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  • 28.07.2015 · IWW-Abrufnummer 145006

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 24.03.2015 – 12 K 1964/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Ermittlung der nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegenden, positiven Einkünfte im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ein Verlustabzug für private Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen und dementsprechend eine Pflicht- oder eine Antragsveranlagung zur Einkommensteuer 2006 vorzunehmen ist.

    Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 mit Schreiben vom 16.08.2011 beim Beklagten ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärte der Kläger darin unterhalb des Sparer-Freibetrages liegende Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, die unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens insgesamt 2.110 € betragen.

    Der Beklagte nahm aufgrund nach seiner Auffassung zwingend auf Einkunftsebene vorzunehmender Verrechnung der für das Streitjahr erklärten, positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit auf den 31.12.2005 festgestellten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 1.923 € (Saldo: 187 €) eine Antragsveranlagung an und lehnte diese mit Schreiben vom 26.08.2011 unter Hinweis auf die Überschreitung der Festsetzungsfrist ab. Die Festsetzungsfrist für Antragsveranlagungen betrage 4 Jahre ohne Geltung der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.

    Hiergegen wandte sich der Kläger mit fristgerecht erhobenem Einspruch, mit dem er geltend machte, eine Veranlagung habe als Pflichtveranlagung zu erfolgen, da die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, im Streitjahr mehr als 410 € betragen habe. Zur Begründung führte er aus, die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften seien nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes gemäß § 10d EStG erst vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen und bei der Bildung der Summe der Einkünfte noch nicht zu berücksichtigen. Der Begriff der Summe der Einkünfte in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG entspreche dem in § 2 Abs. 3 EStG. Die zu berücksichtigenden Einkünfte im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG seien nach Art und Höhe nach den §§ 13 bis 24 EStG zu ermitteln und hieraus die Summe der Einkünfte zu bilden. Hiervon sei, wie in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ausdrücklich angeordnet, allenfalls noch ein Freibetrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie ein Altersentlastungsbetrag abzuziehen. Ein weiterer Verlustabzug gemäß § 10 d EStG sei von der Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht vorgesehen und eine Berücksichtigung bei der Berechnung der Summe der positiven Nebeneinkünfte daher unzulässig.

    Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers durch Einspruchsentscheidung vom 25.05.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er an, die Verlustverrechnung im Rahmen des § 23 EStG sei unter Berücksichtigung des besonderen Verlustverrechnungskreises - anders als bei der Verlustverrechnung nach § 10 d EStG - bereits auf Ebene der Einkunftsermittlung vorzunehmen. Aufgrund der gemäß § 23 Abs. 3 Satz 8 und Satz 9 EStG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zwingend im nachfolgenden Veranlagungszeitraum durchzuführenden Verlustverrechnung betrage die positive Summe der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr lediglich 187 € und damit weniger als 410 €. Es bleibe daher dabei, dass eine Antragsveranlagung vorliege, welche aufgrund Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr durchgeführt werden könne.

    Dagegen wendet sich der Kläger mit der Klage, zu deren Begründung er ergänzend zu seinem Vorbringen im außergerichtlichen Verfahren vorträgt, bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 23 EStG ergebe sich, dass ein Verlustabzug „nach Maßgabe des § 10d EStG“ und damit vom Gesamtbetrag der Einkünfte zu erfolgen habe. Andernfalls, d.h. bei Vornahme eines Verlustabzugs bereits auf Ebene der Einkunftsermittlung, werde die Systematik des § 2 EStG in Frage gestellt, was erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Verwendung der dort definierten Begriffe schaffen würde und vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Aufnahme von Ausführungen zur Verlustverrechnung in § 23 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, dem allein die Absicht des Gesetzgebers zugrunde gelegen habe, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 30.09.1998 (2 BvR 1818/91, DB 1998, 2247) umzusetzen und eine zumindest beschränkte steuerliche Berücksichtigung von Verlusten zuzulassen. Im Übrigen würden auch die Ausführungen des Bundesfinanzministeriums im Schreiben vom 25.10.2004 (IV C 3 –S 2256 -238/04) in Rz. 52 für seine Rechtsauffassung sprechen, wonach bei Einkünften unterhalb der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG kein Verlustverbrauch eintrete. Der Kläger rügt überdies, der Beklagte habe sich im Rahmen des außergerichtlichen Verfahrens mit den von ihm vorgebrachten Argumenten inhaltlich nicht auseinandergesetzt und unter Verstoß gegen § 88 AO und § 364a Abs. 1 Satz 1 AO ohne die von ihm beantragte, vorherige Sach- und Rechtsstanderörterung sowie ohne Zitierung und damit ohne erkennbare rechtliche Würdigung von Urteilen oder Kommentaren die angefochtene Einspruchsentscheidung erlassen.

    Der Kläger beantragt,

    den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 26.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.05.2012 zu verpflichten, die Einkommensteuer für das Jahr 2006 erklärungsgemäß festzusetzen;

    hilfsweise, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung nimmt er vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen im außergerichtlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor, zur Summe der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 EStG würden gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch die sonstigen Einkünfte nach § 22 EStG und damit gemäß § 22 Nr. 2 EStG die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG gehören. Entsprechend der systematischen Einordnung der Vorschrift des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG habe der Verlustabzug bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte zu erfolgen. Dafür spreche, dass die Ausführungen zur Verlustverrechnung ausdrücklich in die Vorschrift des § 23 EStG aufgenommen wurden und in § 23 Abs. 3 Satz 8 2. Halbsatz EStG ein Verlustabzug nach § 10d EStG ausgeschlossen sei. Sofern in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG ein Verlustrücktrag bzw. –vortrag dem Wortlaut der Vorschrift nach „nach Maßgabe des § 10d EStG“ erfolge, könne hieraus nicht gefolgert werden, dass der Verlustabzug als solcher erst vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorgenommen werden dürfe. Diese Rechtsauffassung werde auch durch einen Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 26.3.2013 (VI R 22/11, BStBl II 2013, 631) gestützt, wonach unter der Summe der Einkünfte im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG und des § 2 Abs. 3 EStG derjenige Saldo zu verstehen sei, der nach horizontaler und vertikaler Verrechnung der Einkünfte verbleibe. Versage das Gesetz, wie in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG, die Verrechnung eines Verlustes aus einer Einkunftsart mit Gewinnen und Überschüssen anderer Einkunftsarten, fließe dieser Verlust nicht in die Summe der Einkünfte ein. Dies geschehe erst dann, wenn und soweit in folgenden Veranlagungszeiträumen eine Verrechnung mit positiven Einkünften zulässig sei. Diese Auslegung stehe entsprechend im Einklang mit der Systematik des § 2 EStG.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    1. Das Begehren der Kläger ist als Verpflichtungsklage auf Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft. Zwar gilt auch die Ablehnung eines Antrages auf Steuerfestsetzung nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO als - anfechtbarer - Steuerbescheid (vgl. BFH, Urteil vom 12. Mai 1989 III R 200/85, BStBl II 1989, 920). Wird aber die Ablehnung von der Finanzbehörde wie im Streitfall auf formelle Gründe gestützt, ist gleichwohl nur die Verpflichtungsklage gegeben (vgl. Tipke/ Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 40 FGO Tz. 6 und 11 m.w.N.).

    2. In der Sache ist die Ablehnung des Beklagten, den Kläger für das Streitjahr erklärungsgemäß zur Einkommensteuer zu veranlagen, im Sinne von § 101 Satz 1 FGO nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

    a) Die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind im Streitfall nicht erfüllt, da die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, nicht mehr als 410 € beträgt.

    aa) Die Einkünfte aus Kapitalvermögen betragen unter Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrages und des Sparer-Freibetrages im Streitjahr Null Euro.

    bb) Die positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Streitjahres sind auf Einkunftsebene um die auf den 31.12. des Vorjahres festgestellten negativen Einkünfte aus dieser Einkunftsart zu mindern, sodass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr insgesamt 187 € und damit weniger als 410 € betragen.

    (1) Aufgrund der zu § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1998 (2 BvR 1818/91, DB 1998, 2247), mit der das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift im Hinblick auf den darin bestimmten völligen Ausschluss eines Verlustvortrages und -rücktrages für nichtig erklärt hatte, hat der Gesetzgeber mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 402) in § 22 Nr. 3 Sätze 3 und 4 EStG einen auf gleichartige Einkünfte begrenzten Verlustabzug von den Einkünften des Vorjahres und der nachfolgenden Veranlagungszeiträume erstmals zugelassen. Gleichzeitig ist eine entsprechende Regelung für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG in das Gesetz eingefügt worden. Ausweislich des danach eingefügten Gesetzeswortlauts dürfen Verluste nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen und nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern nach Maßgabe des § 10 d EStG die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des vorangegangenen bzw. der nachfolgenden Veranlagungszeiträume.

    Der Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG sieht damit ausdrücklich eine Verlustverrechnung mit den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften vor, während die Verlustverrechnung des § 10d Abs. 2 EStG dem Wortlaut nach mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte stattfindet.

    Entgegen der - auch vom Kläger vertretenen - Auffassung, welche aus der Formulierung „nach Maßgabe des § 10d“ den Schluss zieht, die Verlustverrechnung habe entsprechend der Anordnung in § 10d Abs. 2 EStG mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte zu erfolgen (so FG Sachsen-Anhalt vom 14.09.2011 2 K 1832/08, EFG 2012, 241 im Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag; ebenso: Wernsmann in Kirchhoff/Söhn, EStG, § 23, Rn. F9; Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521; Schultze/Janssen, FR 2002, 568; Wernsmann/Dechant, FR 2004, 1272 im Zusammenhang mit der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG), ist die ausdrückliche Anordnung der Verlustverrechnung mit Einkünften in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG nach Auffassung des erkennenden Senates als Spezialvorschrift hinsichtlich des Ortes der Verlustverrechnung zu verstehen und dieser Vorrang gegenüber dem Verweis auf § 10d EStG zu geben (ebenso: FG München 1 K 2045/06, EFG 2009, 243 in Zusammenhang mit dem Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG; FG Berlin Brandenburg 7 K 7303/08, EFG 2011, 2164 in Zusammenhang mit der Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag i.S.d. § 24a EStG; FG Münster 7 K 3336/03, EFG 2004, 1779 im Zusammenhang mit dem Einkunftsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG; in diesem Sinne angedeutet auch in BFH, Beschluss vom 26.3.2013, VI R 22/11, BStBl II 2013, 631; ebenso: Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG, Rn. 321; Blümich, EStG, § 23, Rn. 238; Kirchhoff, EStG, § 23, Rn. 22; Walter/Strümper, DStR 2002, 204 im Zusammenhang mit der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG).

    Zwar scheint der Gesetzgeber sich über die Problematik der durch den Verweis auftretenden Mehrdeutigkeit nicht bewusst gewesen zu sein, sodass auch die Gesetzesbegründung insoweit nicht eindeutig ist (vgl. Drucksache des Deutschen Bundestags 14/ 443, 34). Allerdings ist erkennbar, dass der Gesetzgeber das vorher bestehende Verlustvortragsverbot lediglich in Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und nur insoweit lockern wollte, dass die zuvor auf Einkünfte des gleichen Veranlagungszeitraumes beschränkte Verlustverrechnung den Verfassungsgrundsätzen entspricht (so bereits FG Münster, 7 K 3336/03, EFG 2004, 1779). Dies spricht entgegen der Auffassung des Klägers dafür, dass seitens des Gesetzgebers die „engere“ Verrechnung auf der Einkünfte-Ebene gewollt ist.

    Für die Auslegung als Spezialregelung hinsichtlich des Ortes der Verlustverrechnung und die damit einhergehende Differenzierung gegenüber der allgemeinen Regelung des Verlustabzuges in § 10d EStG spricht auch, dass anderenfalls für Zwecke der Verlustverrechnung aus dem zuvor bereits gebildeten Gesamtbetrag der Einkünfte der auf die abzugsbeschränkten Einkünfte entfallende Anteil herausgerechnet werden müsste, was auch eine entsprechende Aufteilung der Abzugsposten des § 2 Abs. 3 EStG zur Folge hätte. Da sich der Gesetzgeber der in § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG verwendeten Gesetzgebungstechnik auch bei anderen Einkünften bedient hat, welche der Verlustabzugsbeschränkung unterliegen (z.B. § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG oder § 15 b Abs. 1 Satz 2 EStG), können bei einem Steuerpflichtigen gleichzeitig mehrere abzugsbeschränkte Einkünfte anfallen. Würde der auf eine bestimmte Einkunftsart beschränkte Verlustabzug auf gleicher Ebene wie der insoweit unbeschränkte Verlustabzug nach § 10d EStG vorgenommen werden, hätte dies insbesondere bei einem Zusammentreffen mehrerer abzugsbeschränkter Einkünfte eine entsprechend aufwändige Berechnung zur Folge. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine derart komplizierte Berechnung auslösen wollte.

    Nach alldem spricht mehr dafür, dass der Gesetzgeber eine geschlossene Regelung der Berücksichtigung von Verlusten auf Einkunftsebene schaffen wollte und die Verweisung auf § 10d EStG daher nur insoweit von Bedeutung sein sollte, als bezüglich der Verlustverrechnung nicht speziellere Regelungen in § 23 EStG angeordnet sind.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG, wie vom Kläger angeführt, vor der Durchführung eines Verlustrücktrages i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG zu berücksichtigen ist und ein Verlustverbrauch insoweit nicht erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 11.01.2005, IX R 27/04, BStBl II 2005, 433 und IX R 13/03, BFH/NV 2005, 1254). Hintergrund hierfür ist, dass die Freigrenze dem Gesetzeswortlaut nach auf den „Gesamtgewinn“ eines Kalenderjahres anzuwenden ist und daraus deutlich wird, dass in die Beurteilung nur innerhalb des Kalenderjahres durchgeführte Veräußerungsvorgänge einzubeziehen sind. Dies lässt keinen generellen Schluss auf den Ort der Verlustverrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften zu.

    (2) Der Verlustabzug hat daher im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu erfolgen. Da der Verlustabzug mithin vor Bildung der Summe der Einkünfte im Rahmen der Einkunftsermittlung nach § 23 EStG erfolgt, wird hierdurch auch weder die Systematik des § 2 EStG in Frage gestellt noch führt dies zu der vom Kläger befürchteten, abweichenden Verwendung der dort definierten Begriffe.

    (3) Die Verlustverrechnung auf Einkunftsebene ist auch im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen. Zunächst folgt dies daraus, dass, wie auch der Kläger geltend macht, der Begriff der Summe der Einkünfte im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG und § 2 Abs. 3 EStG einheitlich auszulegen ist und darunter derjenige Saldo zu verstehen ist, der nach horizontaler und vertikaler Verrechnung der Einkünfte verbleibt (so auch BFH, Beschluss vom 26.03.2013 VI R 22/11, BStBl II 2013, 631). Versagt das Gesetz, wie in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG im Falle eines Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften, die Verrechnung eines Verlustes aus einer Einkunftsart mit Gewinnen bzw. Überschüssen aus anderen Einkunftsarten, fließt dieser Verlust nicht in die Summe der Einkünfte ein. Würde daher die Verlustverrechnung im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG im Fall von Verlustvorträgen und –rückträgen nicht auf Einkunftsebene erfolgen, hätte dies zur Folge, dass sich negative Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Gegensatz zu negativen Einkünften anderer Einkunftsarten bei Berechnung der Summe der positiven Nebeneinkünfte im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG überhaupt nicht auswirken würden.

    (4) Anders als beim Verlustrücktrag sieht das Gesetz bei dem Verlustvortrag kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen vor, die Höhe der Verlustverrechnung zu bestimmen. Damit hat eine Verrechnung auch zwingend in voller Höhe im Streitjahr zu erfolgen. Diese gesetzliche Regelung stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar (ebenso BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990, VIII R 7/87, BFH/NV 1991, 520, m.w.N.).

    b) Von den übrigen Veranlagungsgründen des § 46 Abs. 2 Nrn. 2 bis 7 EStG ist im Streitfall keiner einschlägig, hierüber streiten die Beteiligten nicht.

    c) Die Voraussetzungen für die im Streitfall damit alleine in Betracht kommende Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sind im Streitfall nicht gegeben. Danach wird eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt, wenn dies beantragt wird, wobei als Antrag die Abgabe der Einkommensteuererklärung gilt.

    Der Antrag wurde im Streitfall jedoch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt. Die Festsetzungsfrist für Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Der Anlauf der Festsetzungsfrist war insbesondere nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, weil keine Steuererklärung einzureichen war (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2012, VI R 16/11, BFH/NV 2013, 340). Die Einkommensteuer für 2006 verjährte demnach mit Ablauf des Jahres 2010. Der erforderliche Antrag durch Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2006 wurde im Streitfall aber erst im Jahr 2011 beim Beklagten gestellt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) wurde weder beantragt noch sind Gründe ersichtlich, eine solche von Amts wegen zu gewähren.

    3. Revision

    Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Eine hiervon abweichende Entscheidung kommt nicht in Betracht, da die vom Kläger als unzureichend gerügte Erörterung des Beklagten vor Erlass der Einspruchsentscheidung offenbar nicht kausal für das zugrunde liegende Klageverfahren war.

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