darlehen. Bei dem Kontokorrent-Betriebsmittelkredit in Höhe von 10.000 DM (Vertrag Nr. 32.318.400), den die V-Bank dem Kl. am 05.11.1992 zu Beginn der Fortführung der Geschäfte der GbR in dem Einzelunternehmen des Kl. eingeräumt hatte, handelt es sich um ein betrieblich veranlaßtes Darlehen. Lt. den Bilanzen der vom Senat beigezogenen Akten des Einzelunternehmens des Kl. hatte dieser Kontokorrent-Betriebsmittelkredit in den Jahren ab 1992 folgende Höhe: 61.638,92 DM (31.12.1993), 0,00 DM (31.12.1994), 31.479,63 (31.12.1995), 42.030,49 DM (31.12.1996) und 19.881,21 DM (31.12.1997).
Der Kl. kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, die Gesetzesänderung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 13 a Satz 4 EStG (jetzt § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG) sei wegen des Rückwirkungsverbotes verfassungswidrig, soweit die Gesetzesänderung in bestehende Lebensversicherungsverträge eingreife und die Besteuerung der Erträge aus Lebensversicherungsverträgen für den Zeitraum vor der steuerschädlichen Verwendung vorschreibe.
Der Senat ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber mit dieser Regelung nicht verfassungswidrig gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz) abgeleitete Rückwirkungsverbot verstoßen hat (vgl. zu den insoweit vom BVerfG vertretenen Rechtsgrundsätzen die Beschlüsse des BVerfG vom 09.03.1971 2 BvR 326/69 u. a., BStBl. II 1971, 433, und vom 14.05.1986 2 BvL 2/83 BStBl. II 1986, 628).
Der Kl. konnte sich nicht ohne weiteres darauf verlassen, daß die steuerliche Begünstigung von Lebensversicherungsverträgen für alle Zukunft auch für solche Fälle fortbestehen würde, in denen die Verträge nicht zur privaten Vorsorge, sondern zur Finanzierung betrieblicher Investitionen eingesetzt werden. Diese Vertragsverwendung war, wenngleich sie lange Zeit vom Gesetzestext gedeckt gewesen sein mag, vom Sinn und Zweck der Steuervergünstigung nicht gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber hat dem Vertrauensschutz insoweit Rechnung getragen, als einem Versicherungsnehmer, der seine Lebensversicherung bereits vor dem Stichtag konkret beliehen hatte, die alte Rechtslage zugute kommt. Zu einem weitergehenden Schutz war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet (Nichtannahmebeschluß der 3. Kammer des 2 Senats des BVerfG vom 05.10.1992 3 BvR 1510/92, Die Information (Inf.) 1993, 47; Die Steuerberatung (Stbg) 1993, 139).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen hier nicht vor, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat mit seinem Urteil nicht von einer Entscheidung des BFH oder des BVerfG abweicht.