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  • 07.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188512

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 13.05.2016 – 4 K 1536/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Nürnberg

    Urt. v. 13.05.2016

    Az.: 4 K 1536/15

    In dem Rechtsstreit
    - Kläger -
    gegen
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2014

    hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg
    ohne mündliche Verhandlung am 13. Mai 2016 für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
    Tatbestand

    Streitig ist, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Fahrtkosten für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.

    Der Kläger wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 2014 war er vom 01.01.2014 bis 12.05.2014 in A und vom 13.05.2014 bis 31.12.2014 in B als LKW-Fahrer zum Transport von Schüttgütern tätig. Den leeren LKW holte er arbeitstäglich am selben Betriebsstandort seines jeweiligen Arbeitgebers ab, um zu entsprechenden Ladestationen (z.B. Steinbruch) zu fahren und die Ladung zum Abladeort (z.B. Baustelle) zu transportieren.

    In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte der Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. u.a. Aufwendungen für die Fahrten zur Arbeitsstätte wie folgt geltend:

    ZeitraumBetriebssitz ArbeitgeberAufwand
    01.01.2014 bis 12.05.2014 A 26 Arbeitstage x doppelte Entfernung
      8 km x 0,30 € = 62,40 €
    13.05.2014 bis 31.12.2014 B 161 Arbeitstage x doppelte Entfernung
      28 km x 0,30 = 1.352,40 €

    Das Finanzamt folgte bei der Einkommensteuerveranlagung 2014 (Bescheid vom 05.05.2015) im wesentlichen den Angaben des Klägers in der Einkommensteuererklärung, berücksichtigte aber die beantragten Aufwendungen für die Fahrt zur Arbeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale in Höhe von insgesamt 707,40 €.

    Gegen diesen Bescheid legte der Kläger, vertreten durch seine Steuerberaterin, mit Schreiben vom 12.05.2015 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass er nicht arbeitsvertraglich dem Betrieb seines jeweiligen Arbeitgebers zugeordnet gewesen sei. Daher sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Da er im Betrieb keine Tätigkeiten ausführe - es würden keine Be- und Entladetätigkeiten von Schüttgütern im Betrieb stattfinden -, liege keine erste Tätigkeitsstätte vor; die täglichen Fahrten zum Firmensitz seien daher mit den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen.

    Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; mit Einspruchsentscheidung vom 15.09.2015 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
    Mit der dagegen erhobenen Klage vom 16.10.2015 verfolgt der Kläger sein Begehren der steuerlichen Anerkennung der geltend gemachten Fahrtkosten für die täglichen Fahrten von der Wohnung zum Firmensitz nach Reisekostengrundsätzen weiter.

    Zur Begründung der Klage führt die Klägervertreterin im Wesentlichen Folgendes aus:

    Der Kläger sei von seinen jeweiligen Arbeitgebern arbeitsvertraglich nicht dem Betriebssitz zugeordnet worden. Demnach sei der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach quantitativen Kriterien zu prüfen. Es müsse also der Arbeitnehmer im Betrieb seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Dies sei beim Kläger als LKW-Fahrer nicht der Fall. Im Betrieb des Arbeitgebers würden überhaupt keine Tätigkeiten ausgeführt, es würden Schüttgüter transportiert, so dass auch keine Be- und Entladetätigkeiten im Betrieb angefallen seien. Der leere LKW werde von seinem Standort am Betrieb abgeholt, zur Ladestation (z.B. Steinbruch) gefahren und die Ladung zum Abladeort (z.B. Baustelle) transportiert. Wäre die Möglichkeit gegeben, den LKW zu Hause abzustellen, wären keinerlei Fahrten zur Firma notwendig. Ein Aufsuchen der Firma wäre nicht erforderlich. Ein Unterbleiben der Prüfung nach quantitativen Kriterien widerspreche jeglichem Gleichheitsgrundsatz gegenüber allen anderen Arbeitnehmern.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 05.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.09.2015 dahingehend abzuändern, dass bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Aufwendungen in Höhe von 707,40 € anerkannt werden.
    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    und führt hierzu im Wesentlichen Folgendes aus:

    Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die täglichen Fahrten von der Wohnung zum Firmensitz könnten nur mit der Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulasse, berücksichtigt werden, da der Arbeitgeber den Sitz der Firma als dauerhaften Ort der Abholung des LKW festgelegt habe. Im Streitfall gebe es zwar keine erste Tätigkeitsstätte, da die Arbeiten am Betriebssitz qualitativ und quantitativ nicht den Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte entsprächen. Allerdings lägen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für einen Sammelpunkt vor, da der Firmensitz vom Kläger täglich angefahren werde, um den LKW abzuholen und die Aufträge entgegenzunehmen. Für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem immer wieder aufgesuchten Ort könne der Kläger nur die Entfernungspauschale geltend machen.

    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter anstelle des Senats gemäß § 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO einverstanden erklärt.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist nicht begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 vom 05.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 für die Fahrten von der Wohnung zum Firmensitz nur noch die Entfernungspauschale geltend machen kann, denn er musste nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Weisungen und Absprachen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit (Abholung des LKW) dauerhaft denselben Ort (Firmensitz des Arbeitgebers) aufsuchen.

    1. Grundsätzlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten Erwerbsaufwendungen, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 2014 in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gelten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 2014 Einschränkungen. Insoweit greift die sog. Entfernungspauschale, die lediglich einen Ansatz von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulässt.

    a) Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.

    b) Die Finanzverwaltung lässt die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung), ohne dass der Arbeitnehmer in dieser Einrichtung tätig werden soll, nicht als Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG 2014 ausreichen (vgl. BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014 vom 24.10.2014, IV C 5 - S 2353/14/10002, Rz. 6 ff.). Sofern der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (abgeben von Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krank- und Urlaubsmeldung etc.), kann der Arbeitgeber nach Auffassung der Finanzverwaltung den Arbeitnehmer zu dieser Tätigkeitsstätte zuordnen, selbst wenn für die Zuordnung letztlich tarifrechtliche, mitbestimmungsrechtliche oder organisatorische Gründe ausschlaggebend sind. Auf die Qualität des Tätigwerdens soll es dabei nicht ankommen.

    c) Im Streitfall sind die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Kläger von den beiden Arbeitgebern im Streitjahr 2014 jeweils keinem Betriebssitz zugeordnet worden ist. Den Akten lassen sich auch keine Anhaltspunkte für eine solche Zuordnung entnehmen. Schließlich wurde vom Finanzamt auch weder dargelegt noch nachgewiesen, dass der Kläger - zumindest in geringem Umfang - über einen längeren Zeitraum am Betriebssitz tätig werden sollte. Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger als LKW-Fahrer vorliegend keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG 2014 hat.

    2. Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG 2014 und bestimmt der Arbeitgeber durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen (einschließlich Absprachen und Weisungen), dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem vom Arbeitgeber festgelegten Ort gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten dürfen Fahrtkosten nur im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 (Entfernungspauschale) angesetzt werden.

    Davon ist im Streitfall auszugehen. Nach dem Vortrag des Klägers musste dieser den jeweiligen Firmensitz (vom 01.01.2014 bis 12.05.2014: A; vom 13.05.2014 bis 31.12.2014: B) arbeitstäglich aufsuchen, um den leeren LKW von seinem Standort am Betrieb abzuholen, um von dort seine berufliche Tätigkeit auszuüben (Vornahme von Schüttfahrten). In der Anweisung des jeweiligen Arbeitgebers, den leeren LKW typischerweise arbeitstäglich von seinem Standort am Betrieb abzuholen, ist eine arbeitsrechtliche Festlegung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 zu sehen, den Firmensitz dauerhaft typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, um von dort die berufliche Tätigkeit auszuüben. Ob die Be- oder Entladetätigkeiten dabei innerhalb oder außerhalb des Betriebsgeländes zu erledigen waren, ist unbeachtlich. Wie unter 1. Buchst. c) der Urteilsgründe ausgeführt, hatte der Kläger am jeweiligen Firmensitz keine erste Tätigkeitsstätte, musste also dort nicht tätig werden.

    Die Fahrten des Klägers von der Wohnung zum immer wieder aufgesuchten Ort (Firmensitz) werden gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt; für diese Fahrten dürfen Fahrtkosten nur im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 (Entfernungspauschale) angesetzt werden. Zutreffend hat das Finanzamt daher bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von der Wohnung zum immer wieder aufgesuchten Ort nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale berücksichtigt.

    3. Soweit die Klägervertreterin hierin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gegenüber allen anderen Arbeitnehmern sieht, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Im Streitfall werden die Fahrten des Klägers von der Wohnung zum dauerhaft typischerweise arbeitstäglich aufgesuchten Firmensitz, um von dort die berufliche Tätigkeit aufzunehmen, gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Damit unterscheidet sich der Kläger nicht von anderen Arbeitnehmern, die ebenfalls eine ortsfeste betriebliche Einrichtung arbeitstäglich aufsuchen und deren Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte ebenfalls nur nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale berücksichtigungsfähig sind.

    Die Abzugsbeschränkung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG 2014 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG 2014 beinhaltet vorliegend auch nicht zugleich einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, da der Kläger durch das dauerhafte arbeitstägliche Aufsuchen der ortsfesten betrieblichen Einrichtung sich in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf die Minderung der Wegekosten hinwirken kann. Soweit in der Literatur zum Teil ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip für den Fall angenommen wird, dass Fahrten zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet unternommen werden (vgl. Thürmer, in Blümich EStG-Kommentar, § 9 Rz. 315), ist dies für den Streitfall nicht entscheidungserheblich, da diese Kritik eine andere Sachverhaltskonstellation betrifft. Vorliegend muss der Kläger zur Aufnahme seiner Tätigkeit dauerhaft denselben Ort aufsuchen.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1.

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