Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.01.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 28.10.2003 – 3 K 3385/00

    1. Für die Bedarfsbewertung sind die vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwerte maßgebend.

    2. Bei der Bewertung eines einheitlichen Villengrundstücks ist eine Aufteilung in zwei Bewertungsflächen und der Ansatz des sog.Hinterlandes mit einem unverhältnismäßig niedrigerem Wert regelmäßig nicht sachgerecht.


    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Tatbestand

    Der Kläger hat am 23. Mai 1998 ein 1002 m² großes Grundstück geerbt, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück liegt in einer Villengegend, in der nach dem geltenden Bebauungsplan nur eine geringe bauliche Nutzung der Grundstücke zulässig ist. Der Gutachterausschuss der Stadt ................... (Gutachterausschuss) hat für das Gebiet, in dem das Grundstück des Klägers liegt, zum 01. Januar 1996 einen Bodenrichtwert für unbebaute Grundstücke von 1200,-- DM/qm ermittelt bei einer Bebaubarkeit der Grundstücke mit einer Geschossflächenzahl von 0,3. Der Beklagte (das Finanzamt) hat den Grundbesitzwert für das Grundstück als Mindestwert nach § 146 Abs. 6 Bewertungsgesetz (BewG) durch Bescheid vom 5. Oktober 1999 auf 961.000,-- DM festgestellt; dabei ist es von einem Quadratmeterpreis von 1200,-- DM ausgegangen. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger fristgerecht Einspruch eingelegt.

    Im Verlauf des Einspruchsverfahrens hat der Kläger ein Sachverständigengutachten vom 15. Februar 2000 vorgelegt, in dem der Bodenwert des Grundstücks zum Stichtag mit 497.205,-- DM und der im Wege des Sachwertverfahrens ermittelte Wert des gesamten bebauten Grundstücks mit 829.440,-- DM ausgewiesen sind. Bei der Ermittlung des Bodenwerts hat der Sachverständige das Grundstück in zwei Flächen aufgeteilt, die er als bebaubares Bauland (440 qm) und nicht bebaubares Hinterland (562 qm) bezeichnet hat. Den Bodenwert der bebaubaren Fläche hat er mit 900,-- DM/qm und das Hinterland mit 225,-- DM/qm bewertet. Den Wert von 900,-- DM/qm hat er der Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses zum 1. Januar 1998 entnommen. Auf den weiteren Inhalt des Sachverständigengutachtens wird Bezug genommen (Blatt 17 ff. Vw-A).

    Das Finanzamt ist den Ausführungen des Gutachtens weitgehend nicht gefolgt, hat aber in seiner Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2000 eine Neuberechnung des Mindestwerts unter Ansatz des Bodenrichtwerts zum 1. Januar 1998 und eines Abschlags von 10 v.H. laut Gutachten vorgenommen und den Grundbesitzwert auf 811.000,-- DM herabgesetzt. Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine weitere Herabsetzung des Grundbesitzwerts.

    Zur Begründung nimmt der Kläger Bezug auf das Sachverständigengutachten vom 15. Februar 2000, in dem der Bodenwert des Bewertungsobjekts mit 497.205,-- DM angegeben war. Dieser Wert sei angemessen, weil im Rahmen der Wertermittlung berücksichtigt werden müsse, dass 75 v. H. der Grundstücksfläche nicht bebaubar sei. Nach § 146 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 6 und § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG sei daher dieser Wert als nachgewiesener niedrigerer Grundstückswert festzustellen. Das ergebe sich auch aus Abschnitt R 176 Abs. 3 der Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR). Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück nur mit einer Geschossflächenzahl von 0,14 bebaut sei. Da der Bebauungsplan eine Geschossflächenzahl von 0,3 erlaube und von dieser Nutzbarkeit auch in der Bodenrichtwertkarte ausgegangen werde, sei in Anlehnung an Abschnitt R 161 Abs. 2 ErbStR ein Umrechnungskoeffizient zu ermitteln, der zu einer Herabsetzung des Bodenrichtwerts von 900,-- DM/qm auf 690,-- DM/qm führe. Daraus errechne sich (bei Ansatz eines zusätzlichen Wertabschlags

    von 10 v. H. ) ein Grundstückswert von 622.000,-- DM. Auch dieser Wert liege unter dem vom Finanzamt festgesetzten Grundbesitzwert.

    Der Kläger beantragt,

    den Feststellungsbescheid vom 5. Oktober 1999 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2000 zu ändern und den Grundbesitzwert für das Grundstück in .................., ................................., zum 23. Mai 1998 auf 497.000,-- DM herabzusetzen,

    hilfsweise,

    den Grundbesitzwert auf 622.000,-- DM herabzusetzen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es bekräftigt seine Auffassung, dass für das Bewertungsobjekt ein einheitlicher Bodenwert anzusetzen sei, weil in dem gesamten Villengebiet die bauliche Nutzung der Grundstücke eingeschränkt sei und große Abstandszonen zu den Nachbarn eingehalten werden müssten. Weil diese Aspekte in dem Sachverständigengutachten nicht ausreichend berücksichtigt würden, sei dessen Wertermittlung weitgehend nicht zu folgen.

    Auch der Berichterstatter hat im Zuge der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Wertermittlungsmethode des Sachverständigen geäußert und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band Verwaltungsakten (Vw-A) vorgelegen.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet.

    Die angegriffene Feststellung des Grundbesitzwertes verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

    1. Der Grundbesitzwert eines bebautes Grundstücks ist für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 138 Abs. 3 in Verbindung mit §  146 BewG im Wege der Bedarfsbewertung mit einem typisierten Wert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt und der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 (§ 138 Abs. 1 Satz 2 BewG) zu ermitteln. Dabei sind bebaute Grundstücke zunächst unter Ansatz der in den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vervielfacht mit 12,5 zu bewerten. Dieser Wert ist gegebenenfalls um einen Alterungsabschlag für das Gebäude zu mindern und bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die ausschließlich Wohnzwecken dienen, um 20 v. H. zu erhöhen, § 146 Abs. 2 bis 5 BewG. Liegt der so ermittelte Grundstückswert unter dem Wert eines vergleichbaren unbebauten Grundstücks, dann ist als Grundbesitzwert der Wert festzustellen, mit dem das Grundstück als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten wäre (sogenannter Mindestwert), § 146 Abs. 6 BewG. Wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks (§ 9 Abs. 1 BewG) niedriger ist als der nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG ermittelte Wert, dann ist dieser niedrigere Wert als Grundbesitzwert festzustellen, § 146 Abs. 7 BewG, und jeweils auf volle 1000,-- DM (jetzt: 500,-- EUR) abzurunden, § 139 BewG.

    2. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass der Grundbesitzwert im Streitfall als Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG festzustellen ist. Denn der nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelte Ertragswert des Grundstücks liegt deutlich unter dem nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG ermittelten Mindestwert.

    Bei der Ermittlung des Mindestwerts des Grundstücks ist das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung allerdings zu Unrecht von den Bodenrichtwerten abgewichen, die der Gutachterausschuss zum 1. Januar 1996 ermittelt hat. Da sich die für die Bedarfsbewertung maßgebenden Verhältnisse des Grundstücks nach dem 1. Januar 1996 nicht geändert hatten und das Finanzamt den Ausführungen des Gutachtens nicht gefolgt ist, waren für die Mindestbewertung des Grundstücks weiterhin die vom Gutachterausschuss zum 1. Januar 1996 ermittelten Bodenrichtwerte maßgebend, § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG. Dieser Fehler des Finanzamts hat sich zu Gunsten des Klägers ausgewirkt und kann vom Gericht nicht zu seinem Nachteil berichtigt werden, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO.

    3. Den vom Kläger gegen die Feststellung des Grundbesitzwerts vorgetragenen Einwendungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

    a) Der Kläger hat mit dem Sachverständigengutachten vom 15. Februar 2000 keinen niedrigeren Grundstückswert im Sinne des § 146 Abs. 7 BewG nachgewiesen.

    Im Gesetz ist zwar nicht geregelt, wie dieser Nachweis im Einzelnen zu erbringen ist. Sofern der Steuerpflichtige aber ein Wertgutachten vorlegt, muss dieses inhaltlich richtig und schlüssig sein und den allgemein anerkannten Grundsätzen der Wertermittlung genügen, wie sie insbesondere in der Wertermittlungsverordnung niedergelegt sind (ebenso: Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 29. März 2001 IV 419/99 in: Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2001, 960). Diesen Anforderungen genügt das vorgelegte Gutachten zumindest hinsichtlich des ermittelten Bodenwerts des Grundstücks nicht. Denn der Sachverständige hat das einheitliche Villengrundstück ohne Bezugnahme auf die Wertermittlung des Gutachterausschusses und ohne überzeugende Begründung für seine abweichende Bewertung in zwei Bewertungsflächen aufgeteilt und insbesondere das sogenannte Hinterland mit einem unverhältnismäßig niedrigen Wert belegt. Dadurch sinkt der Quadratmeterpreis für das Grundstück auf 496,-- DM und damit auf einen Wert, der vollkommen außerhalb der Wertverhältnisse liegt, die der Gutachterausschuss für das

    Villengebiet ermittelt hat. Der Sachverständige hat seine Wertfindung auch nicht in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise erläutert oder auf die Regelungen der Wertermittlungsverordnung gestützt. Da der Gutachterausschuss bei seiner Wertermittlung keine Unterteilung der Grundstücke in Vorder- und Hinderland vorgenommen, sondern einheitliche Quadratmeterpreise für die allgemein großen Einzelgrundstücke bei geringer baulicher Nutzbarkeit ermittelt hat, geht auch der Senat davon aus, dass der einheitliche Quadratmeterpreis für das Grundstück des Klägers zum 1. Januar 1996 zumindest nicht unter 900,-- DM anzusetzen ist.

    b) Der Grundbesitzwert ist auch nicht deswegen niedriger festzustellen, weil das zu bewertende Grundstück tatsächlich nur mit einer Geschossflächenzahl von 0,14 bebaut ist, während der vom Gutachterausschuss ermittelte Bodenrichtwert eine Geschossflächenzahl von 0,3 beinhaltet.

    Es ist sicher zutreffend, dass der Wert eines Grundstücks wesentlich vom Maß seiner baulichen Nutzung abhängt. Im Streitfall wird die rechtlich mögliche bauliche Ausnutzung des Grundstücks durch dessen tatsächliche Bebauung aber nicht erkennbar beschränkt. Da nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 6 BewG und der Verweisung auf § 145 Abs. 3 BewG im Fall der Mindestbewertung das bebaute Grundstück wie ein unbebautes Grundstück zu bewerten ist, ist die tatsächliche Bebauung des Grundstücks allenfalls dann von Bedeutung für den Grundstückswert, wenn sie die vollständige bauliche Ausnutzung des Grundstücks hindert (ebenso: Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 29. März 2001 IV 565/2000, EFG 2001, 959; Rössler/Troll: BewG, 18. Auflage, 2003, § 146 Rdn. 43; Abschnitt R 176 Abs. 2 ErbStR). Aus den vorliegenden Unterlagen sind aber keine Gründe dafür ersichtlich, dass der Kläger die rechtlich zulässige Geschossflächenzahl durch einen Anbau, Ausbau oder Neubau nicht ausschöpfen kann. Da der Kläger danach weder rechtlich noch tatsächlich gehindert ist, das Grundstück mit der in der Bodenrichtwertkarte angegebenen Geschossflächenzahl von 0,3 zu bebauen, kann der Senat auch seinem Hinweis auf Abschnitt R 161 Abs. 2 ErbStR nicht folgen. Denn diese Verwaltungsvorschrift setzt ebenfalls voraus, dass das zu bewertende (unbebaute) Grundstück im Gegensatz zu den anderen in der Bodenrichtwertkarte erfassten Grundstücken nicht mit der dort angegebenen Geschossflächenzahl bebaut werden kann und darum im Wert gemindert ist. Solche baulichen Beschränkungen sind aber im Streitfall nicht erkennbar.

    4. Da der angegriffene Bescheid den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

    VorschriftenBewG § 138 Abs. 3, BewG § 146 Abs. 7, BewG § 146 Abs. 6, BewG § 145 Abs. 3