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  • 20.11.2012 · IWW-Abrufnummer 215989

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 05.09.2012 – 15 K 682/12 F

    - Für das Jahr 2009 ist in verfassungskonformer Interpretation der Vorschriften des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b und § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG davon auszugehen, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch abzugsfähig sind, wenn dem Stpfl. zwar für seine berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, das häusliche Arbeitszimmer aber den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.


    - Ein von einem Wirtschaftsprüfer- und Steuerberater zur Prüfung von Daten und Unterlagen, Anfertigung von Arbeitspapieren und gutachterlichen Stellungnahmen, Erstellung von Prüfungsberichten, Ausarbeitung betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Konzepte und zur Vorbereitung finanzgerichtlicher Klageverfahren genutztes häusliches Büro ist kein betriebsstättenähnlicher Raum im Wohnbereich.


    - Die durch die mündliche Kommunikation mit den Mandanten, Mitarbeitern und Dritten geprägte Tätigkeit des Mitgesellschafters einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft findet ihren Mittelpunkt in der Praxis der Partnerschaft.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist die Abziehbarkeit von Raumkosten als Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu 2) streitig.

    Die Klägerin zu 1) -Gesellschaft- ist eine Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in „E-Stadt”, an der der Kläger zu 2) und Herr „Q” - beide Wirtschaftsprüfer und Steuerberater - jeweils hälftig beteiligt sind. Gegenstand der Gesellschaft sind die für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten gemäß §§ 2, 43a Abs. 4 der Wirtschaftsprüferordnung -WPO- und §§ 33, 57 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes -StBerG-. Durch die Gesellschaft erwirtschaften der Kläger zu 2) und sein Partner Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-. Die Gesellschaft ermittelt ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Die Besteuerungsgrundlagen der Gesellschaft werden gemäß §§ 179ff. der Abgabenordnung -AO- gesondert und einheitlich festgestellt.

    Die Gesellschaft, die mehrere Mitarbeiter beschäftigt, übt ihre Tätigkeit in zwei als Praxisräume gestalteten Eigentumswohnungen auf der „T-Straße” in „E-Stadt” aus. Dort befinden sich die Arbeitsplätze der Mitarbeiter und Büroräume der Partner. Daneben nutzt der Kläger zu 2) einen Raum in der eigenen Wohnung für seine berufliche Betätigung. Der Raum ist als Büro eingerichtet und verfügt über umfangreiche Fachliteratur sowie eine technische Ausstattung, die dem Kläger zu 2) den Zugriff auf das EDV-System der Praxis ermöglicht.

    Gemäß einer im Einspruchsverfahren von den Klägern vorgelegten Übersicht beruhte der Umsatz der Gesellschaft im Veranlagungszeitraum 2009 zu 30% auf Jahresabschlussprüfung, zu 20% auf der Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen, zu 20% auf Buchführung und Lohnrechnung und zu 15% auf Beratung. Die übrigen 15% des Umsatzes wurden u. a. mit Gutachtertätigkeiten und Unternehmensbewertungen erzielt. Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsleistungen erbrachten die Partner im Wesentlichen selbst; die bei der Gesellschaft angestellten Mitarbeiter waren u. a. mit Buchführung und Lohnrechnung sowie der Erstellung einfacher Steuererklärungen befasst. Der durch den Kläger zu 2) generierte Umsatz (30% des Gesamtumsatzes der Gesellschaft) entfiel gemäß der vorgelegten Übersicht zu 44% auf Jahresabschlussprüfung, zu 20% auf Beratung, zu 20% auf die Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen und zu 3,5% auf Unternehmensbewertungen. Die übrigen 12,5% des Umsatzes basieren auf Sonderaufträgen, Prüfungen nach der Makler- und Bauträgerverordnung -MaBV- und Qualitätskontrolle.

    Die Tätigkeit des Klägers zu 2) auf dem Gebiet der Jahresabschlussprüfung gestaltet sich in der Regel wie folgt: Zunächst führt er in den Praxisräumen der Gesellschaft Gespräche mit den Mandanten zur Auftragsübernahme. In seinem häuslichen Büro findet sodann die Prüfung der erhaltenen Unterlagen, die Anfertigung der Arbeitspapiere des Abschlussprüfers und die Erstellung der Prüfungsberichte statt. Die administrativen Arbeiten, wie die technische Zusammenstellung der Prüfungsberichte und Gutachten, werden in den Praxisräumen der Gesellschaft erledigt. Besprechungstermine mit Mitarbeitern, Mandanten und Betriebsprüfern nimmt der Kläger zu 2) in den Räumen der Mandanten oder in der Praxis wahr. Die Präsentation der Arbeitsergebnisse und die Übergabe der Prüfungsberichte erfolgt schließlich bei den Mandanten vor Ort. Ähnlich gestaltet sich in der Regel die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Berater: Zur Anfertigung gutachterlicher Stellungnahmen, zur Ausarbeitung betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Konzepte sowie zur Vorbereitung finanzgerichtlicher Klageverfahren nutzt er seinen häuslichen Arbeitsplatz. Dort führt er auch vereinzelt Mandatsübernahmegespräche. Im Wesentlichen finden solche Besprechungen aber in den Praxisräumen der Gesellschaft statt. Für administrative Arbeiten greift der Kläger zu 2) ebenfalls auf die Praxis zurück. Hier oder beim Mandanten vor Ort werden schließlich die Arbeitsergebnisse vorgestellt.

    Mit der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2009 machte der Kläger zu 2) Sonderbetriebsausgaben i.H.v. insgesamt EUR 9.025,26, davon EUR 5.257,52 für ein Arbeitszimmer, geltend. Er vertrat die Auffassung, der Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung befinde sich - in qualitativer Hinsicht - im häuslichen Büro. Denn dort führe er primär die Prüfungen (Jahresabschlussprüfungen, Peer-Review, Unternehmensbewertungen, etc.) durch und bereite die steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratungen vor. Nur zu Hause könne er störungsfrei arbeiten; nur dort seien die Bedingungen für eine qualitative Auftragsbearbeitung gegeben.

    Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009 vom 03.06.2011 versagte der Beklagte den Abzug der Kosten des Arbeitszimmers und erkannte Sonderbetriebsausgaben nur i.H.v. EUR 3.767,73 an. Er begründete die Entscheidung damit, dass der häusliche Raum nach seiner Ansicht nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers zu 2) bilde. In den Praxisräumen der Gesellschaft in der „T-Straße” stehe dem Kläger zu 2) vielmehr ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung, an dem er seine freiberufliche Tätigkeit vollumfänglich ausüben könne. Dort würden Arbeiten von nicht unerheblichem Gewicht, wie Besprechungen mit Mitarbeitern und die Beratung der Mandanten, erledigt.

    Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch ein und wiederholten, dass der Kläger zu 2) die für seine Berufsausübung wesentliche Kerntätigkeit, nämlich die inhaltlichen und fachlichen Arbeiten, in seinem häuslichen Arbeitszimmer verrichte. Sie ergänzten ihren Vortrag dahin, dass auch der quantitative Schwerpunkt der Betätigung - dem zumindest indizielle Bedeutung zukomme - im häuslichen Büro liege; dort halte sich der Kläger zu 2) zu mehr als 50% seiner Arbeitszeit auf. Die Überwachung angestellter Mitarbeiter gehöre nicht zur Kerntätigkeit, da der Großteil des Umsatzes der Gesellschaft von den Partnern persönlich erbracht werde. Darüber hinaus vertraten die Kläger die Auffassung, es liege schon kein Arbeitszimmer i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG, sondern eine häusliche Betriebsstätte bzw. ein betriebsstättenähnlicher Raum im Wohnbereich vor.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 24.01.2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach seiner Ansicht erfülle der streitgegenständliche Raum den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers; die Kläger hätten keine die Ausstattung und Funktion des Raumes betreffenden Umstände vorgetragen, die für ein betriebsstättenähnliches Gepräge sprechen würden. Entgegen der Auffassung der Kläger liege der qualitative Schwerpunkt der Betätigung des Klägers zu 2) in den Praxisräumen der Gesellschaft, weil dort die Arbeiten ausgeführt würden, die für den Beruf des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers wesentlich und prägend seien. Dazu gehöre die Organisation der gesamten Tätigkeit; Mandanten wendeten sich postalisch und telefonisch an die Praxis und nicht an den Kläger zu 2) privat. Zu den Kerntätigkeiten zählten auch die Auftragsannahme, die Zusammenstellung von Gutachten und Berichten, die Beratung der Mandanten und die Präsentation der Arbeitsergebnisse. Zudem erforderten die Zusammenarbeit mit dem Partner „Q” und den Mitarbeitern, die Sichtung der täglichen Post und die Überwachung des Fristenkontrollbuchs eine regelmäßige Anwesenheit des Klägers zu 2) in den Praxisräumen der Gesellschaft. Auf den zeitlichen Umfang seiner Anwesenheit komme es nicht an.

    Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie wiederholen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und machen darüber hinaus geltend, dass die ständige Anwesenheit des Klägers zu 2) in den Praxisräumen nicht erforderlich sei. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit und Vertretung garantiere, dass administrative Leitungsaufgaben auch dann erfüllt würden, wenn der jeweils andere Partner abwesend sei. Zudem ergänzen sie, dass die gesetzliche Neuregelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 dergestalt verfassungsgemäß ausgelegt werden müsse, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Veranlagungszeitraum 2009 auch dann abzugsfähig sind, wenn dem Steuerpflichtigen ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, das Arbeitszimmer aber den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

    Die Kläger beantragen,

    den Gewinnfeststellungsbescheid 2009 vom 03.06.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.01.2012 dahin zu ändern, dass weitere Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu 2) i.H.v. EUR 5.257 berücksichtigt werden,

    und, für den Fall der vollständigen oder teilweisen Klageabweisung, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung und nimmt ergänzend auf die Gesetzesbegründung zur Einführung der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 Bezug. Anders als in dem dort genannten Fall einer in der eigenen Wohnung betriebenen kleinen Steuerberatungs- und Rechtsanwaltspraxis, die den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung darstelle, liege im Streitfall eine voll funktionsfähige Steuerberater- und Wirtschaftsprüferpraxis außerhalb der eigenen Wohnung des Klägers zu 2) vor.

    Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

    In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 2) seinen Vortrag dahin ergänzt, dass er zwar im Prüfungsbereich keine Mitarbeiter einsetze, dass aber im Beratungsbereich ein Teil der Aufgaben auf Mitarbeiter - die der Kläger überwache - übertragen sei. So erstelle der Kläger Steuererklärungen nicht selbst; diese würden vielmehr durch eine bei der Gesellschaft angestellte Steuerberaterin vorbereitet.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat den Abzug der Raumkosten als Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu 2) zutreffend abgelehnt, weil dem Kläger im Streitjahr für seine berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz (außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers) zur Verfügung stand, nämlich in den Praxisräumen der Gesellschaft, und weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers bildete (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG).

    Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes -JStG- 2010 vom 08.12.2010 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 2010, 1394) nur für den Fall nicht, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf EUR 1.250 begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Die gesetzliche Neuregelung findet auch auf das Streitjahr 2009 Anwendung, denn sie gilt gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG (i. d. F. des JStG 2010) rückwirkend für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.

    1. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Anwendungsbereich dieser Abzugsbeschränkung eröffnet, weil das häusliche Büro des Klägers zu 2) den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG erfüllt; es liegt weder eine Betriebsstätte noch ein betriebsstättenähnlicher Raum im Wohnbereich vor.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- ist das häusliche Arbeitszimmer ein Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet ist sowie vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (dazu nur BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139 m.w.N.). Demgegenüber stellen betriebsstättenähnliche Räume im Wohnungsbereich Räumlichkeiten dar, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, wie beispielsweise als Lager, Werkstatt, Arztpraxis oder Ausstellungsraum genutzte Räume (vgl. BFH-Urteil vom 26.03.2009 VI R 15/07, BStBl II 2009, 598). Bei der Einschätzung, ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, kann die maschinelle Ausstattung ebenso eine Rolle spielen wie die Beschäftigung von Angestellten, Publikumsverkehr oder die Größe, Lage und sonstige Ausstattung des Raumes (Heinicke in: Schmidt, EStG, 31. A., § 4 Rn. 591).

    Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Raum des Klägers zu 2) um ein häusliches Arbeitszimmer. Denn der Raum wurde im Streitjahr büromäßig genutzt (nämlich zur Prüfung von Daten und Unterlagen, Anfertigung von Arbeitspapieren und gutachterlichen Stellungnahmen, Erstellung von Prüfungsberichten, Ausarbeitung betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Konzepte und zur Vorbereitung finanzgerichtlicher Klageverfahren) und war mit Büromöbeln (Schreibtisch und Bücherregale für Fachliteratur) und Bürotechnik (Computer) ausgestattet. Umstände, die für eine Zuordnung des häuslichen Raumes zum Typus der „häuslichen Betriebsstätte” sprechen, haben die Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

    2. Entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung (Satz 2) hat die Klage nicht schon deshalb keinen Erfolg, weil dem Kläger zu 2) für seine berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz in den Praxisräumen der Gesellschaft zur Verfügung stand. Die Frage, ob das Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt darstellt (Satz 3, 2. Halbsatz), spielt zwar nach der Neuregelung nur für die Höhe des Abzugs eine Rolle und setzt voraus, dass Satz 2 eingreift, also kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2011 16 K 2791/09 E, EFG 2011, 2134; Heinicke in: Schmidt, EStG, 31. A., § 4 Rn. 592f.; Paul in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 4 Anm. 1565). Demgegenüber erachtet es die Finanzverwaltung weiterhin als eigenständigen Abzugstatbestand, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten Betätigung bildet (BMF-Schreiben vom 02.03.2011 IV C 6 - S 2145/07/ 10002, BStBl I 2011, 195, Rz 1); diese Auslegung widerspricht dem Wortlaut der Vorschrift. Für das Streitjahr 2009 ist allerdings in verfassungskonformer Interpretation der Vorschriften (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b und § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG) davon auszugehen, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch abzugsfähig sind, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete. So sah es § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG in der bei Ablauf des Jahres 2009 und damit bei Entstehung der Einkommensteuer 2009 gültigen Fassung vor. Eine nachträgliche Verschlechterung dieser Rechtsposition wäre als echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) verfassungswidrig (s. nur Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 07.07.2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BFH/NV 2010, 1959; 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BFH/NV 2010, 1968, und 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BFH/NV 2010, 1976). Diese war auch vom Gesetzgeber nicht gewollt, der mit der Neuregelung im JStG 2010 auf den Beschluss des BVerfG vom 06.07.2010 2 BvL 13/09, BFH/NV 2010, 1767, reagiert hat und insbesondere rückwirkend eine verfassungskonforme Regelung für die Steuerpflichtigen schaffen wollte, denen für ihre berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung steht.

    3. Auch in Anwendung dieser Grundsätze bleibt die Klage aber ohne Erfolg. Denn der Senat konnte nicht feststellen, dass sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung des Klägers zu 2) in seinem häuslichen Arbeitszimmer befand.

    Der Mittelpunktsbegriff ist gesetzlich nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss über die Bedeutung dieses Merkmals (so auch BFH-Urteil vom 13.11.2002 VI R 82/01, BStBl II 2004, 62, m.w.N.). Nach der zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i. d. F. des JStG 1996 ergangenen Rechtsprechung des BFH bestimmt sich bei einem Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit - teilweise zu Hause und teilweise auswärts - ausübt, der Mittelpunkt danach, ob er im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (ständige Rechtsprechung; s. etwa BFH-Urteile vom 23.05.2006 VI R 21/03, BStBl II 2006, 600, und vom 15.03.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133). Die für den Beruf wesentlichen und prägenden Leistungen werden auch mit dem Begriff des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen umschrieben (BFH-Urteile vom 09.04.2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917, und vom 22.11.2006 X R 1/05, BStBl II 2007, 304). Maßgebend ist danach, ob unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und aller Umstände des Einzelfalls das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird (BFH-Urteile vom 27.10.2011 VI R 71/10, BStBl II 2012, 234, und vom 08.12.2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236). Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers kommt hingegen lediglich indizielle Bedeutung zu. Diese Rechtsprechung gilt auch für die durch das JStG 2010 geschaffene Rechtslage (BFH-Urteil vom 08.12.2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236).

    Die vom Kläger zu 2) ausgeübte Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wird wesentlich durch die mündliche Kommunikation - vor allem - mit den Mandanten, aber auch mit Mitarbeitern und Dritten, wie Vertretern der Finanzbehörden, geprägt. Diese prägende Tätigkeit findet zwar auch in den Räumen der einzelnen Mandanten und von Dritten, schwerpunktmäßig aber in der Praxis der Partnerschaft statt; hier und nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt der Kern der Tätigkeit des Klägers.

    Der Kläger betätigt sich zu mindestens 40% auf dem Gebiet der Beratung und im Übrigen im Bereich der Wirtschaftsprüfung. Die Beratung ruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der Erstellung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen einerseits und der steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Beratung andererseits. Hinzu muss allerdings die - bei der Aufstellung der Umsätze des Klägers nicht berücksichtigte - Buchführung- und Lohnrechnung treten, die 20% des Gesamtumsatzes der Gesellschaft ausmacht und dem Kläger zu 2) hälftig zuzurechnen ist. Die Gespräche zur Übernahme dieser Beratungsmandate finden in den Praxisräumen in der „T-Straße” statt. Dort oder beim Mandanten vor Ort werden zudem die Ergebnisse der Mandatsbearbeitung präsentiert. Auch die Mandatsbearbeitung selbst wird, soweit es um die Erstellung der Steuererklärungen und Jahresabschlüsse sowie die Buchhaltung und Lohnrechnung geht, von den bei der Partnerschaft angestellten Mitarbeitern in der Praxis vorgenommen. Als Partner und Berufsträger hat der Kläger - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung bestätigt - die Angestellten anzuweisen, anzuleiten, zu kontrollieren und zu überwachen. Hierzu ist seine Anwesenheit in der Praxis erforderlich. Der Teilbereich der betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Beratung lebt wiederum von den Besprechungen mit den Mandanten, in denen Gegebenheiten abgefragt, Gestaltungsziele herausgearbeitet, Konzepte entwickelt und Empfehlungen abgegeben werden. Diese Gespräche führt der Kläger nicht in seinem häuslichen Arbeitszimmer, sondern in den Räumen der Mandanten oder in der „T-Straße”. Die Mandanten, aber auch die Finanzbehörden, wenden sich an die Praxis und nicht an die Privatadresse des Klägers; in der Praxis gehen Anrufe der Mandanten und Dritter ein. Zum Beratungsbereich gehören außerdem Vertragsverhandlungen mit gegnerischen Parteien - beispielsweise über Steuerklauseln in Unternehmenskaufverträgen -, Gespräche mit Vertretern der Finanzbehörden und Gerichtstermine. Von diesen, die Tätigkeit des Beraters prägenden Aktivitäten wird das häusliche Arbeitszimmer nicht berührt. Darüber hinaus stimmt sich der Kläger mit seinem Partner „Q” und seinen Mitarbeitern, derer er sich im Bereich der betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Beratung - nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung - bedient, in den Praxisräumen in der „T-Straße” ab. Auch diese Abstimmung ist wesentlich für die Betätigung des Klägers zu 2) in einer zweigliedrigen Steuerberatungsgesellschaft, in der im Beratungsbereich Aufgaben auf Angestellte übertragen werden. Der Senat verkennt bei dieser Einschätzung nicht, dass die Prozessvertretung ebenso wie die Gestaltungsberatung einer umfangreichen Vorbereitung durch Akten- und Literaturstudium bedürfen und erhebliche gedankliche und schriftliche Arbeit - wie das Anfertigen von Schriftsätzen für finanzgerichtliche Klageverfahren - mit sich bringen. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt, dass er sich hierfür in sein häusliches Arbeitszimmer zurückzieht, um dort ungestört zu arbeiten. Es kommt jedoch auf die die Beratertätigkeit prägenden Merkmale an: Diese liegen nicht am häuslichen Schreibtisch.

    Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht bei Betrachtung des zweiten Betätigungsfeldes des Klägers, der Wirtschaftsprüfung. Diese setzt sich aus der Jahresabschlussprüfung, der Unternehmensbewertung und sonstigen Tätigkeiten, wie der MaBV-Prüfung und der Qualitätskontrolle zusammen. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, dass er die Prüfung der Unterlagen und Daten der Mandanten, die Anfertigung von Arbeitspapieren und die Erstellung von Prüfungsberichten in seinem häuslichen Arbeitszimmer vornimmt. Einer ständigen Anwesenheit im zu prüfenden Unternehmen bedarf es hierfür auch nicht, da die Mandanten dem Kläger die zu prüfenden Informationen auf Datenträgern und in durchschnittlich 2 bis 3 Ordnern zur Verfügung stellen. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Kläger sind die Mandanten in der Lage, die Unterlagen für den Kläger zusammenzustellen und dabei auf eine prüfungsrelevante Essenz zu beschränken. Die gedankliche und schriftliche Prüfungstätigkeit führt jedoch nicht zu einer Verlagerung des Mittelpunkts der klägerischen Betätigung in den häuslichen Bereich. Die Berufsausübung eines Wirtschaftsprüfers und auch des Klägers wird nämlich in gleichem Maße durch die Besprechung mit den Auftraggebern und den Mitarbeitern des geprüften Unternehmens geprägt. Dabei hat die Kommunikation mit dem Mandanten ein eben solches Gewicht wie das Studium der Daten und Unterlagen und die Anfertigung von Papieren und Berichten. Die Kommunikation beginnt mit dem Mandatsübernahmegespräch, das der Kläger in den Praxisräumen führt. Sie setzt sich fort mit der Klärung während der Prüfung entstehender Fragen und der Abstimmung zu einzelnen Prüfungsaspekten, für die der Kläger nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung gegebenenfalls den Mandanten in seinem Unternehmen aufsucht. Sie endet mit der Präsentation der Prüfungsergebnisse und der Abgabe von Handlungsempfehlungen für die Zukunft in den Räumen des Mandanten oder in der Praxis. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer den Schwerpunkt der Betätigung des Klägers als Wirtschaftsprüfer bildet.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    In Ermangelung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO war die Revision nicht zuzulassen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen des Streitfalls sind durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt. Insbesondere hat der BFH die Maßstäbe, nach denen sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimmt, in seinen Entscheidungen festgelegt.

    VorschriftenEStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, EStG § 52 Abs. 12 Satz 9

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