07.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219748
Finanzgericht Münster: Urteil vom 21.10.2020 – 5 K 1744/18 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Der Bescheid für 2015 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 16.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2018 wird dahingehend geändert, dass weitere Werbungskosten der Klägerin im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Höhe von 3.168 € berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2
Die Beteiligten streiten über diverse Feststellungen, die im Rahmen von Außenprüfungen getroffen wurden.
3
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger haben zwei gemeinsame Kinder (geb. 2012 und 2014) und bewohnten im Streitjahr ein im Alleineigentum der Klägerin stehendes Einfamilienhaus in H. Das Wohnhaus verfügt über eine Gesamtwohnfläche von 157,70qm, wovon 26,68qm (16,92%) auf das Kellergeschoss entfallen (Einheitswertbescheid vom 12.08.1981, Bl. 78 der Gerichtsakte). Der Kläger hat darüber hinaus zwei weitere Kinder aus erster Ehe (geb. 2000 und 2003), die bei der Kindesmutter in F leben.
4
Auf die Klägerin waren im Streitjahr zwei Fahrzeuge zugelassen, ein PKW Fiat … (Benzinmotor, amtliches Kennzeichen XX-XX 1) und ein PKW Volvo … (Dieselmotor, amtliches Kennzeichen XX-XX 2). Das Fahrzeug Fiat … war dem Privatvermögen zugeordnet, das Fahrzeug Volvo … war dem Betriebsvermögen der Klägerin zugeordnet. Die Klägerin verfügte im Streitjahr ferner über eine Bahncard 100 (1. Klasse), für die sie Kosten in Höhe von insgesamt 7.668 € (12 x 639 €) aufgewendet hatte.
5
Die Klägerin ist Volljuristin. Im Hauptberuf war die Klägerin in den Streitjahren nichtselbständig als wissenschaftliche Mitarbeiterin/Dozentin an der Universität K tätig. Aus dieser Tätigkeit erzielte die Klägerin Einkünfte in Höhe von 51.509 €. Die Klägerin suchte die Arbeitsstätte in K im Streitjahr an 195 Tagen (Bl. 33 R der ESt-Akte 2015) auf. Dabei legte sie die Wege nach K nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung 2015 wie folgt zurück:
6
2015 (Bl. 33 R der Einkommensteuerakte 2015):
Tage | Einfache Entfernung in km | davon km mit PKW | davon km mit ÖPNV |
153 | 352 | 3 | 349 |
34 | 353 | 23 | 329 |
8 | 310 | 310 | 0 |
In den handschriftlichen Erläuterungen zur Einkommensteuererklärung 2015 führte die Klägerin aus, dass sie regelmäßig von 6.00 Uhr morgens (teilweise auch bereits ab 3.30 Uhr) bis 22.00 Uhr abends außer Haus gewesen sei. An 8 Tagen im Jahr 2015 sei sie mit dem Auto bis nach K gefahren. An 34 Tagen sei sie mit dem PKW (Fiat) von H aus bis zum Hauptbahnhof N und von dort aus mit dem Zug weiter nach K gefahren. An den übrigen Tagen sei sie mit dem PKW (Fiat) zum Bahnhof H gefahren, von dort aus mit dem ÖPNV zum Hauptbahnhof N und dann weiter mit dem Fernzug nach K (Bl. 39 ff. der Einkommensteuerakte 2015).
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Der Kläger erhielt im Jahr 2015 im Zeitraum 02.06.2015 bis 04.11.2015 Arbeitslosengeld in Höhe von 7.680,60 € (Leistungsnachweis der Bundesagentur für Arbeit vom 06.04.2016, Bl. 59 der ESt-Akte 2015). Von Jahresbeginn bis zum 27.05.2015 erhielt der Kläger Elterngeld in Höhe von monatlich 1.980 € für den im Jahr 2014 geborenen Sohn L (Elterngeldbescheid vom 16.06.2014, Bl. 57 f. der ESt-Akte 2015) und danach bis zum Jahresende Betreuungsgeld in Höhe von 150 € monatlich (Betreuungsgeldbescheid vom 03.07.2015, Bl. 53 der ESt-Akte 2015). Ferner bezog der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit seit dem 30.10.2015 Krankengeldzahlungen ab dem 14.12.215 in Höhe von 50,20 € pro Tag, insgesamt 853,40 € im Jahr 2015 (Zahlungsmitteilungen/Bescheide der … Krankenkasse, Bl. 60 ff. der ESt-Akte 2015). In Summe beliefen sich die Elterngeld-/Betreuungsgeld-, Krankengeld- und Arbeitslosengeldzahlungen an den Kläger im Jahr 2015 auf 18.704 € (Bl. 31 der ESt-Akte 2015).
10
Neben ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Dozentin in K übte die Klägerin im Streitjahr 2015 eine selbständige Rechtsanwaltstätigkeit aus. Hierzu nutzte die Klägerin Räumlichkeiten im Kellergeschoss ihres privaten Wohnhauses in H. Aus der Rechtsanwaltstätigkeit erklärte die Klägerin im Rahmen ihrer Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG einen Verlust in Höhe von 42.097,04 € (Betriebseinnahmen: 26.509,32 €, Betriebsausgaben: 68.606,36 €). Wegen der Einzelheiten wird auf die Einnahmen-Überschussrechnung (Bl. 5 ff. der Bilanzakte) verwiesen.
11
Der Beklagte führte bei der Klägerin zwei Umsatzsteuersonderprüfungen durch, wegen der Einzelheiten wird auf die Prüfungsberichte vom 22.06.2016 (Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte) und vom 22.09.2017 (Bl. 14 ff. der Betriebsprüfungsakte) verwiesen.
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Basierend auf den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung berechnete der Prüfer den einkommensteuerlichen Gewinn der Klägerin aus der Rechtsanwaltstätigkeit in Höhe von 4.272,05 €. Dabei ging er von Einnahmen für die private KfZ-Nutzung in Höhe von 2.400 € im Jahr und Einnahmen für die private Telefonnutzung in Höhe von 240 € im Jahr aus. Für das Büro berücksichtigte der Beklagte Aufwendungen in Höhe von nur 3.390 €, dabei ging er von einem Anteil des Büros an der Gesamtfläche des Hauses von 16,92% aus. Die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Betriebsausgaben in Höhe erkannte der Beklagte nur in Höhe von 9.102,34 € (I.-III. Quartal) und 6.930,84 € (IV. Quartal) an. Insbesondere berücksichtigte der Beklagte dabei die geltend gemachten Aufwendungen aus zahlreichen Einzelbelegen bzw. -rechnungen von Supermärkten und Gastronomiebetrieben ([…]) nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gewinnermittlung des Prüfers samt Anlagen (Bl. 103 f. der Einkommensteuerakte, Bl. 40 ff der Gerichtsakte) verwiesen.
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Im Einkommensteuerbescheid 2015 vom 16.11.2017 berücksichtigte der Beklagte statt des beantragten Verlustes - den Feststellungen des Umsatzsteuersonderprüfers folgend - positive Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.272 €. Als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigte der Beklagte Fahrtkosten in Höhe von 4.500 € und sonstige Werbungskosten in Höhe von 225 €. Mit Bescheid für 2015 über Zinsen zur Einkommensteuer vom 18.01.2018 setzte der Beklagte die Zinsen in Höhe von 154,00 € fest.
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Gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 legten die Kläger am 18.12.2017 und gegen den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 2015 legten die Kläger am 19.02.2018 Einsprüche ein, ohne diese jeweils zu begründen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 27.04.2018 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Auch nach erneuter Prüfung hätten keine Gründe festgestellt werden können, die zu einer Änderung der Bescheide geführt hätten.
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Hiergegen haben die Kläger am 04.06.2018 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass eine Zurechnung privater PKW-Nutzung als Einkommen der Klägerin nicht stattfinden dürfe, da das betriebliche Fahrzeug (Volvo …) nicht privat genutzt worden sei. Der Klägerin und ihrer Familie hätten ein Privatfahrzeug und der PKW der Mutter der Klägerin zur Verfügung gestanden. Ferner habe die Klägerin über eine Bahncard 100 verfügt. Zudem sei die psychische Erkrankung der Klägerin so schlimm gewesen, dass sie kaum noch selbst Auto gefahren sei. Zudem scheide eine Zurechnung privater Telefonnutzung als Einkommen aus, da die Klägerin und ihre Familienangehörigen über eigene Telefone und Telefonnummern zur Privatnutzung verfügten. Die privaten Telefonnummern würden jedoch gegenüber dem Beklagten bewusst geheim gehalten, da der Sachbearbeiter des Beklagten ‒ Herr O ‒ am Wochenende Telefonterror bei den Klägern betrieben habe. Zu Unrecht habe der Beklagte zudem die Kosten des Kanzleibetriebs der Klägerin nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Die Flächenberechnung des Beklagten sei falsch, der Büroanteil betrage etwa 1/3 der gesamten Fläche des Hauses. Zudem sei der Energieverbrauch für das Büro im Vergleich zum übrigen Haus überproportional hoch, da im Büro aufgrund der technischen Geräte mehr Strom verbraucht werde und das Büro nicht mittels Kamin geheizt werden könne. Auch die weiteren Betriebsausgaben seien anzuerkennen. In einem Betrieb mit Publikumsverkehr und Wartezimmer sei es üblich und zulässig, Zeitschriften, Bücher, Blumendekorationen, Kinderspielzeug, Getränke und Süßigkeiten/Snacks zur Überbrückung der Wartezeiten vorzuhalten. Geltend gemacht/eingereicht worden seien lediglich solche Belege, in denen eine betriebliche Veranlassung vorgelegen habe. Zudem habe der Beklagte die geltend gemachten Fahrtkosten der Klägerin für die Wege nach K zu Unrecht nicht vollständig als Werbungskosten anerkannt. Anzuerkennen sei der Höchstsatz für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zuzüglich der Fahrten mit dem Privat-PKW, die teilweise wegen des frühen Arbeitsbeginns, wegen Bahnstreiks oder wegen späten Arbeitsendes erforderlich gewesen seien. Soweit die Berechnung der Einkommensteuer falsch sei, sei auch die Zinsberechnung fehlerhaft.
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Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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den Bescheid für 2015 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 16.11.2017 sowie den Bescheid für 2015 über Zinsen zur Einkommensteuer vom 18.01.2019 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2018 dahingehend zu ändern, dass eine Steuerfestsetzung entsprechend der abgegebenen Einkommensteuererklärung 2015 erfolgt.
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Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin das betriebliche Fahrzeug auch privat genutzt habe. Zudem habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die erklärten Telefonkosten ausschließlich aus der selbständigen Tätigkeit resultierten. Hinsichtlich eines großen Teils der geltend gemachten Betriebsausgaben sei der betriebliche Veranlassungszusammenhang nicht hinreichend nachgewiesen, es sei davon auszugehen, dass es sich um Kosten der privaten Lebensführung handele. Die Fahrtkosten der Klägerin seien nunmehr in Höhe von 8.313,60 € zu berücksichtigen.
22
Mit Beschluss vom 10.08.2020 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter/in zur Entscheidung übertragen (Bl. 69 der Gerichtsakte).
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Der/Die Einzelrichter/in hat die Gerichtsakte des Verfahrens 5 K 1722/18 U beigezogen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage hat teilweise Erfolg.
26
I. Der Bescheid für 2015 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 16.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2018 ist insoweit rechtswidrig, als dass der Beklagte als Werbungskosten der Klägerin im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte einen geringeren Betrag als 7.668 € in Abzug gebracht hat. Darüber hinausgehend sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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1. Der Beklagte hat zu Recht den Gewinn der Klägerin aus selbständiger Arbeit um 2.400 € zzgl. 19% Umsatzsteuer wegen der Privatnutzung des PKW Volvo … erhöht (Privatentnahme).
28
Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen; in den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist die Entnahme mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
29
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Die private Nutzung kann abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG)
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Der/Die Einzelrichter/in ist davon überzeugt, dass die Klägerin den dem Betriebsvermögen zugeordneten PKW Volvo … auch für private Fahrten und damit außerhalb des Betriebes liegende Zwecke genutzt hat.
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Nach den Einkommensteuererklärung 2015 ist die Klägerin an 195 Tagen mit dem Auto (Fiat) zum Bahnhof bzw. sogar an einzelnen Tagen direkt nach K gefahren, um ihre Arbeitsstätte (erste Tätigkeitsstätte) in K aufzusuchen.
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Der Kläger hatte wegen der langen Abwesenheitszeiten der Klägerin (6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends) zwei kleine Kinder zu betreuen, für die er im Streitzeitjahr zeitweise Elterngeld bzw. Betreuungsgeld bezogen hat. Es ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft, dass der Kläger das dem Betriebsvermögen zugeordnete Fahrzeug (Volvo …) in Abwesenheit der Klägerin nicht für private Zwecke benutzt hat. Für eine Privatnutzung durch den Kläger spricht auch, dass der Volvo … an zahlreichen Tagen betankt worden ist (Bl. 55 ff. und Bl. 68 f der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1722/18 U), an denen die Klägerin nach eigenen Angaben in den ESt-Erklärungen (Bl. 39 ff der ESt-Akte) mit dem Fiat/Zug von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends arbeitsabwesend in K war (05.02.2015, 09.02.2015, 17.02.2015, 27.03.2015, 17.04.2015, 23.04.2015, 30.04.2015, 25.06.2015, 05.08.2015, 26.10.2015, 20.11.2015, 10.11.2015, 27.11.2015).
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Auch die Behauptung der Klägerin, dass sie in den Streitjahren wegen ihrer psychischen Erkrankung praktisch kein Auto gefahren sei, ist nicht glaubhaft und widerspricht insbesondere ihren Angaben in der Einkommensteuererklärung, wonach sie in den Streitjahren täglich mit dem Auto (Fiat) zum Bahnhof bzw. an einzelnen Tagen sogar bis nach K gependelt ist. Der/Die Einzelrichter/in ist auch nicht davon überzeugt, dass die vierköpfige Familie gemeinsame Fahrten ausschließlich mit dem Privatfahrzeug Fiat … (Zweitürer, Kleinwagen) unternommen hat, obwohl mit dem Volvo … ein deutlich geräumigeres, komfortables viertüriges Fahrzeug (…) zur Verfügung gestanden hat.
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Der Höhe nach ist die Erhöhung der Einnahmen um 2.400 € zzgl. 19% Umsatzsteuer nicht zu beanstanden. Auch wenn der Betriebsprüfer für die Ermittlung der Höhe der unentgeltlichen Wertabgabe noch das Vorgängerfahrzeug (…) mit einem Bruttolistenpreis in Höhe von 25.000 € herangezogen hat (Bp-Bericht des Finanzamts N vom 27.05.2015, Bl. 108 f. der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1722/18 U, übernommen im Umsatzsteuersonderprüfungsbericht vom 22.06.2016, Bl. 4 der Bp-Akte), so ist dies rechtlich unbeachtlich. Denn der Beklagte hat zur Überzeugung des/der Einzelrichters/in nachgewiesen, dass der Volvo … einen Listenpreis von mehr als 25.000 € hat (siehe Preisliste für den Volvo …, Bl. 141 der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1722/18 U), an einer Verböserung zu Lasten der Klägerin ist der/die Einzelrichter/in jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren gehindert.
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Hinsichtlich der Höhe/der Berechnung der Entnahme besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Ein abweichender Ansatz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG kam mangels Führung eines Fahrtenbuches nicht in Betracht.
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2. Der Beklagte hat auch zu Recht eine weitere Privatentnahme für die private Telefonnutzung in Höhe von 240 € netto (zzgl. 19% USt) pro Streitjahr gewinnerhöhend angesetzt.
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Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen; in den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist die Entnahme mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
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Der Beklagte hat den von der Klägerin geltend gemachten Betriebsausgabenabzug aus Telefon- und Internetkosten (…) in vollem Umfang anerkannt.
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Die Klägerin hat lediglich pauschal behauptet, dass sie über weitere private Telefone verfügt habe. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Anwaltskanzlei im eigenen Wohnhaus der Klägerin befand und über eine Festnetztelefonnummer, einen Fax-Anschluss, eine geschäftliche e-mail Adresse und eine Homepage verfügte (siehe Briefkopf der Kanzlei auf dem Schreiben an den Beklagten vom 05.06.2016, Bl. 9 der Einkommensteuerakte 2015), hätte die Klägerin jedoch darlegen und nachweisen müssen, das ein weiterer Festnetzanschluss (inkl. Internetanschluss) für private Zwecke unter der gleichen Adresse angemeldet war. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht, sondern sie hat sich vielmehr geweigert, Auskunft über etwaige weitere Telefonanschlüsse zu geben. Die Schätzung des Privatanteils in Höhe von 20 € netto monatlich ist nach Auffassung des/der Einzelrichters/in vor dem Hintergrund der entstandenen erheblichen Gesamtkosten und den üblichen monatlichen Kosten für einen privaten Festnetzanschluss (einschließlich Internetanschluss) als äußerst moderat anzusehen. An einer Verböserung zu Lasten der Klägerin bzw. der Kläger ist der/die Einzelrichter/in jedoch auch insoweit im finanzgerichtlichen Verfahren gehindert.
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3. Der Beklagte hat zu Recht den Betriebsausgabenabzug aus den Aufwendungen für Speisen, (Blumen-)dekorationen, Getränke, Spielsachen und Zeitschriften versagt.
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Betriebsausgaben sind gem. § 4 Abs. 4 EStG die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.
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Gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind, den Gewinn nicht mindern. Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG).
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Bewirtung ist dabei jede Darreichung von Speisen, Getränken und sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr (BFH, Beschluss vom 06.06.2013 ‒ I B 53/12, BFH/NV 2013, 1561, Schmidt/Loschelder, EStG, § 4 Rdn. 544).
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In Bezug auf die Bewirtungsaufwendungen in Restaurants hat die Klägerin nicht ‒ wie nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG erforderlich ‒ für jeden Einzelfall den geschäftlichen Anlass und die Teilnehmer nachgewiesen.
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Auch hinsichtlich der in Supermärkten eingekauften Getränke und Speisen handelt es sich um Bewirtungsaufwendungen, insoweit fehlt es an den gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG erforderlichen Nachweisen.
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Soweit die Klägerin den Betriebsausgabenabzug aus Aufwendungen für (Blumen-)dekorationen, Zeitschriften und Spielsachen geltend macht, so hat sie insoweit nicht die betriebliche Veranlassung dargelegt bzw. nachgewiesen.
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Die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen (Speisen, (Blumen-)dekorationen, Getränke, Spielsachen und Zeitschriften etc.) ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin im Streitjahr nur geringe Umsätze erzielt und nur wenige Mandanten betreut hat, auch nicht plausibel. Sie steht vielmehr in einem krassen Missverhältnis zum Tätigkeitsumfang der Klägerin. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin im Hauptberuf in Vollzeit als Dozentin an der Universität K tätig gewesen ist und nach den Angaben in den Einkommensteuererklärungen in ganz erheblichem Umfang von zuhause abwesend war, war eine umfangreiche Mandantenbetreuung in den Kanzleiräumen schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Der/Die Einzelrichter/in ist aufgrund dieser Umstände davon überzeugt, dass in der Kanzlei keine Wartezeiten für Mandaten aufgetreten sind, sondern dort nur vereinzelt Termine (am Abend oder am Wochenende) nach vorheriger Vereinbarung stattgefunden haben. In Anbetracht dieser Gesamtumstände geht der/die Einzelrichter/in davon aus, dass es sich bei den vom Beklagten nicht anerkannten Aufwendungen um nichtabzugsfähige Aufwendungen für die private Lebensführung der Familie der Klägerin (§ 12 Nr. 1 EStG) handelt.
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Die Klägerin, die die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Betriebsausgabenabzugs trägt, hatte ferner bereits im Parallelverfahren 5 K 1722/18 U eine Auskunft zu den in den Kanzleiräumen empfangenen und bewirteten Mandanten mit Hinblick auf das Mandanten- bzw. Mandatsgeheimnis verweigert, so dass eine Aufklärung durch Zeugenbefragung der Mandanten nicht möglich war. Der Umstand der Nichtaufklärbarkeit geht zu Lasten der Klägerin.
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4. Der Beklagte hat zu Recht nur einen Betriebsausgabenabzug für das Büro der Klägerin in Höhe von 3.390,04 € anerkannt.
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Der Beklagte hat zu Recht nur einen Anteil in Höhe von 16,92% der Hauskosten (AfA, Energiekosten, Kreditkosten) berücksichtigt.
51
Nach dem Einheitswertbescheid der Stadt H vom 12.08.1981 beträgt die Wohnfläche des Hauses insgesamt 157,70qm, davon entfällt ein Anteil in Höhe von 26,68qm (=16,92%) auf das Kellergeschoss (Bl. 78 der Gerichtsakte im Verfahren 5 K 1722/18 U). Der Beklagte, der die Büroräume durch den Umsatzsteuer-Sonderprüfer, Herrn O, am 04.11.2015 in Augenschein genommen hatte, hat das gesamte Kellergeschoss als Büro anerkannt.
52
Die Klägerin ist diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass neben den Räumen im Kellergeschoss noch weitere Räume betrieblich genutzt werden. Hiergegen sprechen auch die dem Gericht vorliegenden Fotos (Bl. 79 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 5 K 1722/18 U) sowie die Tatsache, dass die verbleibende private Wohnfläche ‒ bemessen für eine vierköpfige Familie ‒ auch nicht mehr besonders groß ist. Ihre pauschale Behauptung im Klageverfahren, dass ca. 1/3 des Hauses (bzw. 60qm von 220 qm nach den Angaben in den Einkommensteuererklärungen) betrieblich genutzt wird, hat die Klägerin nicht substantiiert begründet geschweige denn anhand geeigneter Unterlagen (wie z.B. Grundrisse des Hauses) belegt.
53
Hinsichtlich der Höhe der vom Beklagten seiner Aufteilung zugrunde gelegten Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Insbesondere hat der Beklagte, anders als im Verfahren 5 K 1722/18 U (betreffend die Umsatzsteuer der Klägerin) auch die Energiekosten für das gesamte Jahr 2015 berücksichtigt.
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5. Der Beklagte hat zu Unrecht nur Aufwendungen zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Höhe von 4.500 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Statt dessen sind die Fahrtkosten in Höhe von 7.668 € als Werbungskosten zu berücksichtigen.
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Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind insbesondere gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG).
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Gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG können Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angesetzt werden, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.
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Insoweit ist eine Vergleichsrechnung zwischen Entfernungspauschale und den tatsächlichen auf öffentliche Verkehrsmittel entfallenden Aufwendungen durchzuführen (vgl Blümich/Thürmer, EStG, § 9 Rdn. 520 ff).
Nach diesen Grundsätzen waren die Aufwendungen für die Bahncard in Höhe von 7.668 € (12x 639 €) als Werbungskosten zu berücksichtigen, da diese den insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag in Höhe von 5.517,90 € (Bahnfahrten: 4.500 € (gedeckelter Höchstbetrag) zzgl. Autofahrten (ungedeckelt): 153 Tage x 3km x 0,30 € + 34 Tage x 23km x 0,30 € + 8 Tage x 269km x 0,30 €) übersteigen.
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Der Beklagte hat die Berücksichtigung der Kosten für die Bahncard im Schreiben vom 16.10.2019 auch bereits anerkannt. Soweit er darüber hinausgehend noch einen Werbungskostenabzug für acht Fahrten mit dem PKW in Aussicht gestellt hat, so ergibt sich dies nach Auffassung des/der Einzelrichters/in nicht aus dem Gesetz.
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6. Weitere Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung haben die Kläger weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich.
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II. Die Klage gegen den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 2015 ist unzulässig.
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Eigenständige Einwendungen gegen die Zinsfestsetzung haben die Kläger nicht geltend gemacht. Soweit die Einkommensteuerfestsetzung 2015 zu ändern ist, ist gem. § 233a Abs. 5 AO auch die Zinsfestsetzung, die Folgebescheid gegenüber der Einkommensteuerfestsetzung ist, zu ändern. Eine Anfechtung des Folgebescheides mit Einwendungen ausschließlich gegen den Grundlagenbescheid ist unzulässig (§ 351 Abs. 2 AO).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Da die Kläger trotz Aufforderung keinen bezifferten Antrag gestellt haben, ist von einer vollumfänglichen Anfechtung der Bescheide auszugehen. Zudem hatten die Kläger ihre Einsprüche nicht begründet (§ 137 Satz 1 FGO).
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IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles.