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  • 26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133631

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 25.09.2013 – 2 V 102/13

    Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Entschließungsermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.


    Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht v. 25.09.2013

    2 V 102 / 13

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Rechtmäßigkeit des mit Verwaltungsakt vom 13 . März 2013 festgesetzten Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500,- €.

    Der Antragsteller erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Hotel und Restaurant ... Mit Prüfungsanordnung vom 20. Juni 2012 ordnete das Finanzamt beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2008-2010 unter anderem zur Einkommensteuer, zur Umsatzsteuer und zur Gewerbesteuer an. In der Anlage wurde der Antragsteller um Vorlage folgender Unterlagen zu Beginn der Außenprüfung gebeten:

    Tagesendsummenbons

    Ein- und Ausgangsrechnungen Kassenaufzeichnungen

    Bankunterlagen (Kontoauszüge)

    Vertrag vom 23. Oktober 2007 Notar ... Kaufvertrag ...

    Darlehen und Arbeitsvertrag mit der Ehefrau

    Prüfungsbeginn war der 12. November 2012 um 10:00 Uhr. Nach Einwendungen gegen die Prüfung in den Geschäftsräumen des Antragstellers erfolgte die Prüfung an Amtsstelle. Zu Beginn der Prüfung wurden drei Umzugskartons mit Ordnern und Unterlagen übergeben. Mit Schreiben vom 06. Dezember 2012 wurden dem Steuerberater wunschgemäß die sich im Rahmen der Prüfung bisher ergebenden Prüfungsanmerkungen übersandt. Im Rahmen einer Betriebsbesichtigung am 18. Dezember 2012 wurden für den weiteren Verlauf der Prüfung weitere Unterlagen angefordert.

    Mit seiner E-Mail vom 24. Januar 2013 bat der Prüfer den Steuerberater um Aufklärung auffälliger Stornovorgänge und erinnerte an die Übersendung der bereits angeforderten Unterlagen bis zum 08. Februar 2013. Nach einer Gesprächsnotiz hatte der Prüfer im Rahmen der Betriebsbesichtigung folgende Unterlagen angefordert:

    1. Kalkulation des Frühstücks (Hinweis auf das Kalenderjahr 2010)

    2. Verträge über das BHKW Prämiengewährung und Rechtsstreit

    3. Belege zur Einkünfteerzielungsabsicht des Mandanten nach Beendigung der GbR

    4. Umsatzbericht der Hotline für 2010/Dezember

    5. Berechnung der Sachbezugswerte „Personal”.

    Mit Schreiben des Steuerberaters vom 25. Januar 2013 teilte dieser mit, man habe die gesetzte Frist bis zum 08. Februar 2013 zur Kenntnis genommen. Diese würde sich jedoch nicht einhalten lassen, weil zunächst noch die restlichen Steuerfälle des Veranlagungsjahres 2011 abgearbeitet werden müssten.

    Mit Schreiben vom 30. Januar 2013 verlängerte der Prüfer die Frist für die Vorlage der Unterlagen bis zum 20. Februar 2013. Das Schreiben wurde zusätzlich mit folgendem Hinweis versehen:

    „Die obige Frist gilt auch als Frist zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gem. § 146 Abs. 2b Abgabenordnung. Nach Verstreichen der Frist ohne Vorlage der angeforderten Unterlagen wird ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b Abgabenordnung festgesetzt.”

    Mit seinem Schreiben vom 11. Februar 2013 teilte der Steuerberater des Antragstellers mit, dass die sofortige Ankündigung eines Verzögerungsgeldes verwundern müsse. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Prüfer durch seinen Mandanten und insbesondere Herrn ... aus seinem Büro bislang jederzeit die sofortige und volle Kooperation sowie persönliche Unterstützung erhalten habe, die weit über das übliche Maß hinausgegangen sei. Selbstverständlich seien der Steuerpflichtige und auch sie bemüht die gesetzte Frist einzuhalten. Es sei jedoch nochmals angemerkt, dass es sich bei den angeforderten Unterlagen und Auskünften um keine schnell zu erledigenden Aufgaben handele; auf die hier zum Jahreswechsel vorhandene Arbeitsbelastung sei bereits aufmerksam gemacht worden.

    Am 26. Februar 2013 setzte das Finanzamt ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500,- € fest.

    Am 5. März 2013 gingen die angeforderten Unterlagen beim Finanzamt ein.

    Gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes wendete sich der Antragsteller mit seinem Einspruch vom 12. März 2013. Die gleichzeitig beantragte Aussetzung der Vollziehung wurde mit Verwaltungsakt vom 13 . März 2013 abgelehnt. Der gegen diese Ablehnung erhobene Einspruch vom 22. März 2013 wurde vom Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 2013 abgelehnt. Am 20. Juni 2013 hat der Antragsteller Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht beantragt.

    Seinen Antrag begründet der Antragsteller insbesondere damit, dass das Entschließungsermessen durch das Finanzamt schematisch und damit fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht beachtet worden im Hinblick auf die erhebliche Sanktionsmindestgrenze in 2.500,- € und mit Rücksicht auf die zu beurteilende Pflichtverletzung sowie auf das Ausmaß der Prüfungsbeeinträchtigung. Das Verzögerungsgeld sei trotz vorhandener Kooperation und einer letztlich allein um sechs Tage versäumten Frist festgesetzt worden.

    Im Hinblick auf das zwischenzeitlich mit Abrechnungsbescheid vom 20. August 2013 durch Aufrechnung mit einem Guthaben in Höhe von 1.048,93 € aus der Umsatzsteuervoranmeldung für April 2013 teilweise getilgte Verzögerungsgeld beantragt der Antragsteller zuletzt,

    1. die Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2013 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Sinne des § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500,- € gegen den Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Einspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen,

    2. die durch Aufrechnung der Antragsgegnerin des Guthabens des Antragstellers in Höhe von 1.048,93 € aus Umsatzsteuervoranmeldung für April 2013 teilweise bewirkte Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2013 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Sinne des § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500,- € gegen den Antragsteller aufzuheben.

    Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzuweisen.

    In das Entschließungsermessen seien alle im Zeitpunkt der Festsetzung des Verzögerungsgeldes entscheidungserheblichen Umstände einbezogen worden. Dabei sei die Dauer der bereits gewährten Frist, das Ausmaß der Beeinträchtigung der laufenden Betriebsprüfung sowie der Umfang der angeforderten Unterlagen berücksichtigt worden. Allein vor dem Hintergrund der angeforderten Unterlagen liege kein Bagatellfall vor. Der Antragsteller habe nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit die Beschaffung der angeforderten Unterlagen nur durch die persönlichen Probleme beeinflusst worden sei, so dass keine entschuldbare Säumnis angenommen werden konnte. Die Behauptung, das Verzögerungsgeld sei trotz vorhandener Kooperation zweckwidrig festgesetzt worden, überzeuge nach Aktenlage nicht. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Prüfer mit Schreiben vom 30. Januar 2013 die nicht erforderliche Androhung des Verzögerungsgeldes vorgenommen habe. In diesem Verwaltungsakt sei explizit darauf hingewiesen worden, dass das Verzögerungsgeld nach Ablauf der Frist ohne Vorlage der angeforderten Unterlagen festgesetzt werde. Folglich sei das Verzögerungsgeld zeitnah nach Ablauf der Frist festgesetzt worden. Bei dieser Sachlage leuchte nicht ein, warum der Antragsteller nicht vor Ablauf der Frist noch auf bestehende Hinderungsgründe bezüglich der vorzulegenden Unterlagen hingewiesen habe.

    Im Übrigen werde auf die Ausführung in der Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 2013 verwiesen.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.


    Gründe

    II.

    Der zulässige Antrag ist begründet.

    Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

    Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 5. März 1979, GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl 1979 II S. 570). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner Eilbedürftigkeit und seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist, beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994, IX B 78/94, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1995, 116). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren (vgl. Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl. 2010, § 69 Rz. 121 m.w.N.). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschlüsse vom 20. Mai 1997, VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV BFH/R 1997, 462 und vom 23. August 2004, IV S 7/04, BFH/NV 2005, 9).

    Hiervon ausgehend bestehen nach der im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Verzögerungsgeldes vom 26. Februar 2013.

    Im Streitfall sind zwar die formellen und tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2 b AO dem Grunde nach erfüllt.

    Gegenüber dem Antragsteller ist durch vollziehbare Prüfungsanordnungen des Finanzamtes eine Außenprüfung angeordnet worden. Das Finanzamt durfte deshalb mit der Anlage zur Prüfungsanordnung, bei der Betriebsbesichtigung vom 18. Dezember 2012 sowie durch die E-Mail vom 24. Januar 2013 und das Schreiben vom 30. Januar 2013 die Aufforderungen zur Vorlage der Unterlagen erlassen. Die darin gesetzten Fristen erscheinen zwar knapp, insbesondere durch die um den Jahreswechsel allgemein und insbesondere im betrieblichen Umfeld vermehrt auszuführenden Tätigkeiten, in der Gesamtschau vom 18. Dezember 2012 bis zum 20. Februar 2013 aber wohl nicht zu kurz bemessen, auch wenn die mit der an die Vorlage erinnernde E-Mail gesetzte Frist bis zum 8. Februar 2013 allein als zu kurz und auch die auf den 20. Februar 2013 verlängerte Frist im Hinblick auf die Vielzahl der Unterlagen als am unteren Limit liegend zu betrachten ist. Die unangefochten gebliebenen Aufforderungen sind vollziehbar und in formelle Bestandskraft erwachsen.

    Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung stellt sich die angefochtene Ermessensentscheidung jedoch als ermessensfehlerhaft dar.

    Die Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes ist eine Ermessensentscheidung, wobei das Ermessen für die Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen), als auch für die Höhe eines Verzögerungsgeldes (Auswahlermessen) eröffnet ist, § 5 AO. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar (von Groll in Gräber, FGO -Kommentar, 7. Aufl., § 102 Rz. 2 m.w.N.). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des Festsetzungsbescheides und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ob die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, kann nur auf der Grundlage der Verhältnisse beurteilt werden, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung bekannt waren oder bekannt sein mussten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Finanzbehörden kommt es mithin auf die Sach– und Rechtslage in dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (vgl. von Groll in Gräber, a.a.O., § 102 Rz. 13 m.w.N.).

    Die Ermessensentscheidung unterliegt ferner der verschärften Begründungspflicht, § 121 Abs. 1 AO. Die Begründung muss erkennen lassen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei der Ermessensentscheidung ausgegangen ist. Es müssen die angestellten Erwägungen, die Abwägungen, das Für und Wider aus der Entscheidung erkennbar sein (vgl. Gersch in Klein, AO -Kommentar, 10. Aufl., § 5 Rz. 13 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).

    Im Streitfall hat das Finanzamt auf der Ebene des Entschließungsermessens insbesondere keine ausreichenden Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemacht hat. Auch wenn § 146 Abs. 2b AO – im Gegensatz zur ausdrücklichen Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Auswahl von Zwangsmitteln in § 328 Abs. 2 AO – keinen diesbezüglichen Hinweis enthält, hat die Finanzbehörde bei Ausübung ihres Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet und bei der Auslegung und Anwendung der Normen des einfachen Rechts stets zu beachten (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl 2013 II S. 266 m. w. Nachweisen).

    Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das Finanzamt die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011 , a.a.O.).

    Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des Finanzamtes sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverlet-zung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl 2013 II S. 266 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Deshalb scheint sich zu Recht in Literatur und Rechtsprechung die Tendenz abzuzeichnen, die Anwendung der Vorschrift auf wesentliche Fälle zu begrenzen (Dißars in Schwarz, AO , § 146 Rz. 49), Bagatellfälle auszuklammern (so: Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011 , 13 K 13246/10, Juris) bzw. in das Entschließungsermessen alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen (vgl. FG Schleswig-Holstein 2 K 9/12, EFG 2013, 264).

    Gemessen hieran finden sich weder bei der Festsetzung, die keine Ermessenserwägungen enthält, noch im Zuge des Verfahrens zur Aussetzung der Vollziehung ausreichende Ausführungen. Zwar ist die letzte Verwaltungsentscheidung in Form der Einspruchsentscheidung noch nicht ergangen, so dass grundsätzlich weitere Ermessenserwägungen noch vorgenommen werden könnten. Es sind jedoch bisher (auch nicht im Rahmen der Erwiderung) keine Erwägungen vorgetragen oder erkennbar, die aus Sicht des Senats zu einem anderen Ergebnis führen könnten.

    Zwar erläutert das Finanzamt bei Ablehnung der beantragten Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 13 . März 2013, dass die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in Anbetracht der steuerlichen Auswirkung der Unterlagen angemessen war und durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht gemessen am Grundsatz der Verpflichtung zur zeitnahen Durchführung einer Außenprüfung eine nicht hinnehmbare Verzögerung der Fallbearbeitung vorlag. Der Annahme des Antragstellers, bei den Unterlagen und Auskünften habe es sich nicht um schnell zu erledigende Aufgaben gehandelt, könne bei den zum Teil angeforderten Unterlagen (z.B. Vertragsunterlagen) nicht zugestimmt werden. In der Einspruchsentscheidung zur Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 17. Mai 2013 führt das Finanzamt an, auch durch die ehelichen Probleme des Antragstellers sei es nicht zur Beeinträchtigung der Außenprüfung gekommen. Die Frist von ca. zwei Monaten sei auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ausreichend gewesen. Mit der Festsetzung kurz nach Fristablauf hätte der Antragsteller außerdem rechnen müssen, da die Festsetzung angekündigt gewesen sei. Der Einwand, die Prüfung in den Räumen des Steuerberaters hätte die Prüfung erheblich abgekürzt, komme keine Bedeutung zu.

    Die Ausführungen sind zum Teil formelhaft und auch in sich nicht schlüssig.

    Wie die Aussage des Finanzamtes zu verstehen ist, in Anbetracht der steuerlichen Auswirkung der Unterlagen sei eine Festsetzung des Verzögerungsgeldes angemessen gewesen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

    Dass es bei Nichteinhalten von Fristen zu Verzögerungen kommt und jede Außenprüfung möglichst zeitnah durchzuführen ist, erklärt sich von selbst. Das Finanzamt hätte erläutern müssen, warum es gerade in diesem Fall durch die kurze Fristüberschreitung zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung gekommen ist.

    Mit dem Hinweis, „bei einem Teil der angeforderten Unterlagen”, könne nicht zugestimmt werden, dass diese nicht schnell zu beschaffen gewesen sein, gibt das Finanzamt zu erkennen, dass es bei einem Teil der zu beschaffenden Unterlagen und Auskünfte selbst der Ansicht war, diese Aufgabe sei nicht schnell zu erledigen. Im Rahmen der Abwägung wurde dieser Aspekt jedoch nicht miteinbezogen.

    Vor allem hat das Finanzamt aber im Hinblick auf den Zweck des Verzögerungsgeldes, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (s. o.), einen wesentlichen Aspekt völlig unberücksichtigt gelassen. Es hat nicht thematisiert, ob es Hinweise auf fehlende Mitwirkung oder bewusst bzw. verschuldetes zögerliches Handeln des Antragstellers bzw. seines Prozessbevollmächtigten und dessen Mitarbeiter überhaupt gab. Das erscheint dem Gericht zweifelhaft, da nach den vorliegenden Unterlagen das Bemühen erkennbar ist, die angeforderten Unterlagen zeitnah zu beschaffen. Es wurde im Schreiben vom 11. Februar 2013 ausdrücklich betont, dass man sich bemühe, die Frist einzuhalten, dies möglicherweise aber nicht gelingen würde. Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass dem Betriebsprüfer bei der Auswertung der Kassenunterlagen durch die Mitarbeit eines Technikers besondere Unterstützung zuteil wurde (Eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters des Steuerbüros). Auf diese Umstände ist das Finanzamt jedoch gar nicht eingegangen, es hat vielmehr aus diesem Schreiben gefolgert, die gesetzte Frist sei akzeptiert worden und hat diese Einschätzung, die dem Senat zweifelhaft erscheint, demzufolge auch seiner Würdigung zugrunde gelegt.

    Die Ausführungen zu diesem Punkt waren umso zwingender, als es sich - wie oben dargestellt - um knapp bemessene Fristen handelte und die Frist auch nur knapp überschritten wurde. Die Unterlagen lagen am 5. März, somit am 9. Werktag nach Fristablauf dem Finanzamt vor. Am 4. Werktag nach Ablauf einer erstmalig festgesetzten, ursprünglich nur auf 2 Wochen bemessenen, eine Woche später um 12 Tage verlängerten Frist wurde ein Verzögerungsgeld in der Mindesthöhe von 2.500 € festgesetzt. Der steuerliche Berater hatte zuvor mit Schreiben vom 11. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass man die Frist einhalten wolle. Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis darauf, dass die Unterlagen selbst bei Nichteinhalten der Frist nicht zumindest mit vertretbarer Verzögerung eingereicht würden (was dann auch geschah). Vielmehr bestätigt sich aus dem vom Berater vorgelegten E-Mail-Verkehr diese Einschätzung: Es finden sich im Arbeitsbogen des Prüfers Anhaltspunkte dafür, dass beispielsweise die Aufklärung der Stornovorgänge durch den Techniker sich verzögerte, aber an der Aufklärung ständig gearbeitet wurde. Dieser Aspekt wurde vom Finanzamt gar nicht gewürdigt, was aus Sicht des Senates insbesondere zur Wahrung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich gewesen wäre und weshalb die Entscheidung ermessensfehlerhaft ist.

    Auf die Frage, ob ein am 4. Werktag nach Ablauf einer erstmalig ausreichend bemesse­nen schriftlichen Fristsetzung festgesetztes Verzögerungsgeld zur Anforderung mehrerer Auskünfte, die nach eigener Einschätzung des Finanzamtes jedenfalls teilweise nicht schnell zu erledigen waren, in Anbetracht der gesetzlich fixierten Mindesthöhe von 2.500 € überhaupt verhältnismäßig sein kann, braucht der Senat daher nicht einzugehen.

    Das gleiche gilt auch hinsichtlich der Frage, ob die mit Festsetzung des Verzögerungsgeldes zwingend in der gesetzlich vorgegebenen Mindesthöhe von 2.500 € erfolgte Sanktionierung der vom Finanzamt angenommenen Verletzung der Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die relativ geringe Fristüberschreitung von 9 Werktagen im Verhältnis zur Höhe des Verzögerungsgeldes verhältnismäßig sein kann.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 FGO). Mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO war die Beschwerde nicht zuzulassen.

    RechtsgebieteAO, FGOVorschriftenAO § 146 Abs. 2b AO § 146 Abs. 5 FGO § 102

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