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  • 05.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133329

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 28.08.2013 – 4 K 44/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 4 K 44/13
    Revision eingelegt – BFH-Az.: VI R 73/13

    Tatbestand

    Streitig ist der Abzug von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

    Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

    Der Kläger erzielt als Pilot Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war ursprünglich bei der U angestellt.

    Während der Dauer dieses Beschäftigungsverhältnisses befand sich sein Einsatzflughafen in F. Der Einsatzflughafen war 61 km von der damaligen Wohnung der Kläger in M entfernt. Im Lauf des Streitjahres wechselte der Kläger den Arbeitgeber.

    Seitdem befindet sich sein Einsatzflughafen in G. Die Entfernung des neuen Einsatzflughafens zu der Wohnung in M betrug 455 km. Zum 1. August 2009 zogen die Kläger von M nach L. Dort bewohnen sie das frühere Elternhaus des Klägers, das dieser bereits zum 1. Oktober 2005 im Wege vorweggenommener Erbfolge erworben hatte. Die Entfernung der neuen Wohnung zu dem Flughafen G beträgt 255 km.

    In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Umzugskosten in Höhe von 12.092 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers geltend. Bei der Ermittlung dieses Betrags hatten die Kläger u.a. ortsübliche Miete in Höhe von 6.325 EUR für die frühere Wohnung in M angesetzt und zur Begründung angeführt, diese habe noch nicht verkauft werden können, weil sich darin noch Möbel und andere Einrichtungsgegenstände befänden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ermittlung der Umzugskosten wird auf die diesbezügliche Anlage zur Einkommensteuererklärung (Blatt 123 der Einkommensteuerakte – EStA ) Bezug genommen.

    Daneben machte der Kläger u.a. Absetzungen für Abnutzung auf ein Wohnmobil als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Zur Begründung führte er aus, dass er für seinen neuen Arbeitgeber mit zunehmender Regelmäßigkeit Langstreckenflüge durchführe. Da die tägliche Arbeitszeit nicht selten 18 Stunden betrage, sei es unerlässlich, bereits am Vorabend anzureisen, um den Dienst ausgeruht antreten zu können. Die Übernachtung in dem Wohnmobil sei mittelfristig deutlich preiswerter als die Übernachtung in Hotels. Aus der der Steuererklärung beigefügten Fahrtkostenaufstellung (Blatt 126 und 127 EStA) ergibt sich, dass der Kläger in der Zeit zwischen dem 31. Juli 2009 und dem 31. Dezember 2009 insgesamt 13 Hin- und Rückfahrten zwischen L und G durchgeführt hat.

    Durch Einkommensteuerbescheid vom 17. Oktober 2011 lehnte der Beklagte (das Finanzamt – FA ) die Berücksichtigung der Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit mangels beruflicher Veranlassung ab.

    Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass sich die Entfernung zwischen Wohnort und neuem Einsatzflughafen durch den Umzug um 200 km verringert habe. Dies reiche für die Begründung der beruflichen Veranlassung aus.

    Durch Einspruchsbescheid vom 25. Januar 2013 wies das FA den Einspruch im Streitpunkt als unbegründet zurück. Es hielt an der Auffassung fest, dass der Umzug von M nach L nicht beruflich veranlasst sei. Zwar sei bei einem dem Arbeitsplatzwechsel nachfolgenden Umzug, der zu einer Verminderung der täglichen Fahrzeit um mindestens ein Stunde führe, regelmäßig von einer beruflichen Veranlassung auszugehen. Dies gelte jedoch nur dann, wenn sich die verbleibende Wegezeit im Rahmen des im Berufsverkehr Normalen halte (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH vom 22. November 1991 VI R 77/89, BStBl II 1992, 494). Diese Voraussetzung sei bei der im Streitfall verbleibenden Entfernung von 255 km nicht erfüllt. Aus anderen Gründen setzte das FA die Steuer herab.

    Hiergegen richtet sich die am 27. Februar 2013 erhobene Klage. Zu deren Begründung tragen die Kläger vor, dass bei einer Verkürzung der täglichen Fahrzeit um mindestens eine Stunde, wie sie im Streitfall eingetreten sei, generell von einer beruflichen Veranlassung des dem Arbeitsplatzwechsel folgenden Umzugs auszugehen sei. An der weiteren Voraussetzung, dass sich die nach dem Umzug verbleibende Wegezeit im Rahmen dessen halten müsse, was im Berufsverkehr als normal angesehen werde, habe der BFH in seinem Urteil vom 23. März 2001 VI R 189/97 (BStBl II 2002, 56) nicht festgehalten.

    Die Kläger beantragen,

    unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 17. Oktober 2011 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 25. Januar 2013 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 12.092 EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers ergibt.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Er hält an der seinem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Beurteilung fest. Ergänzend führt er aus: Bei der Beurteilung der beruflichen Veranlassung falle auch der Umstand ins Gewicht, dass es sich bei dem in L bezogenen Haus um das Elternhaus des Klägers handele. Ohne diese persönliche Beziehung zu dem neuen Wohnobjekt sei es nicht verständlich, dass die Kläger nach dem Arbeitsplatzwechsel einen Wohnort gewählt hätten, der eindeutig nicht zum Einzugsbereich des neuen Arbeitsorts gehöre. Die private Mitveranlassung des Umzugs werde auch dadurch unterstrichen, dass der Kläger die Strecke zwischen Wohnort und Einsatzflughafen nur einige Male im Monat zurücklegen müsse.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die von den Klägern geltend gemachten Umzugskosten zu Recht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen.

    Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Werbungs-kosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind danach alle Aufwendungen, die objektiv durch die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen veranlasst sind und subjektiv der Förderung der Einnahmeerzielung dienen.

    Nach diesem Maßstab sind Umzugskosten eines Arbeitnehmers als Werbungskosten abziehbar, wenn feststeht, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst war und private Gründe keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben (BFH-Urteile vom 24. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476, m.w.N.; vom 16. Oktober 1991 VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610). Eine berufliche Veranlassung ist insbesondere dann gegeben, wenn der Umzug aus Anlass der erstmaligen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit erfolgt oder die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist und die Zeitspanne für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheblich vermindert wird (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1976 VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117).

    Unter dieser Voraussetzung kann ein Umzug auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlasst sein (BFH-Urteil vom 10. September 1982 VI R 95/81, BFHE 136, 478, BStBl II 1983, 16).

    Tritt infolge des Umzugs eine arbeitstägliche Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde ein, treten private Begleitumstände in der Regel in den Hintergrund (ständige Rechtsprechung des BFH: Urteile in BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610; vom 22. November 1991 VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494), so dass es dem Werbungskostenabzug nicht entgegensteht, wenn der Umzug aus Anlass der Eheschließung (BFH-Urteil vom 23. März 2001 VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585) oder der Geburt eines Kindes (BFH-Urteil vom 23. März 2001 VI R 189/97, BFHE 196, 478, BStBl II 2002, 56) erfolgt oder mit dem Bezug eines Eigenheims verbunden ist (BFH-Urteil vom 6. November 1986 VI R 106/85, BFHE 148, 164, BStBl II 1987, 81).

    Weitere Voraussetzung für die Annahme einer – nahezu ausschließlich beruflichen Veranlassung der Umzugskosten ist nach dem BFH-Urteil in BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494 allerdings, dass die nach dem Umzug verbleibende Fahrzeit der im Berufsverkehr als normal anzusehenden entspricht. Diese Bedingung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil die neue Wohnung 255 km von dem neuen Einsatzflughafen des Klägers entfernt ist. Die verbleibende Fahrzeit übersteigt die Zeitspanne, die ein Arbeitnehmer üblicherweise für die täglichen Wege zwischen Wohnort und Arbeitsstätte auf sich nehmen will oder kann, deshalb bei weitem. Dies legt den Schluss nahe, dass der maßgebende Grund für den Bezug der neuen Wohnung in dem Wunsch des Klägers bestand, das ihm bereits seit dem Jahr 2005 gehörende frühere Elternhaus zu beziehen, und die damit verbundene Verkürzung der Entfernung zu dem neuen Einsatzflughafen nur eine willkommene Folgeerscheinung des privat motivierten Umzugs war. Wäre die Fahrzeitverkürzung der ausschlaggebende Grund für den Umzug gewesen, hätte es nahegelegen, dass die Kläger eine Wohnung bezogen hätten, die im Einzugsgebiet des neuen Einsatzflughafens gelegen hätte, so wie dies bei der alten Wohnung im Verhältnis zu dem vorherigen Einsatzflughafen der Fall war.

    Der Umstand, dass es sich bei dem Einsatzflughafen nicht um die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers handelt (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 2011 VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34 unter Aufgabe des gegenteiligen Rechtsstandpunkts in BFH-Urteil vom 5. August 2004 VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074) und dieser von ihm nicht arbeitstäglich, sondern nur etwa zwei- bis dreimal im Monat aufgesucht wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wegen der geringen Zahl der Fahrten fällt die verbleibende Entfernung zwischen Wohnort und Einsatzstelle für den Kläger zwar längst nicht so stark ins Gewicht wie für einen Arbeitnehmer, der diese Strecke arbeitstäglich zurückzulegen hat. Zugleich mindert dieser Umstand aber auch das Gewicht, das der mit dem Umzug verbundenen Verkürzung der Entfernung zwischen Wohnort und Einsatzstelle bei der Abwägung der beruflichen und privaten Gründe zukommt. Es ist dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt, dass Piloten bei der Anreise zum Einsatzflughafen Wegstrecken in Kauf nehmen, die ein Vielfaches der von anderen Arbeitnehmern üblicherweise zurückgelegten Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte betragen. Dies spricht dafür, dass die Entfernung zum Einsatzflughafen in diesen Fällen nicht den maßgeblichen Gesichtspunkt für die Wahl des Wohnorts darstellt.

    Die Klage ist daher abzuweisen. Die Kosten sind den Klägern aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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