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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 18.09.2002 – II 168/01

    1. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1 a UStG kann vorliegen, wenn ein Unternehmer ein Gebäude auf seinem einzigen Grundstück errichtet und das Objekt noch vor Fertigstellung veräußert.

    2. Die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts im Sinne von § 4 Nr. 1c UStG setzt nicht voraus, dass der Grundstückseigentümer insoweit von jeder Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ausgeschlossen ist.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Veräußerung eines mit einem Mietobjekt bebauten Grundstücks die Voraussetzung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1 a UStG) erfüllt und ob die Einräumung eines dinglich gesicherten Wegerechts umsatzsteuerpflichtig ist.

    Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die am 18.10.1994 in das Handelsregister des Amtsgerichtes A eingetragen wurde. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin war die ...Bau GmbH (Einlage 90.000 DM), einzige Kommanditistin war die Gesellschaft... Bauvorhaben mbH mit einer Einlage von 10.000 DM. Die Klägerin war mit dem Ziel gegründet worden, ein unbebautes Grundstück zu erwerben, dieses mit einem Büro- und Wohngebäude zu bebauen, die Wohn- und Gewerbeeinheiten zu vermieten und das Grundstück mit dem Mietobjekt anschließend zu veräußern. Zu diesem Zweck hatte die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 28.09.1994 das unbebaute Grundstück X-Weg 1 in A zu einem Kaufpreis von 417.300 DM erworben. Als Tag der Übergabe war der 01.11.1994 vertraglich vereinbart worden. Noch während der anschließenden Bebauung veräußerte die Klägerin das Grundstück an eine „Grundstücksgemeinschaft A GbR” mit notariellem Kaufvertrag vom 20.06.1996 zu einem Preis von 9.595.000 DM. Als Tag der Übergabe war der 30.12.1996 vorgesehen und die Klägerin hatte sich in dem Vertrag verpflichtet, auf dem Grundstück ein Gebäude mit vier gewerblich genutzten Einheiten und 16 Wohneinheiten mit einem Investitionsvolumen von 6.400.000 DM zu errichten. Zugleich garantierte die Klägerin die Bezugsfertigstellung des Mietbereichs einer Bank zum 30.11.1996, die übrigen Einheiten sollten bis zum 31.03.1997 bezugsfertig sein. Hinsichtlich der genauen Mietflächen und der Zeitpunkte der von der Klägerin abgeschlossenen Mietverträge wird auf die Aufstellung Bl. 2 USt-Akten Bezug genommen. Die Klägerin hatte die Miete für Dezember 1996 noch vereinnahmt, die übrigen Mietzahlungen flossen nach Übergabe des Objektes an die Käuferin des Grundstücks, die per 30.12.1996 in alle bestehenden Mietverträge eingetreten ist. Die Mietvertragsurkunden und die von der Klägerin vereinnahmten Kautionsleistungen wurden im Zuge der Übergabe des Vertragsobjektes an die Käuferin ausgehändigt.

    Die Klägerin beabsichtigte von der Gesamtmietfläche (1.788,39 qm) Teilbereiche von 256,61 qm umsatzsteuerpflichtig weiterzuvermieten und die übrigen Bereiche (1.539,78 qm) steuerfrei zu vermieten. Dementsprechend nahm sie in ihren USt-Erklärungen für 1996 und 1997 einen anteiligen Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 4 UStG mit einer Quote von 14,35 % in Anspruch, soweit das Grundstück nach Fertigstellung der Gebäudeeinheiten zur steuerpflichtigen Vermietung verwendet werden sollte. Diese anteiligen Vorsteuerabzugsbeträge betrugen in 1996 85.533,70 DM und in 1997 36.538,80 DM. Die Veräußerung des Grundstücks behandelte die Klägerin umsatzsteuerlich als Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1 a UStG, der Veräußerungserlös wurde als nicht steuerbarer Umsatz erklärt.

    Am 20.10.1995 schloss die Klägerin mit den Eigentümern des Nachbargrundstückes X-Weg 2 ... eine schriftliche Vereinbarung, in der es u. a. heißt:

    „K und B werden die Grundstücke mit Wohn- und Geschäftshäusern bebauen. Beide Firmen verpflichten sich hiermit im Rahmen des Nachbarschaftsrechts zu gegenseitiger Unterstützung ihrer Baumaßnahmen und zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen gegenüber den Baugenehmigungsbehörden.

    Ebenso wird für den Bauablauf die gegenseitige Nutzung der Grundstücke genehmigt, soweit der jeweilige Grundstückseigentümer bei seinen eigenen Bauarbeiten nicht behindert wird.

    ...

    Die Nutzung der Hofflächen ist mit Abstellplätzen, Kinderspielplatz und Trafogebäude - wie im beigefügten Lageplan dargestellt - vorgesehen.

    Die K erstellt entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze von K und B eine Toreinfahrt, die zum Befahren und Begehen geeignet ist. Diese Toreinfahrt hat ebenfalls eine ausreichende Durchfahrtshöhe für das Platzieren des Trafogebäudes und den Abbau der Baukräne nach Beendigung der Bauarbeiten. Maximale Durchfahrtshöhe 3,50 m.

    Die K gestattet der B an dieser Durchfahrt ein Geh- und Fahrrecht, damit die B die Abstellplätze und die Hoffläche auf ihrem Grundstück erreichen kann. Dieses Wegerecht soll als Baulast im Baulastenverzeichnis und im Grundbuch gesichert werden.

    Für die Erstellung der Toreinfahrt und die Nutzung zahlt die B an die K einen einmaligen Betrag in Höhe von 200.000 DM.

    Dieser Betrag ist zur Zahlung fällig, sobald die Eintragung des Wegerechts im Grundbuch und im Baulastenverzeichnis erfolgt sowie die Erstellung der Toreinfahrt gesichert ist. Die Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten für die Toreinfahrt werden zwischen der K und der B geteilt...”

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf Bl. 16-18 der Bp-Arbeitsakte Bezug genommen. Die im Erdgeschoss des Gebäudes errichtete Toreinfahrt stellt die einzige Zufahrt zu den zu diesem Gebäude gehörenden Stellplätzen im Hinterhof dar.

    Am 16. Januar 1996 wurde in Abteilung 2 des Grundbuchs eine entsprechende Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks eingetragen. Mit Schreiben vom 24.03.1997 stellte die Klägerin der B GbR und B GmbH einen Betrag in Höhe von 200.000 DM in Rechnung, da die Toreinfahrt nunmehr zur Verfügung stehe und die Eintragung des Wegerechts im Grundbuch und Baulastenverzeichnis erfolgt sei. Die Klägerin behandelte die erhaltene Zahlung von 200.000 DM als umsatzsteuerfrei.

    Aufgrund Prüfungsanordnung vom 06.07.1999 fand in der Zeit vom 12.07. - 10.12.1999 bei der Klägerin eine USt-Sonderprüfung statt. In seinem Bericht vom 25.02.2000 gelangte der Außenprüfer zu dem Ergebnis, dass die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Vorsteuerbeträge in den Streitjahren nicht vorsteuerabzugsberechtigt gewesen sei. Die Veräußerung des bebauten Grundstückes stelle einen einheitlichen steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 9 a UStG steuerfreien Umsatz dar, von der Möglichkeit, die Veräußerung nach § 9 Abs. 2 UStG als steuerpflichtig zu behandeln, habe die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Nach Art und Umfang seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als Bauträger sei das Unternehmen allein im Hinblick auf die später verwirklichte Veräußerung des Grundstücks gegründet worden, das schließe eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Abs. 1 a UStG aus. Das Grundstück habe zum Vorratsvermögen des Unternehmens gehört und der Verkauf sei der einzige laufende Umsatz gewesen, der mit dem Erwerb des Unternehmens zusammenfalle. Die Zahlung des einmaligen Betrages von 200.000 DM sei nicht nach § 4 Nr. 12 c UStG steuerfrei, da die Erstellung der Toreinfahrt und die Einräumung des Nutzungsrechts eine einheitliche steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung darstellten, die dazu diene, dem Grundstücksnachbarn den Zugang zu der Hoffläche und den Stellflächen auf seinem Grundstück zu ermöglichen. Das dingliche Recht sichere lediglich die vereinbarte Leistungspflicht der Klägerin ab. Schließlich stellte der Prüfer unter Tz. 23 des Prüfungsberichtes fest, dass die Klägerin im Streitjahr 1997 auch Umsatzsteuer für Mietausfallentschädigungen aus einer Erstvermietungsgarantie, die ihr in Höhe von 9.246,14 DM zzgl. 1.386,92 DM USt von der Grundstückserwerberin in Rechnung gestellt worden waren, anteilig (14,35 % von 1.386,92 DM = 199,02 DM) als abzugsfähige Vorsteuer behandelt hatte. Insoweit habe es sich jedoch um eine nicht steuerbare Ersatzleistung (Schadensersatz) gehandelt, für die ein Vorsteuerabzug nicht möglich sei.

    Der Beklagte schloss sich den Feststellungen des Außenprüfers an und erließ am 14.04.2000 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten USt-Bescheid 1996, mit dem ein Vorsteuerabzug in Höhe von 85.533,70 DM versagt wurde. Mit USt-Bescheid für 1997 vom 14.04.2000 wurde die erklärte Vorsteuer in Höhe von 36.538,80 DM ebenfalls nicht berücksichtigt und Umsatzsteuern in Höhe von 26.086,96 DM (Bemessungsgrundlage der als steuerpflichtig angesehenen Leistung: 173.913 DM) festgesetzt.

    Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 20.04.2000 Einsprüche ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Grundstücksveräußerung als nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1 a UStG) anzusehen sei, weil die einzige Betriebsgrundlage des Unternehmens an einen anderen Unternehmer veräußert worden sei. Bilde ein einziges Grundstück die wesentliche Betriebsgrundlage eines Unternehmens, liege eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung vor, wenn alle fortdauernden Rechtsbeziehungen im Bezug auf das Grundstück auf den erwerbenden anderen Unternehmer übergingen. Das sei im Streitfall geschehen, da das Grundstück bebaut mit einem teilweise bereits vermieteten Objekt an die Erwerberin veräußert worden und diese kraft Gesetzes in die bestehenden Mietverträge eingetreten sei. Das gesamte „lebende Unternehmen” sei damit auf die Erwerberin übergegangen, die es ohne zusätzliche finanzielle Aufwendungen fortführen könne. Die Einräumung eines Wegerechts sei nach § 4 Nr. 12 c UStG steuerfrei. Da das Recht in das Grundbuch und das Baulastenverzeichnis eingetragen sei, stelle es ein dingliches Nutzungsrecht am Grundstück im Sinne dieser Vorschrift dar.

    Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2001 zurück. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Klägerin wegen der steuerfreien Veräußerung des Grundstückes (§ 4 Nr. 9 a UStG) nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Abs. 1 a UStG liege nicht vor, da die Klägerin kein Vermietungsunternehmen betrieben habe. Die Klägerin habe sich vielmehr in der typischen Art eines gewerblichen Bauträgers betätigt, indem sie in Erfüllung des Vertrages vom 20.06.1996 die Bauplanung, Bauausführung und Übergabe des bebauten Grundstücks übernommen habe. Die Übernahme von zusätzlichen Gewährleistungen und einer Erstvermietungsgarantie gehöre zu den typischen zusätzlichen Leistungen eines Bauträgers. Dieses Leistungsbündel sei umsatzsteuerrechtlich als einheitliche Leistung zu beurteilen, die nach § 4 Nr. 9 a UStG umsatzsteuerfrei sei (Hinweis auf OFD Chemnitz vom 03.02.1999 - S-7100 - 122/1 - St 34, UR 1999, 380). Die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin stelle sich als Wertschöpfung nach Art eines Bauträgers dar, nicht aber als Fruchtziehung aus zu erhaltenden Vermögenswerten, wie dies für ein Vermietungsunternehmen kennzeichnend sei. Das Grundstück habe zum Vorratsvermögen gehört, da es zur alsbaldigen Veräußerung bestimmt gewesen sei, es habe sich nicht um Anlagevermögen gehandelt. Deshalb fehle es an der Übertragung einer wesentlichen Betriebsgrundlage. Sinn der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 c UStG sei es im Übrigen, die Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks umsatzsteuerfrei zu lassen. Deshalb komme dieser Befreiungstatbestand nicht zur Anwendung, wenn der Berechtigte das Grundstück tatsächlich nicht nutzen könne oder eine Nutzung durch den Eigentümer oder durch andere Berechtigte nach der Ausgestaltung des Nutzungsrechtes nicht ausgeschlossen sei. Im Streitfall sei die Klägerin nach der Vereinbarung vom 25.10.1995 nicht von der Nutzung der von ihr erstellten Durchfahrt ausgeschlossen worden. Die Vereinbarung ziele daher auf eine Duldungsleistung, die mangels einer Befreiungsvorschrift umsatzsteuerpflichtig sei. Der dinglichen Absicherung komme kein eigener eigenständiger umsatzsteuerrechtlicher Gehalt zu (Hinweis auf BFH-Urteil v. 13.11.1997,BStBl II 1998, 169).

    Mit ihrer am 06.04.2001 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. die umsatzsteuerliche Behandlung der Gegenleistung für das eingeräumte Wegerecht. Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag während des Einspruchsverfahrens und weist ergänzend darauf hin, dass es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht darauf ankomme, wie lange ein Vermietungsunternehmen Mieterträge aus fortbestehenden Mietverträgen erzielt habe, da weder die bisherige Verwendung des Grundstücks noch die für die USt irrelevante Einstufung in Umsatz- oder Anlagevermögen für die Beurteilung, ob eine wesentliche Betriebsgrundlage vorliege, maßgeblich seien. Die Einräumung eines Wegerechts an einer zu erstellenden Toreinfahrt stelle keine Lieferung dar, da im Streitfall die Toreinfahrt Bestandteil des belasteten Grundstücks geblieben sei.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    den geänderten USt-Bescheid für 1996 vom 14.04.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 07.03.2001 aufzuheben und den USt-Bescheid für 1997 vom 14.04.2000 dahingehend zu ändern, dass ein Umsatzsteuererstattungsanspruch in Höhe von 36.538,80 DM festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung vom 07.03.2001.

    Dem Gericht haben die USt-Akten, die Rechtsbehelfsakten sowie die Betriebsprüfungs- und Betriebsprüfungsarbeitsakten (Steuernummer: ...) vorgelegen.

    Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

    Gründe

    Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

    Die Klage erweist sich als begründet, da der Beklagte den Vorsteuerabzug der Klägerin zu Unrecht versagte, soweit diese Vermietungsumsätze an gewerbliche Mieter steuerpflichtig ausführte bzw. auszuführen beabsichtigte und der Beklagte von einer Umsatzsteuerpflicht des Entgeltes für die Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechtes ausgegangen ist.

    1. Die Klägerin ist im Zusammenhang mit bezogenen Bauleistungen vorsteuerabzugsberechtigt, soweit sie steuerpflichtige Vermietungsumsätze an gewerbliche Mieter ausgeführt oder beabsichtigt hat.

    a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aber die Steuern für bezogene Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

    b) Im Streitfall kommt als in den Streitjahren beabsichtigte Verwendung des Grundstücks entweder eine Grundstücksveräußerung oder eine Vermietung in Betracht. Beide in Betracht kommenden Verwendungsumsätze sind nach § 4 Nr. 9 a) UStG bzw. nach § 4 Nr. 12 a) UStG steuerfrei und schließen nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug aus. Anders wäre dies nur dann, wenn die Klägerin die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, auf die Steuerfreiheit gemäß § 9 UStG zu verzichten. Es kommt deshalb auf die Absichten der Klägerin in den Streitjahren an. Entgegen der Annahme des Beklagten ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Klägerin beabsichtigte, (auch) Vermietungsumsätze an gewerbliche Mieter auszuführen, also Umsätze, die sie nach entsprechender Option (§ 9 UStG) als steuerpflichtig behandeln durfte und die sie deshalb zum Vorsteuerabzug berechtigten. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist der Vorsteuerabzug auch dann zulässig, wenn es zur Ausführung der beabsichtigten Verwendungsumsätze nicht kommt und deshalb ein Verzicht auf die Steuerbefreiung eigentlich nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil v. 08. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522, BFH/NV 2001, 876). Den BFH hat die Rechtsprechung des EuGH (EuGH v. 06. April 1995, Rs C 4/94, UR 1996, 427) dazu veranlasst, allein auf den konkreten Verwendungsumsatz abzustellen, sei er tatsächlich erfolgt oder sei er auch nur beabsichtigt gewesen. Die mit dem Geschäft selbst verfolgte Absicht bzw. der verfolgte endgültige Zweck sind demgegenüber unerheblich. Findet bei dem Leistungsbezug noch keine tatsächliche Verwendung statt, kommt es auf den von dem Steuerpflichtigen beabsichtigten Verwendungsumsatz an, auch dann, wenn die Maßnahme nicht ausgeführt werden kann, also bei sogen. Fehlmaßnahmen (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuerrecht, Rz. 602 zu § 15 mit ausführlichen Rechtsprechungshinweisen des EuGH).

    Die Klägerin hat zwar noch im Streitjahr 1996 das Grundstück veräußert, trotzdem liegt in dieser Veräußerung keine vorsteuerabzugsschädliche Verwendung. Zwar wäre die Veräußerung des Grundstücks nach § 4 Nr. 9 a) UStG steuerfrei, das gilt aber nicht, wenn eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1 a UStG vorliegt. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen auch dann vorliegen, wenn noch kein „lebendes Unternehmen” übertragen werden kann. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird ein Unternehmen nämlich bereits in dem Zeitpunkt begründet, in dem der Unternehmer in der Absicht, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, hierfür Investitionen tätigt (vgl. BFH in BFHE 194, 522; Klenk, KfR, Fach 7, Seite 261).

    c) Im Streitfall ist danach eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Abs. 1 a UStG zu bejahen. Eine Unternehmensübertragung „im Ganzen” liegt vor, wenn zumindest die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens auf den Erwerber übergehen, so dass dieser das Unternehmen ohne größere finanzielle Aufwendungen in der bisherigen oder auf andere Art und Weise fortführen kann (vgl. Schönborn, DStR 1999, 437, 438). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall zu bejahen. Grundlage und wirtschaftliche Substanz eines Vermietungsunternehmens bilden die Gegenstände, die der Vermietungstätigkeit zugeordnet sind. Das ist im Streitfall das mit einem Gewerbe- und Wohngebäude bebaute Grundstück. Allein dieses Unternehmensvermögen wäre Grundlage einer unternehmerischen Betätigung gewesen, wenn die Klägerin die Vermietungstätigkeit fortgesetzt hätte. Da die Klägerin diesen Unternehmensgegenstand einschließlich der Mietverträge und der dazugehörigen Unterlagen auf den Erwerber übertragen hat, war es diesem möglich, die Vermietungstätigkeit, mit der die Klägerin bereits begonnen hatte, fortzusetzen. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen lag damit vor.

    d) Zwischen den Beteiligten ist auch nicht streitig, dass die Klägerin ernsthaft beabsichtigte, in dem von ihr geltend gemachten Umfang steuerpflichtig zu vermieten. Sie hat einen entsprechenden Plan vorgelegt und kann auf einzelne bereits im Streitjahr 1996 abgeschlossene Mietverträge, die dies dokumentieren, verweisen. Die Klägerin ist deshalb gemäß § 15 Abs. 1 UStG berechtigt, 14,35 % der ihr für Bauleistungen in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge als Vorsteuern abzuziehen. Dies gilt auch für das Streitjahr 1997, denn trotz der Geschäftsveräußerung verlor die Klägerin nicht etwa ihre Unternehmereigenschaft. Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem aufgegebenen Betrieb in Zusammenhang stehen (BFH-Urteil vom 21. April 1993 XI R 50/90, BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696; Abschn. 19 Abs. 7 UStR). Die Klägerin kann deshalb die im Zusammenhang mit der Abwicklung ihrer früheren geschäftlichen Tätigkeit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge abziehen. Das gilt allerdings nicht für den anteiligen Vorsteuerbetrag, der auf die von der Klägerin im Streitjahr 1997 an die Käuferin gezahlte Mietausfallentschädigung entfällt (199,02 DM). Zahlungen, die zur Abgeltung von derartigen Schäden geleistet werden, sind nichtsteuerbarer Schadensersatz (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1968 V 127/65, BFHE 93, 191BStBl II 1968, 758; FG Köln - Urteil v. 02. März 1995 2 K 3459/92, EFG 1995, 638).

    2. Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das für die Einräumung eines Wegerechts gezahlte Entgelt umsatzsteuerpflichtig ist. Da das Entgelt für die Einräumung eines dinglich durch eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) zu sichernden Wegerechts gewährt wurde, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 12c UStG vor.

    a) Nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG ist die Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken steuerfrei. Zu diesen dinglichen Nutzungsrechten zählen auch Grunddienstbarkeiten (Wenzel in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Kommentar, Rz. 72 zu § 4 Nr. 12). Die Steuerbefreiung greift ein, wenn dadurch ein Dauerzustand durch Duldungs- oder Unterlassungsleistungen herbeigeführt wird (BFH-Urteil vom 11. Mai 1995 V R 4/92, BFHE 177, 559, BStBl II 1995, 610). Soll das dingliche Nutzungsrecht den Begünstigten jedoch gar nicht berechtigen, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen, sondern sichert es nur eine im übrigen steuerpflichtige Leistung des Grundstückseigentümers, kommt ihr kein eigenständiger umsatzsteuerrechtlicher Gehalt zu (vgl. BFH in BFHE 177, 559, BStBl 1995, 610). Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich nämlich, dass durch die Steuerbefreiung für die Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten „eine gleiche Behandlung aller Grundstücksüberlassungen zur Nutzung erreicht werden” soll (so die Gesetzesbegründung in BR-Drucks. 140/84 zu Art. 19 Nr. 2 des Gesetzentwurfs); die Befreiung sonstiger bislang steuerpflichtiger Umsätze war nicht beabsichtigt (BFH-Urteil vom 13. November 1997 V R 11/97 BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169).

    b) Der Beklagte ist zu Unrecht der Auffassung, eine solche Ausnahme liege im Streitfall vor, da die Klägerin ihre Nutzungsmöglichkeit der Zufahrt nicht aufgegeben habe. § 4 Nr. 12 c UStG sei in diesem Fall nicht anwendbar (so auch Köhler in Plückebaum/Malitzki, UStG, Kommentar, Rz. 84 zu § 4 Nr. 12).

    Eine derartige Einschränkung ist aber weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift zu entnehmen. Es gehört vielmehr gerade zum Wesen von Grunddienstbarkeiten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten nach §§ 1018, 1090 BGB, dass dem Berechtigten das Recht eingeräumt wird, das Grundstück nur in einzelnen Beziehungen zu nutzen. Nur wenn diese Berechtigung gar nicht besteht, sondern eine andere, steuerpflichtige Leistung gesichert werden soll, ist die Leistung nicht steuerfrei (BFH in BStBl II 1998, 169). Im Streitfall sichert die Grunddienstbarkeit keine im Übrigen steuerpflichtige Leistung, sie bezieht sich nur auf das eingeräumte Wegerecht. Mit der Grunddienstbarkeit sollte auch nicht etwa die Errichtung der Toreinfahrt als weitere selbständige Hauptpflicht der Klägerin gesichert werden. Eine aktive Handlung kann nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein. Von den Vertragsparteien war lediglich gewollt, dass der Vertragsgegenstand in einen Zustand versetzt wird, der dem Inhalt der Grunddienstbarkeit (Ausübung eines Geh- und Fahrrechtes) auch entspricht. Eine derartige Nebenpflicht kann wie sich aus §§ 1021, 1022 BGB ergibt, mitvereinbart werden (vgl. Bassenge in Palandt, BGB, Kommentar, 61. Aufl. Rz. 5 zu § 1018).

    Da auch die Einräumung eines Geh- und Fahrrechtes eine Grundstücksüberlassung zur Nutzung darstellt, ist der Tatbestand der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 c UStG erfüllt.

    c) Das von der Berechtigten gezahlte Entgelt in Höhe von 200.000 DM ist auch nicht in eine Gegenleistung für die Einräumung des Wegerechts einerseits und die Errichtung der Toreinfahrt andererseits aufzuteilen. Die Auslegung der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung ergibt, dass es der Berechtigten allein darum ging, von der Klägerin nicht von der Zufahrtsmöglichkeit zu ihrer Hoffläche und ihren Abstellplätzen abgeschnitten zu werden. An der Errichtung der Toreinfahrt hatte die Berechtigte nur insoweit ein Interesse, als sie die Ausübung eines zu vereinbarenden Wegerechtes überhaupt erst ermöglichte. Eine selbständige sonstige Leistung der Klägerin zugunsten der Berechtigten liegt damit nicht vor.

    Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sie der Berechtigten auch nicht etwa eine Toreinfahrt geliefert habe. Eine Lieferung eines Gegenstands i.S. von § 3 Abs. 1 UStG liegt vor, wenn ein Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1995 V R 121/93, BFH/NV 1996, 270). Eine derartige Verfügungsmacht hat die Vertragspartnerin der Klägerin nicht erhalten.

    3. Da mit dem geänderten USt-Bescheid 1996 vom 14.04.2000 der geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht mehr berücksichtigt worden war, ist dieser Bescheid aufzuheben.

    Der USt-Bescheid 1997 ist in der Weise zu ändern, dass eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin nicht mehr berücksichtigt wird und die erklärten Vorsteuern (36.538,80 DM) abzüglich des nicht abzugsfähigen Vorsteuerbetrages i. H. v. 199,02 DM als Vorsteuerguthaben festgesetzt werden.

    4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Da die Klägerin nur geringfügig unterlegen ist, sieht der Senat gem. § 136 Abs. 1 S. 3 FGO davon ab, die Kosten verhältnismäßig zu teilen.

    Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Errichtung eines Gebäudes und anschließender Veräußerung des Gebäudes vorliegt, grundsätzliche Bedeutung hat.

    VorschriftenUStG § 1 Abs. 1a, UStG § 4 Nr. 9a, UStG § 4 Nr. 12, UStG § 15