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  • 23.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120861

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 24.11.2011 – 6 K 233/10

    1. Die Überlassung von qualifizierten Pflegekräften an Einrichtungen zur Betreuung und Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen stellt selbst keine Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG dar.


    2. Eng verbundene Leistungen i. S. d § 4 Nr. 16 UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL liegen vor, wenn diese tatsächlich als Nebenleistungen zu einer die Hauptleistung darstellenden Betreuungs- oder Pflegeleistung erbracht werden


    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin erbrachte Leistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfrei sind.
    Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründet. Gemäß § 2 dieses Vertrages ist der Gegenstand des Unternehmens die Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Die Gesellschaft ist berechtigt, alle hiermit in Zusammenhang stehenden Geschäfte vorzunehmen, soweit sie der Gesellschaft dienlich sind und keine rechtlichen Gründe dagegen stehen. Gesellschafter der Klägerin sind die Herren A und B.
    Im Streitjahr - wie auch seit ihrer Gründung - betrieb die Klägerin die Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich im Bereich der Altenpflege mit dem Schwerpunkt auf Behandlungspflege. Als Zeitarbeitsfirma verleiht sie bei ihr angestellte Pflegefachkräfte, bestehend aus Krankenpflegern und Krankenschwestern sowie Altenpflegern und Altenpflegerinnen, an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen i. S. v. § 4 Nr. 16 UStG. Die Arbeitnehmer der Klägerin sind organisatorisch in die jeweilige Pflegeeinrichtung eingegliedert. Sie führen die Pflegeleistungen im Auftrag dieser Einrichtung durch und sind insoweit weisungsgebunden. Die Dienst- und Fachaufsicht über die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer/-innen obliegt ebenfalls der betreffenden Pflegeeinrichtung.
    Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat September 2010 vom 18.10.2010 setzte der Beklagte die Umsatzsteuervorauszahlung für diesen Monat auf ... € fest. Er berücksichtigte dabei steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... €. Der Beklagte legte die von der Klägerin ermittelten Bruttoumsätze von ... € zu Grunde und errechnete die Nettoumsätze in Höhe von ... €.
    Mit Schreiben vom 08.11.2010 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Am 17.11.2010 hat die Klägerin Sprungklage erhoben. Am 16.12.2010 hat der Beklagte der Sprungklage zugestimmt. Am 10.02.2011 hat die Klägerin den Einspruch gegen den Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für September 2010 zurückgenommen.
    Mit Bescheid vom 12.10.2011 hat der Beklagte die Umsatzsteuer für 2010 auf ... € festgesetzt. Am 14.10.2011 hat die Klägerin hiergegen Einspruch eingelegt.
    Die Klägerin trägt vor: Sie befasse sich satzungsgemäß ausschließlich mit der Bereitstellung examinierter Pflegekräfte zur Betreuung von alten und kranken Menschen in sozialen Einrichtungen (ambulante Pflegeeinrichtungen/Krankenhäuser und Altenheime). Hierauf sei ihre Tätigkeit kraft ihres Gesellschaftsvertrages „beschränkt”. Sie, die Klägerin, sei als Zeitarbeitsfirma ausschließlich im Bereich der Alten- und Krankenpflege in Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG tätig; ihre Tätigkeit erfolge damit ausschließlich in staatlich anerkannten sozialen Einrichtungen, die sämtlich ihrerseits von der Umsatzsteuer befreit und somit nicht vorsteuerabzugsberechtigt seien. Die Befreiung dieser Einrichtungen beziehe sich auch auf deren Aufwendungen für Personal. Sie, die Klägerin, decke für diese Einrichtungen saisonale und strukturelle Personalengpässe bei der pflegerischen Betreuung von alten und kranken Menschen ab. Sie, die Klägerin, habe einen Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 16k UStG und Art. 132 Abs. 1 g) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Denn sie erbringe ihre Leistungen ausschließlich in Einrichtungen, in denen mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe sowie anderen öffentlichen Versorgungsträgern finanziell übernommen würden. § 4 Nr. 16 k UStG sei dahin auszulegen, dass es keineswegs nur um Einrichtungen gehe, die unmittelbar ihre Leistungen von den öffentlichen Versorgungsträgern erhielten. Das Gesetz spreche lediglich davon, dass die Vergütung letztlich von den öffentlichen Versorgungsträgern zu dem entsprechenden Prozentsatz getragen werden müsse. Dies sei vorliegend der Fall. Die öffentlichen Versorgungsträger erstatteten den unmittelbaren Einrichtungen auch die Personalkosten einschließlich derjenigen Kosten, die sie, die Klägerin, in Rechnung stelle. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es nicht Voraussetzung, dass die Vergütung unmittelbar zwischen Versorgungsträger und Klägerin erfolgen müsse; diese Vergütung könne auch mittelbar erfolgen. Diese Auslegung ergebe sich aus dem Eingangssatz zu § 4 Nr. 16 UStG, in welchem von „eng verbundenen Leistungen” die Rede sei und nicht etwa davon, dass diese unmittelbar von der Einrichtung gestellt werden müssten, die vertraglich mit dem Sozialhilfeträger direkt verbunden sei. Der Begriff „eng verbundenen Leistungen” unterscheide sich ausdrücklich von den Personen/Einrichtungen, die diese Leistungen erbrächten. Der Gesetzgeber habe ausschließlich auf die Leistungen als solche abgestellt, ohne bestimmte Gruppen der Leistungsempfänger von der Umsatzsteuerbefreiung ausschließen zu wollen. Sinn und Zweck der Neufassung von § 4 Nr. 16 UStG sei ausdrücklich der Wille des Gesetzgebers gewesen, die Sozialkassen weder unmittelbar noch mittelbar zusätzlich mit Umsatzsteuern zu belasten. Dieser gesetzliche Wille werde konterkariert, würde man ihr, der Klägerin, die beantragte Umsatzsteuerbefreiung versagen. Die Erbringung von Pflegedienstleistungen stelle zweifelsohne eine eng verbundene Leistung i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG dar. Es handele sich um den eigentlichen Kernbereich der Tätigkeit von Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Pflegeeinrichtungen. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass das Umsatzsteuerprivileg des § 4 Nr. 16k UStG nur demjenigen zustehe, der „direkt” von dem Sozialhilfeträger bezahlt werde. Nach der verbindlichen Mehrwertsteuersystemrichtlinie Art. 132 Abs. 1g) seien eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen bewirkt würden, zwingend von der Umsatzsteuer zu befreien. Diese Vorschrift verlange keine „unmittelbare” Verbindung von Lieferungen und Leistungen mit der jeweiligen Einrichtung. Eine enge Verbindung könne auch über andere Dienstleister - wie die Klägerin - hergestellt werden. Wie eng diese Verbindung sei, verdeutliche der Status des Leiharbeitnehmers: Der Entleiher nutze die Arbeitskraft des Arbeitnehmers, ohne dass arbeitsrechtliche Ansprüche daraus erwüchsen, da vertragliche Bindungen fehlten. Sei der Vertrag über die Arbeitnehmerüberlassung zwischen dem Verleiher und dem Entleiher jedoch unwirksam, führe dies dazu, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher durch gesetzliche Fiktion zu Stande gekommen sei (§ 10 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung - AÜG -). Eine Haftung des Entleihers bestehe für eventuell vom Verleiher nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge gegenüber den Sozialversicherungsträgern im Rahmen der „Subsidiärhaftung”. Das bedeute im vorliegenden Fall, dass die identischen von den Kostenträgern vergüteten Leistungen von einem Tag auf den anderen umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich verschieden behandelt würden.
    Es werde angeregt, den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
    Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid für 2010 über Umsatzsteuer vom 12.10.2011 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Umsatzsteuer für den Zeitraum ab 01.09.2010 in Höhe von ... € nebst entsprechender Vorsteuer herabgesetzt wird.
    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte trägt vor: Die Klage sei unzulässig, da zeitlich vor Klagerhebung Einspruch eingelegt worden sei und sich der außergerichtliche Rechtsbehelf und die Sprungklage gegenseitig ausschließen würden. Auch nach Rücknahme des Einspruchs handele es sich um ein abgeschlossenes Einspruchsverfahren und nicht um eine Klage ohne Vorverfahren i. S. d. § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
    Die Klage könne auch in der Sache keinen Erfolg haben. Die Klägerin umschreibe ihre Tätigkeit damit, dass sie „als Zeitarbeitsfirma ausschließlich im Bereich der Alten- und Krankenpflege in Einrichtungen im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG” tätig sei. Stelle man auf Leistungsbeziehungen ab, sei diese Beschreibung nicht zutreffend. Leistungsbeziehungen in Bezug auf Alten- und Krankenpflege bestünden weder zwischen der Klägerin und den zu pflegenden Personen bzw. deren Angehörigen noch zwischen der Klägerin und Sozialhilfeträgern bzw. Sozialversicherungsträgern. Die Tätigkeit der Klägerin bestehe vielmehr in der Suche, Anwerbung und Auswahl von Pflegekräften und daran anschließend in der Personalgestellung gegenüber Sozialstationen des ... oder des ... und ähnliche. Gegenstand der Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin und den „Pflegeeinrichtungen” sei damit die Arbeitsvermittlung/Arbeitnehmerüberlassung. Damit handele es sich grundsätzlich um nach § 1 Nr. 1 UStG steuerbare Umsätze. Die konkrete Betreuungstätigkeit, die die überlassenen Pflegekräfte erbrächten, werde der Sozialstation zugerechnet, da diese sich gegenüber der zu pflegenden/zu betreuenden Person zu dieser Leistung verpflichtet hätten und diese die Pflegekraft als „Erfüllungsgehilfen” einsetze. Damit erbringe die Klägerin keine Leistung in der Sozialstation oder sonstigen Pflegeeinrichtungen. § 4 Nr. 16 UStG stelle darauf ab, dass die eng verbundenen Leistungen durch die „Einrichtung” erbracht werde. Die Leistung „Arbeitnehmerüberlassung/Personalgestellung” der Klägerin werde daher nicht von der Umsatzsteuer befreit. Auch eine Verletzung der Mehrwertsteuerrichtlinie liege nicht vor. Eng verbundene Leistungen seien nach der Rechtsprechung des EuGH solche, die ihren Zweck nicht in sich selbst tragen, sondern die als Mittel dienten, um andere (Haupt-) Leistungen unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Auf den vorliegenden Fall übertragen seien also die die Pflegeleistungen „begleitende” Leistungen, die die Einrichtung neben ihrer Hauptleistung erbrächten, gemeint. Die an die Klägerin gezahlte Umsatzsteuer fließe zwar in die Kostenkalkulation der Einrichtungen der Altenpflege ein. Dies betreffe jedoch alle Leistungen, die diese Einrichtungen (umsatzsteuerpflichtig) von Dritten bezögen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können und habe die Ursache in der Entscheidung, Pflegekräfte teilweise über einen Dienstleister einzusetzen, statt sie als Arbeitnehmer zu beschäftigen. Entsprechend den Anweisungen des BMF in seinem Schreiben vom 20.07.2009 seien unter „eng verbundenen Umsätzen” solche Leistungen zu verstehen, die für die Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich seien, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen.
    Am 16.11.2011 hat ein Erörterungstermin stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
    Dem Gericht haben die Umsatzsteuerakten, die Akten Allgemeines und die Rechtsbehelfsakten, jeweils zur Steuernummer .../.../..., vorgelegen.
    Gründe
    Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
    I.
    Die Klage ist zulässig.
    1. 1. Die vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist am 17.11.2010 erhobene Klage ist auch ohne vollständig durchgeführtes Vorverfahren im Sinn des § 44 Abs. 1 FGO als Sprungklage zulässig. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Der Beklagte hat innerhalb dieser Frist am 16.12.2010 der vorzeitigen Klageerhebung zugestimmt. Der durch die Klägerin bereits vor Erhebung der Klage eingelegte Einspruch (§ 347 der Abgabenordnung - AO -) hat der zeitlich nachfolgenden Sprungklage nicht entgegengestanden. Denn eine nach Einlegung eines Einspruchs innerhalb der Klagefrist erhobene Sprungklage stellt sich als Umwandlung des Einspruchs in eine Klage dar (vgl. BFH Beschluss vom 28.08.1973 VII B 39/72, BFHE 110, 179, BStBl II 1973, 852; Urteile vom 11.12.1980 IV R 123/76, BFHE 132, 436, BStBl II 1981, 365; vom 04.09.1997 IV R 27/96, BStBl II 1998, 286). Einer ausdrücklichen Umwandlungserklärung bedarf es dafür nicht, es sei denn, dass der Kläger ausdrücklich erklärt, auch den Einspruch aufrechterhalten zu wollen. Im Streitfall jedoch hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2010 auf den richterlichen Hinweis vom 07.12.2010 mitgeteilt, dass das Einspruchsverfahren nicht aufrechterhalten werde.
    2. Streitgegenstand der ursprünglich gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat September 2010 erhobenen Klage ist der Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 12.10.2011.
    a) Gemäß § 68 FGO wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das gilt entsprechend im Fall einer Sprungklage mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Einspruchsentscheidung die Zustimmung des Finanzamts gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO tritt. Denn seinem Sinn und Zweck nach dient § 68 Abs. 1 FGO der Vereinfachung des finanzgerichtlichen Verfahrens und soll weitere Rechtsmittelverfahren gegen ändernde Bescheide ersparen, wenn diese keinen Einfluss auf die Streitpunkte des Verfahrens haben (vgl. FG München Urteil vom 14.01.2004 1 K 40/03, EFG 2004, 828; vom 23.02.2010 13 K 3272/07, EFG 2010, 1927; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, FGO § 68 Rdn. 16).
    b) Im Streitfall hat der Umsatzsteuerjahresbescheid für 2010 vom 12.10.2011 den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für September 2010 vom 18.10.2010, der Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen ist, ersetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH verlieren Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide durch den Umsatzsteuerjahresbescheid ihre Wirksamkeit; denn der Jahresbescheid nimmt die Vorauszahlungsbescheide in seinen Regelungsgehalt auf (vgl. BFH Urteil vom 19.05.2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671; BFH Beschlüsse vom 22.10.2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502; vom 16.12.2009 V B 23/08, BFH/NV 2010, 1866). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist deshalb nunmehr die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuerjahresbescheides für 2010. Der dagegen gerichtete Einspruch ist unzulässig (§ 68 Abs. 1 Satz 2 FGO).
    II.
    Die Klage ist jedoch unbegründet.
    Die Klägerin ist durch die Festsetzung der Umsatzsteuer 2010 auf ... € nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO. Insbesondere unterliegen die Umsätze der Klägerin aus der Arbeitnehmerüberlassung von qualifiziertem Pflegepersonal nicht der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG.
    1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei.
    a) Von den Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) sind nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei „die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von
    a) juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
    b) Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
    c) Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, § 72 oder § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht oder die Leistungen zur häuslichen Pflege oder zur Heimpflege erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit § 44 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
    d) Einrichtungen, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit den §§ 32 und 42 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
    e) Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 111 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
    f) Einrichtungen, die nach § 142 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
    g) Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als niedrigschwellige Betreuungsangebote nach § 45b des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
    h) Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 75 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
    i) Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 16 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 10 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte oder nach § 143e Abs. 4 Nr. 2 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch über die Gewährung von häuslicher Krankenpflege oder Haushaltshilfe, besteht,
    j) Einrichtungen, die aufgrund einer Landesrahmenempfehlung nach § 2 der Frühförderungsverordnung als fachlich geeignete interdisziplinäre Frühförderstellen anerkannt sind, oder
    k) Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind,
    erbracht werden. Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis k erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht.”
    Der Zweck der dieser Befreiungsvorschrift vorangegangenen Fassung lag nach der Gesetzesbegründung zum Umsatzsteuergesetz 1980 (BT-Drs. 8/1779, S. 27, 34) darin, zur Vereinheitlichung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Steuerbefreiungen bei der Umsatzsteuer entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - 6. EG-Richtlinie - die im Gesundheitsbereich tätigen Einrichtungen weitgehend von der Umsatzsteuer zu entlasten. Diese gemeinschaftsrechtliche Grundlage gilt auch für die Neufassung des § 4 Nr. 16 UStG durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794) fort, mit der die Regelungen der Steuerbefreiung von Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie der mit ihnen eng verbundenen Leistungen neu gefasst wurden. Die Steuerbefreiung erfolgt mit Wirkung vom 01.01.2009 - außer für Einrichtungen, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden (§ 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. a UStG) - in Anknüpfung an die sozialrechtliche Anerkennung der Einrichtung (§ 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b-k UStG). Mit dieser Neuregelung hat der nationale Gesetzgeber eine weitere Anpassung an die zugrunde liegenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorgenommen. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage der Neuregelung ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach befreien die Mitgliedstaaten „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden”.
    b) Im Streitfall betreibt die Klägerin keine Einrichtung zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG.
    aa) Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG wird ausschließlich für den Betrieb der in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten Einrichtungen gewährt. Die Betreuungs- und Pflegeleistungen sind nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei, wenn sie von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Satz 1 Buchst. a) oder von (privaten) Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b bis k UStG erbracht werden.
    bb) Dabei ist der in § 4 Nr. 16 UStG enthaltene Begriff „Einrichtung” von dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Einrichtung in Art. 132 MwStSystRL abgeleitet.
    (1) Neben juristischen Personen werden danach zwar auch natürliche Personen und Personengesellschaften mit Gewinnerzielungsabsicht erfasst. Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Steuerbefreiung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nicht ausdrücklich vom Fehlen des Gewinnstrebens abhängig gemacht (EuGH Urteil vom 26.05.2005 C-498/03 - Kingscrest Associates und Montecello -, UR 2005, 453, HFR 2005, 915; Hölzer in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 4 Nr. 16 Rdn. 17). Danach kommt auch die Klägerin als Personengesellschaft in der Rechtsform der OHG, die unzweifelhaft mit Gewinnerzielungsabsicht tätig ist, grundsätzlich als Einrichtung im Sinne der Befreiungsvorschrift in Betracht.
    (2) Der Klägerin fehlt es jedoch an einer Anerkennung i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG.
    Unter die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift fallen nur private Einrichtungen, die im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anerkannt sind. Zu unterscheiden ist dabei zwischen denjenigen Einrichtungen, die aufgrund von Sozialrecht, durch sozialrechtlichen Vertrag oder sozialrechtliche Vereinbarung (§ 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b bis j UStG) anerkannt sind, und denjenigen, deren Anerkennung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL darauf beruht, dass ihre Betreuungs- und Pflegeleistungen von bestimmten Trägern nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG vergütet werden (Hölzer in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 4 Nr. 16 Rdn. 21). Unstreitig handelt es sich bei der Klägerin nicht um eine nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b bis j UStG anerkannte Einrichtung. Die Klägerin betreibt mit der Überlassung von qualifizierten Pflegekräften an Einrichtungen im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG aber auch keine Einrichtung i. S. d. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG. Denn auch für die Erfüllung dieses Auffangtatbestandes ist es erforderlich, dass es sich um eine Einrichtung zur Betreuung und Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen handelt; nicht erforderlich ist lediglich, dass es sich um eine Einrichtung im Sinne der Buchstaben b bis j des § 4 Nr. 16 UStG handelt, die durch sozialrechtlichen Vertrag oder sozialrechtliche Vereinbarung anerkannt worden ist. Einrichtungen im Sinne des Buchst. k dieser Vorschrift erfordern eine durch die Zusammenfassung sachlicher und persönlicher Mittel abgegrenzte Einheit, die die Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringt. Die Tätigkeit der Klägerin dient zwar mittelbar der Erbringung von Betreuungs- und Pflegeleistungen i. S. des § 4 Nr. 16 UStG durch Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift, indem sie qualifiziertes Pflegepersonal an anerkannte Einrichtungen überlässt, die mit diesen von der Klägerin überlassenen Arbeitnehmer die geforderten Betreuungs- oder Pflegeleistungen erbringen. Die Klägerin selbst übt die für die Erfüllung des Befreiungstatbestandes erforderlichen Tätigkeiten jedoch nicht aus. Denn sie selbst hat im Streitjahr keine Einrichtung zur Erbringung von Betreuungs- oder Pflegeleistungen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftigen Personen unterhalten, die zu mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden wären.
    c) Die Klägerin kann sich schließlich nicht darauf berufen, mit der Arbeitnehmerüberlassung eng verbundene Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG ausgeführt zu haben. Nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. a bis k UStG sind Leistungen der anerkannten Einrichtungen zur Betreuung und Pflege als Hauptleistungen und die dazugehörigen Nebenleistungen („eng verbundene Leistungen”) steuerbefreit. Eng verbundene Leistungen liegen danach entsprechend der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 06.11.2003 C-45/01 - Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie -, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, HFR 2004, 70) vor, wenn diese tatsächlich als Nebenleistungen zu einer die Hauptleistung darstellenden Betreuungs- oder Pflegeleistungen erbracht werden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist deshalb, dass es sich sowohl bei den Haupt- als auch bei den dazugehörigen Nebenleistungen um Leistungen einer anerkannten Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift handelt. Diese Leistungen müssen gegenüber hilfsbedürftigen Personen erbracht und von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe vergütet werden (§ 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG). Im Streitfall erbringt die Klägerin jedoch keine Hauptleistung in Gestalt von Betreuungs- und Pflegeleistungen gegenüber körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftigen Personen, denen eine Nebenleistung zugeordnet werden könnte. Nicht die hilfsbedürftigen Personen sind Empfänger ihrer Leistungen, sondern die Einrichtungen, die die begünstigten Leistungen erbringen.
    d) Schließlich widerspricht eine Besteuerung der Umsätze der Klägerin mit dem vollen Umsatzsteuersatz entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht dem Sinn und Zweck des § 4 Nr. 16 UStG. Zwar dient diese Vorschrift dazu, die Leistungen der durch sie begünstigten, im Gesundheitsbereich tätigen Einrichtungen zum Wohle der Verbraucher, die soziale Dienstleistungen in Anspruch nehmen, weitgehend von der Umsatzsteuer zu entlasten. Entsprechend hat der EuGH (Urteil vom 26.05.2005 C-498/03 a. a. O.) entschieden, dass diese Befreiungen dadurch, dass sie für bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine günstigere Mehrwertsteuerbehandlung gewähren, darauf abzielen, die Kosten dieser Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, zugänglicher zu machen.
    Im Streitfall handelt es sich bei den streitigen Umsätzen der Klägerin um Vorumsätze der begünstigten Einrichtungen. Dass diese mit dem vollen Steuersatz belegt sind, führt zwar indirekt zu einer Verteuerung der begünstigten Umsätze der anerkannten Einrichtungen. Denn die Steuerbefreiung der Umsätze einer Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG hat zur Folge, dass die Einrichtung für Bezüge im Zusammenhang mit den ausgeführten Umsätzen kein Vorsteuerabzugsrecht hat (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Dies führt zu einer verdeckten Belastung der Kosten der Betreuungs- und Pflegeleistungen („taxe occulte”; Hölzer in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 4 Nr. 16 Rdn. 127). Diese jedoch ist systemimmanent und liegt außerhalb des Regelungsbereiches des § 4 Nr. 16 UStG bzw. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.
    III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 115 Abs. 2 FGO.

    VorschriftenUStG § 4 Nr.16, MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g

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