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  • 14.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112419

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 23.03.2011 – 2 K 1855/10

    Aufwendungen für die Anschaffung eines kontraststarken Fernsehgerätes stellen auch dann keine außergewöhnliche Belastung i.S. von § 33 EStG dar, wenn der Steuerpflichtige das Fernsehgerät aufgrund einer Sehkrafteinschränkung seiner Ehefrau erworben hat.


    Tatbestand
    Streitig ist, ob Aufwendungen für die Anschaffung eines kontraststarken Fernsehgerätes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
    Der Kläger wurde mit seiner Ehefrau im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide Eheleute erzielten Renteneinkünfte, der Kläger erzielte außerdem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
    Mit ihrer am 16. Februar 2010 beim beklagten Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für 2009 machten die Eheleute u.a. „nichterstattete Krankheitskosten“ i.H. von 3.937,00 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Betrag setzte sich zusammen aus Fahrtkosten i.H. von 448,00 € sowie Krankheitskosten i.H. von 3.489,00 €, von denen ein Teilbetrag i.H. von 653,31 € auf die Anschaffung eines Fernsehgerätes entfiel. Der Einkommensteuererklärung beigefügt war eine Erläuterung des Klägers, wonach seine Ehefrau an einer Macula-Degeneration des rechten Auges leide. Die Sehkraft des linken Auges sei ebenfalls stark eingeschränkt. Durch die Sehkrafteinschränkung sei Fernsehen nur mit einem kontraststarken Fernseher möglich. Die Neuanschaffung eines entsprechenden Fernsehgerätes sei daher unumgänglich gewesen (Bl. 15 d. ESt-Akte).
    Im Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 25. März 2010 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nur i.H. von 3.284,00 € d.h. ohne den für die Anschaffung des Fernsehers aufgewendeten Betrag. Den nach § 33 EStG abziehbaren Betrag errechnete er aufgrund einer zumutbaren Belastung i.H. von 1.436,00 € (5% des Gesamtbetrags der Einkünfte i.H. von 28.724,00 €) mit 1.848,00 €.
    Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28. März 2010 - beim Beklagten am 29. März 2010 eingegangen - Einspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen nochmals ausführte, seine Ehefrau leide an einer Macula-Degeneration des rechten Auges, welche mit zunehmendem Alter zwangsläufig zur Erblindung führe, und zudem an einer sehr starken Sehkrafteinschränkung des linken Auges. Die Neuanschaffung eines kontraststarken Fernsehgerätes sei daher unumgänglich gewesen.
    Mit Einkommensteuerbescheid vom 28. Mai 2010 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung wegen eines hier nicht streitbefangenen Punktes. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2010 als unbegründet zurück, wobei er vor allem darauf verwies, der Kläger habe den Nachweis der Zwangsläufigkeit nicht durch ein vor dem Kauf erstelltes amtsärztliches Attest geführt. Außerdem liege keine wirtschaftliche Belastung i.S. von § 33 Abs. 1 EStG vor, wenn durch die Aufwendungen - wie im Streitfall - ein Gegenwert geschaffen worden sei.
    Hiergegen hat der Kläger am 02. Juli 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorträgt, der Nachweis der Zwangsläufigkeit der für die Anschaffung des Fernsehgerätes entstandenen Aufwendungen durch ein amtsärztliches Attest sei nicht erforderlich, da es sich nicht um ein direktes medizinisches Hilfsmittel handele. Die Anschaffung eines kontraststarken Fernsehers sei aufgrund der Augenerkrankung seiner Ehefrau unumgänglich gewesen. Die Zwangsläufigkeit stehe also außer Frage. Im Übrigen sei er auch erst nach der Anschaffung von einem Finanzbeamten auf die Notwendigkeit eines amtsärztlichen Attestes aufmerksam gemacht worden. Gegebenenfalls sei zu prüfen, ob ein nachträgliches amts- oder vertrauensärztliches Attest sinnvoll wäre.
    Die Gegenwerttheorie dürfe keine Anwendung finden, da der Fernseher im Prinzip nur für seine Ehefrau notwendig und nur aufgrund ihrer Erkrankung angeschafft worden sei. Da aber auch er selbst von dem Kauf einen untergeordneten Nutzen habe, sei zu prüfen, inwieweit eine prozentuale Aufteilung der Kosten infrage komme. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH greife nicht, da nicht erstmals ein Fernseher, sondern ein neues, höherwertiges Gerät zwingend notwendig gewesen sei.
    Der Klagebegründung beigefügt war ein Augenfachärztlicher Befund des Dr. med. P. vom 18. Juni 2010 (vgl. Bl. 5 - 11 d. PA), wonach die Ehefrau des Klägers an einer „Feuchten altersabhängigen Makula-Degeneration“ leide und die Sehschärfe rechts 0,4 und links 0,2 betrage. Lt. einer weiteren Augenfachärztlichen Bescheinigung des Dr. med. P. vom 04. November 2010 (vgl. Bl. 24 d. PA) beträgt das Sehvermögen der Ehefrau des Klägers auf dem rechten Auge 0,3 und auf dem linken Auge 0,16. Frau M. habe dadurch eine Visusminderung von ca. 80%. Wegen der Einzelheiten wird auf den Augenfachärztlichen Befund vom 18. Juni 2010 sowie die Augenfachärztliche Bescheinigung vom 04. November 2010 verwiesen.
    Der Kläger beantragt sinngemäß und schriftsätzlich,
    den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 28. Mai 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass ein weiterer Betrag i.H. von 653,00 € als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt wird.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2010 und trägt ergänzend vor, bei Hilfsmitteln im weiteren Sinne, die - wie z.B. ein kontraststarkes Fernsehgerät - teilweise auch von gesunden Steuerpflichtigen aus Gründen der Vorsorge oder zur Steigerung des Lebensstandards gekauft würden, könne auf einen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Anschaffung durch die Vorlage eines qualifizierten Attests nicht verzichtet werden. Die Notwendigkeit der Anschaffung solcher Hilfsmittel, die nicht ausschließlich von Kranken angeschafft würden, sei durch die Vorlage eines vor dem Kauf erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Attests nachzuweisen. Der vom Kläger eingereichte Augenfachärztliche Befund des Dr. med. P. stelle kein solches amts- oder vertrauensärztliches Attest dar, zudem werde dort zur Notwendigkeit der Anschaffung eines entsprechenden Fernsehers keine Aussage getroffen.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Steuerakten verwiesen.
    Gründe
    Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 90 Abs. 2 FGO), ist unbegründet. Der Beklagte hat die Aufwendungen des Klägers für die Anschaffung des Fernsehgerätes zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt.
    1. Gemäß § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (vgl. BFH, Urteil vom 11. November 2010, VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503 unter Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 29. September 1989, III R 129/86, BStBl II 1990, 418).
    2. Aufwendungen für die Anschaffung eines Fernsehgeräts können nicht i.d. Sinne als außergewöhnlich angesehen werden. Ein Fernsehgerät gehört zu den typischen Einrichtungsgegenständen eines modernen Haushalts. Die Kosten für seine Anschaffung rechnen deshalb zu den üblichen Kosten der Lebensführung, die grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen erwachsen.
    Daran ändert der Umstand nichts, dass es sich bei dem im Streitfall erworbenen Fernseher um ein besonders kontraststarkes Modell handeln soll. Denn wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist, stellen besonders kontraststarke Fernseher keine eigene Kategorie von Fernsehgeräten dar. Vielmehr ist die Kontraststärke ein gängiges Qualitätsmerkmal eines Fernsehgerätes.
    Eine außergewöhnliche Belastung i.S. von § 33 Abs. 1 EStG stellen die streitgegenständlichen Aufwendungen auch nicht deshalb dar, weil sie - wie der Kläger behauptet - infolge der Sehkrafteinschränkung seiner Ehefrau notwendig wurden. Dies mag für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen von Bedeutung sein, ändert aber nichts daran, dass dem Kläger durch die Anschaffung des Fernsehgerätes keine größeren Aufwendungen entstanden sind als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen (vgl. z.B. auch BFH, Urteil vom 21. August 1974, VI R 237/71, BStBl II 1974, 745 zu mit Rücksicht auf eine krankheitsbedingte Behinderung der Ehefrau des Steuerpflichtigen übernommenen Aufwendungen für die Anschaffung, Installation und den Betrieb einer Geschirrspülmaschine).
    3. Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen außerdem zu Recht deshalb nicht berücksichtigt, weil der Kläger für seine Aufwendungen einen Gegenwert erlangt hat.
    Von einer Belastung i.S. von § 33 EStG kann nicht gesprochen werden, wenn Teile des Einkommens für die Anschaffung solcher Gegenstände verwendet werden, die von bleibendem oder zumindest länger andauerndem Wert und Nutzen sind und demnach einen in einer gewissen Marktfähigkeit zum Ausdruck kommenden Verkehrswert besitzen (vgl. BFH, Urteil vom 29. November 1991, III R 74/87, BStBl II 1992, 290). Dies gilt auch für Gegenstände, die unmittelbar der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, wenn sie nicht auf die speziellen Bedürfnisse des Steuerpflichtigen zugeschnitten sind, sondern auch für andere Personen von Wert sein können (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 04. März 1983, VI R 189/79, BStBl II 1983, 378).
    So liegen die Dinge hier. Bei dem angeschafften Fernseher handelt es sich - anders als z.B. bei einer Brille oder einer Prothese - um einen typischen Gegenstand der Lebensführung, der grundsätzlich für jeden Steuerpflichtigen von Nutzen sein kann und dementsprechend marktgängig ist.
    Soweit der BFH von der Anwendung der sog. Gegenwertlehre beim Verlust von Gegenständen des lebensnotwendigen Bedarfs infolge eines unabwendbaren Ereignisses (z.B. Brand) oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Wohnens unter dem Gesichtspunkt des verlorenen Aufwands abgesehen und eine Belastung i.S. von § 33 Abs. 1 EStG angenommen hat, soweit Werte endgültig abgeflossen sind (vgl. BFH, Urteil vom 23. Mai 2002, III R 52/99, BStBl II 2002, 592), liegen die Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Denn die Sehkrafteinschränkung der Ehefrau des Klägers stellt kein unabwendbares Ereignis i.d. Sinne dar. Im Übrigen hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, inwieweit ihm durch den Austausch seines alten Fernsehgerätes ein Vermögensverlust entstanden sein könnte.
    Die streitgegenständlichen Aufwendungen stehen auch - anders als z.B. Aufwendungen für den Bau einer Rollstuhlrampe in einem Einfamilienhaus wegen einer Gehbehinderung des Steuerpflichtigen - nicht so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 22. Oktober 2009, VI R 7/09, BStBl II 2010, 304). Vielmehr liegt es auch unter den im Streitfall gegebenen Umständen noch in der Entscheidungsfreiheit des Steuerpflichtigen, sich ein (neues) Fernsehgerät anzuschaffen oder von dieser - nicht existenznotwendigen - Anschaffung abzusehen.
    4. Ob das beklagte Finanzamt als Nachweis der medizinischen Indikation der Anschaffung des Fernsehgeräts zu Recht die Vorlage eines vor dem Kauf erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Attests verlangt hat - im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des BFH (vgl. BFH, Urteil vom 11. November 2010, VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503) könnten hieran Zweifel bestehen - bedarf keiner näheren Prüfung. Denn die Klage konnte schon aus den unter Ziff. 2 und 3 dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 33

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