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  • 31.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234499

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 06.10.2022 – 12 K 1692/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urteil vom 06.10.2022


    In dem Finanzrechtsstreit

    1.Kläger
    2.Klägerin
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    - zu 1, 2 -
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2013 bis 2016

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06. Oktober 2022 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    Richterin am Finanzgericht
    Richter am Finanzgericht
    Ehrenamtliche Richter

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Einkommensteuerbescheide für 2013 bis 2016 jeweils vom 10.04.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 08.06.2020 werden aufgehoben.
    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Einnahmen des Klägers aus einer stillen Beteiligung zu Einkünften aus Kapitalvermögen oder zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen.

    Die Kläger wurden in den Jahren 2013 bis 2016 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist seit 19XX als A bei der B GmbH angestellt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Am 06.12.2010 schlossen der Kläger und die B GmbH einen "Gesellschaftsvertrag einer typischen stillen Beteiligung" mit dem nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:

    "Vorbemerkung

    [...] Die Inhaberin (Anm.: B GmbH) bietet ausgesuchten, besonders wichtigen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich als typisch stiller Gesellschafter für die Dauer ihrer Anstellung bei der Inhaberin zu beteiligen.

    Durch den Gesellschafterbeschluss der Inhaberin vom heutigen Tag wurde beschlossen, dass u.a. der Kläger als typisch stiller Gesellschafter am Unternehmen der Inhaberin beteiligt wird. [...]

    [...]

    § 2

    Einlage

    Die Einlage des stillen Gesellschafters beträgt XXX €. Sie ist sofort fällig und geht in das Vermögen der Inhaberin über. Der stille Gesellschafter kann seine Einlage ganz oder teilweise durch Bareinzahlung, durch Stehenlassen von Tantieme- und sonstigen Vergütungsansprüchen und/oder durch Gutschrift der ihm künftig zufallenden Gewinnanteile leisten.

    § 3

    Dauer, Geschäftsjahr

    (1) Die stille Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet. [...]

    [...]

    § 4

    Rechtsverhältnis zwischen Inhaberin und stillem Gesellschafter

    (1) Der Inhaberin steht allein die Geschäftsführung des Unternehmens zu. Im Außenverhältnis ist sie alleinige Trägerin und Inhaberin des Unternehmens und wird durch die im Unternehmen geschlossenen Geschäfte allein berechtigt und verpflichtet.

    (2) Der stille Gesellschafter ist am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Inhaberin nach dem Verhältnis seiner stillen Einlage zum Gesamtkapital und nach Maßgabe der §§ 6 und 7 dieses Gesellschaftsvertrages beteiligt. Das Gesamtkapital ist die Summe aus dem Stammkapital der Inhaberin und dem Gesamtbetrag aller stillen Einlagen. Dem stillen Gesellschafter ist bekannt, dass die Inhaberin weitere stille Gesellschafter hat bzw. künftig aufnehmen wird. Alle stillen Einlagen sollen insgesamt maximal 20 % des Gesamtkapitals betragen.

    (3) Die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Verlust ist auf die Höhe seiner Einlage begrenzt. Sofern auf den stillen Gesellschafter Verluste entfallen, die die Höhe seiner Einlage überschreiten, nimmt er jedoch an einem künftigen Gewinn nur insoweit teil, als seine Gewinnanteile nicht zum Ausgleich von Verlustanteilen der Vorjahre zu verwenden sind, die aufgrund der vorgenannten Verlustbegrenzung nicht von ihm, sondern von der Inhaberin zu tragen waren. Seine künftigen Gewinnanteile mindern sich damit um die Anteile an Verlusten, die er aufgrund der Verlustbegrenzung nicht zu tragen hatte.

    (4) Am Wert des Unternehmens der Inhaberin ist der stille Gesellschafter nicht beteiligt.

    (5) Der stille Gesellschafter erhält unverzüglich nach Fertigstellung den geprüften Jahresbericht der Inhaberin sowie den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers. Dieser stellt für alle Parteien verbindlich das Ergebnis im Sinne des Abs. 2 fest.

    [...]

    § 5

    Beteiligungsverhältnis, Änderungen der Kapitalverhältnisse

    (1) Das Gesamtkapital ist die Summe aus

    - Dem Stammkapital der Inhaberin und

    - Den Einlagen der typisch stillen Gesellschafter

    Es beträgt derzeit, einschließlich der Einlage von dem Kläger insgesamt XXX €.

    (2) Im Rahmen der stillen Gesellschaftsverhältnisse werden von allen stillen Gesellschaftern zusammen insgesamt derzeit Kapitaleinlagen in Höhe von XXX € zur Verfügung gestellt.

    (3) Im Falle, dass durch Eintritt weiterer stiller Gesellschafter die Einlagen aller Gesellschafter insgesamt 20 % des Gesamtkapitals überschreiten, ist die Höhe der Gewinn- und Verlustbeteiligung angemessen neu festzusetzen.

    (4) Ändert sich das haftende Kapital der Inhaberin und hat dies Auswirkungen auf die Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters, so ist dem stillen Gesellschafter Gelegenheit zu einer entsprechenden Änderung seiner Einlage zu geben. Macht der stille Gesellschafter von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, so ist sein Gewinnanteil angemessen neu festzusetzen.

    [...]

    § 8

    Konten des stillen Gesellschafters, Entnahmen

    (1) Bei der Inhaberin wird für den stillen Gesellschafter ein Kapitalkonto, ein Darlehenskonto und ggf. ein Verlustsonderkonto geführt.

    a) Auf dem Kapitalkonto wird die Einlage des stillen Gesellschafters gebucht. Das Konto ist fest und unverzinslich.

    b) Auf dem Darlehenskonto werden Gewinnanteile, soweit sie nicht dem Verlustsonderkonto gutzuschreiben sind, Zinsgutschriften und die Entnahmen gebucht. Die auf dem Darlehenskonto gutgeschriebenen Beträge sind jeweils mit zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Bank pro Jahr zu verzinsen.

    c) Auf dem Verlustsonderkonto werden Verlustanteile des stillen Gesellschafters gebucht. Die Gewinnanteile künftiger Jahre sind diesem Verlustsonderkonto solange gutzuschreiben, bis es ausgeglichen ist. Zinsen für die auf dem Verlustsonderkonto geführten Beträge werden nicht berechnet.

    (2) Guthaben auf dem Darlehenskonto kann der stille Gesellschafter jederzeit entnehmen, soweit es sich nicht um eine die Inhaberin schädigende Entnahme handelt. Guthaben auf dem Kapitalkonto sind vor Beendigung der stillen Gesellschaft nicht entnahmefähig.

    § 9

    Nichtübertragbarkeit der stillen Beteiligung

    Die Übertragung oder Belastung der Beteiligung oder einzelner Rechte aus der Beteiligung sowie die Einräumung von Unterbeteiligungen ist nicht zulässig.

    § 10

    Beendigung durch Kündigung

    (1) Die Inhaberin und der stille Gesellschafter können die Gesellschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines Geschäftsjahres kündigen.

    (2) Das Recht jedes Vertragspartners, die stillen Gesellschaft aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, bleibt unberührt. [...]

    § 11

    Beendigung aus sonstigen Gründen

    Die stille Gesellschaft endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf,

    a) mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den über das Vermögen der Inhaberin oder des stillen Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird;

    b) mit der Auflösung der Inhaberin;

    c) mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des stillen Gesellschafters bei der Inhaberin;

    d) mit dem Tod des stillen Gesellschafters.

    § 12

    Folgen der Beendigung, Auseinandersetzung

    (1) Bei Beendigung der Gesellschaft erhält der stille Gesellschafter einen schuldrechtlichen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Dieses wird zum Bilanzstichtag (Abs. 2 und 3) berechnet aus dem Saldo aus der Summe seines Kapital- und seines Darlehenskontos und einem etwa bestehenden Verlustsonderkonto. Am Vermögen der Inhaberin, insbesondere an stillen Reserven und an einem Firmenwert der Inhaberin oder an Gewinnen bzw. Verlusten aus schwebenden Geschäften - soweit diese nicht bilanzierungsfähig sind - ist der stille Gesellschafter nicht beteiligt. §§ 235 Abs. 2 und 3 HGB, 738 bis 740 BGB werden ausgeschlossen.

    [...]

    (4) Das Auseinandersetzungsguthaben wird dem stillen Gesellschafter unverzüglich nach Fertigstellung des letzten maßgeblichen geprüften Jahresabschlusses ausbezahlt. Der stille Gesellschafter kann für seine Abfindung keine Sicherstellung verlangen.

    [...]"

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag zwischen dem Kläger und der B GmbH vom 06.12.2010 Bezug genommen. Das Jahresergebnis der B GmbH und die --seit 2011 erfolgende-- Ergebnisbeteiligung des Klägers entwickelten sich sodann folgendermaßen:

    [...]

    [...]

    Aufgrund einer bei der B GmbH durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt C und einer insoweit an das FA übermittelten Prüfungsmitteilung vom 27.03.2019 gelangte das FA zu der Auffassung, dass es sich bei den Ergebnisanteilen des Klägers als stiller Gesellschafter der B GmbH nicht um Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handele. Daraufhin änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) jeweils durch Bescheid vom 10.04.2019, wobei es die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend erhöhte. Die Einsprüche der Kläger wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 08.06.2020 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

    Die Kläger sind der Auffassung, dass die Änderungsbescheide bereits aus formellen Gründen aufzuheben seien. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien nicht erfüllt, da keine nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen vorlägen. Dem FA seien bei den Veranlagungen für die Streitjahre die wesentlichen Umstände der Beteiligung des Klägers bekannt gewesen. Dies gelte insbesondere für die Stellung als Arbeitnehmer und stiller Gesellschafter der B GmbH sowie die als stiller Gesellschafter realisierten Einkünfte. Darüber hinaus seien die --als neu unterstellten-- Tatsachen nicht rechtserheblich. Das FA habe in der Einspruchsentscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass stille Beteiligungen von der B GmbH nur an Führungskräfte ausgegeben worden seien und die stille Beteiligung automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ende. Zu diesem Zeitpunkt hätten allerdings bereits höchstrichterliche Entscheidungen existiert, wonach die Tatsachen, dass eine Beteiligung nur Arbeitnehmern angeboten werde und für den Fall des Verlusts der Arbeitnehmerstellung ein Kündigungsrecht bestehe, allein jeweils nicht ausreichend seien, um einen Vorteil dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20.05.2010 - VI R 12/08, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2010, 1069; vom 17.06.2009 - VI R 69/06, BStBl II 2010, 69). Auch die vom FA vorgetragenen Bedenken hinsichtlich eines vermeintlich fehlenden Verlustrisikos, einer behaupteten unüblichen Höhe der Rendite sowie eines vermeintlich fehlenden Liquiditätszugangs stellten keine rechtserheblichen Tatsachen dar. Schließlich stünde einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Im Streitfall hätten die Kläger ihrer Mitwirkungspflicht in zumutbarem Umfang genügt, wohingegen das FA eine sich aufdrängende Ermittlungspflicht verletzt habe. Jedenfalls seien die streitgegenständlichen Bescheide aber materiell rechtswidrig. Die Ergebnisanteile des Klägers als stiller Gesellschafter der B GmbH seien den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen und unterlägen nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem persönlichen Einkommensteuertarif. Der Veranlassungszusammenhang zur Kapitalüberlassung werde auch nicht durch das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der B GmbH überlagert. Im Streitfall präge nicht das Arbeitsverhältnis des Klägers, sondern die Gesellschafterstellung die Leistungsbeziehung, die zur Erzielung der Gewinne aus der stillen Gesellschaft durch den Kläger geführt habe. Insbesondere sei für eine Überlagerung des Kapitalüberlassungsverhältnisses durch das Arbeitsverhältnis nicht ausreichend, dass die Beteiligung nur leitenden Angestellten zum Erwerb angeboten worden sei und die Beteiligung der Stärkung des Interesses des Klägers an einer langfristigen Steigerung des Unternehmenswertes und der Identifizierung des Klägers mit den Interessen des Unternehmens dienen solle. Demgegenüber habe der Kläger ein fremdübliches Gehalt als leitender Angestellter der B GmbH erhalten. Mit den Gewinnanteilen aus der stillen Beteiligung sei daher die Einlage in das Vermögen der B GmbH vergütet worden und nicht die Verpflichtung zur Arbeitsleistung aus dem daneben bestehenden Anstellungsvertrag. Zudem hätten dem Kläger die üblichen Rechte eines stillen Gesellschafters ohne Einschränkung zugestanden, die Beteiligung habe sich unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis entwickeln können, der Kläger hätte ein Verlustrisiko getragen und die Beteiligung sei nicht ähnlich einem Aktienoptionsprogramm als Anreizlohn zu qualifizieren. Darüber hinaus sei die stille Beteiligung auch fremdüblich ausgestaltet worden. Zwar existiere kein transparenter --mit dem Handel von börsennotierten Wertpapieren vergleichbarer-- Markt für stille Beteiligungen. Vereinbarten in diesem Fall nicht nahestehende Parteien aber dennoch eine stille Beteiligung indiziere der zwischen den Parteien als fremden Dritten bestehende Interessengegensatz die Fremdüblichkeit der Vertragsbedingungen und der Vergütung. Entgegen der Auffassung des FA sei auch die BFH-Rechtsprechung zu den Familienpersonengesellschaften nicht auf den Streitfall übertragbar. Wegen weiterer Einzelheiten wird vollumfänglich auf das Vorbringen der Kläger, insbesondere in den Schriftsätzen vom 28.07.2020 und vom 22.07.2022, verwiesen.

    Die Kläger beantragen,

    die Einkommensteuerbescheide für 2013 bis 2016 jeweils vom 10.04.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 08.06.2020 aufzuheben,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das FA ist der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Bescheide sowohl formell als auch materiell rechtmäßig sind. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hätten vorgelegen. Die Kläger hätten die von der B GmbH bezogenen Gewinnanteile nicht in ihren Einkommensteuererklärungen ausgewiesen, so dass es sich insoweit um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen handele. Hierzu wären sie insbesondere im Jahr 2014 verpflichtet gewesen, da sie insofern den Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG gestellt hätten und dieser nur einheitlich für sämtliche von den Klägern als Einnahmen aus Kapitalvermögen eingestuften Kapitalerträgen gestellt werden könne. Darüber hinaus hätten die Kläger ihre Mitwirkungspflicht dadurch verletzt, dass sie das FA über die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags vom 06.12.2010 in Unkenntnis gelassen hätten. Die zusätzlich von der B GmbH bezogenen Einnahmen seien dem FA daher erstmalig auf Grund der Prüfungsmitteilung des Finanzamts C vom 27.03.2019 bekannt geworden. Eine Ermittlungspflichtverletzung seitens des FA liege nicht vor. Wegen der fehlenden Deklaration in den Einkommensteuererklärungen der Kläger hätte es auch keine Veranlassung zu etwaigen Rückfragen gegeben. Diese Tatsachen seien auch rechtserheblich, da das FA bei rechtzeitiger Kenntnis die Gewinnanteile bereits den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet hätte. Schließlich handele es sich bei den Gewinnanteilen um Arbeitslohn und nicht um Kapitaleinkünfte. Für das Vorliegen von Arbeitslohn spreche, dass die stillen Beteiligungen nur an Führungskräfte ausgegeben worden seien und die B GmbH dadurch erreichen wolle, dass durch die stille Beteiligung das Interesse der Führungskräfte an einer langfristigen Steigerung des Unternehmenswertes gestärkt und auch die Identifikation der Führungskraft mit den Interessen des Unternehmens erhöht werde. Ein wichtiges Indiz für die enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem Dienstverhältnis und der Gesellschaftsbeteiligung sei, dass die Beteiligung gemäß § 11 Buchst. c) des Gesellschaftsvertrags mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des stillen Gesellschafters bei der Inhaberin ende. Somit sei der Arbeitnehmer nur für die Dauer der Anstellung als typisch stiller Gesellschafter an der jeweiligen Gesellschaft mit einer Einlage beteiligt. Für die Annahme von Arbeitslohn spreche des Weiteren, dass der Arbeitnehmer kein mit seiner Gesellschaftsbeteiligung verbundenes Risiko zu tragen habe. Das Verlustrisiko sei auf die Höhe der Einlage begrenzt. Schließlich erhalte der Kläger mit der Kapitalbeteiligung an der B GmbH einen Vorteil, den ein fremder Dritter nicht erhalten hätte. Die Ausgestaltung der Vertragsvereinbarungen, insbesondere die fehlende Vergleichbarkeit mit einer am Kapitalmarkt angebotenen Anlage, spreche für eine untrennbare Beziehung zwischen dem Arbeitsverhältnis und der stillen Beteiligung. Die erzielten jährlichen Renditen hätten bereits im Erstjahr mit 226,24 % weit über den am Kapitalmarkt üblicherweise erzielbaren Renditemöglichkeiten gelegen. Diese Höhe der Gewinnbeteiligung und die fehlende Gewinndeckelung seien insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass keine Unternehmensbewertung stattgefunden habe, unüblich und nicht angemessen. Darüber hinaus habe der Kläger der B GmbH keine (zusätzliche) Liquidität zugeführt. Die Einlage sei durch eine entsprechende Kürzung des erstmaligen Gewinnanspruchs erbracht worden. Die Beteiligung sei zudem eher als partiarisches Darlehen und nicht als stille Beteiligung einzuordnen, da der Kläger und die B GmbH keinen gemeinsamen Zweck verfolgten. Schließlich hätte ein fremder Dritter als Geschäftsinhaber wegen der --verglichen mit der Höhe der Einlage-- hohen Renditen zwischenzeitlich von der Kündigungsmöglichkeit des § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages Gebrauch gemacht. Auch dies spreche für eine Überlagerung des Gesellschaftsverhältnisses durch das Arbeitsverhältnis. Im Übrigen wird vollumfänglich auf die Ausführungen des FA, insbesondere in der Einspruchsentscheidung vom 08.06.2020 sowie im Schriftsatz vom 21.06.2022, verwiesen.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2022 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet. Die Einkommensteuerbescheide für 2013 bis 2016 jeweils vom 10.04.2019 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung an der B GmbH führen beim Kläger nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG, sondern zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

    1. Die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossenen Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung an der B GmbH sind den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen. Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Der Kläger hat sich mit Gesellschaftsvertrag vom 06.12.2010 als stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe der B GmbH beteiligt.

    a) Der Kläger hat die Einnahmen auch nicht als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt. Die Gewinnanteile führen bei ihm daher nicht zu gewerblichen Einkünften gemäß § 20 Abs. 8 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

    aa) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 a.E. i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG sind die Einnahmen aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen, wenn der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Mitunternehmer ist derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.04.2021 - VIII R 46/18, BStBl II 2021, 614, Rz 15 m.w.N.).

    (1) Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellte obliegen. Ausreichend ist schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechen (BFH-Urteil vom 12.04.2021 - VIII R 46/18, BStBl II 2021, 614, Rz 16 m.w.N.).

    (2) Mitunternehmerrisiko trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (BFH-Urteil vom 12.04.2021 - VIII R 46/18, BStBl II 2021, 614, Rz 17 m.w.N.).

    (3) Die angesprochenen Merkmale können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein und ein geringeres mitunternehmerisches Risiko kann durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden und umgekehrt. Beide Merkmale müssen jedoch vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (z.B. BFH-Urteile vom 13.07.2017 - IV R 41/14, BStBl II 2017, 1133; und vom 21.10.2015 - IV R 43/12, BStBl II 2016, 517). Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.1993 - IV R 132/91, juris) kann die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Vertragsschließenden selbst als stille Gesellschaft lediglich als Indiz berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19.07.2018 - IV R 10/17, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH/NV-- 2018, 1268, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch für die stille Beteiligung am Unternehmen einer B GmbH (vgl. BFH-Urteile vom 13.07.2017 - IV R 41/14, BStBl II 2017, 1133; und vom 09.12.2002 - VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601).

    bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht als Mitunternehmer anzusehen, sondern vielmehr als sog. typisch stiller Gesellschafter am Unternehmen der B GmbH beteiligt.

    (1) Der Kläger trägt kein wesentliches Mitunternehmerrisiko. Er ist zwar am Gewinn und Verlust der B GmbH beteiligt. Demgegenüber ist der Kläger nach § 4 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags weder am Unternehmenswert beteiligt noch hat er gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags im Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses einen Anspruch auf den Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem Firmenwert (vgl. insoweit auch BFH-Urteil vom 13.07.2017 - IV R 41/14, BStBl II 2017, 1133).

    (2) Auch die Mitunternehmerinitiative des Klägers ist nur unwesentlich ausgeprägt. Der Kläger hatte lediglich das Recht, die Jahresabschlüsse der B GmbH und Prüfungsberichte des Abschlussprüfers einzusehen. Darüber hinausgehende Stimm- oder Widerspruchsrechte standen dem Kläger hingegen nicht zu.

    (3) Da weder Mitunternehmerrisiko noch Mitunternehmerinitiative des Klägers besonders ausgeprägt sind, handelt es sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Streitfall bei dem Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der B GmbH um eine typisch stille Beteiligung, die zu keinen gewerblichen Einkünften beim Kläger führt.

    b) Die Gewinnanteile führen beim Kläger auch nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Im Streitfall ist die Arbeitnehmerstellung des Klägers bei der B GmbH für das daneben bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der B GmbH --als unabhängiges Sonderrechtsverhältnis-- weder prägend noch steht sie im Vordergrund.

    aa) § 20 Abs. 8 EStG enthält eine nur begrenzte Kollisionsregelung, wonach Einkünfte aus Kapitalvermögen den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind, wenn sie zu diesen Einkünften gehören. Für die Abgrenzung von Kapitaleinkünften zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH diejenige Einkunftsart maßgebend, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt (vgl. BFH-Urteile vom 01.12.2020 - VIII R 40/18, BFH/NV 2021, 970; vom 05.11.2013 - VIII R 20/11, BStBl II 2014, 275; und vom 31.10.1989 - VIII R 210/83, BStBl II 1990, 532).

    (1) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Kein Arbeitslohn liegt vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 21.05.2014 - I R 42/12, BStBl II 2015, 4; vom 20.05.2010 - VI R 12/08, BStBl II 2010, 1069; und vom 19.06.2008 - VI R 4/05, BStBl II 2008, 826, jeweils m.w.N.). Dem Arbeitnehmer entstandene Vorteile sind durch eigenständige, vom Arbeitsverhältnis unabhängige Sonderrechtsbeziehungen veranlasst, wenn ihnen andere Erwerbsgrundlagen als die Nutzung der eigenen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugrunde liegen. Solche Rechtsbeziehungen zeigen ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit insbesondere dadurch, dass diese auch selbständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen könnten (BFH-Urteil vom 17.06.2009 - VI R 69/06, BStBl II 2010, 69, m.w.N.).

    (2) Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung, die daraus erzielten laufenden Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen (BFH-Urteile vom 17.06.2009 - VI R 69/06, BStBl II 2010, 69; und vom 05.04.2006 - IX R 111/00, BStBl II 2006, 654). Für den Charakter einer Beteiligung als eigenständige und vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage spricht es insbesondere, wenn der Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf den Erwerb der Beteiligung und einen anteiligen Veräußerungserlös als Gegenleistung für die nichtselbständige Tätigkeit vorsieht, die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert wird und der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko trägt sowie keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar sind, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen (vgl. zu letzterem Aspekt BFH-Urteil vom 05.11.2013 - VIII R 20/11, BStBl II 2014, 275). Gewinnbeteiligungen führen auch nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die Beteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten wurde und auch nur Arbeitnehmern im Allgemeinen oder sogar nur bestimmten Arbeitnehmern angeboten worden war (vgl. BFH-Urteile vom 21.05.2014 - I R 42/12, BStBl II 2015, 4; und vom 17.06.2009 - VI R 69/06, BStBl II 2010, 69).

    bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Streitfalls im Rahmen einer Gesamtschau davon überzeugt, dass die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile nicht durch sein Arbeitsverhältnis veranlasst sind. Die Gewinnanteile haben ihre Ursache vielmehr in der Kapitalbeteiligung des Klägers, die als Sonderrechtsverhältnis unabhängig vom Arbeitsverhältnis des Klägers besteht. Soweit daneben auch Gesichtspunkte gegeben sind, die für einen Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers bei der B GmbH sprechen, treten diese hinter die letztlich ausschlaggebende Kapitalbeteiligung des Klägers am Unternehmen der B GmbH zurück und werden von diesem Sonderrechtsverhältnis überlagert, das die Grundlage für die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile bildet.

    (1) Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spricht insbesondere, dass der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung hatte. Die stille Beteiligung wurde dem Kläger am 06.12.2010 unabhängig von seinem seit 19XX bestehenden Arbeitsverhältnis eingeräumt. Darüber hinaus hat der Kläger die Einlage in die B GmbH auch aus seinem Vermögen erbracht. Entgegen der Auffassung des FA steht dem nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger seine Einlage gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrags durch stehengelassene Gewinnanteile erbringen konnte. Hierbei handelt es um eine übliche Möglichkeit zur Einlageerbringung (vgl. Kauffeld in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 9. Aufl. 2020, Rz. 7.14; Seffer/Erhardt in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 2, 5. Aufl. 2019, § 83 Rz. 8). Zudem trägt der Kläger ein effektives Verlustrisiko. Zum einen besteht die Möglichkeit des Totalverlusts seiner Kapitaleinlage als solche. Zum anderen trägt der Kläger das Verlustrisiko hinsichtlich der laufenden Jahresergebnisse. Dass dieses Verlustrisiko auf die Höhe seiner Einlage begrenzt ist, fällt dabei nicht ins Gewicht, da er in diesem Fall an künftigen Gewinnen gemäß § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags nur dann teilnimmt, wenn die Verlustanteile wieder ausgeglichen sind. Schließlich stehen die Gewinnanteile dem Kläger auch dann zu, wenn er das gesamte Geschäftsjahr --z.B. krankheitsbedingt-- ausgefallen wäre. Gerade hierdurch zeigt sich die Unabhängigkeit von Arbeitsleistung und Kapitalüberlassung sehr deutlich.

    (2) Zwar sprechen demgegenüber für eine Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der enge Angebotskreis ("besonders wichtige Mitarbeiter") und die rechtliche Verknüpfung mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Insofern erlischt die stille Beteiligung des Klägers gemäß § 11 Buchst. c) des Gesellschaftsvertrags automatisch mit Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Dies sind allerdings nur zwei für die Abwägung relevante Aspekte, die jedenfalls dann nicht den Ausschlag geben können, wenn --wie hier-- gewichtigere Aspekte gegen eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis sprechen (vgl. zum Ganzen auch Levedag in Handbuch Stille Gesellschaft, 9. Aufl. 2020, Rz. 20.20).

    (3) Entgegen der Auffassung des FA lässt sich eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis auch nicht aus den Konditionen zur Gewinnbeteiligung des Klägers herleiten. Zwar ist die Gewinnbeteiligung des Klägers nicht auf einen bestimmten --absoluten-- Prozentsatz begrenzt. Daher konnte der Kläger in den Streitjahren Gewinnanteile in Höhe von ca. 380 % bis ca. 480 % seiner Einlageleistung erzielen. Eine solche Begrenzung der Gewinnbeteiligung auf einen bestimmten "angemessenen" Prozentsatz kann im Streitfall --entgegen der Auffassung des FA-- jedoch nicht aus der BFH-Rechtsprechung zu stillen Beteiligungen von Angehörigen bei Familienpersonengesellschaften hergeleitet werden. Die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der B GmbH beruhen gerade auf einem Interessengegensatz, wie er zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern üblich ist. Vielmehr ist es im Geschäftsverkehr ebenfalls üblich, dass die Gewinnverteilung --wie im Streitfall-- auf Grundlage des Verhältnisses der Vermögenseinlage der stillen Gesellschafter zum Eigenkapital des Geschäftsinhabers erfolgt (vgl. Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2020, § 231 Rz. 3; K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2019, § 231 Rz. 9; Kauffeld in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 9. Aufl. 2020, Rz. 8.9; Keul in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 2, 5. Aufl. 2019, § 83 Rz. 42).

    (4) Ebenso kann dem streitgegenständlichen Gesellschaftsverhältnis --entgegen der Auffassung des FA-- nicht entgegengehalten werden, dass die B GmbH dieses nicht zwischenzeitlich aufgrund der hohen Gewinnbeteiligung des Klägers wieder gekündigt hat. Insofern halten sich die beiden Vertragsparteien lediglich an die im Vorfeld ausgehandelten Vertragsbedingungen. Mit der hohen Gewinnbeteiligung hat sich beim Kläger letztlich nur seine Gewinnbeteiligungschance realisiert, deren Grundlage er mit dem Abschluss der (fremd-)üblichen Vertragsbedingungen am 06.12.2010 gesetzt hatte. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Streitjahren --in zeitlicher Hinsicht-- nur um einen kleinen Ausschnitt handelt und die B GmbH vor und nach den Streitjahren auch hohe Verluste hatte.

    (5) Demgegenüber kann der Senat offenlassen, ob bei partiarischen Darlehen andere Maßstäbe hinsichtlich der Höhe der Gewinnbeteiligung anzulegen sind. Bei dem Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der B GmbH handelt es sich um eine (typisch) stille Beteiligung und gerade nicht um partiarisches Darlehen. Es ist --entgegen der Auffassung des FA-- auch nicht als solches einzuordnen. Zwar ist für Begriff und Wesen eines partiarischen Darlehensverhältnisses kennzeichnend, dass die Vergütung --wie im Streitfall-- nicht oder nicht nur in einem festen periodischen Betrag besteht, sondern in einem Anteil an dem vom Darlehensempfänger erwirtschafteten Erfolg (vgl. BFH-Urteil vom 22.06.2010 - I R 78/09, BFH/NV 2011, 12). Allerdings scheidet ein partiarisches Darlehensverhältnis dann aus, wenn der Kapitalgeber --wie im Streitfall der Kläger-- auch am Verlust des Kapitalnehmers beteiligt ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.02.2009 - IV R 83/06, BStBl II 2009, 798 m.w.N.).

    2. Da die streitgegenständlichen Bescheide bereits materiell fehlerhaft waren, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorlagen und die Bescheide in formeller Hinsicht überhaupt geändert werden durften.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    4. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen. Im Streitfall handelt es sich um eine reine Auslegung des Gesellschaftsvertrags vom 06.12.2010, die dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegt und die grundsätzlich nicht revisibel ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 20.09.2022 - VIII B 82/21, juris; vom 29.10.2008 - IV B 134/07, juris).

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG