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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 04.10.2001 – I 163/2000

    Die wesentliche und das Berufsbild eines Versicherungsvertreters prägende Tätigkeit wird in der Regel vor Ort und damit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers beim Kunden erbracht.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob Aufwendungen für einen beruflich genutzten Raum (Servicebüro) im Einfamilienhaus eines Versicherungsvertreters unbeschränkt oder als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur beschränkt in Höhe von 2.400 DM als Betriebsausgaben abgezogen werden können.

    Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als angestellter Bezirksleiter der D Versicherungen im Außendienst Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres beantragte der Kläger, Kosten in Höhe von 5.669 DM für das Servicebüro (Nutzfläche 24,8 qm) als Werbungskosten abzuziehen. Das Finanzamt ließ dagegen lediglich einen Betrag von 2.400 DM zum Abzug als Werbungskosten zu (Einkommensteuerbescheid 1997 vom 22.04.1999). Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung führte das Finanzamt aus, der Abzug der Aufwendungen sei nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG als Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auf 2.400 DM beschränkt, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde. Dies ergebe sich daraus, daß beim Kläger der Schwerpunkt der Berufstätigkeit im Außendienst liege, weil diese Tätigkeit (Besuche bei Kunden zur Vermittlung von Versicherungsabschlüssen) für den geschäftlichen Erfolg entscheidend sei, während im häuslichen Arbeitszimmer zwar notwendige, aber doch nur organisatorische Arbeiten ausgeführt werden würden. Das gelte auch für vom Kläger mit ihm unterstellten Außendienstmitarbeitern im Service-Büro abgehaltene Besprechungen sowie die Ausbildung von Versicherungskaufleuten, zumal sich ein Großteil der Ausbildung ebenfalls im Außendienst vollziehe.

    Mit der Klage haben die Kläger Folgendes vortragen lassen: Bei dem durch den Kläger für berufliche Zwecke genutzten Raum handele es sich überhaupt nicht um ein typisches häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG. Dies ergebe sich zum Einen daraus, dass der Raum offen zugänglich sei und auch von Mitarbeitern für Beratungsgespräche mit Kunden genutzt werde, zum Anderen daraus, für welche Zwecke der Kläger diesen abgetrennten großen Raum nutze. Der begleitende Außendienst beanspruche etwa 30 % der gesamten Arbeitszeit des Klägers. Damit verbunden seien die Führung des Berichtswesens, die gemeinsame Vorbereitung von Besuchen sowie das Erstellen von Angeboten zusammen mit den oder für die unterstellten Außendienstmitarbeiter (in der Regel mindestens 2 - 3), alles Tätigkeiten, die im Servicebüro stattfänden. Auch die Personalsuche für den Arbeitgeber - etwa 10 % der Arbeitszeit - finde vom Büro aus statt. Auf eigene Kundenberatungen entfielen 25 % der Arbeitszeit. Weitere 5 % seiner Arbeitszeit sei der Kläger mit dem Erschließen neuer Märkte, der meist telefonischen Neukundengewinnung etc. beschäftigt, was zum größten Teil vom Servicebüro aus erledigt werde. Die restliche Arbeitszeit des Klägers werde zu jeweils 15 % mit dessen Spezialgebieten, der betrieblichen Altersversorgung und der Baufinanzierung gefüllt. In beiden Bereichen würden die wesentlichen Tätigkeiten (bei der Altersversorgung Betreuung und Verwaltung der Kunden, bei der Baufinanzierung Beleihungsprüfung und -berechnung, Grundschuldfragen, Vereinbarung der Notartermine, Übermittlung der Kundenunterlagen, Verwendungsnachweise und Bautenstandsberichte) vom Servicebüro aus durchgeführt.

    Aufgrund der geschilderten Tätigkeitsstruktur werde ersichtlich, dass das Servicebüro die Funktion einer Generalvertretung (Außenstelle der Versicherung) wahrzunehmen habe und sowohl bei einer Gewichtung der zeitlichen als auch der aussagekräftigeren qualitativen Komponenten den Mittelpunkt der Tätigkeit darstelle. Der Kläger nutze das Servicebüro etwa 20 - 25 Stunden pro Woche, zusätzlich 5 Stunden für die Schulung von Mitarbeitern. Mindestens zwei- bis dreimal pro Woche kämen Kunden in das Büro. Auch samstags halte sich der Kläger von 8 - 12 Uhr in seinem Büro auf, seine gesamte Wochenarbeitszeit belaufe sich auf mindestens 55 bis 60 Stunden. Auch die Kerntätigkeiten einer Versicherungsvertretung würden im Servicebüro und nicht im Außendienst erledigt. Dazu gehörten sicherlich die Beratung der Kunden und der Abschluss von Verträgen, doch gerade dies erfolge beim Kläger durch das Vorhalten eines entsprechenden Service in seinem Servicebüro. Um seine ständige Erreichbarkeit und das Erbringen von Serviceleistungen vor Ort zu gewährleisten, sei er als „Außendienstmitarbeiter” auch verpflichtet, ein eigenes Büro zu unterhalten. Folglich sei kein qualitativer Unterschied zu einem Steuerberater mit einem Heimbüro, der zu Buchungs- und Abschlussarbeiten häufig bei seinen Mandanten unterwegs sei oder einer „Ein - Mann - Rechtsanwaltskanzlei”, bei der sich der Anwalt mehr bei Gerichtsterminen als in der Kanzlei befinde, erkennbar. Bei keinem Rechtsanwalt oder Steuerberater käme man aber auf die Idee, dieser sei im Außendienst tätig, nur weil der Erfolg seiner Tätigkeit außer Haus, z. B. bei Gerichtsterminen eintrete.

    Das Finanzamt hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass ein ausschließlich genutzter, abgetrennter Raum, der zur Wohnung gehöre, unter den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers auch dann falle, wenn darin dem Steuerpflichtigen unterstellte Mitarbeiter tätig würden oder Beratungsgespräche geführt würden.

    Der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit liege bei einem Arbeitnehmer mit überwiegendem Außendienst in der Regel nicht im häuslichen Arbeitszimmer, weil dort der Außendienst lediglich vorbereitet, koordiniert und nachbereitet werde.

    Beim Kläger ergebe sich sowohl in zeitlicher als auch in qualitativer Hinsicht eine Gewichtung zugunsten des Außendienstes. So hätten nach den Angaben des Klägers der begleitende Außendienst einschließlich der (untergeordneten) Vor- und Nachbereitung einen Anteil von 30 %, die Kundenberatungen außer Haus von 25 %. Der Reisekostenaufstellung sei zu entnehmen, dass der Kläger im Streitjahr Dienstreisen mit einer Dauer von 10 Stunden an 118 Tagen, mit weniger als 10 Stunden an weiteren 96 Tagen unternommen habe. Lediglich an 6 Tagen sei er ausschließlich im Arbeitszimmer tätig gewesen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Versicherungsvertreters liege in der Gewinnung von Neukunden und in der Kundenbetreuung, was beides erfahrungsgemäß vor Ort beim Kunden erfolge. Gleiches gelte für Beratung und Abschluss der Verträge im Bereich der Baufinanzierung.

    Die Kläger haben sinngemäß beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2000 den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 22.04.1999 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer unter vollständiger Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten für das Servicebüro festgesetzt wird.

    Das Finanzamt hat Klageabweisung beantragt.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 5 EStG enthält eine sachliche und betragsmäßige Beschränkung des Werbungskostenabzugs für steuerlich anzuerkennende, ausschließlich beruflich genutzte Arbeitszimmer. Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Abzug dem Grunde nach ausnahmsweise gegeben ist, weil der Kläger als Versicherungsvertreter für die berufliche Tätigkeit keinen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung hat (Satz 2, 2. Alternative). Streitig ist, ob die Höhe der abziehbaren Aufwendungen nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift auf 2.400 DM begrenzt ist. Diese Beschränkung der Höhe nach gilt nach Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet, aber auch dann nicht, wenn es sich in Wirklichkeit gar nicht um Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, sondern - wie die Kläger meinen - um Aufwendungen für eine Art häusliche Betriebsstätte handelt. Keine dieser Alternativen für eine Ausnahme von der Beschränkung des Werbungskostenabzugs liegt im Streitfall vor.

    1. Abgrenzung zwischen häuslichen Arbeitszimmer und sonstigen Betriebsräumen

    Das Abzugsverbot der Regelung beschränkt sich auf häusliche Arbeitszimmer in eigener oder angemieteter Wohnung im Gegensatz zu dafür angemieteten Räumen außer Haus bzw. außerhalb der Wohnung (vgl. Schmidt, Kommentar zum EStG, 19.Aufl., § 4 Rz. 591 m.Rspr.N.). Bei Räumlichkeiten innerhalb einer Wohnung oder eines Hauses - wie hier - handelt es sich danach grundsätzlich um ein häusliches Arbeitszimmer. Der BFH führt dazu aus: „Nach gefestigter Rechtsprechung ist nicht entscheidend auf die jeweiligen baulichen Gegebenheiten abzustellen. Räumlichkeiten, die - wie üblicherweise ein häusliches Arbeitszimmer - nur einen Teil der Wohnung oder eines Wohnhauses bilden, verdanken - ungeachtet ihrer Lage und Beschaffenheit im Einzelfall - ihre Qualifikation als „häusliche Arbeitszimmer” der Zugehörigkeit zum Wohnhaus oder zur Wohnung des Steuerpflichtigen und damit zu dessen privaten Bereich. Das Eingebundensein in die Privatsphäre wird durch die betriebliche Nutzung eines Raumes in aller Regel nicht gelöst.” (vgl. Urteil des BFH vom 16.02.1994 XI R 52/91, BStBl. II 1994, 468). Daraus wird gefolgert, dass solche Räumlichkeiten, die nur einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bilden, also in den Wohnbereich und damit in die private Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden bleiben, nicht als (häusliche) Betriebsstätte qualifiziert werden können (vgl. Urteil des BFH vom 19.08.1998 IX R 90/96, BFH/NV 1999, 41). Eine andere Beurteilung mag allenfalls gerechtfertigt sein, wenn durch nach außen erkennbare Umstände die häusliche Privatsphäre zu Gunsten eines eindeutigen betrieblichen Bereichs zurücktritt (vgl. BFH-Urteil XI R 52/91 a.a.O.).

    Im Streitfall liegen danach Räumlichkeiten vor, die den Beschränkungen für häusliche Arbeitszimmer unterliegen. Denn es handelt sich um einen Raum, der Teil eines Wohnhauses ist, so dass die Aufwendungen sowohl eine Berührung mit der Lebensführung aufweisen als auch in einer Sphäre anfallen, die sich einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung oder Finanzgerichte entzieht. Ob dagegen baulich völlig getrennt gestaltete Räume mit einem einzigen getrennten Zugang ggf. als häusliche Betriebsstätte angesehen werden können (z. B. bei Rechtsanwaltspraxis, Arztpraxis, Maleratelier etc.) muss im Streitfall nicht entschieden werden, weil der Arbeitsraum Teil des privaten Wohnbereichs des Einfamilienhauses ist. Genau diese Konstellation, dass in der Privatwohnung liegende Räume tatsächlich ohne jegliche Kontrollmöglichkeit für die Finanzbehörden auch für andere als berufliche Zwecke genutzt werden können, sollte aber mit der ab dem Veranlagungszeitraum 1996 geltenden Neuregelung nach den Überlegungen des Gesetzgebers erfasst werden (vgl. Urteil des BFH vom 27.09.1996 VI R 47/96, BStBl. 11 1997, 68, 70).

    2. Häusliches Arbeitszimmer als Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit i. S. d. § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 2. Halbsatz EStG

    Nach herrschender Meinung ist dieses Kriterium bei häuslichen Arbeitszimmern von Gewerbetreibenden, deren Tätigkeit wesentlich durch Beratung und Geschäftsabschlüsse im Außendienst bei Kunden geprägt ist, nicht gegeben (vgl. FG Köln EFG 1999, 223 für Vertriebsbeauftragten, FG München EFG 1998, 1315 für Handelsvertreter, FG Köln EFG 2000, 1054 für Versicherungsmakler). In der Beilage 19/2000 zur EFG ist das letztgenannte Urteil wie folgt analysiert: Für den Begriff des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit dürfte darauf abzustellen sein, ob im häuslichen Arbeitszimmer die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung tatsächlich wesentliche Tätigkeit unter Beachtung der das betreffende Berufsbild prägenden Kennzeichen erbracht wird. In diesem Sinne könne die Vorbereitung der Kundengespräche durch einen Außendienstmitarbeiter oder selbständigen Handelsvertreter im häuslichen Arbeitszimmer in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht noch so intensiv sein. Die sowohl wesentliche als auch das Berufsbild prägende Tätigkeit werde vor Ort beim Kunden erbracht, nämlich in Gestalt des Beratungs- und Überzeugungsgesprächs und mithin ausserhalb des häuslichen Arbeitszimmers.

    Der Senat folgt dieser Auffassung, was im Streitfall zur Abweisung der Klage führt. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass bei einem nach Art eines Generalagenten tätigen Versicherungsvertreter nicht der Außendienst, sondern die im Servicebüro erbrachte Dienstleistung für den Erfolg der Tätigkeit prägend sein kann. Dies wäre jedoch nur denkbar, wenn dem Kläger als Bezirksdirektor unterstellte Untervertreter den Außendienst allein versehen würden oder wenn tatsächlich - z. B. wegen guter Verkehrslage und ständiger Erreichbarkeit - die Kunden zwecks Vertragsabschluss, Beratung und Betreuung den Versicherungsvertreter aufsuchen würden und nicht umgekehrt. Beides liegt nicht vor. Der Kläger lässt die Versicherung eben nicht von Mitarbeitern vertreten, sondern nimmt den Außendienst beim Kunden entweder allein (25 % Anteil) oder begleitend (30 % Anteil) wahr. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der überwiegende Teil der Kunden in den vom Kläger genannten Bereichen von sich aus das Servicebüro aufsuchen. Dem steht entgegen, dass der Kläger an 214 Tagen des Streitjahres Dienstreisen mit 10 Stunden bzw. weniger als 10 Stunden unternommen hat, die beim Kläger als Versicherungsvertreter im Regelfall - hier mit Ausnahme der ebenfalls außer Haus an 48 Tagen wahrgenommenen Schulungstätigkeit bzw. eigenen Fortbildung - keinem anderen Zweck als der Akquisition und Kundenbetreuung gewidmet gewesen sein können. Wenn demgegenüber gelegentlich auch Abschlüsse etc. im Büro, das nach Angabe des Klägers täglich zwischen 8 und 9 Uhr geöffnet war - getätigt worden sein sollten, stellt dies die Ausnahme dar. Denn die für das Servicebüro verbleibende Arbeitszeit musste für die vom Kläger geschilderten organisatorischen Tätigkeiten und die Mitarbeitergespräche in Anspruch genommen werden.

    Der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht, der Begriff „Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit” müsse örtlich verstanden werden mit der Folge, dass ein häusliches Arbeitszimmer immer schon dann diesen Mittelpunkt darstelle, wenn für den Außendienst kein davon abweichender örtlicher Mittelpunkt feststellbar sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Wäre diese Ansicht richtig, wäre das häusliche Arbeitszimmer in den Fällen, in denen für die Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, stets als Mittelpunkt anzusehen und die für diese Fälle in § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 3 2. Halbsatz EStG vorgesehene Prüfung des Mittelpunkts der Tätigkeit ginge ins Leere.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b, EStG § 9 Abs. 5